Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nach § 19 Abs. 3 SGB XII zählt bei nicht getrennt lebenden Ehegatten auch zum Vermögen Einschränkung Rückforderungsanspruch der Ehepartnerin eines Hilfebedürftigen nach § 528 BGB gegen einen Dritten.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. Januar 2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) (noch) für die Zeit von Juni 2017 bis Januar 2018.
Der 1950 geborene Kläger ist seit Februar 2015 im L des Hospitals in R untergebracht.
Am 22. Mai 2017 beantragte er die Übernahme der ungedeckten Heimkosten. Dem Antrag legte er einen Ausdruck des Sparbuchs mit der Nr. 3* und einem Saldo von 2.501,72 €, des Sparbuchs Nr. 3* mit einem Saldo von 2.506,63 €, des Girokontos Nr. 2* mit einem Saldo von 4.931,46 € sowie Kontoauszüge der Kapitalversicherung des Klägers mit einem Betrag von 4.534,46 € und seiner Ehefrau mit einem Betrag von 4.526,32 € bei. Daneben wurden Kontoauszüge des Kontos Nr. 1* mit einem Saldo von 5.276,52 € sowie des Kontos mit der Nr. 1* mit einem Saldo von 5.698,16 € vorgelegt. Ferner wurde mitgeteilt, dass aus der Lebensversicherung der Universal 12.000,00 € für die Ehefrau des Klägers abgehoben worden seien. Das Geld sei für Umzugskosten und eventuell benötigte Möbel gedacht.
Mit Bescheid vom 31. Juli 2017 lehnte der Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, der Kläger verfüge gemeinsam mit seiner Ehefrau über übersteigendes Vermögen in Höhe von 36.941,75 €.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, die nicht im Leistungsbezug stehende Ehefrau des Klägers habe am 9. August 2017 ihrer Tochter 10.000,00 € verschenkt. Nach Abzug des Schonvermögens in Höhe von 10.000,00 € belaufe sich das verwertbare Vermögen noch auf rund 11.000,00 €, was bedeute, dass allenfalls für sieben Monate noch ausreichendes Vermögen vorhanden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2017 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, das Schonvermögen im Falle des Klägers betrage nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1b 10.000,00 €. Der Kläger und seine Ehefrau hätten zum 30. Mai 2017 ausweislich der jeweiligen Salden auf ihren Girokonten und Sparguthaben zuzüglich des Barguthabens in Höhe von 12.000,00 € den oben genannten Schonbetrag um 20.641,00 € überschritten. Im Falle des Klägers seien auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Notlage ersichtlich und auch nicht geltend gemacht worden, die eine Erhöhung des maßgeblichen Freibetrages nach § 2 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung von § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII rechtfertigen könnten.
Sozialhilfe dürfe im Übrigen auch dann nicht vom Einsatz des den Schonbetrag übersteigenden Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dessen Einsatz eine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII für den Leistungsempfänger darstellen würde. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liege eine Härte dann vor, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles, wie z.B. die Art, Schwere und Dauer der Hilfe, das Alter oder die sonstigen Belastungen des Vermögensinhabers und seiner Angehörigen eine typische Vermögenslage deshalb zu einer besonderen Situation werden lasse, weil die soziale Stellung des Hilfenachfragenden insbesondere wegen einer Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nachhaltig beeinträchtigt sei.
Die Inanspruchnahme des die Vermögensfreigrenze übersteigenden Vermögens habe vorliegend keinen Einfluss auf die soziale Stellung des Klägers. Eine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII könne daher nicht angenommen werden, die Forderung des Einsatzes des die Schongrenze übersteigenden Vermögens durch den Beklagten sei rechtmäßig.
Die mit Schreiben vom 17. August 2017 geltend gemachte Berücksichtigung einer Vermögensminderung aufgrund einer Schenkung über 10.000,00 € der Ehefrau des Klägers an die Tochter führe im Übrigen zu keiner anderen Beurteilung der Rechtslage. Die Schenkung begründe einen Schenkungsrückforderungsanspruch nach § 528 BGB. Hiernach könne der Schenker vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenks fordern, soweit er nach der vollzogenen Schenkung außerstande sei, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Der Schenkungsherausgabeanspruch sei gemäß § 529 BGB nicht ausgeschlossen, solange zur Zeit des Eintritts der Bedürftigkeit seit der Schenkung noch keine zehn Jahre verstrichen seien. Die Vorschrift des § 528 BGB betreffe aufgrund der Regelung des § 19 Abs. 3 SGB XII beide Ehepartner, also auch Schenkungen, die der nicht leistungsberechtigte Ehepartner vorgenommen habe.
