Das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25.03.2010 wird aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Dortmund zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Sozialgericht vorbehalfen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger eine Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) aufgrund eines Ereignisses am 26.06.2006 zusteht.
Der am 00.00.1981 geborene Kläger leidet an einer chronisch paranoid-halluzinatorischen Psychose und ist berentet. Aufgrund dieser Erkrankung ist das Erinnerungsvermögen des Klägers nach Auffassung der behandelnden Ärztin U (Universitätsklinik C, Psychiatrische Institutsambulanz) insofern eingeschränkt, als er in Phasen mit akutem psychotischen Erleben keine klare Unterscheidung zwischen der realen und der psychotischen Welt durchführen kann (Befundbericht vom 17.12.2001). In Momenten ohne akute psychotische Symptome sei sein Erinnerungsvermögen hingegen nicht eingeschränkt. Er sei nicht in der Lage, die Auswirkungen von Erinnerungsangaben bei Behörden und Gerichten abzuschätzen sowie ein Versorgungsinteresse zu bilden und nachhaltig zu verfolgen. Nach den Angaben des Betreuers beschäftigen sich die wahnhaften Vorstellungen des Klägers mit Größenphantasien und einer verzerrten Ansicht über seine gesellschaftliche Rolle. Der Kläger sei der Auffassung, er sei Unterseebootkapitän, Hubschrauberpilot, Chemielaborant sowie Feuerwehrmann und habe ein großes Haus in Oberstdorf. Seine Erinnerungen vermischten sich zunehmend mit den psychotischen Vorstellungen, je mehr Zeit verstreiche. Der Kläger könne sich (außerhalb von akuten Phasen) indes gut an Dinge erinnern, sofern sie noch nicht lange her seien. Zudem sei er immer ehrlich.
Am 10.07.2006 stellte der Kläger durch seinen Betreuer einen Antrag auf Leistungen nach dem OEG. Er - der Kläger - sei am 26.06.2006 abends in seiner Wohnung angegriffen worden. Nachbarn seien über den Balkon eingestiegen und hätten auf ihn wegen einer angeblichen Ruhestörung eingeschlagen. Seine Mutter habe ihn am Folgetag aufgefunden und in stationäre Behandlung gebracht. Im Rahmen der Anzeigenerstattung am 27.06.2006 gegen zwei namentlich genannte Nachbarn (Vater und Sohn) beschrieb der Kläger, dass ihn die Nachbarn geschubst und mit einem Knüppel gegen Knie, Hüfte und Kopf geschlagen hätten. In der Zeugenvernehmung durch die Polizei am 01.08.2006 gab der Kläger an, dass er an dem Tattag laut Musik gehört habe. Dann hätten die beschriebenen Täter auf seinem Balkon gestanden. Zwar sei die Tür zu gewesen, doch die gehe ganz leicht auf, da sie nicht richtig schließe. Die Täter hätten die Tür aufgedrückt und dann auf ihn eingeschlagen. Einer der Täter habe einen Schlagstock bei sich gehabt und der andere ein Messer. Der eine habe das Messer in seine Richtung gehalten und der andere ihm gegen Knie, Hüfte und Kopf geschlagen. Nach den Schlägen hätten die Täter gefragt, ob er die Musik nun leiser stelle. Sie hätten ihn geschupst. Dabei sei er gefallen und habe sich ein Bein gebrochen. Dann habe einer der Täter ihn - den Kläger - mit dem Messer quer durch die Handfläche gestochen. Er sei dann in sein Bett gekrabbelt und die Täter hätten die Wohnung verlassen. Am nächsten Abend sei die Mutter gekommen und habe den Krankenwagen gerufen. Bis zu dem Ereignis habe er in einer eigenen Wohnung unter teilweiser Versorgung seiner Mutter gewohnt. Nun sei er in einem Wohnheim für psychisch Kranke untergebracht.
Auf Anfrage der Staatsanwaltschaft teilte der Betreuer am 15.09.2006 mit, dass die Aussage des Klägers weitgehend schlüssig und die Kernaussage glaubhaft sei. Die Aussage stimme mit den Angaben überein, die der Kläger gegenüber weiteren Personen angegeben habe (Mutter, Schwester, Mitarbeiter des sozialpsychiatrischen Dienstes). Lediglich das Durchstechen der Handfläche sei nicht nachvollziehbar, auch wenn sich eine verkrustete Wunde an der linken Handfläche befunden habe.
