L 14 AS 1563/21 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 53 AS 6511/21 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AS 1563/21 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

hat der 14. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg am 9. Februar 2022 durch die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht Hoffmann, den Richter am Landessozialgericht Hökendorf und die Richterin am Sozialgericht Dr. Schulze beschlossen:

 

 

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozial­gerichts Berlin vom 20. Dezember 2021 abgeändert, soweit mit ihm der Antragsgegner verpflichtet wurde, den Antragstellern vorläufig für die Zeit vom 1. Januar 2022 bis 28. Februar 2022 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zur Deckung der Regelbedarfe zu gewähren. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird auch insoweit abgelehnt.

 

Die Beschwerde der Antragsteller wird zurückgewiesen.

 

Der Antragsgegner hat den Antragstellern die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das erstinstanzliche Verfahren – insoweit unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung – lediglich zu 12,5 % zu erstatten. Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

 

 

 

Gründe

 

I.

Die Beteiligten streiten im Wege der einstweiligen Anordnung über einen Anspruch der Antragsteller auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

 

Der 1985 geborene Antragsteller zu 1. und die 1986 geborene Antragstellerin zu 2. heirateten am 2. Oktober 2020 in Rumänien. Nach ihren – insoweit wechselnden – Angaben sind sie zwischen dem 20. und 22. Oktober 2020 gemeinsam mit ihren Kindern, den 2008, 2010, 2011, 2013, 2015 und 2019 geborenen Antragstellern zu 3. bis 8., nach Deutschland eingereist. Sie alle sind rumänische Staatsangehörige. Nach ihren Angaben verfügen die Antragsteller zu 1. und 2. über keinen Schul- bzw. Berufsabschluss und können weder lesen noch schreiben. Der deutschen Sprache sind sie nicht mächtig. Die Antragsteller zu 3. bis 7. besuchen seit ihrer Ankunft in Deutschland keine Schule. Die Antragstellerin zu 2. geht keiner Beschäftigung nach und sucht eine solche auch nicht. Der Antragsteller zu 1. war in Rumänien zuvor als Tagelöhner tätig.

 

Mit Datum vom 31. Oktober 2020 schloss der Antragsteller zu 1. mit der Fa. „. Gebäudemanagement“, Inhaberin Frau D F, einen Arbeitsvertrag als Bauhelfer beginnend bereits ab 5. Oktober 2020. Zur Tätigkeit und zu ihrer Been­digung hat der Antragsteller im Erörterungstermin am 18. Januar 2022 angegeben, dass er Treppen gefegt habe. Nach etwa eineinhalb Monaten habe der Arbeitgeber ihn rausgeworfen.

 

Ab 2. November 2020 war der Antragsteller zu 1. bei der Techniker Krankenkasse (TK) kranken- und pflegeversichert. Ebenfalls seit dem 2. November 2020 waren die Antragsteller zu Lasten des Beigeladenen nach dem Allgemeinen Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz - ASOG Bln) in verschiedenen Wohnheimen untergebracht. Derzeit wohnen die Antragsteller in einem Wohnheim in der Kstraße  in  B.

 

Mit Schreiben vom 18. November 2020 bestätigte die Pbank dem Antragsteller zu 1. die Eröffnung eines Girokontos.

 

Bereits am 2. November 2020 beantragten die Antragsteller bei dem Antragsgegner erstmals Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 10. Februar 2021 versagte der Antragsgegner den Antragstellern die begehrten Leistungen ab 1. Novem­ber 2020, da sie ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen seien. Trotz Aufforderung seien diverse Unterlagen bisher nicht eingereicht worden.

 

Am 4. März 2021 schloss der Antragsteller zu 1. mit der Fa. „D BAU“, Inhaber Herr R  B, einen Arbeitsvertrag als Bauhelfer beginnend ab 4. März 2021. Die regelmäßige Arbeitszeit sollte acht bis zehn Wochenstunden be­tragen und der Arbeitnehmer einen Stundenlohn in Höhe von 12,85 EUR jeweils am Monatsende in bar erhalten. Für den Monat März 2021 bescheinigte R   dem Antragsteller zu 1. einen Bruttolohn in Höhe von 514,00 EUR bzw. 389,42 EUR netto. Eine Quittung über 389,42 EUR datiert vom 5. April 2021. Für den Monat April 2021 bescheinigte R   dem Antragsteller zu 1. einen Bruttolohn in Höhe von 578,25 EUR bzw. 434,34 EUR netto. Eine Quittung über 434,34 EUR „Gehalt für Monat April 2021“ wurde eingereicht. Für Mai 2021 waren es 514,00 EUR brutto bzw. 393,76 EUR netto. Eine Quittung über 393,76 EUR „Gehalt für Monat Mai 2021“ datiert vom 2. Juni 2021.

 

Am 10. März 2021 beantragten die Antragsteller Leistungen nach dem SGB II bei dem Jobcenter Berlin Tempelhof-Schöneberg. Mit Bescheid vom 12. Mai 2021 nahm der Antragsgegner den Versagungsbescheid vom 10. Februar 2021 zurück und lehnte den Antrag „vom 11.11.2021“ für die Zeit vom „02.11.2021 (Einreise in Deutschland) bis 03.03.2021“ ab. Der Antragsteller zu 1. habe keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, weil er ein Aufenthaltsrecht in Deutschland allein zum Zwecke der Arbeitsuche habe. Hiergegen legten die Antragsteller am 14. Juni 2021 Widerspruch ein. Sie hätten einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Insbesondere seien sie nicht gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II ausgeschlossen. Der Antragsteller zu 1. sei seit dem 4. März 2021 bei der Fa. D  beschäftigt. Er besitze ein Aufenthalts­recht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/EU). Mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 2021 wies der Antragsgegner diesen Widerspruch als unbe­gründet zurück.

 

Am 11. Juni 2021 beantragten die Antragsteller bei dem Beigeladenen Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Die Frage, wann sie in ihr Heimatland zurückkehren wollen, beantworteten sie mit „nein“. Dieser Antrag ist bisher nicht beschieden. Bereits zuvor beantragten die Antragsteller bei der Bundesagentur für Arbeit (BA), Familienkasse Berlin-Brandenburg, Kindergeld. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 13. Juli 2021 abgelehnt.

 

Am 21. Juni 2021 beantragten sie bei dem Sozialgericht (SG) Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung (Aktenzeichen S 53 AS 4011/21 ER). Mit Beschluss vom 29. Juli 2021 verpflichtete das SG den Antragsgegner, den Antragstellern vorläufig für die Zeit vom 21. Juni 2021 bis 31. Oktober 2021, längstens jedoch bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, Leistungen nach dem SGB II zur Deckung der Regelbedarfe in Höhe von 463,00 EUR für Juni 2021, 1.408,40 EUR für Juli 2021 und in Höhe von monatlich 1.423,40 EUR für August bis Oktober 2021 zu gewähren. Sie hätten glaubhaft gemacht, dass sie hilfebedürftig seien. Einem Leistungsanspruch stehe nicht mit hinreichender Gewissheit die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entgegen. Der Antragsteller zu 1. sei nach vorläufiger Einschätzung als Arbeitnehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 FreizügG/EU anzusehen.

 

Am 1. September 2021 beantragten die Antragsteller bei dem Antragsgegner die Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II. Der Antragsgegner hatte vom 12. Juli 2021 bis 2. September 2021 eine umfangreiche Prüfung bei der Fa. „D “ mit insgesamt 15 Kontakten bzw. Kontaktversuchen vorgenommen. Nach dem Prüf-Ermittlungsbericht vom 3. September 2021 reichte Herr B trotz mehrfacher Nach­fragen keine Firmenunterlagen ein. Vereinbarte Treffen auf Baustellen sagte er kurz­fristig ab. Es gab weder ein Büro noch einen Firmensitz oder Lagerräume. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 332 ff. der Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen.

 

Daraufhin erließ der Antragsgegner am 14. September 2021 einen Ablehnungs­bescheid. Der Antragsteller zu 1. habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, weil er ein Aufenthaltsrecht in Deutschland allein zum Zwecke der Arbeitsuche habe. Er sei am 2. November 2020 erstmalig in Deutschland einge­reist, halte sich somit noch keine fünf Jahre rechtmäßig in Deutschland auf. Daher habe er auch kein Daueraufenthaltsrecht. Nach dem vorgelegten Arbeitsvertrag sei er ab 4. März 2021 bei der Fa. „D “ beschäftigt. Es handele sich nicht um ein tat­sächliches echtes Arbeitsverhältnis. Der genannte Arbeitgeber trete nicht werbend am Markt auf. Der Antragsteller zu 1. verfüge über ein Bankkonto, werde jedoch trotzdem in bar entlohnt. Gegen ein echtes Arbeitsverhältnis spräche zudem, dass der Arbeits­vertrag mit der Fa. „D “ Inhaber R  geschlossen worden sei, die vor­gelegte Meldung zur Sozialversicherung sich aber auf R   beziehe. Auch die Adressdaten im Firmenstempel und Angaben im Arbeitsvertrag stimmten nicht überein. Aufgrund der Unstimmigkeiten zu dem Arbeitgeber seien umfangreiche Ermittlungen durch den Außendienst vorgenommen worden. Unter der im Arbeits­vertrag genannten Anschrift sei der Firmensitz nicht vorgefunden worden. Es sei mit­geteilt worden, dass die Fa. aktuell kein Büro und keinen neuen Firmensitz habe. Es seien keinerlei Betriebsunterlagen vorgelegt worden. Selbst wenn das Arbeitsverhält­nis ein tatsächliches und echtes wäre, wäre diese Tätigkeit eine unerhebliche und untergeordnete, mit der der Antragsteller zu 1. nicht in einer Weise am Wirtschafts­leben teilnehme, die ein Aufenthaltsrecht für ihn und seine Familie begründe. Hier­gegen legten die Antragsteller am 24. September 2021 Widerspruch ein. Das Arbeitsverhältnis sei bei der Sozialversicherung angemeldet. Mit Widerspruchs­bescheid vom 19. November 2021 wies der Antragsgegner auch diesen Widerspruch als unbegründet zurück. Dagegen erhoben die Antragsteller Klage vor dem Sozialgericht Berlin zum Aktenzeichen S 53 AS 7018/21.

 

Bereits am 16. September 2021 beantragten die Antragsteller bei dem Antragsgegner die Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II. Am selben Tag gingen bei dem Antragsgegner Gehaltsabrechnungen von R  , G­promenade ,  B, für den Antragsteller zu 1. für die Monate Juli und August 2021 ein. Aus der Abrechnung für August 2021 ergibt sich der Austritt zum 31. August. 2021. Die Lohnabrechnungen weisen die AOK Nordost als Krankenkasse des Antragstellers zu 1. aus. Diese teilte mit Schreiben vom 16. September 2021 mit, dass der Antragsteller zu 1. Mitglied der TK sei. Die Meldung zur AOK sei storniert worden. Beiträge vom Arbeitgeber R   seien bei der AOK nicht nachgewiesen worden. Am 8. November 2021 ging bei dem Antragsgegner ein Kündigungsschreiben der Fa. „D “ „Inh. R  Inh. R . Ustr.  Sstrasse   B“ ein, wonach das Arbeitsverhältnis des Antragstellers zu 1. zum 31. August 2021 endete.

 

Am 29. Oktober 2021 haben die Antragsteller bei dem SG erneut einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Sie haben beantragt, den Antrags­gegner zu verpflichten, ihnen Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ab sofort vorläufig zu gewähren. Der Antragsteller zu 1. sei Arbeitnehmer und seit März 2021 abhängig beschäftigt. Die Antragsteller könnten ihren Lebensbedarf nicht decken. Auch ein Minijob begründe ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer. Es wurden Abrechnungen der Brutto-Netto-Bezüge für März bis August 2021 und (zum Teil erneut) Quittungen mit dem Stempel der Fa. „D “ u. a. „LOH JUNI 21“ vom 5. Juli 2021 über 389,42 EUR eingereicht.