Dagegen hat der Kläger am 4. Oktober 2017 Klage zum Sozialgericht (SG) Reutlingen erhoben. Zur Begründung hat der Kläger über seinen Bevollmächtigten ausgeführt, das Konto Nr. 1*sei am 14. August 2017 bei einem Saldo von 1.259,35 € aufgelöst worden, wobei dieser Betrag ebenso wie die Barabhebung vom 29. Oktober 2015 auf das Girokonto Nr. 2* gebucht worden sei. Die weitere Barabhebung vom 29. Oktober 2015 vom Sparbuch sei auf das Girokonto Nr. 1* übertragen worden. Die Abhebung vom 10. November 2017 mit einem Betrag von 2.000,00 € sei am selben Tag wiederum auf das Girokonto eingezahlt worden.
Die monatlichen Pflegekosten hätten sich bis Dezember 2017 auf jeweils 2.664,00 €, ab Januar 2018 auf 2.772,90 € belaufen. Selbst bei Berücksichtigung der gesamten Rente der Ehepartner mit einem Betrag von 1.780,27 € müsse ein Betrag von rund 1.000,00 € monatlich aufgebracht werden. Damit läge auf der Hand, dass das gesamte Vermögen bis spätestens Mai 2018 komplett verbraucht sein werde.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ausgeführt, bei dem Vermögen sei der Anspruch auf Rückabwicklung der Schenkung in Höhe von 10.000,00 € an die Tochter des Klägers zu berücksichtigen. Das einzusetzende Vermögen sei am 28. Februar 2018 unter die Schongrenze gefallen, weshalb ab diesem Zeitpunkt Leistungen gewährt werden könnten. Insoweit ergebe sich für Februar 2018 ein Bedarf an ungedeckten Heimkosten in Höhe von 313,75 € sowie für die Zeit ab März 2018 in Höhe von 2.120,71 € monatlich. Im Monat Juli 2018 seien dem Kläger Nachzahlungen aus Bestandsleistungen durch die Pflegekasse in Höhe von 1.816,89 € zugeflossen, weshalb für den Monat Juni 2018 mit einer Rückzahlung in Höhe von 1.054,38 € zu rechnen sei.
Mit Bescheid vom 14. Juni 2018 hat der Beklagte ab dem 1. Juni 2018 im Rahmen der Hilfe zur Pflege in Einrichtungen die nicht durch das Einkommen und die Pflegeversicherungsleistungen gedeckten Heimkosten übernommen.
Mit Gerichtsbescheid vom 11. Januar 2021 hat das SG den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Juli 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2017 verpflichtet, dem Kläger Leistungen der Hilfe zur Pflege ab Februar 2018 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass die Klage insoweit begründet gewesen sei, soweit von Hilfebedürftigkeit des Klägers ab Februar 2018 auszugehen gewesen sei. Im Übrigen sei die Klage abzuweisen gewesen.
Der Kläger gehöre unstreitig zum Personenkreis, der dem Grunde nach Anspruch auf Hilfe zur Pflege im Sinne der §§ 61 ff. SGB XII habe. Diese Leistungen würden indessen unter dem Grundsatz der Nachrangigkeit der Sozialhilfe erbracht. Dementsprechend seien sie gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII davon abhängig, dass den leistungsberechtigten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII nicht zuzumuten sei. Der ungedeckte Bedarf des Klägers habe indessen im Rahmen des Nachrangs der Sozialhilfe vom Einkommen und Vermögen bis Februar 2018 getragen werden können, weshalb Leistungen der Sozialhilfe erst ab diesem Zeitpunkt geboten gewesen seien.
Gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII erhielten Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen Personen, soweit ihnen, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet seien, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten sei. Der Kläger und seine Ehefrau hätten im streitgegenständlichen Zeitraum nicht getrennt gelebt, sodass das Einkommen und Vermögen der Ehefrau des Klägers grundsätzlich bei der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigen sei. Die Unterbringung in einem Pflegeheim führe nicht zum Getrenntleben der Ehegatten, nachdem weder der Kläger noch seine Ehefrau den hierfür erforderlichen objektiv hervortretenden Trennungswillen nach außen dokumentiert hätten. Insoweit habe der Beklagte zutreffend ein um das Schonvermögen bereinigtes Gesamtvermögen von 20.641,75 € zugrunde gelegt. Insbesondere seien auch die am 9. August 2017 an die Tochter ausgekehrten 10.000,00 € als Vermögen einzusetzen gewesen. Dieses Vermögen sei insoweit auch verwertbar, nachdem die Tochter des Klägers dieses Geld zumindest wieder zur Verfügung gestellt habe.