In einer Zeugenbefragung durch die Polizei am 20.12.2006 berichtete die Schwester des Klägers, dass man in dem ehemaligen Wohnhaus über die Flurfenster auf Feuerschutzgitter komme, über die man dann auf den Balkon des Klägers gelangen könne. Die Balkontür sei defekt, so dass man sie leicht aufdrücken könne. Sie sei von der Mutter am 27.06.2006 angerufen worden, die von einem Nachbarn des Klägers erfahren habe, dass dieser zusammengeschlagen worden sei. Sie sei dann mit der Mutter zum Kläger gefahren. Die Mutter habe einen Schlüssel zur Wohnung gehabt. Den Kläger hätten sie stöhnend auf der Couch liegend vorgefunden. Das Knie sei angeschwollen gewesen. Zudem habe er auf der Stirn und der Wange blaue Flecken sowie auf der Bauchdecke und den Rippen sowie an einer Hand eine kleine verkrustete Verletzung am Handballen gehabt. Der Kläger habe berichtet, dass der Türke mit seinem Sohn gekommen wäre und sie ihn mit einem Knüppel geschlagen hätten. Als Grund für den Übergriff habe der Kläger angegeben, dass er zu laut gewesen sei. Dazu teilte die Schwester mit, dass der Kläger aufgrund der psychischen Erkrankung Schreianfälle bekomme. In einer Zeugenvernehmung durch die Polizei am 20.12.2006 gab die Mutter des Klägers an, sie habe am 27.06.2006 von einem Nachbarn erfahren, dass der Kläger verprügelt worden sei. Zusammen mit der Tochter und unter Benutzung eines Schlüssels habe sie dann den Kläger aufgesucht Dieser habe auf dem von Urin durchnässten Bett gelegen und gestöhnt. Das Knie sei geschwollen gewesen. Der Kläger habe ihr berichtet, dass der Nachbar aus der Wohnung unter ihm und dessen Sohn in die Wohnung gestürmt seien und ihn mit einem Holz verprügelt hätten. Der Grund dafür sei wohl ein Schreikrampf gewesen. Die Täter seien über den Balkon in die Wohnung gelangt. Aus eigener Erinnerung wisse sie, dass man über das Flurfenster auf den Balkon gelangen könne und die Balkontür nicht richtig schließe und von außen aufgedrückt werden könne. Damals habe der Kläger alles sehr glaubhaft geschildert, da es noch nicht lange her gewesen sei. Heute könne er dazu nicht mehr befragt werden, da er dann vieles durcheinander bringe. Erst erzähle er ganz glaubhaft und dann erfinde er irgendwas. Die Schilderung des Überfalls habe sie ihm aber geglaubt.
Am 08.02.2007 erhob die Staatsanwaltschaft Bochum Anklage gegen die beiden Nachbarn des Klägers. In der öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts Bochum am 29.08.2007 wurden die Angeklagten frei gesprochen. Einer der Angeklagten sagte in der Verhandlung aus, dass er in der Vergangenheit schon zwei bis drei Mal die Polizei wegen des Lärms aus der Wohnung über ihm gerufen habe. Täglich sei da geschrien worden. An dem Abend sei er in seiner Wohnung geblieben. Er habe nur die Tür zum Flur mal aufgemacht und sei dabei von einem weiteren Nachbarn gesehen worden. Danach sei er wieder in seine Wohnung gegangen. Sie hätten Geräusche und Schritte gehört. Dann habe er gehört, wie unten die Haustür zugegangen sei. Danach sei es still geworden. Mit dem Kläger, den er vom Sehen kenne, habe er nichts zu tun gehabt, wisse aber, dass dieser Drogen verkauft und konsumiert habe. Er habe die Spritzen im Hof gefunden. Über den Kläger sei im Haus nicht gesprochen worden. Der andere Angeklagte sagte im Termin aus, dass er an dem Abend in der Wohnung der Freundin gewesen sei. Mit dem Vater habe er nie zusammen gewohnt und er habe seit zwei bis zweieinhalb Jahren keinen Kontakt mehr zum Vater. Die eigene Wohnung des Angeklagten sei in der R-Straße 23, C. Er spreche zwar noch mit dem Vater wenn er ihm begegne, aber er besuche ihn nicht. Er habe erst durch das Schreiben der Polizei von der Sache erfahren und dann Kontakt zum Vater aufgenommen. Der Vater habe ihm das Gleiche erzählt wie dem Gericht. Sein einziger Bruder sei 19 Jahre alt und in der Türkei.
Der Kläger machte in der Verhandlung vor dem Amtsgericht Bochum folgende Angaben:
"Ich kenne die Angeklagten.
Ich habe Licht bei einem Freund gesehen. Ein Mann kam mit einem Messer hoch. Er kam über die Feuerleiter und brach mein Fenster aus. Die Verwandtschaft von meiner Schwester wurde von dem Mann mit einem Messer verfolgt. Ich fliege Flugzeuge in Düsseldorf als Hobby. Jetzt nicht mehr. Ein Einbrecher war am Fenster. Ich bin näher zum Fenster gegangen. Ich habe Schläge gegen das Bein bekommen mit einen großen Stock. Es waren zwei Einbrecher. Ich bin auf den Balkon gesprungen. Ich habe einen Messerstich bekommen. Mein Bein war kaputt. Die Männer haben sich auf türkisch entschuldigt. Ich hatte Schmerzen. Ein Freund kam vorbei. Martin hat meine Mutter informiert. Der Rettungswagen hat mich abgeholt. Der Mann mit dem Messer hat meinen Freund, den Martin, verfolgt. Martin ist weggelaufen. Der Mann ist im Haus geblieben. Der Mann mit dem Messer hat das Haus bewacht. Der Mann mit dem Messer war einer der Einbrecher. Die Männer sagten ich wäre zu laut gewesen. Die Männer sind auch auf den Balkon gesprungen. Sie hatten einen Stock und einen Schlagring mit. Der Mann hat mich in die Hüfte getreten. Der andere hat mich geschlagen. Ich stand unter Drogen. Es waren vielleicht zwei Einbrecher. Es waren mehr als zwei oder noch mehr bis zu fünf. Sie waren nicht maskiert.