 

Am 11. November 2021 hat die BA, Agentur für Arbeit Pankow, dem Antragsteller zu 1. in Bezug auf die Beschäftigung „von: 03.03.2021 bis: 31.08.2021 bei: D “ unfrei­willige Arbeitslosigkeit bescheinigt. Grundlage für diese Entscheidung sei allein das Kündigungsschreiben gewesen, so die spätere Auskunft gegenüber dem Gericht vom 21. Januar 2022. Unter dem 15. November 2021 wurde dem Antragsteller zu 1. durch „D “ bestätigt, in der Zeit von März 2021 bis August 2021 auf diversen Bauvorhaben gearbeitet zu haben. Eine Unterschrift oder einen Firmenstempel trägt dieses Schreiben nicht.

 

Mit Bescheid vom 19. November 2021 hat der Antragsgegner die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II erneut abgelehnt.

 

Die TK hat mit Schreiben vom 2. Dezember 2021 mitgeteilt, dass sie die Anmeldung des Beschäftigungsbeginns zum 4. März 2021 aufgrund eines Clearing-Verfahrens von der AOK Nordost übermittelt bekommen habe. Eine Abmeldung zum 31. Au­gust 2021 liege der AOK nicht vor. Die Beschäftigung bei der Fa. Herr R   sei bisher die einzige Beschäftigung. Sie als TK habe bisher keine Beitrags-Nachweise vom Arbeitgeber erhalten. Dieser habe auf Anforderungen der Über­mittlung der An- und Abmeldung nicht reagiert.

 

Am 3. Dezember 2021 hat der Antragsteller zu 1. einen Arbeitsvertrag als Helfer mit der Fa. „G Dienstleistungen “ (im Folgenden „G“) geschlossen. Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt danach 43 Monatsstunden bei einem Stundenlohn von 11,11 EUR. Geschäftsführer der Firma ist nach dem vom Gericht eingeholten Handelsregisterauszug vom 21. Januar 2022 D .

 

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2021 hat das SG das Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf von Berlin, zu dem hiesigen Verfahren beige­laden. Mit weiterem Beschluss vom 20. Dezember 2021 hat das SG den Antrags­gegner verpflichtet, den Antragstellern vorläufig für die Zeit vom 20. Dezember 2021 bis 28. Februar 2022, längstens jedoch bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, Leistungen nach dem SGB II zur Deckung der Regelbedarfe in Höhe von 630,19 EUR für Dezember 2021, 1.590,79 EUR für Januar 2022 und 1.600,80 EUR für Februar 2022 zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag zurück­gewiesen. Derzeit könne mit der Gewissheit, die für eine Entscheidung in der Hauptsache notwendig sei, nicht entschieden werden, dass hier der vom Antrags­gegner angenommene Leistungsausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greife. Bei dieser Sachlage sei eine Folgenabwägung vorzunehmen. Die Antragsteller hätten glaubhaft gemacht, dass sie hilfebedürftig seien. Der Antragsteller zu 1. sei infolge seines Arbeitsvertrags bei der Fa. D  nach vorläufiger Einschätzung als Arbeitnehmer i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU anzusehen gewesen. Aus dem zuletzt eingereichten Arbeitsvertrag vom 3. Dezember 2021 folge nicht die vorläufige Annahme eines erneuten Arbeitnehmerstatus, denn dieser biete schon keinen Anhaltspunkt dafür, dass ein Arbeitsverhältnis begründet worden sein könnte. Das folge daraus, dass in dem eingereichten Schriftstück schon keine – vertretend – handelnde Person für den Arbeitgeber ersichtlich sei. Die Antragsteller hätten für die Zeit ab dem 20. Dezember 2021 einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Um der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen zu wirken, sei hier ein Abschlag von 15 % des Regelbedarfes der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu bilden. Ihnen sei zuzumuten, das zur Verfügung stehende Einkommen vollständig – ohne Absetz­beträge – bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache einzusetzen. Für den Antragsteller zu 1. werde dabei von einem prognostisch zur Verfügung stehenden Einkommen ab Dezember 2021 in Höhe von monatlich 450,00 EUR netto aus­gegangen. Im Übrigen seien täglich mit Ausnahme jeweils samstags und sonntags 10,00 EUR Einnahmen aus Pfanderlösen bei der Antragstellerin zu 2. anzusetzen.

 

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 20. Dezem­ber 2021 bei dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingegangenen Beschwerde. Der Beschluss sei rechtswidrig, da die Antragsteller nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen seien. Der Antragsteller zu 1. habe entgegen der Auffassung des SG keinen Arbeitnehmerstatus erworben, mit dem er für sich und seine Familie ein Aufenthaltsrecht begründen könnte. Fortwirkung liege ebenfalls nicht vor. Jedenfalls aber sei die Berufung auf seinen Arbeitnehmer­status rechtsmissbräuchlich. Daraus folge, dass der Sachverhalt so zu behandeln sei, als bestünde kein Arbeitnehmerstatus, und dass damit dem Antragsteller zu 1. ein Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU zu versagen sei. Hinsichtlich seines Arbeitsvertrags mit der Fa. Dari Bau seien Unstimmigkeiten aufgetreten. Beiträge bei der AOK Nordost seien nicht nachgewiesen worden. Der Antragsteller zu 1. wolle in Teilzeit zwei bis drei Stunden täglich gearbeitet haben. In der Bau­branche seien Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse jedoch absolut unüblich. Auch sei er offensichtlich nicht zur Berufsgenossenschaft angemeldet gewesen. Der angebliche Arbeitgeber trete mit seinem Unternehmen nicht werbend am Markt auf. Auch stimmten Name und Adressdaten im Arbeitsvertrag und Firmenstempel nicht überein. Der angebliche Arbeitgeber habe weder Aufträge noch Baustellen nachweisen können. Auch habe er nicht darlegen können, wann der Antragsteller zu 1. wo und wie lange gearbeitet habe. Er unterhalte keine Betriebsräume und kein Lager. Eine tat­sächliche Beschäftigung des Antragstellers zu 1. habe nicht stattgefunden. Nach der Gesamtwürdigung der Umstände sei der Abschluss der Arbeitsverträge rechtsmiss­bräuchlich allein zur Erlangung eines unbedingten Aufenthaltsrechts erfolgt, damit der Bezug von Leistungen nach dem SGB II ermöglicht sei. Der Antragsteller zu 1. habe in seinem Heimatstaat nie gearbeitet. Er verfüge über keinen Berufs- und keinen Schulabschluss. Er habe keine deutschen Sprachkenntnisse. Damit bestünden für ihn keinerlei Aussichten, auf dem deutschen Arbeitsmarkt in einer Weise Fuß zu fassen, die es ihm ermöglichten, den Lebensunterhalt der Familie wenigstens zu einem be­achtlichen Teil sicherzustellen. Das Gleiche gelte für die Antragstellerin zu 2., die nicht einmal im Ansatz Bemühungen nachgewiesen habe, eine Arbeit zu finden. Andere Aufenthaltsrechte seien nicht ersichtlich. Ergänzend führt der Antragsgegner aus, dass die bislang behaupteten Arbeitsverhältnisse keine echten, tatsächlichen Arbeitsver­hältnisse, sondern reine Scheinarbeitsverhältnisse gewesen seien. Mit Blick auf die Arbeitsverträge mit G und F liege eine an den Ausgang des einstweiligen Verfahrens angepasste Verhaltensweise nahe. Die Meldung zur Sozialversicherung sei erst am 13. Januar 2022 erfolgt, nachdem die Ladung zum Termin bereits bekannt gewesen sei. Ungeachtet einer Arbeitnehmereigenschaft liege hier Rechtsmiss­bräuchlichkeit vor, da die Antragsteller weder fähig noch willens seien, sich nachhaltig auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren. Der behauptete Arbeitsumfang entspräche gerade dem, was als Mindeststandard für das Vorliegen einer Arbeit­nehmereigenschaft vorausgesetzt werde, um Sozialleistungen in Anspruch nehmen zu können. Dies sei indes nicht Ziel des Freizügigkeitsrechts.

 

Mit nicht als Ausführungsbescheid gekennzeichnetem Bescheid vom 22. Dezem­ber 2021 hat der Antragsgegner den Antragstellern auf ihren Antrag vom 16. Septem­ber 2021 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom „01.“ Dezember 2021 bis 31. Dezember 2021 in Höhe von insgesamt 630,10 EUR bewilligt.

 

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer beantragt,

 

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. Dezember 2021 aufzuheben, soweit er ihn einstweilen verpflichtet, den Antragstellern vorläufig für die Zeit vom 1. Januar 2022 bis 28. Februar 2022, längstens jedoch bis zu einer bestands­kräftigen Entscheidung in der Hauptsache, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zur Deckung der Regelbedarfe zu gewähren, und den Antrag der Antragsteller auf einstweiligen Rechtsschutz auch insoweit abzulehnen

sowie

die Vollstreckung der einstweiligen Anordnung aus dem Beschluss S 53 AS 6511/21 ER hinsichtlich des Zeitraumes vom 15. Februar 2022 bis 28. Feb­ruar 2022 insgesamt auszusetzen und, soweit der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung vom 20. Dezember 2021 diesbezüglich abgelehnt wurde, den Beschluss vom 29. Dezember 2021 in Anwendung von § 199 Abs. 2 S. 3 SGG aufzuheben.

 

Die Antragsteller haben mit Schriftsatz vom 5. Januar 2022 ebenfalls (sinngemäß) Beschwerde eingelegt.

 

Die Antragsteller und Beschwerdegegner beantragen nunmehr,

 

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. Dezember 2021 abzuändern und den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen vorläufig weitere Leistungen nach dem SGB II für Dezember 2021 in Höhe von weiteren 94,00 EUR, für Januar 2022 in Höhe von weiteren 412,00 EUR und für Februar 2022 in Höhe weiteren 650,00 EUR zu gewähren.

 

Es werde weder Kindergeld noch Elterngeld bezogen. Die Antragstellerin zu 2. sammle keine Flaschen mehr. Der Antragsteller zu 1. habe zwischenzeitlich einen neuen Arbeitgeber gehabt. Diesbezüglich ist auf den zugleich beigebrachten Arbeitsvertrag mit der „F  “ verwiesen worden, dessen Geschäftsführer ebenfalls D  ist. Der Antragsteller zu 1. habe gearbeitet. Dass der Arbeit­geber F ein Betrüger sei, könne nicht zu Lasten der Antragsteller gehen. Es habe sich um ein tatsächliches Beschäftigungsverhältnis gehandelt. Daraus müsse sich ein Aufenthaltsrecht des Antragstellers ergeben. Außerdem seien die Art. 1, 7 und 24 der Charta der Grundrechte der EU zu beachten.