Diese Regelung sei auch nicht deswegen zu beanstanden, weil sie ein anderes Ergebnis vorsehe als unterhaltsrechtliche Vorschriften bzw. zivilrechtliche Grundsätze. Zwischen dem privaten Unterhaltsrecht und dem Sozialrecht bestünde kein völliger Gleichklang, nachdem die Gewährung von Sozialhilfe anderen Kriterien folge als die Beurteilung unterhaltsrechtlicher Zahlungsverpflichtungen (mit Hinweis auf den Bundesgerichtshof – BGH -, Urteil vom 7. Juli 2004 – Az. XII ZR 272/02 -). Das Sozialrecht betrachte nicht getrennt lebende Eheleute als eine Wirtschafts- und Einsatzgemeinschaft, die ihr gemeinsames Einkommen umfassend zur Deckung ihres jeweiligen Bedarfes einzusetzen habe.
Selbst wenn man im Übrigen von einer wirksamen Übertragung des Vermögens an die Tochter ausgehen würde, bliebe dem Beklagten die Möglichkeit nach erfolgter Leistungserbringung gemäß § 103 Abs. 1 SGB XII einen Kostenerstattungsanspruch gegen den zur Verwertung Verpflichteten und/oder einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 19 Abs. 5 SGB XI geltend zu machen, welcher mit Blick auf das Schonvermögen gleichermaßen durchsetzbar wäre, weshalb auch in wirtschaftlicher Hinsicht für den Kläger nichts gewonnen wäre. Nachdem indes die Tochter das Geld wiederum zur Verfügung gestellt habe, sei von einer Rückabwicklung eines möglichen Schenkungsvertrages auszugehen, weshalb sich die vorliegende Frage nicht stelle.
Im Hinblick auf den Verbrauch des somit einzusetzenden Vermögens sei eine Leistungspflicht ab Februar 2018 festzustellen und der Klage in diesem Umfang stattzugeben.
Der Kläger hat gegen den seinem Bevollmächtigten am 13. Januar 2021 mit Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid am 22. Januar 2021 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Zur Begründung führt der Klägerbevollmächtigte aus, bei der Berechnung des Freibetrages sei nicht nur das Vermögen zugrunde gelegt worden, über das der Kläger und seine Ehefrau tatsächlich noch hätten verfügen können, sondern vielmehr außerdem ein Betrag in Höhe von 10.000,00 € gerechnet worden, den die Ehefrau des Klägers am 9. August 2017 ihrer Tochter geschenkt habe. Das SG vertrete in seiner Entscheidung die Auffassung, dass der Kläger auch die Schenkung an die Tochter als Vermögen einzusetzen habe. Das Sozialgericht betrachte nicht getrennt lebende Eheleute als eine Wirtschafts- und Einstandsgemeinschaft, die gemeinsames Einkommen umfassend zur Deckung ihres jeweiligen Bedarfes einzusetzen habe. Das SG gehe offensichtlich davon aus, dass die Übertragung des Vermögens auf die Tochter nicht wirksam gewesen sei. Eine Erklärung hierfür ergebe sich allerdings nicht. Tatsächlich habe die Ehefrau des Klägers 10.000,00 € wirksam an die gemeinsame Tochter verschenkt. Das Geld sei auf das Konto der Tochter überwiesen worden. Tochter und Ehefrau seien sich einig gewesen, dass es sich hierbei um eine Schenkung handele. Das Geld habe auch ausdrücklich aus dem Vermögen der Ehefrau des Klägers ausscheiden sollen. Von einem Scheingeschäft könne daher nicht die Rede sein.
