Der Ansatz des OPS 5-807.x (offen chirurgische Refixation am Kapselbandapparat andere Gelenke: Sonstige) verlangt nach seinem Wortlaut nicht, dass auch die Bänder in die Fixation mit einbezogen werden müssen. Es reicht die Gelenkkapsel.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 04.12.2020 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 7.241,83 € festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung eines Versicherten der Beklagten in Höhe von 7.241,83 € nebst Zinsen streitig.
Die 1936 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte H (Versicherte) befand sich vom 10.06.2014 bis zum 17.06.2014 vollstationär im nach § 108 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassenen Krankenhaus der Klägerin. Die Aufnahme erfolgte (nach einer osteosynthetischen Versorgung am 28.10.2013 bei distaler Radiusextensionsfraktur) mit einem chronisch-ulnaren Handgelenksschmerz im distalen Radioulnargelenk links bei aktuell vorliegender Instabilität des distalen Radioulnargelenkes. Des Weiteren bestand eine sogenannte Acute-on Chronic- Niereninsuffizienz und weitere Begleit- und Nebenerkrankungen. Am 11.06.2014 erfolgte im Rahmen einer Operation die Denervation des Ellenköpfchens, eine Reposition der Instabilität sowie die Transfixation mit 2x1,6mm K-Draht und dorsale Kapsoludese.
Unter Zugrundelegung der DRG I27B (Eingriff am Weichteilgewebe oder kleinflächige Gewebetransplantation, ohne bestimmte Diagnosen und bestimmten Eingriff, ohne äußerst schwere CC oder bösartige Neubildung und schwere CC, ohne schwere CC und mit bösartiger Neubildung bei bestimmten Eingriffen am Weichteilgewebe oder kleinflächige Gewebetransplantation) liquidierte die Klägerin gegenüber der Beklagten mit Rechnung vom 20.06.2014 einen Gesamtbetrag in Höhe von 10.178,38 €, den die Beklagte zunächst vollständig beglich.
Die Beklagte leitete dazu ein Prüfverfahren beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein und bat insbesondere um Stellungnahme zu den Nebendiagnosen ICD-10 N17.8 (Sonstiges akutes Nierenversagen) und I50.13 (Linksherzinsuffizienz: Mit Beschwerden bei leichterer Belastung). Im Gutachten des MDK vom 01.09.2014 kam G zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin kodierte Nebendiagnose ICD-10 N17.8 durch ICD-10 N19 (Nicht näher bezeichnete Niereninsuffizienz) zu ersetzen sei, da die Kriterien einer akuten Niereninsuffizienz nicht erfüllt seien. Ferner sei der OPS (Operationen- und Prozedurenschlüssel) 5-807.x (Offen chirurgische Refixation am Kapselbandapparat andere Gelenke: Sonstige) nicht nachvollziehbar. Es ergebe sich die DRG I32F (Mäßig komplexe Eingriffe an Handgelenk und Hand, Alter > 5 Jahre).
Die Beklagte nahm am 14.10.2014 eine Verrechnung i.H.v. 7.241,83 € mit weiteren unstreitigen Vergütungsansprüchen der Klägerin aus anderweitigen aktuellen Behandlungsfällen vor.
Die Klägerin übersandte dem MDK eine Gegendarstellung vom 03.11.2014. Darin führte sie aus, dass die Kriterien eines akuten Nierenversagens erfüllt gewesen seien. Konkret sei das Serumkreatinin von 1,7 mg/dl auf 3,2 mg/dl angestiegen. Damit seien die Voraussetzungen für die Kodierung eines akuten Nierenversagen erfüllt gewesen. Diesbezüglich sei auch ein internistisches Konsil erfolgt, eine Sonographie sowie eine Erhöhung der Flüssigkeitszufuhr und eine Pausierung von Ramipril, Spironolacton und Xipamid. Hinsichtlich des OPS wurde ausgeführt, dass im Operationsbericht beschrieben werde, dass eine Kapsulodese mit zwei U-Nähten im Bereich des Handgelenks erfolgt sei. Selbst wenn der OPS 5-807.x nicht anwendbar sein sollte, läge eine offene chirurgische Revision eines Gelenksvor, welche dann mit OPS 5-800.x kodiert werden könne. Am Entgelt ändere sich nichts.
