S 29 KR 3031/20

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
29
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 29 KR 3031/20
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Vergütung des Erinnerungsführers für das Gutachten vom 30.09.2021 wird auf 2.013,48 Euro festgesetzt.

 

Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

 

I.

 

In dem anhängigen Hauptsacheverfahren streiten die Beteiligten (eine gesetzliche Krankenkasse und ein zugelassenes Krankenhaus) über die Frage, ob die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten (ATK) bei einem Versicherten im Rahmen einer stationären Behandlung medizinisch notwendig war oder ob auch Pool-Thrombozytenkonzentrate (PTK) ausreichend gewesen wären. Streitgegenstand ist eine Forderung in Höhe von 777,39 Euro.

 

Durch Beschluss vom 30.04.2021 wurde der Erinnerungsführer zum Sachverständigen in dem hiesigen Klageverfahren bestellt. In den an ihn versandten Merkblättern fand sich unter anderem der Hinweis, dass der Sachverständige rechtzeitig darauf hinweisen müsse, wenn durch seine Beauftragung voraussichtlich Kosten erwachsen, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes stehen oder einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen.

 

Am 30.09.2021 erstellte der Erinnerungsführer sein Gutachten nach Aktenlage.

 

Mit einer am 04.10.2021 bei Gericht eingegangenen Rechnung vom 30.09.2021 machte der Erinnerungsführer eine Sachverständigenvergütung in Höhe von 2.013,48 Euro geltend, wobei er die Honorargruppe M 3 (Stundenvergütung 120,00 Euro) zu Grunde legte. Er führte konkret folgende Positionen auf:

 

Art der Leistung

Stunden

Kosten in Euro

Zeitaufwand für Aktenstudium (2 Stunden), Ausarbeitung des Gutachtens (9,5 Stunden), Diktat und Korrektur (2 Stunden)

13,5

1620,00

Seitensätze 36 à 2,00 Euro

 

72,00

Mehrwertsteuer 19 %

 

321,48

Gesamtkosten in Euro

 

2.013,48

 

Unter dem 18.10.2021 bat der Kostenbeamte des Sozialgerichts das Gericht um Festsetzung der Sachverständigenvergütung von Amts wegen. Mit einem Schreiben vom 28.10.2021 teilte dieses dem Erinnerungsführer und –gegner mit, dass gemäß § 8a Abs. 3 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) eine Festsetzung der Honorarvergütung nach billigem Ermessen erfolgen werde, weil die geltend gemachte Sachverständigenvergütung erheblich außer Verhältnis zur Streitforderung stehe.

 

In einem Schreiben vom 23.11.2021 hat der Erinnerungsführer sinngemäß die richterliche Festsetzung seines Honorars beantragt und darauf hingewiesen, dass es für ihn als „Nicht-Jurist“ schwierig sei, festzulegen, wann die Kosten „erkennbar außer Verhältnis“ zum Streitwert stehen würden, da es hierzu verschiedene Rechtsauffassungen geben würde.

 

Der Erinnerungsgegner hat mit Schreiben vom 15.12.2021 erklärt, dass er ebenfalls die richterliche Festsetzung der Sachverständigenvergütung beantrage. Es solle ein Betrag festgesetzt werden, der der Hälfte des Streitwerts entspricht. Denn bei einer Überschreitung des Kostenvorschusses um mehr als 20 % werde die Vergütung für das Gutachten auf den eigentlichen Kostenvorschuss beschränkt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt das Gericht Bezug auf die Gerichtsakten. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der Entscheidung.

 

        

II.

 

Die Vergütung des Erinnerungsführers für sein Gutachten vom 30.09.2021 ist auf einen Betrag in Höhe von 2.013,48 Euro  festzusetzen.

 

Die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss ist erforderlich, da sowohl die Beteiligten dies beantragen, als auch das Gericht diese für angemessen hält, §§ 1 Abs.1 S.1 Nr.1, 4 Abs.1 S.1, S.3 Nr.1 JVEG.

 

Dieser Vergütung des Erinnerungsführers steht § 8a Abs. 3 JVEG nicht entgegen, wenngleich dieser die ihm obliegende Hinweispflicht im Sinne des § 407a Abs. 4 S. 2 ZPO objektiv verletzt hat. Diese Norm bestimmt: „Steht die geltend gemachte Vergütung erheblich außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstands und hat der Berechtigte nicht rechtzeitig nach § 407a Absatz 4 Satz 2 der Zivilprozessordnung auf diesen Umstand hingewiesen, bestimmt das Gericht nach Anhörung der Beteiligten nach billigem Ermessen eine Vergütung, die in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Streitgegenstands steht.“ Der Streitgegenstand beläuft sich hier auf 777,39 Euro. Die geltend gemachte Honorarforderung in Höhe von 2013,48 Euro steht dazu erheblich außer Verhältnis. Eine Unverhältnismäßigkeit in vermögensrechtlichen Streitigkeiten liegt nämlich jedenfalls dann vor, wenn die Sachverständigenkosten den Streitwert erreichen oder übersteigen (Binz, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 5. Aufl. 2021, JVEG § 8a Rn. 19). Auf die Überschreitung der Klageforderung hat der Erinnerungsführer nicht vorab aufmerksam gemacht. Über diese Hinweispflicht wurde er in den vom Gericht mit übersandten Merkblättern ausdrücklich in Kenntnis gesetzt.