 

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

 

Er trägt vor, dass der vorrangige Leistungsanspruch des Jobcenters noch nicht end­gültig geklärt sei. Das SG habe festgestellt, dass nach § 2 Abs. 3 S. 2 FreizügG/EU das Recht aus § 2 Abs. 1 FreizügG/EU während der Dauer von sechs Monaten bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit unbe­rührt bleibe. Durch die BA sei dem Antragsteller zu 1. die entsprechende Bescheini­gung ausgestellt worden. Dementsprechend könnte ein bis 28. Februar 2022 fort­wirkender Arbeitnehmerstatus bestehen. Das Vorliegen der durch den Antragsteller zu 1. behaupteten Arbeitsverhältnisse stelle sich aber als sehr zweifelhaft dar. Das von ihm angegebene Motiv seiner Einreise nach Deutschland sei nicht glaubhaft gemacht worden. Nach seinen Angaben habe er lediglich einen sehr geringen Verdienst. Dennoch nutze er seine freie Zeit nicht, um sich um weitere Arbeit zu bemühen. Auch Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 S. 3 SGB XII kämen vorliegend nicht in Betracht. Aus der dortigen Formulierung, dass diese „bis zur Ausreise“ gewährt werden, und aus dem Zweck dieser Leistungen folge, dass die Ausreise vom Be­troffenen auch beabsichtigt sein müsse, also ein Ausreisewille oder wenigstens eine Ausreisebereitschaft bestehe. In jedem Fall sei ein kommunizierter Nichtausreisewille – wie im hiesigen Fall – mit dem Gesetzeszweck nicht vereinbar. Ein Härtefall im Sinne von (i. S. v.) § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII liege nicht vor. Schließlich beziehe sich das von den Antragstellern zitierte Urteil nur auf Unionsbürger, welche tatsächlich über ein materielles Aufenthaltsrecht verfügten.

 

Mit Schreiben des Senats vom 4. Januar 2022 sind die Antragsteller um umgehende Einreichung der angekündigten Unterlagen zum aktuellen Arbeitsverhältnis des An­tragstellers zu 1. gebeten worden. Daraufhin hat der Bevollmächtigte am 5. Januar 2022 mitgeteilt, dass der Arbeitsvertrag mit „G“ nicht zustande gekommen sei. Außerdem hat er einen weiteren Arbeitsvertrag des Antragstellers zu 1. vom 3. Dezember 2021 mit der Fa. „F  “ eingereicht. Danach stellt der Arbeitgeber den Antragsteller ab 3. Dezember 2021 befristet bis 3. März 2022 als Helfer ein. Die regelmäßige Arbeitszeit soll „wöchentlich 43 MonatsStunden“ bei 11,11 EUR brutto pro Stunde betragen. Gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 des Arbeitsvertrags wird die Vergütung jeweils zum Monatsende fällig. Nach § 4 Abs. 2 S. 2 verpflichtet sich der Arbeitnehmer, ein Konto für den Eingang des Gehalts einzurichten. Ein Konto des Antragstellers zu 1. ist nicht benannt. Der Antragsgegner hat daraufhin seinen Außendienst zu der im Arbeitsvertrag genannten Anschrift, Dstraße ,  Berlin, geschickt. Nach dem Protokoll des Außendienstes vom 4. Januar 2022 ist trotz intensiver Suche eine Fa. „F  “ auf dem Gelände nicht auffindbar gewesen.

 

Am 18. Januar 2022 hat ein Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit Beweis­aufnahme stattgefunden. In diesem hat der Antragsteller zu 1. eine von dem trotz Ladung nicht erschienenen Zeugen D  unterschriebene Quittung, einen „Korrekturausruck, Dezember 2021“, der erneut eine Versicherung des Antragstellers bei der AOK Nordost ausweist, und den Ausdruck einer Meldebescheinigung zur Sozialversicherung jeweils vom 13. Januar 2022 eingereicht. In einem weiteren Termin am 1. Februar 2022 hat der Antragsteller eine von dem trotz Ladung erneut nicht erschienenen Zeugen F unterschriebene Kündigung der Fa. „F  “ mit Datum vom 15. Dezember 2021 eingereicht. Der Bevollmächtigte der Antragsteller hat bestätigt, dass diese Firma unter der in der Kündigung genannten Anschrift Dstraße  nicht auffindbar und dass die Telefonnummer nicht aktiv sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschriften verwiesen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den der vom Gericht beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners und des Beigeladenen Bezug genommen. Diese haben der Ent­scheidung des Senats zugrunde gelegen.

 

 

II.

 

Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichts­gesetz (SGG) zulässig und begründet. Die Beschwerde der Antragsteller ist hingegen unbegründet.

 

Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies ist der Fall, wenn das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds nach summarischer Prüfung überwiegend wahrscheinlich ist. Dazu sind gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit (i. V. m.) § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der geltend gemachte materielle Rechtsanspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (Anordnungsanspruch), als auch das Vorliegen eines Grundes, aus dem die Anordnung so dringlich ist, dass dieser An­spruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache geregelt werden muss (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Ein Anordnungsanspruch im Sinne des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ist nur gegeben, wenn nach summarischer Prüfung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass den Antragstellern ein Rechts­anspruch auf die begehrten Leistungen zusteht und sie deshalb im Hauptsache­verfahren mit ihrem Begehren Erfolg hätten. Ein Anordnungsgrund im Sinne der Eil­bedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung liegt vor, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle Interessenlage der betroffenen Antragsteller unzumutbar erscheinen lässt, sie zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf eine Entscheidung in der Hauptsache zu verweisen. Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, ebenso schwerwiegenden Gründen nötig erscheint. Dazu müssen Tatsachen vorliegen bzw. glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass der Eintritt des wesentlichen Nachteils im Sinne einer konkreten und objektiven Gefahr unmittelbar bevorsteht (Keller, in: Meyer-Lade­wig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 86b Rn. 27 f.). Dabei ist eine Tat­sache dann als glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. § 294 ZPO).

 

Ist das Gericht infolge der vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht in der Lage, die Wahrscheinlichkeit der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu beurteilen, so ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Bei einem derart offenen Ausgang sind die Folgen, die entstünden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung nicht erließe, sich in der Hauptsache jedoch herausstellt, dass der geltend gemachte An­spruch besteht, mit denjenigen Folgen abzuwägen, die entstünden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung erließe, sich aber in der Hauptsache herausstellt, dass der Anspruch nicht besteht (Keller, a. a. O., § 86b Rn. 29a). Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr zu beseitigen wären, darf sich das Gericht nur dann an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist in solchen Fällen anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend in die Abwägung einzustellen. Denn die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), Beschl. v. 06.02.2007 - 1 BvR 3101/06, Rn. 18; BVerfG, Beschl. v. 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, Rn. 26 – hier und im Folgenden zitiert nach juris).

 

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist lediglich der Beschwerde des Antragsgegners stattzugeben gewesen. Den Antragstellern hingegen steht weder der ausdrücklich gel­tend gemachten Anspruch gegen den Antragsgegner auf Leistungen nach dem SGB II zu, noch haben sie einen Anspruch gegen den Beigeladenen auf Leistungen nach dem SGB XII.

 

1. Zwar erfüllen die Antragsteller zu 1. und 2. die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 SGB II. Sie haben das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht, sind erwerbsfähig i. S. v. § 8 SGB II und hilfebedürftig. Ins­besondere können sie ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen – für dessen Vorhandensein es keine Anhaltspunkte gibt – sichern und erhalten die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, §§ 9 Abs. 1, 11 ff. SGB II. Auch gehören die Antragsteller zu 3. bis 8. gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II als minderjährige Kinder zur Bedarfsgemeinschaft, da auch insoweit keine Anhaltspunkte für eigenes, vollständig bedarfsdeckendes Einkommen oder Vermögen bestehen.

 

Die Antragsteller sind indes von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Von Leistungen nach diesem Buch sind gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ausgenommen Ausländerinnen und Ausländer, a) die kein Aufenthaltsrecht haben oder b) deren Auf­enthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familien­angehörigen. So liegt es hier. Das Aufenthaltsrecht des Antragstellers zu 1. hat sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergeben (§ 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU). Auf eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II erfasst ist, oder ein Aufenthalts­recht nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG), das eine Ausnahme von dem Leis­tungsausschluss zu rechtfertigen vermag, kann er sich nicht berufen. So scheitert ein Daueraufenthaltsrecht gemäß §§ 2 Abs. 2 Nr. 7, 4a FreizügG/EU daran, dass die Antragsteller erst im Oktober 2020 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind, sich also noch nicht seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben. Auch ein sonstiges (abgeleitetes) Aufenthaltsrecht ist nicht ersichtlich.

 

Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist sowohl verfassungs­gemäß (vgl. BSG, Urt. v. 12.05.2021 - B 4 AS 34/20 R, Rn. 30 – hier und im Folgenden jeweils zitiert nach juris; BSG, Urt. v. 12.09.2018 - B 14 AS 18/17 R, Rn. 28 m. w. N.; BSG, Urt. v. 09.08.2018 - B 14 AS 32/17 R, Rn. 23; BSG, Urt. v. 20.01.2016 - B 14 AS 35/15 R, Rn. 32) als auch europarechtskonform (vgl. BSG, Urt. v. 12.05.2021 - B 4 AS 34/20 R, Rn. 29; BSG, Urt. v. 12.09.2018 - B 14 AS 18/17 R, Rn. 27; BSG, Urt. v. 09.08.2018 - B 14 AS 32/17 R, Rn. 21 m. w. N.; BSG, Urt. v. 20.01.2016 - B 14 AS 35/15 R, Rn. 31; BSG, Urt. v. 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, Rn. 35; Europäischer Gerichtshof (EUGH), Urt. v. 15.09.2015 - C-67/14 („Alimanovic“), Rn. 63, zum Aus­schluss vom Bezug bestimmter „besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen“ – hier und im Folgenden jeweils zitiert nach juris). Art. 1 des Europäischen Fürsorge­abkommens (EFA) steht dem nicht entgegen, weil Rumänien kein Unterzeichnerstaat dieses Abkommens ist.

 

Eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer oder Selbstständiger nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 FreizügG/EU scheidet derzeit mangels dahingehender Aktivitäten des Antragstellers zu 1. aus. Der Antragsteller zu 1. übt zurzeit nach Vorliegen der Kündigung zum 31. Dezember 2021 nach eigenen Angaben seit dem 5. Januar 2022 aktuell keine Beschäftigung aus.

 

Zur Überzeugung des Senats nach abschließender und nicht lediglich summarischer Prüfung liegt auch keine Fortwirkung des Status als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 3 S. 2 FreizügG/EU vor. Die Berufung auf eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer stellt sich zudem als rechtsmissbräuchlich dar und lässt den Leistungsausschluss deshalb nicht entfallen.

 

Der Begriff des Arbeitnehmers ist unionsrechtlich zu bestimmen und darf nicht eng ausgelegt werden. Arbeitnehmer i. S. v. Art. 45 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeits­weise der Europäischen Union (AEUV) ist jeder, der eine tatsächliche und echte Tätig­keit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen (vgl. BSG, Urt. v. 12.05.2021 - B 4 AS 34/20 R, Rn. 18; BSG, Urt. v. 27.01.2021 - B 14 AS 25/20 R, Rn. 19 m. w. N.; BSG, Urt. v. 27.01.2021 - B 14 AS 42/19 R, Rn. 17 m. w. N.; BSG, Urt. v. 12.09.2018 - B 14 AS 18/17 R, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 04.02.2010 - C-14/09 („Genc“), Rn. 19 m. w. N.). Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (BSG, Urt. v. 12.05.2021 - B 4 AS 34/20 R, Rn. 18; EuGH, Urt. v. 04.02.2010 - C-14/09 („Genc“), Rn. 19 m. w. N.). Weder die begrenzte Höhe der Vergütung noch die Herkunft der Mittel für diese Vergütung oder der Umstand, dass der Betreffende die Vergütung durch andere Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts wie eine aus öffentlichen Mitteln des Wohnmitgliedsstaats gezahlte finanzielle Unterstützung zu ergänzen sucht, haben irgendeine Auswirkung auf die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Unionsrechts (EuGH, Urt. v. 04.02.2010 - C-14/09 („Genc“), Rn. 20 m. w. N.). Zwar kann der Umstand, dass eine Person im Rahmen eines Arbeitsverhält­nisses nur sehr wenige Arbeitsstunden leistet, ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die ausgeübte Tätigkeit nur untergeordnet und unwesentlich ist. Doch schließen die begrenzte Höhe des aus einer Berufstätigkeit bezogenen Entgelts und der begrenzte Umfang der insoweit aufgewendeten Arbeitszeit es nicht aus, dass die Tätigkeit auf­grund einer Gesamtbewertung des betreffenden Arbeitsverhältnisses als tatsächlich und echt angesehen und dem Beschäftigten die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von Art. 45 AEUV zuerkannt werden kann (vgl. BSG, Urt. v. 27.01.2021 - B 14 AS 25/20 R, Rn. 20; BSG, Urt. v. 27.01.2021 - B 14 AS 42/19 R, Rn. 18; BSG, Urt. v. 12.09.2018 - B 14 AS 18/17 R, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 04.02.2010 - C-14/09 („Genc“), Rn. 26 unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 26.02.1992 - C357/89 („Raulin“), Slg. 1992, I1027, Rn. 14).