Das SG führe weiter aus, dass selbst bei wirksamer Übertragung des Vermögens der Beklagte die Möglichkeit gehabt hätte, nach erfolgter Leistungserbringung gemäß § 103 Abs. 1 SGB XII einen Kostenerstattungsanspruch geltend zu machen. Diese Auffassung gehe allerdings fehl. Die Ehefrau des Klägers möge im Falle des Leistungsbezuges ihres Ehemannes verpflichtet sein, ihr Vermögen bis zur Erreichung des Freibetrages bzw. Schonvermögens einzusetzen. Gleichwohl sei sie in der Verfügung in ihrem Vermögen nicht beschränkt. Eine Beschränkung könne allenfalls vorliegen, wenn eine Verfügung über Vermögen dazu führen würde, dass ein ansonsten bestehender Unterhaltsanspruch ihres Ehemannes nicht mehr erfüllt werden könne. Tatsächlich müsste jedoch die Ehefrau des Klägers unter keinen rechtlichen Gesichtspunkten ein Vermögen in Höhe von 10.000,00 € für Unterhaltsansprüche ihres Ehemannes, des Klägers, einsetzen.
Das Gesetz sehe eine Beschränkung der Verfügungsfähigkeit der nicht im Leistungsbezug stehenden Ehefrau des Klägers als leistungsberechtigte Person nicht vor. Eine solche Beschränkung wäre nach Überzeugung des Klägerbevollmächtigten rechtlich auch nicht möglich, da sie gegen das Grundgesetz verstoßen dürfte.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Januar 2021 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Juli 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2017 zu verpflichten, dem Kläger Leistungen der Hilfe zur Pflege ab Juni 2017 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend und führt ergänzend aus, dass die Vorschrift des § 528 BGB aufgrund der Regelung des § 19 Abs. 3 SGB XII beide Ehepartner, also auch Schenkungen, die der nicht leistungsberechtigte Ehepartner vorgenommen habe, betreffe. Denn soweit der Schenker gemäß § 528 Abs. 1 BGB nach der Vollziehung der Schenkung außerstande sei, seine seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht zu erfüllen, könne er vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenks verlangen.
Die Ehefrau des Klägers könne aufgrund der Schenkung an ihre Tochter ihre Unterhaltspflicht gegenüber dem Kläger – hier Leistungen der Hilfe zur Pflege – nicht (mehr) erfüllen und sei deshalb vor der Inanspruchnahme von Sozialhilfe vorrangig auf diesen gegenüber ihrer Tochter realisierbaren Regressanspruch zu verweisen.
Im Erörterungstermin vom 22. April 2021 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 SGG statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig.
II.
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet.
Da der Beklagte, der vom SG für die Zeit ab Februar 2018 zur Gewährung von Leistungen verurteilt worden war und insoweit durch die Entscheidung des SG beschwert, nicht in Berufung gegangen ist, ist nur noch der Zeitraum Juni 2017 bis Januar 2018 streitig.
Für den hier noch streitigen Zeitraum ist die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zwar zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Übernahme ungedeckter Heimkosten für den hier streitigen Zeitraum verneint, da für diesen Zeitraum der Kläger und seine Ehefrau noch über dem Schonbetrag liegendes und damit einzusetzendes Vermögen verfügt hatten.
Maßgebliche Anspruchsgrundlage für den hier geltend gemachten Anspruch auf Übernahme ungedeckter Heimkosten ist § 61 SGB XII. Danach haben Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61a SGB XII sind, Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern nicht zuzumuten ist, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels aufbringen.
Pflegebedürftig sind gemäß § 61a Abs. 1 Satz 1 SGB XII Personen, die gesundheitsbedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Pflegebedürftige Personen im Sinne des Satzes 1 können körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen (Satz 2).
Der Kläger war zum Antragszeitpunkt im Mai 2017 – was insoweit zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist – aufgrund seiner gesundheitlichen Leiden nach dem Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes der Pflegekasse und wie es dem neu abgefassten Heimvertrag vom 13. Mai 2017 zu entnehmen ist, mit dem Pflegegrad III unter Berücksichtigung der Kriterien in § 61a Abs. 1 SGB XII pflegebedürftig im Sinne von § 61 SGB XII.
Gemäß § 65 Satz 1 SGB XII haben Pflegebedürftige der Pflegegrade II, III, IV oder V Anspruch auf Pflege in stationären Einrichtungen, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheit des Einzelfalles nicht in Betracht kommt. Beim Kläger bestand ausweislich des Pflegegutachtens ... (die Diagnosen werden nachgereicht).
Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfe in anderen Lebenslagen werden gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.