Der Angeklagte 1) war nicht der Mann der mich gehauen hat. Der Angeklagte 2) war der Mann mit dem Tritt. Der Angeklagte zu 2) wer noch nie in meiner Wohnung. Er wohnt unter mir. Er hat nur an der Tür mir was angeboten zum kaufen. Der Angeklagte 2) hat mir das Messer gezeigt. Er hat mich in den Bauch gestochen.
Ich hatte Drogen genommen. Eine Flasche Sekt und zwei Flaschen Bier. Ich habe einen Joint geraucht, nicht mehr. Das war der Abend davor. Herr K schuldet mir noch 1.700,00 €. Er will aber nicht bezahlen. Es gab Arger wegen Lärm. Der Angeklagte 2) war dabei. Ich wohne nicht mehr da. Martin war vor den Einbrechern da. Der junge Mann war in der Wohnung (Angeklagter 2)."
Der in der Verhandlung vernommene Betreuer des Klägers erklärte, dass der Kläger aufgrund seines Drogenkonsums an einer Schizophrenie leide. In dem Haus habe es schon andere Zwischenfälle gegeben. Der Hausmeister habe dem Kläger z.B. schon mal vor das Schienbein getreten. Er selbst habe erst am 28.06.2006 von dem Ereignis Kenntnis erhalten. Die Mutter und die Schwester hätten ihm mitgeteilt, dass der Kläger von den Nachbarn geschlagen worden sei. Dabei sei die Kernaussage immer gleich. Es sei zu einer Auseinandersetzung gekommen. Wegen seiner Krankheit habe der Kläger auch Wahrnehmungsstörungen. Die Aussage, dass er verletzt worden sei, sei glaubwürdig.
Wenn der Kläger Sachen immer wieder wiederhole, dann sei an den Sachen auch etwas dran. Ob der Kläger zum Tatzeitpunkt unter Drogen gestanden habe, könne er nicht sagen. Der ebenfalls als Zeuge vernommene Polizist, der die Strafanzeige aufgenommen hatte, teilte mit, dass er die Angaben des Klägers nachvollziehen konnte. Der Kläger habe nur nicht mitteilen können, wo der Nachbar wohne. Dies sei durch das Anklingeln an allen Wohnungen ermittelt worden. Der Kläger sei gezielt nach den Beschreibungen der Täter gefragt worden.
Das Amtsgericht Bochum sprach die Angeklagten mit der Begründung frei, dass zwar eine Verletzung des Klägers nicht aber die Täterschaft der Angeklagten bewiesen werden konnte. Der Kläger habe in der Hauptverhandlung keine Aussage machen können, aufgrund der die Angeklagten hätten hinreichend sicher überführt werden können.
Das damals für die Durchführung des OEG zuständige Versorgungsamt Dortmund zog die Akten des Strafverfahrens und medizinische Berichte der Unfallklinik (C) vom 27.06.2006 und 05.07.2006 sowie der Allgemeinärztin E (C) vom 14.08.2006 bei. Mit Bescheid vom 10.12.2007 lehnte es sodann einen Anspruch auf Leistungen nach dem OEG i.V.m. dem BVG mit der Begründung ab, dass sich das vom Kläger behauptete Geschehen nicht hinreichend beweisen lasse.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Er habe zwar in der Hauptverhandlung die Täter nicht zweifelsfrei und zur Überzeugung des Strafgerichts identifizieren können, dies schließe aber einen Beweis der Tat an sich nicht aus, denn er habe erwiesenermaßen Verletzungen erlitten. Diese seien ihm durch einen vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff zugefügt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2008 wies der Beklagte den Widerspruch unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Ausgangsbescheides zurück: Auch mit dem Verletzungsmuster lasse sich eine Schädigung nicht belegen. Die Verletzungen könnten auch ohne Fremdeinwirkungen, z.B. durch einen Sturz entstanden sein. Aus älteren medizinischen Berichten ergebe sich, dass sich der Kläger in der Vergangenheit verschiedene Verletzungen durch einen Sturz zugezogen habe.
Am 15.03.2008 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben und sein Begehren aus dem Vorverfahren weiter verfolgt. Die Zeit zwischen Tat und
Hauptverhandlung sei zu lang und der Druck in der Sitzung zu hoch gewesen, um eine belastbare Aussage zu erhalten. Dies und der Umstand, dass es keine weiteren unmittelbaren Zeugen gebe und die Angeklagten die Tat abgestritten hätten, stehe aber einer Entschädigung nicht entgegen, da er zeitnah Aussagen gemacht habe und es Bekundungen von Zeugen vom Hörensagen gebe, denen er den Ablauf zeitnah geschildert habe. Diese Aussagen stimmten im Kern immer überein. Bei ihm vermischten sich Erinnerungen und Wahnvorstellungen mit der Zeit. Zudem seien die Verletzungen dergestalt, dass er sie sich nicht selbst zugeführt haben könne. Auch wenn ein konkreter Täter nicht verurteilt werden könne, seien Leistungen nach dem OEG i.V.m. dem BVG zu gewähren, wenn die Tat hinreichend bewiesen sei.
Das SG hat dem Kläger in einem Einzelrichtertermin des Kammervorsitzenden angehört und Beweis erhoben durch die (ebenfalls einzelrichterliche) Vernehmung des Betreuers als Zeugen sowie die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens von dem Unfallchirurgen und Orthopäden F. Der Sachverständige hat ausgeführt, nach seiner Auffassung spreche mehr für als gegen die Annahme, dass die Körperschäden auf dem Ereignis beruhten, das der Kläger in der Zeugenaussage am 01.08.2006 beschrieben habe. Es seien im Rahmen des stationären Aufenthalts frische Frakturen festgestellt worden. Zudem sprächen die Verletzungen für eine äußere Gewalteinwirkung, wobei sie auch durch einen Sturz entstanden sein könnten.