 

Mangels echtem und tatsächlichem Arbeitsverhältnis liegt jedoch kein fortwirkendes Aufenthaltsrecht aufgrund der Tätigkeit bei „D “ vor. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Antragsteller zu 1. den Arbeitsvertrag mit der Fa. „D “ oder „D “ am 4. März 2021 nur zum Schein abgeschlossen hat, um einen Arbeitnehmerstatus zu begründen und aufgrund dessen gerade nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen zu sein. Die behauptete Tätigkeit des Antragstellers zu 1. für die genannte Firma als Arbeitnehmer ist nicht feststellbar.

 

Zunächst einmal ist nicht feststellbar, dass die Firma D  in dem Zeitraum, für den der Antragsteller sich hierauf beruft, überhaupt eine Tätigkeit entfaltet hat. Der Senat stützt sich hierfür auf das Ergebnis der Ermittlungen des Außendienstes des Antragsgegners, wie sie in dessen entsprechendem Protokoll vom 3. September 2021 niedergelegt sind. Hierin sind über den Zeitraum vom 12. Juli 2021 bis 2. September 2021 15 Kontakte bzw. Kontaktversuche mit Herrn B dokumentiert, der zunächst vereinbarte Termine nicht einhielt und insgesamt letztlich auch auf wiederholtes Nachfragen keine einzige Baustelle benennen konnte, auf der man eine Firmen­aktivität hätte überprüfen können. An Herrn B gerichtete Ladungen des Gerichts für eine Zeugenaussage in den Erörterungsterminen waren unter den drei Anschriften, die sich aus den seitens des Antragstellers zu 1. vorgelegten Unterlagen ergaben, nicht zustellbar. Zwar hat (wohl) Herr B dem Antragsteller zu 1. unter dem 15. November 2021 bestätigt, in der Zeit von März 2021 bis August 2021 „bei uns“ auf diversen Bauvorhaben gearbeitet zu haben. Allerdings trägt dieses Schreiben weder eine Unterschrift noch einen Firmenstempel. Auch sind im Rahmen der Firmen­überprüfung durch den Außendienst des Antragsgegners keine Stundenzettel vor­gelegt worden. Aus dem Prüf-Ermittlungsbericht vom 3. September 2021 ergibt sich zudem, dass Büro- oder Lagerräume nicht vorhanden gewesen sind. Zudem hat es zwar durch R  , Gpromenade ,  B, eine An­meldung des Antragstellers zur AOK Nordost gegeben. Diese ist jedoch storniert worden. Auch haben bisher weder die AOK noch die TK Beiträge vom vermeintlichen Arbeitgeber erhalten. Auf Anforderungen der TK zur Übermittlung der An- und Abmeldung hat Herr B ebenfalls nicht reagiert.

 

Auch aufgrund der Angaben des Antragstellers zu 1. in dessen mehrstündiger Be­fragung in den Erörterungsterminen vom 18. Januar und 1. Februar 2022 ließ sich nicht feststellen, dass dieser tatsächlich die behauptete Tätigkeit für die Firma des Herrn B ausgeübt hat. Er hat zwar angegeben, als Bauhelfer wochentäglich zwei, höchstens zweieinhalb Stunden tätig gewesen zu sein, dies immer zur selben Uhrzeit morgens von 8 bis 10 Uhr. Er habe aufgesammelt, was man vom Dach geworfen habe und dies in Tonnen geworfen. Aufgrund seiner Beschreibungen kann zwar davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller zu 1. zu irgendeinem Zeitpunkt einmal auf einer Baustelle gearbeitet hat. Nicht feststellbar war jedoch, dass dies mit einer gewissen Regelmäßigkeit und im Rahmen des präsentierten Arbeitsvertrages ge­schah. Letztlich hat der Antragsteller zu 1. hier keinerlei konkrete Angaben gemacht, die man hätte überprüfen können. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, da aus den dargelegten Gründen bereits davon auszugehen ist, dass der angebliche Arbeitgeber B im streitigen Zeitraum überhaupt keine Firmenaktivität entfaltet hat und da die Angaben des Antragstellers zu 1. insgesamt wenig glaubhaft gewesen sind und zudem Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Antragstellers zu 1. bestehen. Denn zum einen sind von ihm im zweiten Erörterungstermin zu abgefragten Themen andere Angaben gemacht worden als im ersten Termin, dies beispielsweise zur Höhe erhaltenen Entgelts und dazu, an welchen Tagen er tatsächlich gearbeitet habe. Auch wider­sprechen die diesbezüglichen Angaben des Antragstellers zu 1. in beiden Terminen beispielsweise dem, was sich aus dem übermittelten Kündigungsschreiben vom 15. Dezember 2021 ergeben hat. Andere Angaben des Antragstellers zu 1. ent­sprechen ebenfalls nicht dem, wovon nach Aktenlage auszugehen ist. So enthält der erste Arbeitsvertrag mit der G Gebäudemanagement eine vordatierte Arbeits­aufnahme. Entgegen den im ersten Erörterungstermin gemachten Angaben haben die Antragsteller auch nicht erst etwa einen Monat nach ihrer Ankunft von der Möglichkeit erfahren, dass sie hier Sozialleistungen beantragen können, sondern diesen Antrag bereits weniger als zwei Wochen nach ihrer Ankunft gestellt gehabt. Auf weitere Widersprüche hat umfangreich der Antragsgegner in seinen Schriftsätzen vom 20. Dezember 2021 und vom 21. Januar 2022 hingewiesen, auf die verwiesen wird. Auffällig war beispielsweise auch, dass der Antragsteller zu sämtlichen behaupteten Arbeitsstellen wiederholt betont hat, immer zwei Stunden am Tag, allenfalls gelegentlich ein klein wenig mehr, gearbeitet zu haben, obwohl sich nicht erschließt, weshalb beispielsweise ein Bauhelfer auf einer großen Baustelle regelmäßig lediglich zwei Stunden täglich benötigt wird. Die Widersprüche haben sich insgesamt nicht klären lassen. Weitere Möglichkeiten zur Aufklärung bestanden nicht, insbesondere konnte der angebliche Arbeitgeber nicht erreicht werden. Das angebotene Handyvideo, welches den Antrag­steller zu 1. auf einer Baustelle zeigen soll, ist jedenfalls ungeeignet. Denn auch Aufnahmen des Antragstellers zu 1. auf einer Baustelle vermögen jedenfalls nichts zu den Umständen und zum Umfang der behaupteten Tätigkeit zu sagen.

 

Auch die Zahlung eines Entgeltes für die behauptete Tätigkeit im Rahmen des vorgelegten Arbeitsvertrages mit der D  ist weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Zwar liegen diverse Lohnbescheinigungen von R  , Gpromenade ,  B, vor, Arbeitgeber soll aber ausweislich des Arbeitsvertrags „D   “ sein. Andererseits trägt derselbe Vertrag den Stempel einer Fa. „D “, Sstraße ,  Berlin. Auch tragen die Quittungen, die wohl den Empfang von Bar-Lohn bestätigen sollen, den Stempel einer Fa. „D “, Sstraße ,  B. Außerdem gibt es bis auf die von dem Antragsteller bzw. Herrn B gefertigten Dokumente keinerlei Nach­weise über den tatsächlichen Zufluss von Entgelt bzw. eine tatsächliche Tätigkeit des Antragstellers zu 1. Mit Blick auf die vorgelegten Lohnabrechnungen sind Über­weisungen der benannten Beträge nicht nachgewiesen worden. Es liegen lediglich Quittungen vor. Der tatsächliche Zufluss von Entgelt ist damit nicht glaubhaft gemacht. Der Senat lässt derartige Belege für Beschäftigungsverhältnisse im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 128 SGG in der Regel nicht mehr genügen. Die unbare Kontozahlung kann heute als der absolute Regelfall angesehen werden, zumal der Antragsteller zu 1. über ein Konto verfügt. Allenfalls unter darzulegenden besonderen Umständen ist eine bare Lohnauszahlung als Beweis für ein Arbeitsverhältnis glaub­haft (so bereits LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.06.2017 - L 31 AS 848/17 B ER, Rn. 25). Derartige besondere Umstände sind im Hinblick auf die behauptete Beschäftigung bei der Fa. „D “ zugunsten des Antragstellers nicht ersichtlich. Schließlich haben Ladungen des Senats an den vermeintlichen Arbeitgeber unter keiner der drei sich aus den verschiedenen Geschäftsunterlagen ergebenen An­schriften zugestellt werden können. Nichts anderes ergibt sich schließlich aus der Bescheinigung unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der Agentur für Arbeit Pankow vom 11. November 2021. Denn Grundlage für diese Entscheidung ist allein das Kün­digungsschreiben gewesen. Ob zuvor überhaupt ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, ist nicht geprüft worden.

 

Nachdem es infolge des Arbeitsvertrags vom 4. März 2021 also nicht zu einem Arbeitsverhältnis des Antragstellers zu 1. gekommen ist, die Eigenschaft als Arbeit­nehmer aber eine tatsächliche und echte Tätigkeit in einem Umfang voraussetzt, die sich nicht als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt (vgl. BSG, Urt. v. 27.01.2021 - B 14 AS 25/20 R, Rn. 19; BSG, Urt. v. 27.01.2021 - B 14 AS 42/19 R, Rn. 17; BSG, Urt. v. 12.09.2018 - B 14 AS 18/17 R, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 04.02.2010 - C-14/09 („Genc“), Rn. 19 m. w. N.), steht dem Antragsteller zu 1. aus diesem auch kein bis zum 28. Februar 2022 nachwirkendes Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer oder Arbeitsuchender gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 oder 1a., Abs. 3 S. 1 Nr. 2, S. 2 FreizügG/EU zu.