 

Nach billigem Ermessen ist die Sachverständigenvergütung auf 2.013,48 Euro festzusetzen. Dabei hat sich das Gericht von folgenden Erwägungen leiten lassen:

 

Es handelt sich vorliegend aufgrund der komplexen Thematik um ein anspruchsvolles Gutachten, welches ohne weiteres die Zugrundelegung von 13,5 Stunden Zeitaufwand rechtfertigt.

 

Auch die Auswahl der Honorargruppe M 3 (120,00 Euro pro Stunde) ist vorliegend ausnahmsweise gerechtfertigt. Die Zuordnung zu einer Honorargruppe bestimmt sich nach der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG, in der die einzelnen Honorargruppen näher definiert sind. M 2 wird wie folgt definiert: Beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad. In die Honorargruppe M 3 gehören dagegen Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtungen spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen). Die Voraussetzungen für die Zuordnung zur Honorargruppe M 3 liegen hier vor, weil die zu beurteilenden Beweisfragen, die medizinisch hochumstritten sind, einen hohen Schwierigkeitsgrad aufwiesen.

 

Der für die Schreibgebühren angesetzte Betrag in Höhe von 72,00 Euro wird unter Bezugnahme auf die Regelung des § 12 Abs.1 Nr.3 JVEG anerkannt.

 

Wenngleich die Honorarforderung des Erinnerungsführers erheblich außer Verhältnis zur Klageforderung steht, hält das Gericht eine Kürzung des Sachverständigenhonorars vorliegend nicht für gerechtfertigt. Das Gericht ist der Auffassung, dass vorliegend auch ohne Kürzung den gesetzgeberischen Wertungen des § 8a Abs. 3 JVEG Genüge getan ist.

 

Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

 

§ 8a Abs.3 JVEG und § 407a Abs.4 S.2 ZPO dienen dem Schutz der Beteiligten vor unwirtschaftlich hohen Gutachterkosten. In den nach § 197a Abs.1 S.1 1. Alt. SGG gerichtskostenpflichtigen Verfahren vor den Sozialgerichten sind diese Wertungen trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes anwendbar, da auch hier ein grundsätzliches Schutzbedürfnis der Beteiligten besteht (vgl. Landessozialgericht (LSG) Thüringen, Beschl. v. 08.11.2018, L 1 SF 145/18 B, juris). Ein Hinweis des Sachverständigen gibt den Beteiligten insoweit die Möglichkeit, sich gütlich zu einigen und somit von der Beweisaufnahme abzusehen. Es ergibt sich hingegen kein Anhaltpunkt dafür, dass der Gesetzgeber darüber hinaus auch ein „pönales Element“ einführen wollte (Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe, Beschl. v. 10.04.2017, 13 W 25/17, juris). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Vergütung des Sachverständigen auch dann gekürzt werden soll, wenn die mögliche Verletzung einer Anzeigepflicht gemäß § 407a Abs.3 S.2 ZPO die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten nicht berührt.

 

Das Gericht konnte es dabei dahinstehen lassen, ob generell in sozialrechtlichen Streitigkeiten zwischen einer gesetzlichen Krankenkasse einerseits und einem Krankenhaus andererseits davon auszugehen ist, dass die (ordnungsgemäß nach dem JVEG) begehrte Vergütung in einem angemessen Verhältnis zum Streitwert steht, da diese Beteiligten vielfach als Beteiligte entsprechende Abrechnungsstreitigkeiten vor den Sozialgerichten führen und Kenntnis von der Amtsermittlungspflicht sowie der Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens und der Höhe der entsprechenden Kosten haben (so LSG Thüringen, Beschl. v. 08.11.2018, a.a.O.).

 

Denn jedenfalls ist im vorliegenden Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten durch das Unterlassen der Anzeige des Sachverständigen nicht berührt sind. Denn es ist anzunehmen, dass der Gutachtenauftrag auch bei Vorliegen einer solchen fortgeführt worden wäre und dass die Höhe der Sachverständigenvergütung für die Beteiligten nicht überraschend ist.

 

Bei der vorliegenden rechtlich und medizinisch komplexen Grundsatzfrage handelt es sich um eine in zahlreichen vor dem Sozialgericht E mit häufig zwischen denselben Beteiligten geführte Rechtsstreitigkeit, in denen häufig um vergleichsweise geringe Vergütungsansprüche gestritten wird. Es ist – wenngleich es in dem dieser Festsetzung zugrundeliegende Verfahren nicht nochmals im Vorfeld der Beweisaufnahme angeregt wurde - gerichtsbekannt, dass die derartigen Verfahren häufig nicht durch gütliche Einigung beendet werden, sondern streitig fortgeführt werden sollen. Es ist darüber hinaus auch den Beteiligten bewusst, dass die Gutachterkosten in diesen Streitigkeiten regelmäßig in einem erheblichen Missverhältnis zum Streitwert stehen, sodass mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass auch bei einer vorherigen Mitteilung des Sachverständigen darüber, dass die Kosten des Gutachtens erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstands stehen, die Beteiligten an einer streitigen Entscheidung festgehalten hätten. 

 

Das Gericht konnte bereits deshalb die Vergütung nicht anhand einer prozentualen Überschreitung des Kostenvorschusses ermitteln, da ein solcher vorliegend nicht geleistet wurde. Darüber hinaus entspricht eine Kürzung des Sachverständigenhonorars – wie dargelegt – vorliegend nicht dem billigen Ermessen.

 

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Rechtskraft
Aus
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