Gemäß § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Nach § 90 Abs. 2 Nrn. 1 bis 9 SGB XII darf Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung, z.B. (1.) eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird, (2.) eines nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommenssteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 des Einkommenssteuergesetzes, (3.) eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nr. 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit erheblichen Teilhabeeinschränkungen … dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde, (4.) eines angemessenen Hausrats, (5.) von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind, (6.) von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde, (7.) von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist, (8.) eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 SGB XII genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll, (9.) kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen.
Ferner darf allerdings auch gemäß § 90 Abs. 3 SGB XII Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde (Satz 1). Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde (Satz 3).
Da der Kläger und seine Ehefrau in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht getrennt lebten (und wohl auch nicht bis heute), war gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII das Einkommen und hier insbesondere das Vermögen der Ehefrau des Klägers grundsätzlich bei der Bedürftigkeitsprüfung mit zu berücksichtigen gewesen. Wie in dem Zusammenhang schon vom SG zutreffend ausgeführt, führt auch nicht die Unterbringung des Klägers in einem Pflegeheim zum Getrenntleben der Ehegatten im Sinne der Regelungen des Familienrechts, nachdem weder der Kläger noch seine Ehefrau den hierfür erforderlichen objektiv hervortretenden Trennungswillen nach außen dokumentiert haben (BSG Urteil vom 18. Februar 2010 – B 4 AS 49/09 R – juris Rn. 13; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 19. April 2018 – L 7 SO 4981/14 – juris Rn. 33; Coseriu in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl.< Stand 4. Mai 2018>, § 27 SGB XII Rn. 14 ff.).
Weiter ist festzustellen, dass der Beklagte - wie im Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt - bei den Eheleuten ausgehend von den entsprechenden Guthaben auf den Girokonten in Höhe von 6.285,99 €, 5.276,52 €, 2.070,89 € sowie Sparguthaben in Höhe von 2.501,72 € und 2.506,63 € zuzüglich eines Barguthabens in Höhe von 12.000,00 € von einem Gesamtvermögen in Höhe von 30.641,75 € und damit nach Abzug des Schonbetrages gem. § 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII in Höhe von 10.000,00 € (zweimal 5.000,00 €) von einem einzusetzenden Vermögen in Höhe von 20.641,00 € ausgegangen ist.
Der Beklagte hat auch in nicht zu beanstandender Weise, das Vorliegen einer Notlage im Sinne von § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB X i.V.m. § 2 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII im Hinblick auf eine Erhöhung des maßgeblichen Freibetrages verneint. Danach ist der nach § 1 maßgebende Betrag angemessen zu erhöhen, wenn im Einzelfall eine besondere Notlage der nachfragenden Person besteht. Eine solche besondere Notlage kann nicht festgestellt werden, ist im Übrigen auch nicht vorgetragen worden.
Auch einen Härtefall gemäß § 90 Abs. 3 SGB XII hat der Beklagte zu Recht verneint. Danach darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde (§ 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII). Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.
Wie vom Beklagten richtig dargestellt, liegt nach der Rechtsprechung des BSG eine Härte dann vor, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles, wie z.B. die Art, die Schwere und Dauer der Hilfe, das Alter oder die sonstigen Belastungen des Vermögensinhabers und seiner Angehörigen, eine typische Vermögenslage deshalb zu einer besonderen Situation wird, weil die soziale Stellung des Hilfenachfragenden insbesondere wegen einer Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nachhaltig beeinträchtigt ist. (Siehe BSG Urteil vom 11. Dezember 2007 – B 8/9b SO 20/06 R – juris Rn. 15; BSG Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 19/10 R – juris Rn. 22; Mecke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. <Stand 30. März 2020>, § 90 SGB XII Rn. 113).
Dies ist jedoch auch zur Überzeugung des Senates hier zu vereinen. Die Inanspruchnahme des die Vermögensfreigrenze übersteigenden Vermögens hat keinen Einfluss auf die soziale Stellung des Klägers. Eine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII kann daher nicht angenommen werden.
Des Weiteren führt die am 9. August 2017 erfolgte Auszahlung von 10.000,00 € durch die Ehefrau des Klägers an die Tochter nicht zu einer Reduzierung des hier zu berücksichtigenden Vermögens.