 

Auch aus dem am 5. Januar 2022 im Beschwerdeverfahren vorgelegten weiteren Arbeitsvertrag vom 3. Dezember 2021, der mit Wirkung zum 31. Dezember 2021 gekündigt worden ist, ergibt sich für den Antragsteller zu 1. kein fortwirkendes Auf­enthaltsrecht als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 S. 2 FreizügG/EU und damit keine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU. Denn auch auf der Grundlage dieses vorgelegten Vertrages konnte das Bestehen eines echten und tatsächlichen Arbeitsverhältnisses nicht festgestellt werden. Der Beginn dieses Vertrags ist – so wie bereits der mit der Fa. „G. Gebäudemanagement“ zum 5. Oktober 2020 geschlossene, bei Einreise der Antragsteller erst zwischen dem 20. und 22. Oktober 2020 – offensichtlich zurückdatiert worden. Ursprünglich hatte der Antragsteller zu 1. unter dem 3. Dezember 2021 einen Arbeitsvertrag mit der Fa. „G“ geschlossen. Erst nachdem das SG in seinem Beschluss vom 20. Dezem­ber 2021 ausgeführt hat, dass aus diesem Arbeitsvertrag vom 3. Dezember 2021 nicht die vorläufige Annahme eines erneuten Arbeitnehmerstatus folge, da dieser schon keinen Anhaltspunkt dafür biete, dass ein Arbeitsverhältnis begründet worden sein könnte, hat der Bevollmächtigte der Antragsteller am 5. Januar 2022 den weiteren Arbeitsvertrag des Antragstellers zu 1. vom 3. Dezember 2021 mit der Fa. „F  “ eingereicht, deren Geschäftsführer ebenfalls Herr D F ist und der vom 3. Dezember 2021 bis 3. März 2022 befristet sein sollte. Der Antragsteller zu 1. hat aber im Erörterungstermin vom 18. Januar 2022 erklärt, diesen Vertrag erst etwa vier bis fünf Tage nach dem 3. Dezember 2021 unterschrieben zu haben, weil die Fa. „G“ insolvent sei. Aus dem von dem Gericht beigezogenen Handels­registerauszug lässt sich eine Insolvenz indes jedenfalls noch nicht entnehmen. Außerdem hat Herr D F dem Antragsgegner noch am 12. Januar 2022 als Geschäftsführer der Fa. „G“ mitgeteilt, am selben Tag aus beruflichen Gründen (Auftragsgewinnung) nach München gefahren zu sein. Zudem haben die Außen­dienstmitarbeiter des Antragsgegners bei ihren Ermittlungen zur Fa. „G“ an der Anschrift B Damm ,  B, am 13. Januar 2022 sowohl einen Briefkasten mit der Aufschrift der Firma als auch mindestens zwei größere Büroräume mit mehreren Personen darin vorgefunden. Ferner hat der Antragsteller in dem zweiten Erörterungstermin am 1. Februar 2022 erklärt, den Vertrag mit der Fa. „F  “ (vielleicht) erst 15 Tage nach dem Arbeitsvertrag mit der Fa. „G“ geschlossen zu haben. Angesichts dieser widersprüchlichen Angaben und des zeit­lichen Ablaufs geht der Senat davon aus, dass der Arbeitsvertrag mit der Fa. „F  “ erst zwischen dem 20. Dezember 2021 (Beschluss des SG) und dem 5. Januar 2022 (Einreichen beim LSG) geschlossen worden ist. Hierfür spricht auch die von dem Antragsteller zu 1. in dem Termin am 18. Januar 2022 vorgelegte Quittung, nach der er seinen Lohn für Dezember 2021 nicht wie arbeitsvertraglich vereinbart zum Monatsende auf sein Konto überwiesen, sondern erst am 13. Januar 2022 bar ausgezahlt bekommen haben soll. Wobei schon zweifelhaft ist, ob dies wirklich Inhalt dieser Quittung ist, da der Empfang des Geldes nicht vom Antragsteller zu 1., sondern von Herrn F bestätigt worden ist. Auch hat der Antragsteller in dem Erörterungstermin am 1. Februar 2022 erklärt, bereits am 3. Januar 2022 415, 417 oder 418 EUR – bzw. nur eine Differenz hierzu nach Abzug eines ihm bereits im Dezember in bar gewährten Vorschusses in Höhe von 100,00 EUR (Erklärung am 18. Januar 2022) bzw. 170,00 EUR (Erklärung am 18. Januar 2022) – erhalten zu haben. Der sich aus der Quittung ergebende Betrag von 418,62 EUR entspricht zwar dem aus der am 18. Januar 2022 eingereichten Lohnabrechnung für Dezember 2021. Es handelt sich bei Letzterer aber um einen Ausdruck ebenfalls vom 13. Januar 2022, der eine „Korrektur“ der Dezember­abrechnung sein soll. Der ursprüngliche Lohnzettel für und aus Dezember 2021 ist hingegen nicht eingereicht worden. Es spricht daher viel dafür, dass dieser „Korrektur­ausdruck“ der einzige Lohnzettel für Dezember 2021 ist und nach der Ladung des Antragstellers zu 1. und des Geschäftsführers der Fa. „F  “ am 5. Januar 2022 allein zur Vorlage im Termin am 18. Januar 2022 erstellt worden ist. Außerdem entspricht der in dem „Korrekturausdruck“ ausgewiesene und quittierte Lohn nicht dem arbeitsvertraglich vereinbarten. Danach wären für 43 Wochenstunden bei 11,11 EUR pro Stunde 477,74 EUR brutto zu zahlen gewesen. Zudem ist angesichts des Vortrags des Antragstellers zu 1., täglich nicht mehr als zwei Stunden und 15 Minuten zu arbeiten und nicht täglich gearbeitet zu haben, sowie der Witterungsbedingungen in Berlin nicht nachvollziehbar, dass er im Dezember 2021 tatsächlich 43 Stunden mit Sandstreuen beschäftigt gewesen sein könnte.

 

Auch die Anmeldung zur Sozialversicherung vom 13. Januar 2022 spricht angesichts der Gesamtumstände und des zeitlichen Ablaufs nicht für das Bestehen eines echten und tatsächlichen Arbeitsverhältnisses. Vielmehr dürfte auch diese allein infolge der Ladung zu dem Erörterungstermin am 18. Januar 2022 vorgenommen worden sein. Eine nachträgliche Anmeldung unter solchen Umständen beweist ein Arbeitsverhältnis nicht (so bereits LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.06.2017 - L 31 AS 848/17 B ER, Rn. 25). Hiervon ist im Übrigen auch mit Blick auf das Kündigungsschreiben mit Datum vom 15. Dezember 2021 auszugehen, das der angebliche Arbeitgeber dem angeblichen Arbeitnehmer bereits am 29. De­zember 2021 aushändigen wollte, das der Antragsteller zu 1. aber erst in dem zweiten Termin zur Erörterung des Sach­verhalts am 1. Februar 2022 eingereicht und hierzu erklärt hat, es erst vor „etwa neun Tage[n]“ erhalten und zuvor am 5. Januar 2022 nur einen Tag für „zwei Stunden und etwas“ gearbeitet zu haben. Letzteres steht indes im Widerspruch zur Aussage des Antragstellers in dem Termin am 18. Januar 2022, in dem er angegeben hat, zuletzt vor einer Woche für D  gearbeitet zu haben und dass es im Januar bisher zwölf bis fünfzehn Stunden gewesen seien. Nach alledem steht für den Senat fest, dass ein einen Arbeitnehmerstatus begründendes tatsächliches und echtes Arbeitsverhältnis nicht bestanden hat.

 

Darüber hinaus mangelt es hier auch an der insoweit notwendigen Bestätigung der zuständigen Agentur für Arbeit über die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit, deren Vorlage nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 S. 2 FreizügG/EU unerlässlich ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 06.05.2021 - L 31 AS 445/21 B ER, Rn. 14).

 

Aber selbst wenn man unterstellte, dass der Antragsteller zu 1. (im kollusiven Zusammenwirken mit der Fa. „F  “ bzw. dem trotz zweimaliger Ladung nicht erschienenen Zeugen D ) formal alle Mindestvoraussetzungen für die Arbeitnehmereigenschaft i. S. v. Art. 45 Abs. 1 AEUV und damit eine Freizügigkeits­berechtigung nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU erfüllte, ist das Berufen darauf im vorliegenden Fall jedenfalls rechtsmissbräuchlich. Denn eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht ist nach ständiger Recht­sprechung des EuGH nicht erlaubt (EuGH, Urt. v. 20.09.2007 - C-16/05 („Tum und Dari“), Rn. 64; EuGH Große Kammer, Urt. v. 21.02.2006 - C-225/02 („Halifax u. a.“), Rn. 68 m. w. N.). Die wahrheitswidrige oder missbräuchliche Berufung auf die Normen des Unionsrechts ist nicht gestattet und die nationalen Gerichte können im Einzelfall das missbräuchliche oder betrügerische Verhalten der Betroffenen auf der Grundlage objektiver Umstände berücksichtigen, um ihnen gegebenenfalls den Vorteil aus den geltend gemachten Bestimmungen des Unionsrechts zu versagen (EuGH, Urt. v. 22.12.2010 - C-303/08, Rn. 47 m. w. N.; EuGH, Urt. v. 20.09.2007 - C-16/05 („Tum und Dari“), Rn. 6). Dies gilt auch, wenn Verträge allein zu dem Zweck geschlossen werden, missbräuchlich in den Genuss von im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Vorteilen zu kommen bzw. eine Besserstellung nach dem Recht der Europäischen Union (EU) zu erlangen (vgl. EuGH, Urt. v. 22.12.2010 - C-303/08, Rn. 50; EuGH Große Kammer, Urt. v. 21.02.2006 - C-225/02 („Halifax u. a.“), Rn. 69 m. w. N.). Die Annahme eines Missbrauchs setzt zum einen voraus, dass eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der unionsrechtlichen Bedingungen das Ziel der Regelung nicht erreicht wurde, und dass zum anderen ein subjektives Element vorliegt, nämlich die Absicht, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraus­setzungen willkürlich, d. h. künstlich, geschaffen wurden (vgl. BSG, Urt. v. 27.01.2021 - B 14 AS 25/20 R, Rn. 29 m. w. N.; EuGH, Urt. v. 12.03.2014 - C-456/12, Rn. 58).

 

Dementsprechend wird „dieses grundsätzliche Verbot missbräuchlicher Praktiken“ (EuGH Große Kammer, Urt. v. 21.02.2006 - C-225/02 („Halifax u. a.“), Rn. 70 m. w. N.) auch im Bereich des Freizügigkeitsrechts angewandt (vgl. Hessischer VGH, Beschl. v. 05.03.2019 - 9 B 56/19, Rn. 8; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 28.03.2017 - 18 B 274/17, Rn. 2; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 20.09.2016 - 7 B 10406/16, 7 D 10407/16). So kann das Berufen auf einen erlangten Arbeitnehmerstatus missbräuch­lich sein, wenn EU-Ausländer die Freizügigkeit für Arbeitnehmer allein zu dem Zweck ausüben, in einem anderen Staat Sozialleistungen zu erhalten (vgl. BSG, Urt. v. 27.01.2021 - B 14 AS 25/20 R, Rn. 30 m. w. N.). Hierfür reicht es aus, dass der Be­treffende zwar formal die unionsrechtlichen Voraussetzungen für die Arbeitnehmer­freizügigkeit erfüllt, aber von vornherein nicht die Absicht hat, für die Dauer des Aufent­halts eine Erwerbstätigkeit auszuüben, die ausreichende Existenzmittel sichert. Denn die Gewährleistung des Freizügigkeitsrechts steht nach Unionsrecht unter dem Vor­behalt, dass Sozialhilfeleistungen nicht unangemessen in Anspruch genommen wer­den (Bayerischer VGH, Beschl. v. 09.07.2019 - 10 CS 19.1165, Rn. 19). So bestimmt der zehnte Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familien­angehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzu­halten (RL 2004/38), dass Personen, die ihr Aufenthaltsrecht ausüben, die Sozialhilfe­leistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen sollten. Demgemäß hat nach Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38 jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, nur wenn er a) Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahme­mitgliedstaat ist oder b) für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfe­leistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen. Selbst wenn man also zugunsten der Antragsteller unterstellte, dass die Beschäftigung des Antragstellers zu 1. (frühestens) seit dem 7. oder 18. Dezember 2021 die unionsrechtliche Arbeitnehmereigenschaft begründet hätte, kann er sich vorliegend nicht auf einen (nachwirkenden) Arbeitnehmerstatus berufen, weil sich die Geltendmachung eines auf § 2 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 2 FreizügG/EU gestützten Freizügigkeitsrechts hier als rechtsmissbräuchlich darstellt und das Unionsrecht bei einer solch rechtsmissbräuchlichen Praktik keine Anwendung findet (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 20.09.2016 - 7 B 10406/16, 7 D 10407/16, Rn. 34).