Daraufhin teilte M vom MDK der Beklagten im weiteren Gutachten vom 06.12.2017 mit, dass die ICD-10 N17.8 nicht mehr abrechnungsrelevant sei. Die dokumentierte Kapsulotomie und Kapsulodese seien integraler Bestandteil der Operation bzw. des Zugangsweges, so dass diese nicht verschlüsselt werden könne.
Am 04.12.2018 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Sie hat ausgeführt, ihre Abrechnung sei richtig. Sie habe die Diagnosen medizinisch richtig und leitliniengerecht bestimmt. Nach dem sogenannten „Grouping" durch einen zertifizierten Grouper habe sich die DRG I27B ergeben. Im Streit stehe vorrangig die Kodierung des OPS 5-807.x, deren Streichung der MDK postuliere. Bei anhaltenden Beschwerden im ulnaren Handgelenk habe ein weiterer therapeutischer Handlungsbedarf bestanden. Es habe sich gezeigt, dass es erforderlich gewesen sei, die Instabilität des gesprengten Gelenkes mittels dauerhafter Fixation zu therapieren. Der medizinisch führende Eingriff sei nach Auffassung der Klägerin somit die Kapsulodese des gesprengten Gelenks mittels Nähten. Zusätzlich habe die Sicherung des Behandlungsergebnisses über eine temporäre Fixierung mittels K-Drähten erfolgen müssen. Damit habe gerade kein reiner Verschluss eines operationsbedingten Zugangsweges vorgelegen, sondern vielmehr sei die vom MDK streitig gestellte Maßnahme nicht dem Zugangsweg geschuldet, sondern die Hauptmaßnahme. Im Operationsbericht werde dazu deutlich eine Kapsulodese beschrieben, die mit zwei U-Nähten im Bereich des Handgelenks erfolgt sei.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Der streitige Betrag habe der Klägerin nicht zugestanden. Die abrechnungsrelevante Kodierung durch die Klägerin sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Statt der abgerechneten DRG I27B sei die DRG I32F abzurechnen gewesen. Die Kapsulotomie und Kapsulodese seien integraler Bestandteil der Operation bzw. des Zugangsweges. Der Zugang (Kapsulotomie) mit nachfolgendem Verschluss (Kapsulodese) seien bei dem operativen Eingriff obligat und damit nicht als eigenständige operative Prozedur zu verschlüsseln.
Das SG hat den K mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Im Gutachten vom 17.12.2019 hat der Sachverständige ausgeführt, dass im aktuellen Fall die Maßnahme der Kapsulodese einer Arthrodese vorzuziehen sei, um eine bessere Restbeweglichkeit zu erzielen. Wie im OP-Bericht zu lesen sei, sei erst die ausgedehnte Kapsel durch Aus- bzw. Einschneiden eines Teils gerafft und dann mittels mehrerer Spezialnähte an den beiden Knochen fixiert worden. Dies sei also der eigentliche und wesentliche Teil der Operation gewesen, weshalb deren Kodierung auf keinen Fall unterbleiben dürfe, denn gemäß Kodierrichtlinien seien alle Diagnosen und Maßnahmen zu kodieren, sofern sie einen Mehraufwand erzeugten, was hier zweifellos der Fall gewesen sei. Die Prozedur 5-807.x könne also nicht, sondern müsse verwendet werden. Im Hinblick auf die Kodierung ICD-10 N17.8 sei festzuhalten, dass in 2014 noch keine eindeutigen Unterscheidungen für die unterschiedlichen Arten des Nierenversagens vorgelegen hätten, weshalb ICD-10 N17.8 akzeptiert werden müsse, da das Kreatinin um 0,3 innerhalb eines Tages angestiegen sei. Zusätzlich müsse jedoch die vorbestehende Niereninsuffizienz mit ICD-10 N18.4 kodiert werden. Da die Versicherte Herzklappenschäden gehabt habe, müsse ICD-10 I08.0 nachkodiert werden, ebenso wie die Carotisstenose mit ICD-10 I65.0. Weitere zusätzliche Kodierungen oder solche, welche als falsch gestrichen werden müssten, fänden sich in den Krankenakten nicht. Insgesamt bleibe es bei der abgerechneten DRG.