Auf dieser Grundlage hat das SG der Klage mit Urteil vom 25.03.2010 stattgegeben und dazu im Wesentlichen ausgeführt:
"Die Kammer stützt sich zur Begründung ihrer Auffassung, dass am 26.06.2006 ein Angriff auf den Kläger stattgefunden hat, auf die Aussage des Klägers untermauert durch das traumatologische Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen F und die Angaben der Mutter und der Schwester des Kläger sowie dessen Betreuers und der behandelnden Arzte.
Die aktenkundigen Aussagen des Klägers gegenüber der Polizei sind einer gerichtlichen Verwertung zugänglich. Die Aussagen sind ordnungsgemäß zustande gekommen und sind bezüglich des Angriffs auch ergiebig. Detailreich und in den mehrfachen Aussagen übereinstimmend stellt der Kläger kurz nach dem Ereignis dar, dass Personen in der Nacht vom 26.06.2006 wegen des Krachs aus seiner Wohnung über den Balkon in seine Wohnung gekommen seien. Dabei wies der Kläger darauf hin, dass die Balkontür nicht richtig zu
verriegeln sei, man könne sie von außen leicht aufdrücken. Diese Darstellung deckt sich mit der Aussage der Schwester des Klägers, die in ihrer Aussage angibt, dass man leicht von dem Hausflur durch die Fenster auf die Feuerschutzbalkone komme und von dort auf den Balkon, der zur Wohnung des Klägers gehöre. Zudem stellte die Schwester auch dar, dass die Balkontür nicht richtig schließe und von außen aufgedrückt werden könne. Übereinstimmende Angaben machte die Mutter des Klägers zu diesen Umständen. Die Angaben der Verwandten des Klägers sind auch glaubhaft. Zwar haben die Verwandten ein grundsätzliches Interesse daran, dem Kläger bei der Verfolgung seiner Interessen zu helfen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Angaben, die die Schwester und die Mutter gegenüber der Polizei machten, von dieser zum Vernehmungszeitpunkt leicht hätten überprüft werden können. Die Wohnung des Klägers war noch von diesem bewohnt und betretbar. Zudem wissen die Verwandten um die Erkrankung des Klägers und können die Auswirkungen in Bezug auf dessen Angaben zu Ereignissen hinreichend abschätzen. Letztlich ist zu berücksichtigen, dass sich die Angaben des Klägers mit Stellung des Antrages auf Leistungen nach dem OEG nicht veränderten. Bereits gegenüber den erstbehandelnden Ärzten wies der Kläger auf eine Auseinandersetzung hin, die Grund für die Verletzungen gewesen sein soll. Weiter gibt der Kläger an, dass er von den Personen, die in seine Wohnung eindrangen, körperlich misshandelt worden sei wegen des Krachs aus seiner Wohnung. Im Rahmen dieser Angaben stellt der Kläger dar, wie es zu den Verletzungen kam. Er sei mit einem Holzstab geschlagen worden und dann gestürzt aufgrund eines Stoßes. Diese Angaben machte der Kläger sowohl gegenüber den auffindenden Verwandten als auch gegenüber den behandelnden Ärzten und der Polizei. Diese Angaben, die unstreitig den Tatbestand eines tätlichen, rechtswidrigen Angriffs erfüllen, sind nachvollziehbar und glaubhaft. Sie sind insgesamt deckungsgleich und werden vom Kläger bis zum Ablauf einiger Zeit immer wieder gleich wiederholt. Zudem ist der Kläger nach der überzeugenden Auffassung der behandelnden Arzte nicht dazu in der Lage, ein Versorgungsinteresse zu bilden, d.h. die Auswirkungen seiner Angaben bezüglich Leistungen nach dem OEG abzuschätzen bzw. ein solches Verfahren nachhaltig zu seinen Gunsten zu betreiben. Sicherlich ist es für den Kläger von Interesse, das ihm geglaubt wird. Davon geht jedenfalls der Betreuer des Klägers aus. Dies ist allerdings nicht gleichzusetzen mit einem den Wert der Aussage beeinträchtigenden Interesse am Ausgang des Verfahrens - insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger auch zur Verfolgung dieses Interesses, seine Taten nicht dauerhaft steuern könnte. Der Betreuer gab zudem an, dass der Kläger grundsätzlich ehrlich sei. Der Kläger gebe sein eigenes Fehlverhalten grundsätzlich zu und vertusche nichts. In der Vergangenheit gebe es entsprechende Beispiele. Dies deckt sich auch mit den Angaben des Klägers dazu, dass er die Ruhestörung gleichsam mit den restlichen Angaben einräumt. Auch die Veränderung der Aussage mit der Zeit hindert nicht die Berücksichtigung der Erstaussagen des Klägers. Der Kläger leitet an wahnhafter Schizophrenie. Dadurch verändert sich in akuten Phasen seine Wahrnehmung und bei langen Zeitabläufen auch die Erinnerung. Die Erinnerungen an tatsächliche