Die Antragsgegnerin wird vorläufig verpflichtet, den Antragsteller ab dem 22.10.2020 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens S 2 KR 1063/21 in der Krankenversicherung der Rentner nebst Pflegeversicherung zu versichern und ihm eine Versichertenkarte auszuhändigen.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Eilverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Versicherungspflicht in der KVdR aufgrund des Bezugs einer Witwenrente.
Der am 00.00.1938 geborene Antragsteller selbst ist unstreitig als ehemals selbständiger Maler bisher privat kranken- und pflegeversichert. Seine Ehefrau war Mitglied der KVdR.
Am 03.10.2020 verstarb seine Ehefrau. Am 22.10.2020 beantragte der Antragsteller die Witwenrente einschließlich der Mitgliedschaft zur KVdR aus dem Versicherungskonto der verstorbenen Ehefrau.
Mit Bescheid vom 20.01.2021 lehnte die Antragsgegnerin die Versicherung in der KVdR ab. Es fehle an der 9/10-Belegung der zweiten Hälfte des Erwerbslebens.
Dagegen erhob der Antragsteller Widerspruch. Er verwies auf den klaren Wortlaut des § 5 Abs.2 Satz 2 SGB V, wonach hinsichtlich der KVdR nach § 5 Abs.1 Nr.11 SGB V die Voraussetzungen bei Personen, die ihren Rentenanspruch aus der Versicherung einer anderen Person ableiten, als erfüllt gelten, wenn die andere Person die Voraussetzungen erfülle. Dies sei bei ihm aufgrund der Mitgliedschaft der verstorbenen Ehefrau zur KVdR eindeutig der Fall. Es liege auch keine Ausnahme nach § 6 Abs.3a Satz 2 SGB V vor. Er sei in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalls der Witwenrente nicht versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nach § 5 Abs.5 SGB V nicht versicherungspflichtig gewesen. Insbesondere sei die selbständige Tätigkeit längst aufgegeben und das Gewerbe abgemeldet. Ferner wies er auf die Entscheidung des LSG Hessen vom 24.10.2019 zum Aktenzeichen L 8 KR 206/18 hin. Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids Bezug genommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2021 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Der genannten Entscheidung des LSG Hessen könne nicht gefolgt werden. Dieses berücksichtige nur den Wortlaut und nicht die gesetzgeberische Intention. § 6 Abs.3a SGB V wolle eine klare Abgrenzung zwischen der GKV und der PKV vornehmen. Es komme für die Frage der Vorversicherungszeit auf das eigene Erwerbsleben des Antragstellers an. Dabei sei er in den letzten fünf Jahren seines Erwerbslebens privat versichert gewesen.
Mit der dagegen erhobenen Klage, die unter dem Aktenzeichen S 2 KR 1063/21 geführt wird, verfolgt der Antragsteller sein Anliegen weiter.
Der Antragsteller begehrt nun parallel einstweiligen Rechtsschutz. Er verweist auf die Monat für Monat anfallenden erheblichen Kosten der privaten Versicherung. Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt des Eilantrags Bezug genommen.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die KVdR ab Antragstellung einschließlich der Pflegeversicherung einzutragen und dem Antragsteller eine Versichertenkarte auszustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Eilantrag abzulehnen.
Zur Begründung trägt sie vor, es fehle an der besonderen Eilbedürftigkeit. Für die Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 21.06.2021 Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 8. Auflage, § 86 b Rdnrn. 27 und 29 m. w. N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05). Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., Rdnrn. 16 b, 16 c, 40).
Der Antragsteller ist nach summarischer Prüfung im einstweiligen Rechtsschutz ohne weitere Beweisaufnahme versicherungspflichtig in der KVdR. Da der Anspruch offensichtlich gegeben ist, sind keine gesteigerten Anforderungen an den Anordnungsgrund, also die Eilbedürftigkeit zu stellen. Dem Antragsteller entstehen monatliche Mehrkosten durch die private Vorsorge, die er zur angemessenen Absicherung aufrechterhalten muss.
Versicherungspflichtig sind gemäß § 5 Abs.1 Nr.11 SGB V Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert waren. Die Beitragsbemessung erfolgt dann privilegiert nach § 237 SGB V (lediglich) aus 1. dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. dem Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen und 3. dem Arbeitseinkommen.
Der nach Absatz 1 Nr. 11 erforderlichen Mitgliedszeit steht gemäß § 5 Abs.2 SGB V bis zum 31. Dezember 1988 die Zeit der Ehe mit einem Mitglied gleich, wenn die mit dem Mitglied verheiratete Person nicht mehr als nur geringfügig beschäftigt oder geringfügig selbständig tätig war. Bei Personen, die ihren Rentenanspruch aus der Versicherung einer anderen Person ableiten, gelten die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 11 oder 12 als erfüllt, wenn die andere Person diese Voraussetzungen erfüllt hatte.
Der klare Wortlaut des § 5 Abs.2 S.2 SGB V ist erfüllt. Die verstorbene Ehefrau des Antragstellers war Mitglied der KVdR.
Ein Fall der Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs.3a SGB V liegt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht vor.
Personen, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig werden, sind gemäß § 6 Abs.3a SGB V versicherungsfrei, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert waren. Weitere Voraussetzung ist, dass diese Personen mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nach § 5 Abs. 5 nicht versicherungspflichtig waren. Der Voraussetzung nach Satz 2 stehen die Ehe oder die Lebenspartnerschaft mit einer in Satz 2 genannten Person gleich. Satz 1 gilt nicht für Personen, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 versicherungspflichtig sind.
In den letzten fünf Jahren vor dem Tod der Ehefrau war der Antragsteller selbst Rentner. Seine selbstständige Tätigkeit war beendet, das Gewerbe war abgemeldet. Die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, wonach der Vorversicherungszeitraum sich nach dem eigenen Erwerbsleben des Antragstellers richten solle, findet keinerlei Ansatzpunkt im Gesetz. Sie steht eher im Widerspruch zu dem Grundgedanken, des abgeleiteten Versicherungsschutzes aus § 5 Abs.2 S.2 SGB V. Wenn es die Intention des Gesetzgebers gewesen sei sollte, etwas anderes zu regeln, so hätte er eine entsprechende Regelung treffen mögen. Im Übrigen wollte der Gesetzgeber auch das Kriterium der Versicherungsfreiheit im maßgeblichen Prüfzeitraum berücksichtigt wissen, wie das LSG Hessen in seinem Urteil vom 24.10.2019 zum Aktenzeichen L 8 KR 206/18 bereits dargelegt hat.
Die versicherungspflichtigen Mitglieder der Krankenkasse sind nach § 20 SGB XI zugleich versicherungspflichtig in der Pflegekasse.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.