Dazu hat die Beklagte eingewandt, dass hinsichtlich des OPS 5-807.x der Sachverständige selbst davon ausgehe, dass die Kapsulodese den Haupteingriff darstelle. Er komme selbst zu dem Ergebnis, dass eine Drahtfixierung stattgefunden habe und behaupte dann, dass die Kapselraffung den eigentlich beabsichtigten Hauptteil der OP darstelle. Damit räume er ein, dass die Kapsel habe eröffnet werden müssen, um eine Drahtfixierung vorzunehmen. Der anschließende Verschluss der Kapsel sei danach zwangsweise erfolgt. Der Sachverständige erkläre im Weiteren, dass eine Arthrodese (Versteifung) die Alternative darstelle, mit einer Kapsulodese jedoch die Beweglichkeit erhalten bleibe. Die Beklagte vermöge bereits nicht nachzuvollziehen, dass hier eine Arthrodese geplant gewesen sei und verstehe die Schlussfolgerung des Sachverständigen hierzu nicht. Bei jeder Gelenkinstabilität werde auch der Kapselapparat in Mitleidenschaft gezogen. Er „leiere" quasi aus. Dass dann im Rahmen des Zugangs und dem Verschluss des Zugangs die Raffung des Gewebes erfolge, heiße nicht, dass die Raffung die eigentliche Hauptleistung darstelle. Durch den Verschluss der Kapsel bilde sich eine Narbe, die sich nach und nach verhärte und damit das Gewebe straffe. Damit werde natürlich auch eine festere Hülle um das Gelenk gelegt. Dass dies durchaus beabsichtigt sei, stelle jedoch nicht die Hauptprozedur dar. Wozu sollte denn überhaupt der Einschnitt in die Kapsel erfolgen? Eine Raffung allein würde keine Gelenköffnung erfordern. Auch das Anlegen von zwei Nähten belege nicht, dass diese Nähte die Hauptprozedur darstellten. Bei älteren Leuten sei das Gewebe brüchig und benötige daher mehr Sorgfalt und meistens zwei Nähte. Bei jungen Leuten könne die Kapsel oft mit einer Naht zugenäht werden. Nach wie vor bleibe sie bei der Auffassung, dass die Prozedur 5-807.x nicht kodiert werden könne. Wenn diese Prozedur nicht kodiert werde, gehe der Fall in die DRG I32F, die im Schweregrad nicht mehr gemindert werden könne. Die kodierten Nebendiagnosen wären dann irrelevant. Dennoch sei klarzustellen, dass sie die Ausführungen des Sachverständigen zur Kodierung der Nebendiagnosen ICD-10 N17.3, I08.0 und I65.0 ebenfalls nicht nachvollziehen könne.
In seinem ergänzenden Gutachten vom 02.10.2020 hat K sich mit diesen Einwendungen auseinandergesetzt und ist bei seiner vorherigen Auffassung geblieben.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 04.12.2020 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 7.241,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.10.2014 zu zahlen. Zur Begründung hat sich das SG auf die Ausführungen des K gestützt.