 

Zur Beurteilung der missbräuchlichen Schaffung der Voraussetzungen des Rechts aus Art 10 VO (EU) Nr 492/2011 durch eine Beschäftigungsaufnahme können zunächst die Umstände der Aufnahme und Durchführung der Tätigkeit, wegen der sich der EU-Ausländer darauf beruft, im Aufenthaltsstaat beschäftigt oder beschäftigt gewesen zu sein, herangezogen werden. Ferner können grundsätzlich auch die Einreisegründe für oder gegen die Missbräuchlichkeit des Berufens auf formal über den erlangten Arbeitnehmerstatus bestehende Rechte sprechen. Je mehr Zeit zwischen Einreise und Beschäftigungsaufnahme vergangen ist, desto weniger Bedeutung haben die Einreisegründe. Das subjektive Element des Missbrauchs im Rahmen des Art 10 VO (EU) Nr 492/2011 bezieht sich auf Voraussetzungen der Möglichkeit, bleiben zu können (Arbeitnehmereigenschaft, Ausbildung). Diese ist nicht deckungsgleich mit der Inanspruchnahme von Freizügigkeitsrechten bei der Einreise (BSG, Urteil vom 27. Januar 2021 – B 14 AS 25/20 R –, Rn. 32 - 33)

 

Ausgehend von der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände sieht der Senat im Verhalten des Antragstellers zu 1. ein missbräuchliches Handeln. Mit der (behaup­teten und insoweit lediglich unterstellten) Aufnahme der Tätigkeit bei der Fa. „F  “ liegt zur Überzeugung des Senats nur eine formale Erfüllung der Mindestvoraussetzungen der Freizügigkeit vor, die dem Sinn und Zweck der Unionsbürgerrichtlinie nicht entspricht, sondern unter Umgehung der Vorgaben des FreizügG/EU bzw. der RL 2004/38/EG einzig das Ziel verfolgt, einen Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen und sich dadurch soziale Vorteile des Unionsrechts in Form des Erhalts der gewährten finanziellen Leistungen zu verschaffen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 28.03.2017 - 18 B 274/17, Rn. 5; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 20.09.2016 - 7 B 10406/16, 7 D 10407/16, Rn. 36). Hierfür sprechen zunächst die bereits dargelegten Umstände, unter denen der Arbeitsvertrag dem Gericht präsentiert wurde. Erst war ein Arbeitsvertrag mit der Fa. „G“ mit Datum vom 3. Dezember 2021 vorgelegt worden. Nachdem das SG in seinem Beschluss vom 20. Dezember 2021 ausgeführt hatte, dass aus diesem Arbeitsvertrag nicht die vorläufige Annahme eines erneuten Arbeitnehmerstatus folge, da dieser schon keinen Anhaltspunkt dafür biete, dass ein Arbeitsverhältnis begründet worden sein könnte, hat der Bevollmächtigte der Antragsteller am 5. Januar 2022 den weiteren Arbeitsvertrag des Antragstellers zu 1. mit der Fa. „F  “ eingereicht, deren Geschäftsführer ebenfalls Herr D  ist und der ebenfalls vom 3. Dezember 2021 datiert, wobei er nach eigener Einlassung des Antragstellers zu 1. zurückdatiert wurde. Nachdem dann der Antragsgegner dargelegt hatte, dass trotz intensiver Suche durch seinen Außendienst diese Firma nicht auffindbar sei und nachdem das Gericht Herrn F als Zeugen vorgeladen hatte, wurde nunmehr die Kündigung des behaupteten Arbeitsvertrages überreicht. Irgendein sachlich nachvollziehbarer Grund für diese auffälligen Umstände konnte nicht dargelegt werden. Zur Überzeugung des Gerichts ist hieraus zu schließen, dass einziger Grund der diesbezüglichen Vorgehensweise des Antragstellers zu 1. das Herbeiführen der formalen Voraussetzungen für den begehrten Sozialleistungsbezug ist.

 

Auch das übrige Verhalten der Antragsteller seit ihrer Einreise offenbart, dass mit der behaupteten Arbeitnehmereigenschaft des Antragstellers zu 1. allein das Ziel verfolgt wird, den Bedarf der Familie ganz oder zumindest größtenteils durch staatliche Sozialleistungen zu decken. So sind die Antragsteller am 20., 21. oder 22. Oktober 2020 nach Deutschland eingereist und haben bereits am 2. November 2020 erstmals einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt. Zugleich vorgelegt wurden Unterlagen über ein behauptetes Arbeitsverhältnis, die mit den übrigen Angaben zur Einreise nicht in Einklang zu bringen sind. So ist der Beginn des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag mit dem 5. Oktober 2020 angegeben, obwohl die Antragsteller zu 1. und 2. nach ihren - insoweit wechselnden Angaben - erst am 20., 21. oder 22. Oktober nach Deutschland eingereist sind. Sodann gab der angebliche Arbeitgeber in der Einkommensbescheinigung vom 20. November 2020 an, dem Antragsteller zu 1 für Oktober 2020 ein Entgelt auf der Grundlage von 450 Euro brutto gezahlt zu haben. Dies ist vor dem Hintergrund der Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 8 Stunden mit einem Stundenlohn von 12.55 Euro bei Anwesenheit im Land erst ab insoweit bestenfalls dem 20. Oktober 2020 ebenfalls nicht nachvollziehbar. Nach allem sind daher auch die Angaben zu diesem Arbeitsverhältnis zur Überzeugung des Gerichts allein zum Zweck der Schaffung der Voraussetzungen für den begehrten Sozialleistungsbezug getätigt  worden. Das Gleiche gilt im Hinblick auf das oben bereits ausführlich dargestellte angebliche Arbeitsverhältnis zur D .

 

In der Zusammenschau mit den dargestellten Umständen zu den behaupteten Arbeitstätigkeiten ist angesichts der fehlenden Schulbildung, Berufsausbildung und Deutschkenntnisse der Antragsteller zu 1. und 2. und der damit verbunden nur bedingten Erwerbsaussichten bei zugleich offensichtlich fehlenden familiären Beziehungen in Deutschland davon auszugehen, dass auch bereits die Einreise in die Bundesrepublik von vornherein auf den Bezug sozialer Vorteile gerichtet gewesen ist. Dies wird weiter belegt dadurch, dass die Antragsteller zu 1. und 2. sich auch nicht weiter um Arbeit bemüht haben. Der Antragsteller zu 1. ist auch nach seinem Vortrag (allenfalls) einer Beschäftigung im Umfang von lediglich 43 Monatsstunden nachgegangen. Bei der vereinbarten Ver­gütung von 11,11 EUR brutto pro Stunde im letzten behaupteten Arbeitsverhältnis ergäbe sich so ein maximaler Verdienst in Höhe von 477,73 EUR brutto pro Monat. Damit kann der Antragsteller zu 1. schon seinen eigenen Bedarf nicht vollständig decken. Dennoch bemüht er sich nicht nachhaltig um eine Vollzeittätigkeit. Nach seinem eigenen Vortrag bemüht er sich selbst aktuell nicht aktiv um Arbeit, sondern lässt lediglich seinen angeblichen früheren Arbeitgeber für ihn danach suchen. Auch hat er sich nicht der Vermittlung durch die Agentur für Arbeit zur Verfügung gestellt – und das obwohl sein inzwischen gekündigter Arbeitsvertrag von vorherein nur bis zum 3. März 2022 befristet gewesen ist. Eine Arbeitssuche in der gesetzlich vorgesehenen Weise durch Arbeit­suchendmeldung bei der zuständigen Agentur für Arbeit hat durch den Antragsteller zu 1. damit zu keiner Zeit stattgefunden. Relevant ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch, dass eine solche Arbeitssuche sowohl vom Antragsteller zu 1. als auch von der Antragstellerin zu 2. ausdrücklich für nicht notwendig erachtet wurde und wird. Der Antragsteller zu 1. hat noch im ersten Termin vom 18. Januar 2022 angegeben, keine Arbeit zu suchen, weil er ja Arbeit habe. Abgesehen davon, dass ihm nach seinem eigenen Vor­bringen im nächsten Termin zu diesem Zeitpunkt bereits die Kündigung zugegangen war, hat dem Antragsteller zu 1. klar sein müssen, dass er selbst mit der behaupteten Helfer-Tätigkeit von zwei Stunden am Tag weder seinen eigenen  Bedarf noch den seiner Bedarfsgemeinschaft sicherstellten konnte und dass man neben einer Tätigkeit im Umfang von 2 Stunden täglich durchaus eine weitere Tätigkeit ausüben kann oder jedenfalls daneben weiterhin nach einer Vollzeittätigkeit suchen kann. Aus dem Vortrag des Antragstellers zu 1., keine weitere Tätigkeit zu suchen, schließt der Senat, dass der Antragsteller zu 1. sein persönliches (und insoweit in keiner Weise zu kritisierendes) Ziel, seinen Unterhalt und den seiner Bedarfsgemeinschaft sicherzustellen, erreicht zu haben meint und dass die geringfügige (angebliche) Tätigkeit jeweils nur den Zweck hat, Sozialleistungen zu erhalten. Die anderslautenden Bekundungen des Antragstellers zu 1., arbeiten zu wollen, überzeugten nach allem nicht. Die Antragstellerin zu 2. hat sich offenbar seit ihrer Einreise in keiner Weise um Arbeit in Deutschland bemüht. Sie hat auf die Frage nach dem zunächst durch sie vorgetragenen Sammeln von Flaschen im ersten Erörterungstermin angegeben, dies nunmehr nicht mehr tun zu brauchen. Die hierfür gegebene Erklärung, dass man dies nicht mehr brauche, weil man jetzt eine Unterkunft habe, überzeugt bereits deshalb nicht, weil die Antragsteller bereits seit Anfang November 2020 untergebracht waren. Diese ausdrücklichen Erklärungen, Arbeit nicht suchen zu müssen, obgleich nicht ansatzweise eine eigene ernsthafte erwerbswirtschaftliche Tätigkeit entfaltet wurde, ist zur Überzeugung des Gerichts ausschließlich dem Umstand geschuldet, dass die Antragsteller die Ge­währung aufstockender Sozialleistungen erwarten und eingeplant haben.

 

Ein solches Vorgehen, das im Ergebnis auf eine Umgehung der eine Freizügigkeit eröffnenden Regelungen der Unionsbürgerrichtlinie angelegt ist, entspricht nicht den mit dieser Richtlinie verfolgten Zielen der Integration in den Arbeitsmarkt und damit in den Aufenthaltsstaat (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 28.03.2017 - 18 B 274/17, Rn. 5). Im Übrigen führt es auch zu einem von der Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht geschützten völlig unangemessenen Sozialleistungsbezug im Sinne des zehnten Erwägungsgrunds der RL 2004/38 (vgl. hierzu im Einzelnen OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 20.09.2016 - 7 B 10406/16, 7 D 10407/16, Rn. 43 ff.).

 

Da auch die Antragstellerin zu 2. ein Aufenthaltsrecht allein zum Zweck der Arbeit­suche gehabt hat (nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU nur für die ersten sechs Monate), eine Arbeit aber offensichtlich gar nicht sucht und sich auf keine sonstige materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder ein Aufenthalts­recht nach dem AufenthG, das eine Ausnahme von dem Leistungsausschluss zu rechtfertigen vermag, berufen kann, ist sie ebenso wie die keine Schule besuchenden Antragsteller zu 3. bis 8. von dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II erfasst.