Zur Überzeugung des Senates handelt es sich hierbei in der Tat – wie auch von Klägerseite vertreten – um eine Schenkung der Ehefrau des Klägers gemäß § 516 BGB an die Tochter. Diese Schenkung ist auch zur Überzeugung des Senates so tatsächlich gewollt gewesen. Für den Senat bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich hier etwa um ein Scheingeschäft (§ 117 BGB) gehandelt haben könnte. Diese Schenkung konnte auch wirksam vollzogen werden, da – insoweit ist dem Klägerbevollmächtigten auch zu folgen – die Ehefrau des Klägers allein durch die Tatsache, dass Leistungen auf Gewährung von Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII beantragt worden waren, nicht in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt ist.
Auf der anderen Seite aber ist aufgrund der hier maßgeblich zu berücksichtigenden Regelung in § 19 Abs. 3 SGB XII, worin - wie oben schon dargelegt - ausdrücklich bestimmt ist, dass im Bereich der Sozialhilfe, hier der Hilfe zur Pflege, bei der Prüfung, ob und inwieweit Vermögen vorhanden ist, das zumutbar zur Deckung des Bedarfes eingesetzt werden kann, bei nicht getrennt lebenden Ehegatten – wie hier – auch das Vermögen des Ehepartners, hier also der Ehefrau des Klägers und Hilfebedürftigen mit zu berücksichtigen ist. Dies hat des Weiteren zur Folge, dass damit allerdings auch die Ehefrau des Klägers nach denselben Kriterien zu beurteilen ist, wie sie für den Hilfebedürftigen selbst gelten, wenn dieser Vermögen verschenkt und dadurch unmittelbar oder auch zu einem späteren Zeitpunkt – aber innerhalb der Zehnjahresfrist nach § 529 BGB – hilfebedürftig wird, da er seinen Bedarf nicht (mehr) aus seinem eigenen Einkommen und vorhandenen Vermögen decken kann. § 528 BGB bestimmt nämlich, soweit der Schenker nach der Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten und die ihm seinen Verwandten, seinem Ehegatten, seinem Lebenspartner oder seinem früheren Ehegatten oder Lebenspartner gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht zu erfüllen, kann er von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern (§ 528 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Aus diesem Grund bestand hier aufgrund der Schenkung vom 9. August 2017 unmittelbar ein Rückforderungsanspruch der Ehefrau des Klägers gegen ihre Tochter bezüglich dieser 10.000,00 €, den letztlich die Ehefrau des Klägers auch ohne Weiteres hatte realisieren können. Die Tochter hatte in der Folge der ablehnenden Entscheidung des Beklagten die 10.000,00 € zur Deckung des Bedarfs für die ungedeckten Heimkosten an ihre Mutter zurückgezahlt. Der Beklagte hatte daher auch diese 10.000,00 € zu Recht als zu berücksichtigendes Vermögen - insoweit in Form eines Rückforderungsanspruches nach § 528 BGB - bei der Feststellung des Bedarfs einberechnet.
Soweit der Klägerbevollmächtigte darauf verweist, dass diese Situation im Familien- und Unterhaltsrecht anders zu beurteilen sei, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn im hier zu beurteilenden Bereich der Sozialhilfe findet wie z.B. auch den Regelungen über die Anrechnung von Einkommen und den maßgeblichen Einkommensgrenzen (§ 85 SGB XII) einschließlich der Regelungen, wonach auch Einkommen unterhalb der Einkommensgrenze gerade bei der dauerhaften stationären Unterbringung in Pflegeeinrichtungen zu berücksichtigen ist (§ 88 Abs. 1 Satz 2 SGB XII), entnommen werden kann, z.B. der Selbstbehalt nach der Düsseldorfer Tabelle gerade keine Berücksichtigung, sondern ist es den jeweiligen Ehepartnern vielmehr zuzumuten, ihre eigenen Bedürfnisse deutlich stärker zurückzunehmen. Im Übrigen kann es sehr wohl auch im Unterhaltsrecht nach § 1360 BGB bei einem in Anspruch genommenen Ehegatten der Billigkeit entsprechen, den Stamm des Vermögens zugunsten der aktuellen Sicherung des Unterhalts des anderen Ehegatten einzusetzen, der z.B. wegen mangelnder Ausbildung und Sprachkenntnisse eine Erwerbstätigkeit nicht finden kann (siehe Staudinger/Voppel <2018> BGB § 1360 Rn. 50 mit Hinweis auf OLG Nürnberg FamRZ 2008, 788, 789).
Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.