L 5 KR 448/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 KR 1615/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 448/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Tatsache, dass die Auszahlung einer russischen Rente an einen in Deutschland lebenden Kläger laut dem Dekret Nr. 1386 der Regierung der Russischen Föderation im Hoheitsgebiet der Russischen Föderation erfolgt, führt nicht dazu, dass die dem Kläger bewilligte und in der Russischen Föderation auf ein Konto des Klägers bei der Sberbank ausgezahlte Rente, nicht der deutschen Kranken- und Pflegeversicherung unterliegt.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 28.01.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung aus einer russischen Rente.

Der 1954 in Russland geborene Kläger lebt in der Bundesrepublik Deutschland und war seit 01.07.2005 bei der Beklagten zu 1) aufgrund einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gesetzlich krankenversichert und bei der Beklagten zu 2) pflegepflichtversichert. Seit 01.03.2020 bezieht er eine Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung und ist seither als Rentner versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2).

Bereits mit Bescheid vom 13.08.2015 bewilligte die Pensionskasse der Russischen Föderation dem Kläger ab 28.05.2015 eine Rente i.H.v. 9.100,79 Rubel brutto. Nachdem der Kläger unter dem 13.12.2019 auf der „Meldung von Versicherungsbezügen, Renten aus dem Ausland und Arbeitseinkommen“ der Beklagten zu 1) die russische Rente angegeben hatte, setzte die Beklagte zu 1) mit Bescheid vom 17.12.2019 – hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung auch im Namen der Beklagten zu 2) – Beiträge fest. Dabei legte sie für die Zeit ab dem 28.05.2015 russische Rente i.H.v. umgerechnet 130,32 € monatlich zugrunde. Für die Zeit vom 28.05.2015 bis 30.11.2019 forderte sie Beiträge i.H.v. 758,35 € nach. Ab dem 01.12.2019 errechnete sie einen monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung i.H.v. 10,10 € (bei einem Beitragssatz von 7,75 %) und einen monatlichen Beitrag zur Pflegeversicherung i.H.v. 3,97 € (bei einem Beitragssatz von 3,05 %).

Hiergegen legte der Kläger am 30.12.2019 Widerspruch ein. Er machte geltend, die Berechnung sei nicht nachvollziehbar. Auch habe er bis zum heutigen Tag keinen Cent erhalten. Die Russische Pensionskasse überweise das Geld aus Sanktionsgründen nur an die russische Sberbank und nicht mehr nach Deutschland. Nachdem er unter § 7 Abs. 2 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) falle, würden seine Bezüge aus den Jahren in Russland, darüber hinaus nicht auf seine gesetzliche Rente in Deutschland angerechnet. Damit stelle sich die Frage, aus welchem Grund auf die russische Rente Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gezahlt werden müssten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2020 wies die Beklagte zu 1), auch im Namen der Beklagten zu 2), den Widerspruch zurück. Nach § 228 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gehörten neben der deutschen Rente auch vergleichbare Renten aus dem Ausland zu den beitragspflichtigen Einnahmen. Die Auslandsrente sei mit der deutschen Rente vergleichbar, wenn sie von einem im Ausland ansässigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt werde und es sich um die gleiche Rentenart (Altersrente, Erwerbsminderungsrente oder Hinterbliebenenrente) handele. Dies sei hier der Fall. Der Kläger erhalte aufgrund seines Alters eine Rente aus Russland. Sofern die gesetzliche Rente aus dem Ausland nicht in Euro gewährt werde, sei für die Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahme eine Umrechnung der Währung in Euro erforderlich. Im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) 883/04 sei für die Währungsumrechnung vorrangig Art. 90 der Verordnung (EG) 987/09 zu beachten. Danach gelte als Wechselkurs zweier Währungen der von der Europäischen Zentralbank (EZB) veröffentlichte Referenzwechselkurs. Nach § 17a Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) werde in fremder Währung erzieltes Einkommen ebenfalls nach dem Referenzwechselkurs, den die EZB öffentlich bekannt gebe, umgerechnet. Die EZB habe am 17.12.2019 einen Durchschnittskurs von 1 Euro = 69,8317 Rubel ermittelt. Somit ergebe sich ein umgerechneter Rentenbetrag von 130,32 €. Nach § 247 Satz 2 SGB V gelte für die Berechnung von Beiträgen aus Auslandsrenten die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes zuzüglich 0,45 % Beitragssatzpunkte. Aktuell betrage der Beitragssatz 7,75 %. Der Beitragssatz für die Pflegeversicherung, für die Entsprechendes gelte, belaufe sich nach § 55 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) aktuell auf 3,05 %. Die Beiträge aus den ausländischen Renten hätten die Rentner nach § 249a SGB V allein zu tragen. Die vom Kläger vorgebrachten Einwände, dass die Rente zunächst auf ein russisches Konto überwiesen werde, habe keine Auswirkung auf die Beitragspflicht in Deutschland.