Gegen das der Beklagten am 08.02.2021 zugestellte Urteil hat diese am 26.02.2021 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und ein weiteres Gutachten des MDK vom 10.05.2021 übersandt. Darin hat Z ausgeführt, dass eine Kapselraffung mit Fixation auf Elle und Speiche erfolgt sei, wie der Sachverständige dem OP-Bericht entnehme, sei tatsächlich im OP-Bericht nicht dargestellt. Die ausgedehnte Kapsel sei nicht durch Aus- bzw. Einschneiden eines Teiles gerafft und dann mittels Kirschnerdrähten an beiden Knochen fixiert worden. Dokumentiert sei im OP-Bericht, dass das Retinaculum extensorum treppenförmig eröffnet worden sei. Ein Ein- und Ausschneiden der Kapsel und eine Fixation am Radius und der Ulna sei im OP-Bericht nicht abgebildet, sondern lediglich der Re-Verschluss der Kapsel mit 2 U-Nähten. Deshalb könne die strittige Prozedur 5-807.x nicht bestätigt werden.
Der Senat hat bei K eine ergänzende Stellungnahme eingeholt. Im von ihm übersandten Gutachten vom 05.06.2021 hat er ausgeführt, die strittige Prozedur 5-807.x trage laut DIMDI (Deutsches Institut für medizinischen Dokumentation und Information) -Prozedurenthesaurus folgende Bezeichnung: „Offene chirurgische Refixation am Kapselbandapparat, sonstige“. Die Argumentation der Beklagten gegen diese Prozedurenkodierung basiere irrtümlich darauf, dass eine Kapsulodese nicht eine „einfache Kapselraffung durch U-Naht“ sei. Hierzu führe die Beklagte nur eine von diversen OP-Techniken an. Die nur als Beispiel angeführte Literaturübersicht der Beklagten betreffe allein die skapholunäre Instabilität und auch nicht die radioulnare Instabilität und führt schon deshalb in die Irre. Aber selbst dabei gebe es diverse Möglichkeiten - auch ohne das Sehnentransplantat. Da es also mehrere Möglichkeiten gebe, das Ziel einer Stabilisierung der Gelenkkapsel zu erreichen, sei die angeführte Definition der Beklagten „Bandrekonstruktion mit einem Bandstreifen...“ nicht maßgeblich, sondern eben das Ergebnis, eine - wie nun wieder korrekt definiert - feste Stabilisierung zu erreichen. In Verbindung mit der Kirschnerdraht-Fixierung und der Kapselraffung sei im aktuellen Streitfall und den zwei U-Nähten, welche gerade nicht nur zum Verschluss der Kapsel dienten, sondern nachweislich auch an beiden Knochen Elle und Speiche befestigt worden seien, durchaus eine feste Stabilisierung erreicht worden. Die Kodierung und Abrechnung der Klinik mittels der Prozedur 5-807.x sei korrekt.
Die Beklagte stützt sich auf die MDK-Gutachten und meint, es müssten laut dem Wortlaut des OPS die Bänder bzw. der Kapselbandapparat mit einbezogen werden. Nicht das Ergebnis der OP, wie der Sachverständige nahelege, sondern die Inhalte des OPS müssten erfüllt sein. Daher sei die U-Naht an der Kapsel ohne Einbeziehung des Kapselbandapparates eben keine Kapsulodese. Die Befestigung an Elle und Speiche sei keine Einbeziehung eines Bandes.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 04.12.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stützt sich auf die Entscheidungsründe des SG und die Ausführungen des Gerichtsgutachters.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, sowie die Verwaltungsakte der Beklagten und die Patientenakte der Klägerin verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig, aber in der Sache unbegründet.
Das SG hat zu Recht die Beklagte zur Zahlung von 7.241,83 € nebst Zinsen verurteilt. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von (weiteren) 7.241,83 € zzgl. Zinsen aufgrund der stationären Behandlung der Versicherten im Zeitraum vom 10.06.2014 bis zum 17.06.2014. Zu Unrecht hat die Beklagte in dieser Höhe gegen andere (unstreitige) Forderungen der Klägerin aufgerechnet.
1. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat mit der erhobenen echten Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG die richtige Klageart gewählt; denn es handelt sich bei der auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (ständige Rechtsprechung vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 20.01.2021 - B 1 KR 31/20 R -; Urteil vom 17.12.2019 - B 1 KR 19/19 R -, in juris, Rn. 8 m.w.N.). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG, Urteil vom 13.11.2013 - B 3 KR 33/12 R -, in juris, Rn. 9). Der mit dem Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz (MPEUAnpG) vom 28.04.2020 (BGBl. I 960) eingefügte § 17c Abs. 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) fand vorliegend noch keine Anwendung. Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert. Dies gilt auch für den geltend gemachten Zinsanspruch. Insofern reicht die Bezugnahme auf den Basiszinssatz aus (vgl. Becker-Eberhard, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2013, § 253 Rn. 132).
2. Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin steht ein Vergütungsanspruch für Krankenhausbehandlung der Versicherten im Zeitraum vom 10.06.2014 bis zum 17.06.2014 in Höhe von (weiteren) 7.241,83 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.10.2014 zu. Zwar hatte die Beklagte ursprünglich den gesamten von der Klägerin (zunächst) geltend gemachten Betrag in Höhe von 10.178,38 € gezahlt, jedoch nachträglich den Vergütungsanspruch in Höhe von 7.241,83 € mit zwischen den Beteiligten nicht streitigen Vergütungsansprüchen der Klägerin aus anderen Behandlungsfällen gegen die Beklagte aufgerechnet.
Eine für die Aufrechnung erforderliche Gegenforderung der Beklagten, mit der sie gegen die Hauptforderung der Klägerin wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufrechnen kann (zur Aufrechnung analog § 387 BGB vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2014 - B 1 KR 24/13 R -, in juris), liegt jedoch nicht vor. Der Beklagten steht entgegen ihrer Auffassung als Grundlage für ihre Gegenforderung ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch i.H.v. 7.241,83 € nicht zu (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten BSG, Urteil vom 28.11.2013 - B 3 KR 33/12 R - und Urteil vom 01.07.2014 - B 1 KR 24/13 R -, beide in juris), denn die ursprüngliche Zahlung der Beklagten erfolgte (der Höhe nach) zu Recht. Der Klägerin steht für die Behandlung der Versicherten eine (weitere) Vergütung i.H.v. 7.241,83 € zu.
a) Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG (beide i.d.F. vom 15.07.2013, BGBl I 2427) sowie § 17b KHG (ebenfalls i.d.F. vom 15.07.2013, BGBl I 2428) und die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2014 (Fallpauschalenvereinbarung 2014 - FPV-2014) einschließlich der Anlagen 1 bis 6 sowie dem durch Entscheidung der Landesschiedsstelle vom 21.09.2005 festgesetzten Vertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V über „Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung“ zwischen der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft und den Verbänden der Krankenkassen mit Ausnahme der vom BSG beanstandeten Regelung in § 19 Abs. 2 (BSG, Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 27/11 R -, in juris).
Nach § 109 Abs. 4 SGB V wird mit einem Versorgungsvertrag nach § 109 Abs. 1 SGB V das Krankenhaus für die Dauer des Vertrages zur Krankenhausbehandlung der Versicherten zugelassen. Das zugelassene Krankenhaus ist im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) der Versicherten verpflichtet. Die Krankenkassen sind verpflichtet, unter Beachtung der Vorschriften des SGB V mit dem Krankenhausträger Pflegesatzverhandlungen nach Maßgabe des KHG, des KHEntgG und der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) zu führen. Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung eines gesetzlich Krankenversicherten und damit korrespondierend die Zahlungspflicht einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 17.12.2019 - B 1 KR 19/19 R -, in juris, Rn. 10; Urteile vom 14.10.2014 - B 1 KR 25/13 R -, in juris, Rn. 8 und - B 1 KR 26/13 R -, in juris, Rn. 8). Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nummern 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen (DRG) nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 KHEntgG). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung haben nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als „Vertragsparteien auf Bundesebene“ mit Wirkung für die Vertragspartner (§ 11 KHEntgG i.V.m. § 18 Abs. 2 KHG - Krankenhausträger und Sozialleistungsträger) einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge zu vereinbaren. Die Grundlage dieser Regelungen des KHEntgG findet sich in § 17b KHG, auf den § 9 KHEntgG auch mehrfach Bezug nimmt. Nach § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG ist für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem einzuführen. Dieses hat nach § 17b Abs. 1 Satz 2 KHG Komplexitäten und Komorbitäten abzubilden; sein Differenzierungsgrad soll praktikabel sein. Mit den Entgelten nach Satz 1 werden nach § 17b Abs. 1 Satz 3 KHG die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet.