Gegebenheiten vermischen sich dann mit den eingebildeten Erinnerungen. Aber hierbei ist zu berücksichtigen, dass (abgesehen von akuten Phasen) eine Vermengung von Realität und Wahn erst nach einer längeren Zeit geschieht. Die Erstaussagen sind daher als grundsätzlich frei von wahnhaften Verzerrungen anzusehen. Zu dieser Auffassung ist auch der vernehmende Polizeibeamte gekommen, der in der strafrechtlichen Hauptverhandlung angab, dass die Aussagen des Klägers für ihn nachvollziehbar gewesen seien. Zu dem selben Ergebnis kamen die Verwandten des Klägers und kommt der der Betreuer, der noch im laufenden Verfahren angibt, dass der Kläger sich immer wieder mal an die Tat entsprechend erinnern könne und davon erzähle (Schriftsatz vom 18.12.2009). Letztlich kam es auch zu einer Anklage nach Prüfung durch die Staatsanwaltschaft, was für eine Überzeugungskraft der Aussage des Klägers spricht, da er der einzige unmittelbare Zeuge war. Nach Auffassung der Kammer kann den Aussagen auch nicht entnommen werden, dass sie auf eine wahnhafte Erinnerung des Klägers zurück zu führen sind. Die Wahnvorstellungen des Klägers beinhalten im Wesentlichen Größenphantasien. Der Kläger sei der Auffassung, dass er Unterseebootkapitän, Hubschrauberpilot oder Feuerwehrmann sei und ein großes Haus in Oberstdorf habe. Diese Angaben decken sich mit dem Eindruck, den der Vorsitzende im Erörterungstermin am 09.10.2008 gewinnen konnte, in dem der Kläger kurz selbst gehört wurde. Die Beschreibung des Tathergangs passt damit nicht in das Krankheitsbild des Klägers. In einer Akutphase des Wahns hätte der Kläger einen bewaffneten Überfall von "feindlichen" Truppen oder ähnliches wahrgenommen und nicht den profanen Überfall von Nachbarn. Letztlich überzeugt die Darstellung des Klägers auch, weil sie mit den Verletzungen in Übereinstimmung zu bringen ist. Nach dem überzeugenden Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen - welches von dem Beklagten auch nicht widerlegt werden kann (Stellungnahme vom 18.08.2009) - ist es nachvollziehbar, dass der vom Kläger beschriebene Ablauf die genannten Verletzungsfolgen hervorrufen kann. Dabei ist die Einschätzung im Gutachten zwar nicht als hinreichendes aber zumindest als notwendiges Kriterium zu werten ....
Der Auffassung des Beklagten, dass der Freispruch der Angeklagten eine Leistung nach dem OEG ausschließe, kann nicht gefolgt werden. In dem strafrechtlichen Verfahren wird in Bezug auf die Täterschaft (oder Teilnahme) der Angeklagten ermittelt und nicht in Hinsicht auf die Opfereigenschaft des Betroffenen. Der Freispruch der Täter sagt daher nichts darüber aus, ob der Kläger Opfer einer Gewalttat wurde. Hiervon muss aber zumindest die Staatsanwaltschaft ausgegangen sein, da sie angeklagt hat. Letztlich spiegelt sich das in dem Grundsatz wider, dass ein Täter für die Annahme eine Angriffs nach dem OEG nicht überführt werden muss (Kunz/Zellner, OEG, 4. Auflage, § 1 Rdnr. 10). Der Kläger war nach der langen Zeit zwischen dem Ereignis am 26.06.2006 und der mündlichen Verhandlung am 29.08.2007 nicht mehr in der Lage, die Aussagen aus den polizeilichen Vernehmungen eindeutig und übereinstimmend - ohne wahnhafte Verzerrungen - zu wiederholen. Nach den Angaben der Bevollmächtigten in diesem Verfahren, die auch das strafrechtliche Verfahren des Klägers als Nebenkläger begleitete, war der Kläger auch der belastenden Situation in der Hauptverhandlung krankheitsbedingt nicht gewachsen. Die lange Befragung habe bei ihm zu Verwirrungen geführt, die dann den Freispruch verursacht hätten. Letztlich ist aber eine freie Beweiswürdigung in diesem Verfahren unabhängig von dem Ausgang des strafrechtlichen Verfahrens vorzunehmen, zumal zwischen dem OEG und dem Strafrecht keine Konkurrenz besteht (Kunz/Zellner, a.a.O., § 1 Rdnr. 30).
Auch der Umstand, dass der Kläger bei den Vernehmungen von einem Durchstechen der Handfläche mittels eines Messers durch einen Täter berichtet und diese Verletzung sich nicht in den medizinischen Berichten und dem Sachverständigengutachten wiederfindet, mindert nicht den Aussagewert. Die Schwester des Klägers berichtet von einer kleinen Verletzung an der Handinnnenfläche zum Zeitpunkt des Auffindens des Klägers. Die Wunde sei leicht verkrustet und ganz klein gewesen. Damit ist ein hinreichender Anlass für die Angabe des Klägers in Bezug auf ein Schädigungsereignis an der Hand gegeben.