Hiergegen hat der Kläger am 27.04.2020 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, es handele sich bei der von ihm bezogenen russischen Rente um keine zu verbeitragende/beitragspflichtige Einnahme. Er beziehe de facto keine im Sinne von § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V vergleichbare Rente aus dem Ausland, die zu verbeitragen sei. Tatsächlich habe er auf die Rente keinen Zugriff und verfüge daher nicht über bereite Mittel. Die Renten würden nur auf ein bei der Sberbank in Russland eröffnetes Konto in Rubel überwiesen. Gemäß dem Dekret der Regierung der Russischen Föderation „Über das Verfahren zur Zahlung von Renten an Personen, die ihren Wohnsitz außerhalb des Hoheitsgebiets der Russischen Föderation verlassen (richtig: „Über die Verfahrensweise bei der Rentenzahlung an aus der Russischen Föderation zur ständigen Wohnsitznahme ausreisende <ausgereiste> Personen“; Nr. 1386 vom 17.12.2014“) vom 01.01.2015 sei die Übertragung der russischen Rente nicht möglich. Das russische Gesetz bedeute zwar kein vollständiges Verbot der Überweisung von Renten ins Ausland. Das Dekret Nr. 1386 befreie die russische Pensionskasse aber von der ihr insoweit obliegenden Verpflichtung und übertrage die Sorge, das Geld von einer russischen Bank zu erhalten oder an einen Ort zu überweisen, an den sie es für richtig halten, auf die Rentner. In einen Dienstleister, der die Überweisung der russischen Rente vornehme, habe er, zumal dies mit Kosten verbunden sei, kein Vertrauen. Auch bei einem privaten Transfer entstünden ihm Kosten, die den Jahresbetrag seiner Rente überstiegen. Vor der Heranziehung der Rente zu Beiträgen müssten zumindest die für die Übertragung anfallenden Kosten abgezogen werden.

Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten und haben zur Begründung ausgeführt, für die Verbeitragung nach deutschem Recht spiele es keine Rolle, auf welches Bankkonto in welchem Staat die Rente durch den Rententräger überwiesen werde. Für die gesetzliche Berechnung von Beiträgen komme es auch nicht auf die Liquidität des Beitragsschuldners an. Bei ihrer Recherche hätten sich keine Anhaltspunkte für ein Misstrauen gegen etwaige Dienstleister ergeben, selbst das Bundesministerium für Arbeit und Soziales schlage im Rundschreiben vom 19.02.2015 vor, sich bei Fragen zur Überweisung der russischen Rente nach dem 01.01.2015 an die Mittlerfirmen/Servicebüros zu wenden. Bankgebühren etc. vor der Verbeitragung in Abzug zu bringen, sehe das Gesetz nicht vor.

Mit Bescheid vom 30.12.2020 setzte die Beklagte zu 1) – zugleich im Namen der Beklagten zu 2) – aufgrund der Erhöhung des Zusatzbeitrags zur Krankenversicherung auf 1,1 % die Beiträge ab dem 01.01.2021 neu fest und errechnete bei gleichbleibendem Pflegeversicherungsbeitrag einen Krankenversicherungsbeitrag i.H.v. 10,23 €.