Für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG wird in einem ersten Schritt die Diagnose nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten – dem ICD-10 – in der jeweiligen vom DIMDI (jetzt: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen deutschen Fassung verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung der Verschlüsselung („Kodierung“) haben die Vertragspartner auf Bundesebene „Kodierrichtlinien“ beschlossen. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als „Groupierung“ bezeichneten Prozess der DRG-Zuordnung liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde; in diesem vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Algorithmus wird entsprechend dem vom Krankenhaus eingegebenen Kode nach dem ICD-10 eine bestimmte DRG angesteuert (vgl. BSG, Urteil vom 18.07.2013 - B 3 KR 7/12 R -, in juris, Rn. 12). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (BSG, Urteil vom 14.10.2014 - B 1 KR 25/13 R -, in juris, Rn. 12 m.w.N.).
b) Die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung sind erfüllt. Die Beklagte ist – wie sie auch nicht bestreitet – verpflichtet, die stationäre Krankenhausbehandlung ihrer Versicherten in der Klinik der Klägerin für den Zeitraum vom 10.06.2014 bis zum 17.06.2014 zu vergüten. Bei der Versicherten lagen bei Aufnahme in das nach § 108 Nr. 2 SGB V zugelassene Krankenhaus der Klägerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung vor. Sie war wegen eines chronisch-ulnaren Handgelenksschmerzes im distalen Radioulnargelenk links bei aktuell vorliegender Instabilität des distalen Radioulnargelenkes bei bestehender sogenannter Acute-on Chronic-Niereninsuffizienz und weiterer Begleit- und Nebenerkrankungen krankenhausbehandlungsbedürftig. Auch dies steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht in Streit.
c) Vorliegend ist unstreitig die DRG I27B der Vergütung der stationären Behandlung der Versicherten zugrunde zu legen, die über den Grouper angesteuert wird, wenn zusätzlich zu den hier nicht streitigen, von der Klägerin angesetzten Diagnosen und Prozeduren die Nebendiagnose ICD-10 N17.8 (Sonstiges akutes Nierenversagen) und der OPS 5-807.x (Offen chirurgische Refixation am Kapselbandapparat andere Gelenke: Sonstige) kodiert werden.
Vergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen sind streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben; dabei gibt es grundsätzlich keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen (z.B. BSG, Urteil vom 16.08.2021 - B 1 KR 11/21 R -, in juris Rn. 7; Urteil vom 08.10.2019 - B 1 KR 35/18 R -, in juris, Rn. 13; Urteil vom 09.04.2019 - B 1 KR 27/18 R -, in juris, Rn. 14). Ergeben sich bei der Abrechnung Wertungswidersprüche und sonstige Ungereimtheiten, haben es die zuständigen Stellen durch Änderung des Fallpauschalenkatalogs in der Hand, für die Zukunft Abhilfe zu schaffen. Eine systematische Interpretation der Vorschriften kann lediglich im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Regelungswerks erfolgen, um mit ihrer Hilfe den Wortlaut der Leistungslegende klarzustellen (BSG, Urteil vom 18.07.2013 - B 3 KR 7/12 R -, in juris, Rn. 13 m.w.N.). Der OPS kann Begriffe entweder ausdrücklich definieren oder deren spezifische Bedeutung kann sich ergänzend aus der Systematik der Regelung ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 27.10.2020 - B 1 KR 25/19 R -, in juris Rn. 18 zur multimodalen Schmerztherapie). Ferner kann der Wortlaut ausdrücklich oder implizit ein an anderer Stelle normativ determiniertes Begriffsverständnis in Bezug nehmen; fehlt es an solchen normativen definitorischen Vorgaben, gilt der Grundsatz, dass medizinische Begriffe im Sinne eines faktisch bestehenden, einheitlichen wissenschaftlich-medizinischen Sprachgebrauchs zu verstehen sind; ergeben sich danach keine eindeutigen Ergebnisse, ist der allgemeinsprachliche Begriffskern maßgeblich (BSG, Urteil vom 16.08.2021 - B 1 KR 11/21 R -, in juris Rn. 7 m.w.N. zum Begriff „Blutbank“).
