Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.6.2021 geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 23.7.2019 in der Gestalt des Bescheides vom 2.12.2019 und des Widerspruchsbescheides vom 13.2.2020 wird angeordnet und die Vollziehung aufgehoben.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 304,99 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 22.6.2021 ist zulässig. Nach der unter Vorbehalt erfolgten Befriedigung der Nachforderung richtet sich das Beschwerdebegehren neben der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der beim SG unter dem Az. S 2 BA 24/20 anhängigen Klage (auch) auf die Aufhebung der Vollziehung des Beitragsbescheides. Ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin hierfür besteht trotz vorgenommener Zahlung, da der bereits entrichtete Betrag bei Obsiegen von der Beigeladenen (vorläufig) zurückzugewähren ist.
Die Beschwerde ist auch begründet. Insoweit ist der Beschluss des SG zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 23.7.2019 in der Gestalt des Bescheides vom 2.12.2019 und des Widerspruchsbescheides vom 13.2.2020 anzuordnen sowie die Vollziehung aufzuheben.
Gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese auf Antrag ganz oder teilweise anordnen bzw. gem. § 86b Abs. 1 S. 2 SGG eine schon erfolgte Vollziehung aufheben. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine – wie hier erfolgte – Entscheidung über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten haben gem. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Dies gilt auch für Säumniszuschläge (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 21.10.2020 – L 8 BA 143/19 B ER- juris Rn. 2 m.w.N.).
Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise gem. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 21.10.2000 – L 8 BA 143/19 B ER – juris Rn. 3).
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (st. Rspr. des erkennenden Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 21.10.2020 – L 8 BA 143/19 B ER – juris Rn. 4 m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, da deren Erfolg überwiegend wahrscheinlich ist. Es spricht nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung derzeit mehr dafür als dagegen, dass sich die von der Antragsgegnerin nach § 28p Abs. 1 S. 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) erlassenen streitigen Prüfbescheide, mit denen sie von der Antragstellerin Beiträge und Säumniszuschläge für die Zeit von 2013 bis 2015 in Höhe von (zuletzt) insgesamt 1.219,96 Euro nachfordert, im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen werden.
Für die Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin, die diese auf von der Antragstellerin gezahlte Buß- und Verwarngelder stützt, fehlt es bereits an einer Rechtsgrundlage.
Nach § 28p Abs. 1 S. 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) erlässt die Antragsgegnerin als prüfender Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten zu zahlen (§ 28e Abs. 1 S. 1 SGB IV; vgl. auch BSG Urt. v. 27.7.2011 – B 12 KR 10/09 R – juris Rn. 14). Grundlage für die Bemessung der Beiträge, die für versicherungspflichtige Beschäftigte zu zahlen sind, ist das aus der Beschäftigung erzielte Bruttoarbeitsentgelt (vgl. § 341 i.V.m. § 342 SGB III, § 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V, § 57 Abs. 1 S. 1 SGB XI, § 161 Abs. 1 i.V.m. § 162 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 14 SGB IV; vgl. z.B. auch BSG Urt. v. 29.6.2000 – B 4 RA 57/98 R – juris Rn. 68).
Nach dem aktenkundigen Sachstand ist die Antragstellerin bereits nicht Arbeitgeberin der Fahrer, die die gezahlten Buß- und Verwarngelder ausgelöst haben und somit nicht Beitragsschuldnerin. Der Senat kann entsprechend offenlassen, ob es sich bei den von ihr geleisteten Zahlungen grundsätzlich überhaupt um sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt der Beschäftigten handelt und – bejahendenfalls – ob und ggf. in welchem Umfang erfolgte Abzüge von deren Lohn mindernd berücksichtigt werden müssten.
Arbeitgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist regelmäßig derjenige, zu dem ein anderer – der Beschäftigte – in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis steht. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen (in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung) sowie eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV). Arbeitgeber im Sinne der §§ 28e Abs. 1 S. 1, 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV ist mithin derjenige, dem der Anspruch auf die von dem Beschäftigten nach Maßgabe des Weisungsrechts geschuldete Arbeitsleistung zusteht und der diesem dafür als Gegenleistung zur Entgeltzahlung verpflichtet ist (vgl. z.B. BSG Urt. v. 27.7.2011 – B 12 KR 10/09 R – juris Rn. 17 f. m.w.N.; Senatsbeschl. v. 6.7.2020 – L 8 BA 194/19 B ER – juris Rn. 29; Senatsurt. v. 19.12.2018 – L 8 R 335/14 – juris Rn. 146 m.w.N.; Senatsurt. v. 27.11.2013 – L 8 R 253/13 – juris Rn. 39 m.w.N.; Scheer, in: jurisPK-SGB IV, § 28p Rn. 110 f.; Sehnert, in: Hauck/Noftz, SGB IV, § 28p Rn. 4).
Die Antragsgegnerin hat nicht festgestellt, dass die Antragstellerin Arbeitgeberin derjenigen Personen gewesen ist, für deren Verhalten Buß- bzw. Verwarngeld erlassen worden sind. Unwidersprochen hat die Antragstellerin stets vorgetragen, dass die Zahlungen nicht ihren eigenen Arbeitnehmern, sondern Beschäftigten von anderen Unternehmen der E Unternehmensgruppe zuzuordnen seien. Ihre Angaben decken sich mit den im Beschwerdeverfahren auszugsweise eingereichten Abrechnungen, die jeweils andere Unternehmen als Arbeitgeber ausweisen. Schließlich hat auch die Antragsgegnerin selbst die Begründung ihres Teilabhilfebescheid vom 2.12.2019 ausdrücklich auf eine solche Konstellation gestützt und die Zahlungen der Antragstellerin als „Lohnzahlung eines Dritten“ angesehen. Soweit sie diese Drittzahlung im Weiteren gem. § 38 Abs. 1 S. 3 Einkommenssteuergesetz (EStG) als lohnsteuer- (und sozialversicherungs)pflichtig angesehen hat, ist von ihr hierbei verkannt worden, dass die grundsätzliche Zahlungspflicht nach den gesetzlichen Regelungen gerade nicht den Dritten, sondern – allein – den Arbeitgeber trifft. Entsprechend wäre bei den Unternehmen der E-Gruppe, deren Beschäftigte Buß- und Verwarngelder ausgelöst haben, im jeweiligen konkreten Arbeitsverhältnis zu prüfen gewesen, ob die Zahlung durch die Antragstellerin einen (von diesem Unternehmen) zu verbeitragenden Arbeitslohn darstellt. Denn ausweislich der vom Finanzamt Grevenbroich übersandten Liste wurden sämtliche weiteren Unternehmen der E-Gruppe in der Form einer GmbH & Co KG betrieben und stellten damit eigenständige Personengesellschaften dar (vgl. §§ 161 Abs. 2 i.V.m. 124 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB)), die selbst für Verbindlichkeiten haften (vgl. z.B. Roth in: Baumbach/Hopt, HGB, 40. Aufl. 2021, § 161 Rn. 15 i.V.m. § 124 Rn. 23 ff. u. 38) und damit (eigenständige) Arbeitgeber i.S.v. § 28p Abs. 1 SGB IV sind (vgl. z.B. Werner, in: jurisPK-SGB IV, § 28e Rn. 41).
Im Hinblick auf die – nach bisheriger Aktenlage – klare Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide hat der Senat auch die Aufhebung der erfolgten Vollziehung gem. § 86b Abs. 1 S. 2 SGG für sachgerecht erachtet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache einschließlich etwaiger Säumniszuschläge als Streitwert anzusetzen ist (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 22.4.2020 – L 8 BA 266/19 B ER – juris Rn. 30 m.w.N.).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).