 

2. Eine vorläufige Verpflichtung des Beigeladenen als Träger der Leistungen nach dem SGB XII scheidet ebenfalls aus, da solche Leistungen von den Antragstellern in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht beantragt worden sind bzw. ihnen auch nicht zustehen. Sie haben insbesondere keinen Anspruch auf Überbrückungs­leistungen nach dem SGB XII.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII ist Ausländern, die sich im Inland tatsächlich auf­halten, Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. Jedoch greift auch insoweit ein zu § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II paralleler Leistungsausschluss. Denn nach § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII in der seit dem 29. Dezember 2016 geltenden Fassung des Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grund­sicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II und in der Sozialhilfe nach dem SGB XII vom 22. Dezember 2016 (BGBl I S. 3155) erhalten Ausländer und ihre Familienangehörigen keine Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB XII oder nach dem Vierten Kapitel, wenn 1. sie weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberech­tigt sind, für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, 2. sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder 3. sie eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen. Auch dieser Leistungsausschluss ist mit EU-Recht vereinbar (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 07.11.2019 - L 7 SO 934/19, Rn. 43; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 07.01.2019 - L 23 SO 279/18 B ER, Rn. 32 f.; zu § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII in der bis zum 28. Dezember 2016 geltenden Fassung vgl. BSG, Urt. v. 12.09.2018 - B 14 AS 18/17 R, Rn. 32; BSG, Urt. v. 09.08.2018 - B 14 AS 32/17 R, Rn. 33 f.; BSG, Urt. v. 20.01.2016 - B 14 AS 35/15 R, Rn. 19; EUGH, Urt. v. 15.09.2015 - C-67/14 („Alimanovic“), Rn. 63, zum Ausschluss vom Bezug bestimmter „besonderer beitragsunabhängiger Geld­leistungen“) und verfassungsgemäß (so auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 07.11.2019 - L 7 SO 934/19, Rn. 38 m. w. N.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 07.01.2019 - L 23 SO 279/18 B ER, Rn. 34/36 m. w. N.; Bayerisches LSG, Beschl. v. 24.04.2017 - L 8 SO 77/17 B ER, Rn. 36; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.02.2017 - L 23 SO 30/17 B ER, Rn. 40; siehe zur diesbezüglichen Rspr. verschie­dener LSG auch die Übersicht des BVerfG im Beschl. v. 12.02.2020 - 1 BvR 1246/19, Rn. 16 ff.) bzw. nicht mit dem Grundgesetz (GG) unvereinbar (LSG Berlin-Branden­burg, Urt. v. 11.07.2019 - L 15 SO 181/18, Rn. 53). Nach dem oben Gesagten sind hier zur Überzeugung des Senats die Leistungsausschlüsse des § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und 3 SGB XII erfüllt. Die in § 23 Abs. 3 S. 7 SGB XII geregelte Rück-Ausnahme von dem Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII greift nicht ein, weil die Antragsteller sich noch nicht seit mindestens fünf Jahren ohne wesentliche Unter­brechung im Bundesgebiet aufhalten.

 

Zwar werden hilfebedürftigen Ausländern, die Satz 1 unterfallen, nach § 23 Abs. 3 S. 3 SGB XII bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, ein­malig innerhalb von zwei Jahren eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen). Damit hat der Gesetzgeber einen Anspruch auf Überbrückungsleistungen geschaffen, der ohne ein Antrags­erfordernis jedem hilfebedürftigen Ausländer, der dem Leistungsausschluss unterfällt, bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, Hilfen gewährt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 02.02.2018 - L 26 AS 24/18 B ER, Rn. 8; zum fehlenden Antragserfordernis auch Hessisches LSG, Urt. v. 01.07.2020 - L 4 SO 120/18, Rn. 58 f. m. w. N.; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.07.2019 - L 15 SO 181/18, Rn. 62; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.05.2019 - L 20 AY 15/19 B ER, Rn. 43). Die Antragsteller haben aber in den Terminen zur Erörterung des Sach­verhalts am 18. Januar 2022 und 1. Februar 2022 deutlich gemacht, dass eine Rück­kehr nach Rumänien für sie nicht in Betracht kommt. Dieser fehlende Ausreisewille steht der Gewährung von Überbrückungsleistungen entgegen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 31.05.2021 - L 5 AS 457/21 B ER, Rn. 11; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 07.11.2019 - L 7 SO 934/19, Rn. 39; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 07.01.2019 - L 23 SO 279/18 B ER, Rn. 40; Bayerisches LSG, Beschl. v. 24.04.2017 - L 8 SO 77/17 B ER, Rn. 42; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.02.2017 - L 23 SO 30/17 B ER, Rn. 46; a. A. Hessisches LSG, Urt. v. 01.07.2020 - L 4 SO 120/18, Rn. 65; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.07.2019 - L 15 SO 181/18, Rn. 59/61). Denn der Gesetzgeber erwartet, dass die von § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII erfassten Personen zur Vermeidung eines inländischen Sozialhilfebezuges ausreisen, insbesondere in ihr Heimatland zurückkehren (so bereits LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 07.11.2019 - L 7 SO 934/19, Rn. 39 unter Verweis auf die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II und in der Sozialhilfe nach dem SGB XII, BT-Drs. 18/10211, S. 14/16).

 

Dabei verkennt der Senat nicht, dass das aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzmini­mums den Staat nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich verpflichtet, Menschen diejenigen Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind (vgl. BVerfG, Urt. v. 05.11.2019 - 1 BvL 7/16, Rn. 118 ff.; BVerfG, Urt. v. 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, Rn. 64; BVerfG, Beschl. v. 07.07.2010 - 1 BvR 2556/09, Rn. 9). Das Grundrecht bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber (BVerfG, Urt. v. 05.11.2019 - 1 BvL 7/16, Rn. 118; BVerfG, Urt. v. 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, Rn. 62). Hierbei steht ihm ein weiter Gestal­tungsspielraum zu (vgl. BVerfG, Urt. v. 05.11.2019 - 1 BvL 7/16, Rn. 118; BVerfG, Urt. v. 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, Rn. 62; BVerfG, Beschl. v. 07.07.2010 - 1 BvR 2556/09, Rn. 9; BVerfG, Urt. v. 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u. a., Rn. 133). Das GG verwehrt ihm nicht, die Inanspruchnahme sozialer Leistungen zur Sicherung der menschenwürdigen Existenz an den Nachranggrundsatz zu binden, Mittel also nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn Menschen ihre Existenz nicht vorrangig selbst sichern können (vgl. BVerfG, Urt. v. 05.11.2019 - 1 BvL 7/16, Rn. 123 m. w. N.). Eine solche Nachrangigkeit des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes hat er mit der Regelung des § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII normiert und damit dem Anspruch auf existenzsichernde Leistungen hinreichend Rechnung getragen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 07.11.2019 - L 7 SO 934/19, Rn. 39 m. w. N.; Bayerisches LSG, Beschl. v. 24.04.2017 - L 8 SO 77/17 B ER, Rn. 38). Denn der Gesetzgeber darf die Gewährung staatlicher Hilfe davon abhängig machen darf, dass sich die Betroffenen nicht selbst helfen können bzw. an der Überwindung ihrer Hilfebedürftigkeit selbst aktiv mitwirken oder die Bedürftigkeit gar nicht erst eintreten lassen, weil auch der soziale Rechtsstaat darauf angewiesen ist, dass Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, nur in Fällen in Anspruch genommen werden, in denen wirkliche Bedürftigkeit vorliegt (vgl. BVerfG, Urt. v. 05.11.2019 - 1 BvL 7/16, Rn. 124 ff.). Er muss diese Mittel also nicht voraussetzungslos zur Verfü­gung stellen. Vielmehr kann er sie an Bedingungen knüpfen (vgl. LSG Baden-Württem­berg, Urt. v. 07.11.2019 - L 7 SO 934/19, Rn. 38 mit zahlreichen Beispielen für formelle und materielle Voraussetzungen; BSG, Urt. v. 29.04.2015 - B 14 AS 19/14 R, Rn. 51; BVerfG, Beschl. v. 07.07.2010 - 1 BvR 2556/09, Rn. 13). Dies hat das BVerfG be­stätigt, indem es ausführt, dass das GG einer Entscheidung des Gesetzgebers nicht entgegenstehe, von denjenigen, die staatliche Leistungen der sozialen Sicherung in Anspruch nehmen, zu verlangen, an der Überwindung ihrer Hilfebedürftigkeit selbst aktiv mitzuwirken oder die Bedürftigkeit gar nicht erst eintreten zu lassen. Dabei berücksichtigt er ihre Eigenverantwortung, indem die Betroffenen die ihnen bekannten Folgen zu tragen haben, die das Gesetz an ihr Handeln knüpft (BVerfG, Urt. v. 05.11.2019 - 1 BvL 7/16, Rn. 126/130).

 

Unter dieser Maßgabe ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber Überbrückungsleistungen nurbis zur Ausreise“, längstens jedoch für einen Monat, vorsieht und dies nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nur für den Fall, dass die hilfebedürftigen Ausländer die Ausreise auch tatsächlich beab­sichtigen. Anderenfalls kann der Zweck dieser – trotz des europa- und verfassungs­konformen Leistungsausschlusses vorgesehenen – Leistung, „den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken“ (§ 23 Abs. 3 S. 3 SGB XII), von vornherein nicht erreicht werden.

 

Auch die Gewährung von Leistungen gemäß § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII kommt für die Antragsteller nicht in Betracht. Danach werden Leistungsberechtigten nach Satz 3, soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen i. S. v. Abs. 1 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist. Diese Härtefallregelung knüpft nach Wortlaut und Systematik an die Gewährung von Überbrückungsleistungen an und erlaubt im Einzelfall ihre Modifizierung im Hinblick auf Art, Umfang und Dauer der Leistungsgewährung. Sie stellt sicher, dass innerhalb der Leistungsfrist von einem Monat – des Zeitraums der Gewährung von Überbrückungsleistungen – auch über das gewährte Niveau der vorgesehenen Überbrückungsleistungen hinausgehende Bedarfe wie zum Beispiel für Kleidung gedeckt werden können, soweit dies im Einzel­fall zur Überwindung einer besonderen Härte erforderlich ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.02.2017 - L 23 SO 30/17 B ER, Rn. 48; BT-Drs. 18/10211, S. 16). Es handelt sich bei der Härtefallregelung mithin um eine Bestimmung, die lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände eingreift, um im Einzelfall für einen begrenzten Zeitraum unzumutbare Härten zu vermeiden, und nicht um eine Regelung, mit der ein dauerhafter Leistungsbezug ermöglich wird (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 07.11.2019 - L 7 SO 934/19, Rn. 46; Bayerisches LSG, Beschl. v. 24.04.2017 - L 8 SO 77/17 B ER, Rn. 44; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.02.2017 - L 23 SO 30/17 B ER, Rn. 48; BT-Drs. 18/10211, S. 16 f.).