Unter Anwendung obiger Maßstäbe hat die Klägerin die Diagnose ICD-10 N17.8 (Sonstiges akutes Nierenversagen) und den OPS 5-807.x (Offen chirurgische Refixation am Kapselbandapparat andere Gelenke: Sonstige) vorliegend zu Recht geltend gemacht. Deren Voraussetzungen sind erfüllt. Dabei stützt sich der Senat auf die schlüssigen, widerspruchsfreien und überzeugenden Ausführungen des Gerichtsgutachters K.
Er hat zum einen nachvollziehbar ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Diagnose ICD-10 N17.8 als Nebendiagnose vorlagen, da das Kreatinin um 0,3 innerhalb eines Tages angestiegen war (vgl. zu den Voraussetzungen auch Urteil des Senats vom 30.06.2021 - L 5 KR 4252/18 -, in juris). Die Kodierung der ICD-10 N17.8 wurde von der Beklagten und dem MDK auch seit der erneuten Begutachtung vom 06.12.2017 nicht mehr in Frage gestellt.
Für den Senat steht darüber hinaus fest, dass die Voraussetzungen für die Kodierung der OPS 5-807.x nach dessen maßgeblichem Wortlaut vorlagen. Die Klägerin nahm eine offen chirurgische Refixation am Kapselbandapparat des Handgelenks vor. Unter Kapsel-Band-Apparat ist die funktionelle Einheit aus Gelenkkapsel sowie intra- und extrakapsulären Bändern (Ligamentum) zu verstehen. Gemeinsam stabilisieren sie das Gelenk, dienen als Führungsbänder der Sicherung und Führung des Gelenkes oder als Hemmungsbänder der Einschränkung der Bewegung. Entsprechend führen Verletzungen zu Instabilität oder schränken die Bewegung ein (vgl. Pschyrembel online, Stichwort: Kapsel-Band-Apparat, Stand: 5/2019). Laut Operationsbericht fand im vorliegenden Fall eine Drahtfixation und eine Kapsulodese als Kapselraffung mit Fixation auf Elle und Speiche auf der Handgelenksaußenseite statt, also nicht nur eine „einfache“ Kapselnaht. Dies entnimmt der Senat den diesbezüglichen sachverständigen Ausführungen des K und dem Operationsbericht, in welchem zusätzlich zur Transfixation mit Kirchner-Drähten auch eine anschließende Kapsulodese mit 2 U-Nähten beschrieben ist. Wie der MDK unter Verweis auf die Literatur zutreffend ausführt, dient die Kapsoludese der Stabilisierung der proximalen Handwurzelreihe zur Verhinderung eines karpalen Kollapses. Dies ist hier erfolgt. Der OPS 5-807.x verlangt nach seinem Wortlaut, anders als die Beklagte meint, nicht, dass auch die Bänder in die Fixation mit einbezogen werden müssen, es reicht die Gelenkkapsel.
d) Der Zinsanspruch folgt aus § 19 Abs. 3 des Landesvertrages gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
5. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei war der Verzinsungsantrag nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, da es sich insofern um eine Nebenforderung im Sinne von § 43 Abs. 1 GKG handelt.