Die Möglichkeit, dass die Schädigung auf eine entsprechende Milieuzugehörigkeit zurückzuführen sei, weil der Kläger Drogen konsumiere oder möglicherweise auch damit handele oder zumindest ein entsprechender Handel in der Wohnung stattfinde, und eine Entschädigung nach dem OEG gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG unbillig wäre, scheitert schon daran, dass die dafür erforderlichen Umstände nicht voll bewiesen sind. "
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Berufung des Beklagten. Er trägt vor, es falle zunächst auf, dass der Kläger nur gegenüber den behandelnden Ärzten vorgetragen habe, sich die Verletzung durch einen Sturz zugezogen zu haben, nachdem er geschubst worden sei. Alle anderen Personen, denen der Kläger direkt nach der fraglichen Nacht den Ablauf geschildert habe, hätten nicht von einem Sturz berichtet. Die Schwester erwähne einen Messerstich, den der Kläger im Verlauf der Auseinandersetzung erhalten haben solle, wobei sie weiter angebe, der Sohn habe gestochen, während der Kläger selbst angebe, es sei der Vater gewesen. Bis auf die Schwester hätten weder die anwesenden Polizisten noch die behandelnden Ärzte eine Stichverletzung beschrieben. Weiter falle auf, dass der Kläger schildere, er sei mehrfach mit einem Holzknüppel gegen Knie, Hüfte und Kopf geschlagen worden. Bis auf die Schwester des Klägers, hätten aber die Polizisten wie auch die behandelnden Ärzte angegeben, dass - bis auf eine diskrete Prellmarke im Bereich des rechten Ellbogens - keine äußeren Verletzungszeichen sichtbar gewesen seien. Auch die ersten Angaben des Klägers seien nicht konstant, teilweise widersprüchlich bzw. nicht den Tatsachen entsprechend. Sie seien daher nicht geeignet, eine Gewalttat im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG zu beweisen. Angesichts der Grunderkrankung und des erheblichen Drogenkonsums müsse eher davon ausgegangen werden, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, Realität und Wahnvorstellungen zu trennen. Insgesamt könne daher den Angaben des Klägers nicht die für die Anwendung des § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren in der Kriegsopferversorgung (KOWfG) notwendige Glaubhaftigkeit beigemessen werden. Nach den Feststellungen des Sachverständigen F könne die Verletzung des Knies auch durch einen Sturz verursacht worden sein. Es sei daher ebenso gut möglich, dass der Kläger aufgrund seines Drogenkonsums gestürzt sei und sich die Verletzung zugezogen habe.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25.03.2010 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach ausdrücklichem Hinweis des Senats auf die in Betracht gezogene Möglichkeit einer Zurückverweisung an die erste Instanz zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist im Sinne einer Zurückverweisung gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG begründet.
Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht (LSG) die angefochtene Entscheidung durch Urteil aufheben und die Sache an die erste Instanz zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Verfahrensmangel i.S.d. Vorschrift ist ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift oder aber ein Mangel der Entscheidung selbst (Frehse in: Jansen, SGG, 3. Aufl. 2009, § 159 Rn. 6 m.w.N.). Die angefochtene Entscheidung des SG beruht hier auf solchen wesentlichen Verfahrensfehlern (hierzu unter 1.). Die Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG ist sachgerecht, denn der erkennende Senat konnte ohne weitere aufwändige Sachverhaltsaufklärung in der Sache nicht selbst entscheiden. Eine Durchführung der erforderlichen Beweisaufnahme in der ersten Instanz ist unter Würdigung der Schutzinteressen der Beteiligten zweckmäßig und angemessen (hierzu unter II).
I.
Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG ist ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift oder aber ein Mangel der Entscheidung selbst (zu den Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 SGG siehe Urteile des LSG NRW vom 20.02.2002 - L 10 SB 141/01 -, vom 22.01.2003 - L 10 SB 111/02 -, vom 19.03.2008 - L 8 R 264/07 - sowie vom 27.11.2008 - L 2 KN 165/08 -). Hier liegen zwei wesentliche Entscheidungsmängel vor: Das SG hat zum einen den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt, weil es die zu vernehmenden Zeugen nicht gehört und damit seiner Amtsermittlungspflicht gem. §§ 103 und 106 SGG nicht genügt hat (hierzu unter 1.). Zum anderen hat es die Grenzen der tatrichterlichen Kompetenz bei der Beweiswürdigung nach §§ 128, 136 SGG überschritten, indem es die Aussage des an Schizophrenie leidenden Klägers ohne sachkundige Feststellungen zu dessen Aussagetüchtigkeit und zur Erlebnisfundiertheit seiner Angaben zur wesentlichen Entscheidungsgrundlage des gerichtlichen Urteils machte (hierzu unter 2).
- Das angefochtene Urteil verstößt gegen die zwingende Verfahrensvorschrift des § 103 SGG, weil das SG sich zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen. Nach §103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Das Gericht ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Hiernach hat das Gericht im sozialgerichtlichen Verfahren die Amtsermittlung in eigener Verantwortung durchzuführen. Der in § 103 SGG normierte Untersuchungsgrundsatz ist verletzt, wenn das Tatsachengericht Ermittlungen unterlässt, die es von seiner Rechtsauffassung ausgehend hätte anstellen müssen. Hierbei ist von sämtlichen Ermittlungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen (vgl. Kolmetz in: Jansen, aaO, § 103 Rn. 3 ff. m.w.N.).