 

Die Antragsteller sind jedoch bereits keine „Leistungsberechtigten nach Satz 3“. Mangels Ausreisewille stehen ihnen keine Überbrückungsleistungen und also auch keine diese im Einzelfall im Hinblick auf Art, Umfang und Dauer der Leistungsge­währung modifizierenden Härtefallleistungen zu (so bereits LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 07.11.2019 - L 7 SO 934/19, Rn. 49; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 07.01.2019 - L 23 SO 279/18 B ER, Rn. 41; a. A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 05.05.2021 - L 9 SO 56/21 B ER, Rn. 21, und Beschl. v. 16.01.2019 - L 7 AS 1085/18 B, Rn. 25, wonach der Anspruch auf Leistungen nach § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII nicht voraussetzt, dass ein Ausreisewille feststellbar ist; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20.06.2017 - L 15 SO 104/17 B ER, Rn. 31, wonach es fraglich erscheine, ob die An­wendung des § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII in jedem Fall eine Ausreiseabsicht der Hilfe­bedürftigen voraussetzt). Wie bereits dargelegt, erstreben die Antragsteller im vorliegenden Fall nicht die Gewährung von Überbrückungsleistungen. Sie beabsich­tigen nicht, auszureisen. Dementsprechend ist auch kein auf die Gewährung von – die Überbrückungsleistungen modifizierenden bzw. verlängernden – Leistungen nach der Härtefallregelung gerichtetes Begehren zu erkennen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 07.01.2019 - L 23 SO 279/18 B ER, Rn. 41; Bayerisches LSG, Beschl. v. 24.04.2017 - L 8 SO 77/17 B ER, Rn. 44; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.02.2017 - L 23 SO 30/17 B ER, Rn. 48).

 

Zudem sind keinerlei besondere Umstände des Einzelfalls vorgetragen worden oder ersichtlich, aus denen sich eine besondere Härte ergäbe. Insbesondere ist nicht er­kennbar, dass den Antragstellern eine dauerhafte Ausreise nach Rumänien aus gesundheitlichen oder sozialen oder anderen schwerwiegenden Gründen unzumutbar sein könnte. Die Antragsteller sind alle in Rumänien geboren, haben dort Familien­angehörige und sprechen rumänisch. Hingegen können sie kein deutsch und unter­nehmen offenbar auch keinerlei Anstrengungen, deutsch zu lernen. Mangels eigener Wohnung, bedarfsdeckender Erwerbstätigkeit sowie Kita- oder Schulbesuch der Kin­der sind sie bisher in keiner Weise in Deutschland integriert. Selbst eine Integration in die von dem Beigeladenen bezahlten Wohnheime ist in der Vergangenheit nicht er­folgt. Stattdessen sind den Antragstellern die dortigen Zimmer bereits mehrfach ver­haltensbedingt gekündigt worden. Für eine der Wohnungsloseneinrichtungen erhielten sie am 19. Dezember 2020 ein Hausverbot wegen Verstößen gegen die Hausordnung. Am 22. November 2021 ist eine weitere Unterbringung der Antragsteller aufgrund zahlreicher Beschwerden gekündigt worden. Auch sind keine sonstigen Umstände ersichtlich, aus denen sich eine besondere Beziehung zu Deutschland oder hiesige familiäre oder sonst schutzwürdige Bindungen ergäben. Eine von dem Sozialleistungs­bezug unabhängige Aufenthaltsverfestigung ist nach allem also nicht ersichtlich. In Rumänien hingegen können sich die rumänisch sprechenden Antragsteller ver­ständigen. Einige der jüngeren Antragsteller haben dort bereits die Schule besucht. Auch hat der Antragsteller zu 1. vor seiner Ausreise Stellen als Tagelöhner in Rumänien gehabt. Dass derartige Helfer-Jobs dort nicht mehr verfügbar sein sollen, ist nicht nachvollziehbar. Zudem haben die Antragsteller in Rumänien familiäre Bindungen sowie Anspruch auf Kindergeld bzw. Familienleistungen (vgl. hierzu die Anlagen zu dem Schreiben des Antragsgegners vom 21. Januar 2021). Kein Grund für die Annahme eines Härtefalls ist jedenfalls die allgemeine soziale Situation im Herkunftsland (LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 07.11.2019 - L 7 SO 934/19, Rn. 46 m. w. N.). Als so genannte EU-Ausländer können die Antragsteller zudem jederzeit ohne Weiteres kurzfristig in ihr Heimatland zurückkehren, um dort anderweitige Hilfemöglichkeiten zu aktivieren (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 07.01.2019 - L 23 SO 279/18 B ER, Rn. 37; Bayerisches LSG, Beschl. v. 24.04.2017 - L 8 SO 77/17 B ER, Rn. 39; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.02.2017 - L 23 SO 30/17 B ER, Rn. 43 m. w. N.). Denn bei Ausländern, die nicht von § 1 Abs. 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) erfasst werden, besteht grundsätzlich und vorbehaltlich individueller Umstände im Einzelfall – die hier weder vorgetragen worden noch ersichtlich sind – kein Anlass, an der Zumutbarkeit ihrer Rückkehr zu zweifeln. Dies gilt auch und insbesondere für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der EU. Dieser Personenkreis kann zumutbar darauf verwiesen werden, die erforderlichen Existenzsicherungsleistungen durch die Inanspruchnahme von Sozialleistungen im Heimatstaat zu realisieren (LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 07.11.2019 - L 7 SO 934/19, Rn. 40 m. w. N.). Ausländer, die trotz zumutbarer Rückkehrmöglichkeit in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben, und keinen Leistungsanspruch haben, werden nicht anders behandelt als beispielweise diejenigen, die eine sofort mögliche und zumutbare Vermögensverwertung nicht vornehmen oder (bei grundsätzlich gegebenem Anspruch auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG)) nicht auf eine von ihnen gewünschte Ausbildung verzichten. Auch diese Personen sind aufgrund ihrer eigenen freien Entscheidung (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) de facto ohne existenzsichernde Mittel und (gleichwohl) ohne Leistungsanspruch gegen einen Grundsicherungsträger (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 07.11.2019 - L 7 SO 934/19, Rn. 40 unter Verweis auf § 7 Abs. 5 SGB II; § 22 Abs. 1 S. 1 SGB XII und BVerfG, Beschl. v. 08.10.2014 - 1 BvR 886/11, Rn. 12 ff.). Für diejenigen, die zumutbar in ihr Heimatland ausreisen können, dies aber nicht tun und deswegen im Inland objektiv hilfebedürftig sind, kann nichts anderes gelten (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 07.11.2019 - L 7 SO 934/19, Rn. 51).

 

Dem steht schließlich auch nicht das von den Antragstellern zitierte Urteil des EuGH vom 15. Juli 2021 entgegen. Vielmehr hat der EuGH in dieser Entscheidung unter Verweis auf Art. 7 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/38 sowie den zehnten Erwägungsgrund dieser Richtlinie explizit darauf hingewiesen, dass ein Bürger, der nicht erwerbstätig ist, für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügen muss und solche Personen die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen sollten (vgl. EuGH, Urt. v. 15.07.2021 - C-709/20, Rn. 76 unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 11.11.2014 - C333/13 („Dano“), Rn. 71). Genau dies aber tun die Antragsteller derzeit. Zwar habe sich der Aufnahmemit­gliedstaat dem EuGH zufolge gemäß Art. 1 der Charta der Grundrechte der EU zu vergewissern, dass ein Unionsbürger, der nach innerstaatlichem Recht ein Aufent­haltsrecht hat und sich in einer Situation befindet, in der er schutzbedürftig ist, gleich­wohl unter würdigen Bedingungen leben kann, sowie dabei das Recht auf Privat- und Familienleben nach Art. 7 zu achten und das Wohl des Kindes gemäß Art. 24 der Charta zu berücksichtigen (vgl. EuGH, Urt. v. 15.07.2021 - C-709/20, Rn. 89 f.). Allerdings können sich die Antragsteller hier – wie bereits aufgeführt – nicht auf eine materielle Freizügigkeitsberechtigung und auch auf kein anderes Aufenthaltsrecht berufen.

 

Ein Anspruch auf Übernahme der angemessenen Kosten der Rückreise nach § 23 Abs. 3a SGB XII scheidet ebenfalls aus. Ein dahingehendes Begehren der Antrag­steller besteht mangels Ausreiseabsicht nicht (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 07.01.2019 - L 23 SO 279/18 B ER, Rn. 43).

 

Die Verpflichtung zur vorläufigen Leistungsgewährung hat vorliegend auch nicht auf der Grundlage einer Folgenabwägung zu erfolgen. Zwar kann in Verfahren des einst­weiligen Rechtsschutzes aus verfassungsrechtlichen Gründen grundsätzlich eine Folgenabwägung erfolgen, wenn eine vollständige Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht möglich ist und ansonsten eine nicht wieder gut zu machende Verletzung existenzieller Rechte droht (so daher in dem Beschluss des Senats vom 08.12.2020 - L 14 AS 1153/20 B ER, Rn. 7 f., zu § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII, wobei es sich dort - anders als hier - um einen Härtefall gehandelt hat; ebenfalls zu § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII siehe LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 05.05.2021 - L 9 SO 56/21 B ER, Rn. 23). Eine vollständige Prüfung der Sachlage ist vorliegend aus den dargelegten Gründen aber erfolgt. Weitere Ermittlungsansätze oder -möglichkeiten wurden weder vorgetragen noch sind solche sonst ersichtlich. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Leistungsausschlusses für nicht erwerbs­tätige, nicht ausreisepflichtige Unionsbürger um eine höchstrichterlich noch unge­klärte, schwierige Rechtsfrage handelt (so BVerfG, Beschl. v. 12.02.2020 - 1 BvR 1246/19, Rn. 22). Denn Gerichte sind zur Beantwortung von Rechtsfragen berufen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 31.05.2021 - L 5 AS 457/21 B ER, Rn. 3) und der Senat ist nicht von der Verfassungswidrigkeit des Leistungsausschlusses bzw. der von ihm zugrunde gelegten Auslegung der Überbrückungsleistungen überzeugt. Zudem ist zur Überzeugung des Senats für eine Folgenabwägung hinsichtlich der Gewährung von Überbrückungsleistungen trotz fehlenden Ausreisewillens kein Raum, wenn – wie hier – ein Rechtsmissbrauch erheblichen Ausmaßes festgestellt wird.

 

Jedenfalls aber überwöge bei einer Folgenabwägung im Fall des Rechtsmissbrauchs das öffentliche Interesse, einen rechtsmissbräuchlichen und unangemessenen Sozial­leistungsbezug zu beenden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 20.09.2016 - 7 B 10406/16, 7 D 10407/16, Rn. 12), bevor sich dieser verfestigt, das private Interesse der Antragsteller am fortlaufenden Sozialleistungsbezug. Denn den Antragstellern fehlen sowohl Ausreisebereitschaft als auch Aufenthaltsverfestigung und zugleich fehlt es an Integrationsbemühungen der Antragsteller bei lediglich vorgeschobenen Arbeits­verhältnissen.

 

3. Da die Antragsteller weder Leistungen nach dem SGB II noch nach dem SGB XII beanspruch können, läuft ihr Beschwerdebegehren, kein sonstiges Einkommen aus Flaschensammeln anzurechnen, ins Leere. Dies gilt auch für den von dem Antrags­gegner nicht angegriffenen Zeitraum vom 20. Dezember 2021 bis 31. Dezember 2021.

 

4. Der von dem Antragsgegner am 31. Januar 2022 gestellte weitere Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung für die Zeit vom 15. Februar 2022 bis 28. Februar 2022 und Aufhebung des Beschlusses vom 29. Dezember 2021 hat sich infolge der Auf­hebung des SG-Beschlusses insoweit mangels Leistungspflicht des Antragsgegners erledigt.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens. Soweit das SG den Antragsgegner zur Kostentragung verpflichtet hat, ist dies im Wesentlichen lediglich für einen halben von vier streitgegenständlichen Monaten im Ergebnis erfolgreich geblieben, was zur reduzierten Kostentragungspflicht für das erstinstanzliche Verfahren führt.

 

Diese Entscheidung kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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