Ausgehend von der zutreffenden Rechtsauffassung des SG, anspruchsbegründend sei der Nachweis, dass ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG vorliege, wobei das SG nicht an die Einschätzung aus dem vorangegangenen Strafverfahren gebunden ist, hätte es sich zu weiterer Beweiserhebung, gedrängt fühlen müssen (vgl. grundsätzlich BSG, Urteil vom 29.04.2010 - B 9 VG 1/09R - Juris Rn. 31 m.w.N.). Beweismaßstab für den Tatbestand des § 1 OEG ist grundsätzlich der Vollbeweis, nicht die bloße Glaubhaftmachung nach § 15 KOWfG. Das gilt im Ausgangspunkt auch hier, weil der Kläger sich angesichts der gehörten und weiterer in Betracht kommender Zeugen zumindest nach dem derzeitigen Verfahrensstand nicht in schuldloser Beweisnot befindet (vgl. allgemein zu den Voraussetzungen des § 15 KOWfG im OEG: LSG NRW, Urteil vom 29.09.2010 - L 6 (7) VG 16/05 - Juris Rn. 24). Das SG hätte daher im Wege der Amtsermittlung gemäß §§ 103, 106 SGG unter Ausschöpfung aller erforderlichen und erreichbaren Beweismittel den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Das ist nicht erfolgt. Zwar hat das SG den Verwaltungsvorgang beigezogen und ausgewertet sowie den Kläger und seinen Betreuer durch den Kammervorsitzenden angehört. Das genügt indes nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Im sozialgerichtlichen Verfahren sind als Beweismittel nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG die Augenscheinseinnahme (vgl. §§ 371 ff. ZPO) und der Zeugenbeweis (§§ 373 ff. ZPO) sowie der Beweis durch Sachverständige (§§ 402 ff. ZPO) und durch Urkunden (§§ 415 ff. ZPO) vorgesehen. Ausgenommen sind im sozialgerichtlichen Verfahren hingegen die Vorschriften über die Parteivernehmung (§§ 445 ff. ZPO). Das SGG kennt die Parteivernehmung nicht als Beweismittel, denn § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG verweist nicht auf §§ 445 ff. ZPO (hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 118 Rn. 8 m.w.N.; vgl. aber Gutzer, Die persönliche Parteianhörung - verkanntes Beweismittel im sozialgerichtlichen Prozess, SGB, 2009, 73 ff.). Möglich ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Beteiligten zur Sachverhaltsaufklärung (§111 Abs. 1 Satz 1 SGG sowie § 106 Abs. 3 Nr. 7 SGG). Auch wenn es sich bei dieser Anhörung der Beteiligten - wie hier - nicht um eine Beweisaufnahme im eigentlichen Sinne handelt, kann die Entscheidung eines Rechtsstreits hierauf gestützt werden (vgl. Keller, a.a.O., § 118 Rn 8). Dies setzt voraus, dass der Beteiligte glaubwürdig und sein Vortrag widerspruchsfrei ist und mit den sonstigen Fakten im Einklang steht (Keller, a.a.O., § 118 Rn. 8 m.w.N.). Zweckmäßig ist es in diesem Zusammenhang, wenn das SG seinen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit der gehörten Personen zu Zwecken des rechtlichen Gehörs (§§ 128, 62 SGG) und ggf. auch als Grundlage für spätere Entscheidungen protokolliert, was vorliegend nicht geschehen ist. Soweit des SG darüber hinaus ein Sachverständigengutachten eingeholt hat, war dies insoweit verfrüht, als es die rechtserheblichen Anknüpfungstatsachen noch nicht ermittelt hatte.
Die Feststellungen des SG zum eigentlichen Geschehensablauf am 26.06.2006 beruhen allein auf den prozessual eingeschränkt verwertbaren Angaben eines Zeugen vom Hörensagen (dem Betreuer des Klägers, mit dem dieser später gesprochen hatte) und den eigenen Behauptungen des Klägers als Verfahrensbeteiligten (dessen Aussagetüchtigkeit zudem nicht feststeht - hierzu s.u. unter 2.). Diese Angaben stehen zudem in Widerspruch zu den Angaben der angeschuldigten und als Zeugen in Betracht kommenden beiden Täter und zu den Feststellungen des Sachverständigen F. Denn dessen Gutachten enthält zum entscheidenden Punkt der Verursachung der Verletzungen des Klägers zwei Möglichkeiten - Eigen- oder Fremdverletzung - ohne dabei im Sinne eines zwingenden Rückschlusses eine der beiden Alternativen auszuschließen. Eine solche Beweislage genügt allenfalls für eine Wahrscheinlichkeitsannahme, nicht aber für den hier zu führenden Vollbeweis, bei dem kein vernünftiger Zweifel mehr bleiben darf (BSG a.a.O.). Vor einem Abstellen auf die allein für Fälle schuldloser Beweisnot entsprechend anwendbaren Voraussetzungen des § 15 KOWfG hätte das SG daher zunächst die angeschuldigten Täter und die vom Amtsgericht gehörten Zeugen hören müssen, um sich ein eigenes Urteil über den Geschehensablauf bilden zu können. Eine solche Anhörung ist, wie die Erfahrungen des erkennenden Senates zeigen, in OEG-Fällen häufig selbst dann ergiebig, wenn die Betreffenden mangels Verjährung oder Strafklageverbrauch noch Zeugnisverweigerungsrechte besitzen. Eine bloße Würdigung der Strafakten als Urkunden ersetzt nicht den unmittelbaren Zeugenbeweis vor dem Tatrichter (vgl. dazu LSG NRW Urteil vom 26.09.2002 - L 10 VJ 21/01 -). Daran fehlt es hier.
- Auch die Beweiswürdigung des SG ist rechtlich unzureichend. Zur tragfähigen Beurteilung der Aussage des Klägers durfte das SG sich angesichts dessen Schizophrenie-Erkrankung nicht allein auf den persönlichen Eindruck des Kammervorsitzenden über ein vermeintlich luzides Intervall abstützen, zumal dieser Eindruck nicht hinreichend im Terminprotokoll dokumentiert ist. Es ist für die Feststellung der Aussagetüchtigkeit und Erlebnisfundiertheit der Angaben von psychisch Erkrankten allgemein anerkannt, dass hier die reguläre tatrichterliche Kompetenz eines nicht neurologisch-psychiatrisch bzw. psychologisch ausgebildeten Richters endet (grundlegend: Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 30.07.1999 - 1 StR 618/98; Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 30.04.2003 - 2 BvR 2045/02 - m.w.N.). Der BGH hat in ständiger Rechtsprechung und in Übereinstimmung mit den vom BVerfG vorgegebenen verfassungsrechtlichen Maßstäben hervorgehoben, dass die Tatgerichte sich im Rahmen der Beweiserhebung und -Würdigung von Sachverständigen beraten lassen müssen, wenn für die Vernehmung der Auskunftsperson aussagepsychologische Fragestellungen relevant werden. Eine solche Fallgestaltung liegt den Kläger betreffend vor, was keiner Vertiefung bedarf.
Für den Sozialgerichtsprozess hat lediglich das LSG Berlin-Brandenburg Zweifel an dieser Vorgehensweise geäußert. Damit bezog es sich allerdings allein auf die Frage der Begutachtung kindlicher bzw. jugendlicher Zeugen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.07.2010 - L 13 VG 25/07 -). Es ist daher nach Auffassung des erkennenden Senats jedenfalls im Falle einer Schizophrenie in der Rechtsprechung unumstritten und auch hier unverzichtbar, bei der Beurteilung der Aussagen des psychisch schwer erkrankten Klägers auf sachverständige Hilfe zurück zu greifen.
Zudem ist der Gedankengang des SG zum angeblich luziden Intervall des Klägers nicht frei von Widersprüchen. Denn soweit das SG meint, der Kläger fabuliere nur Ungewöhnliches wie "Angriffe fremder Soldaten, er sei Hubschrauberpilot" oder dergleichen, so ist dem entgegen zu halten, dass der Kläger ausweislich des Befundberichtes des ihn behandelnden Neurologen eben auch ganz banale Dinge erfindet, wie "er sei Chemielaborant oder Hausbesitzer". Das könnte durchaus auch die Erfindung eines tätlichen Angriffs der Nachbarn erklären. Hinzu kommt die Erstschilderung des Vorfalls durch den Kläger, insbesondere was die von ihm angegebene Verletzung seiner Hand durch einen Messerstich angeht. Diese Schilderung lässt sich nämlich mit dem medizinischen Befund (leichter Schorf an der Hand) nicht in Einklang bringen und passt damit viel eher zu einer schizophrenen Übertreibung.
Der aufgezeigte Verfahrensmangel ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das SG bei ordnungsgemäßer Beweisaufnahme und - Würdigung eine andere Entscheidung getroffen hätte.
Der Senat macht von dem ihm in § 159 SGG eingeräumten Ermessen unter Abwägung der Interessen der Beteiligten an einer baldigen Sachentscheidung und dem Grundsatz der Prozessökonomie einerseits sowie dem Verlust einer Tatsacheninstanz andererseits im entschiedenen Sinne Gebrauch. Auf diese in ihrem eigenen Interesse liegende Möglichkeit hatte der Senat die Beteiligten zuvor ausdrücklich hingewiesen.
Der Senat könnte gegenwärtig nicht selbst ohne weitere Beweiserhebung in Form von Zeugenvernehmung und Sachverständigengutachten abschließend über den geltend gemachten Anspruch entscheiden. Hierbei handelt es sich um umfangreiche Ermittlungen, die entsprechend dem auch für die Auslegung des § 159 SGG heranzuziehenden Rechtsgedanken des § 130 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowohl unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie als auch des Erhalts beider Tatsacheninstanzen die Aufhebung und Zurückverweisung an das SG als ermessensgerecht gebieten (so auch LSG NRW, Urteil vom 11.03.2008 - L 8 R 264/07 -). § 159 SGG ist ein wesentliches Instrument der verfahrensmäßigen Qualitätssicherung. In der Rechtsprechung ist mit guten Gründen anerkannt, dass der Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung im Interesse der Rechtssuchenden gewissen Minimalanforderungen genügen muss (hierzu z.B. Bundesverwaltungsgericht <BVerwG>, Urteil vom 28.11.2002 - 2 C 25/01 Bundesfinanzhof <BFH>, Urteile vom 01.02.2001 - 111 R 11/98 - und 07.11.2000 -VII R 24/00 Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 15.11.1988 - 4/11a RA 20/87 BGH, Urteil vom 21.12.1962 -1 B 27/62 LSG NRW, Urteile vom 23.01.2002 - L 10 SB 150/01-, 05.09.2001 - L 10 SB 70/01 -, 20.02.2002 - L 10 V 41/01 - und 14.05.1998 - L 7 SB 146/97 -). Wird dem nicht Rechnung getragen und sprechen keine sonstigen besonderen Gründe
der Verfahrensgerechtigkeit dagegen, ist mithin eine Zurückverweisung nach § 159 SGG > geboten.
Die Kostenentscheidung bleibt dem SG Vorbehalten.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).