Mit Bescheid vom 27.12.2021 setzte die Beklagte zu 1) – zugleich im Namen der Beklagten zu 2) - aufgrund der Erhöhung des Zusatzbeitrags zur Krankenversicherung auf 1,3 % die Beiträge ab dem 01.01.2022 neu fest und errechnete bei gleichbleibendem Pflegeversicherungsbeitrag einen Krankenversicherungsbeitrag i.H.v. 10,36 €. 

Mit Gerichtsbescheid vom 28.01.2022 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 17.12.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.04.2020 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Verwiesen werde insoweit auf die zutreffende Begründung des Widerspruchsbescheids, der auch die Beitragshöhe und die Beitragsberechnung zutreffend darstelle (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Lediglich vertiefend werde ausgeführt, dass § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V als Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Bescheids vom Bezug ausländischer Renten spreche. Die Norm spreche nicht vom Bezug ausländischer Renten auf ein deutsches Konto. Der Kläger beziehe die Rente seit dem Jahr 2015 auf ein russisches Konto und könne darüber – wenn auch mit den mitgeteilten praktischen Schwierigkeiten – verfügen. Auch eine Weiterleitung nach Deutschland sei unter zu Hilfenahme von Leistungsvermittlern möglich. Die Norm verlange – ausweislich des eindeutigen Wortlauts – nicht, dass dem Versicherten die Einnahme auch zum Zeitpunkt der Beitragserhebung tatsächlich zur Verfügung stehe.

Gegen den seinem Klägerbevollmächtigten am 31.01.2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18.02.2022 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben.

Er ist weiterhin der Auffassung, dass die Verbeitragung seiner russischen Rente zu Unrecht erfolgt. Für die Beitragserhebung komme es auf den tatsächlichen Zufluss der Einnahme in Deutschland an. Ein solcher erfolge nicht. Abgesehen davon sei die volle Verbeitragung der Rente unverhältnismäßig. Während die Leistungsträger der Grundsicherung und die Sozialhilfeträger die Kosten für die Organisation der Überweisung der russischen Rente üblicherweise übernähmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch <SGB II; gemeint wohl § 11b Abs. 1 Nr. 5 SGB II>, § 82 Abs. 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch <SGB XII>), sei dies hier nicht der Fall. Die bei einem Transfer der Rente aus Russland nach Deutschland entstehenden, nicht unerheblichen Kosten würden nicht berücksichtigt. Es habe, zumal auch dies mit Kosten verbunden wäre, auch nicht jeder Rentner eine Vertrauensperson in der Russischen Föderation, der er den Zugang zu seinem Konto anvertrauen könne und die bereit wäre, kontinuierlich die Auslandsüberweisungen zu tätigen. Diese würden registriert und streng kontrolliert, was viele Bürger nicht wünschten und wollten. Bei der Mittlerfirma handele es sich lediglich um ein Dienstleistungsunternehmen und nicht um eine offizielle Institution.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 28.01.2022 und den Bescheid der Beklagten vom 17.12.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.04.2020 sowie die Bescheide vom 30.12.2020 und 27.12.2021 aufzuheben.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend. Eine „Unverhältnismäßigkeit“ könne bei einer dem geltenden Recht entsprechenden Verbeitragung nicht erkannt werden.

Auf Anforderung des Senats haben die Beklagten mit Schreiben vom 24.05.2022 und 25.05.2022 den nachgeforderten Betrag im Einzelnen erläutert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Senats und des SG sowie der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.   
Entscheidungsgründe

1. Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft (§ 143 SGG), denn sie betrifft Leistungen, hier Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

2. Streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten vom 17.12.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.04.2020 sowie die Bescheide vom 30.12.2020 und 27.12.2021. Die während des Verfahrens beim SG ergangenen Bescheide vom 30.12.2020 und 27.12.2020 sind gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, weil sie für den jeweiligen neuen Zeitraum die vorherigen Beitragsfestsetzungen ersetzen. Da das SG über diese Bescheide versehentlich nicht entschieden hat, hat das Berufungsgericht die Entscheidung über diese Bescheide nachzuholen (Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 20.12.2012 - B 10 EG 19/11 R -, in juris, Rn. 17; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 96 Rn 12a).

3. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheiden sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagten erheben zutreffend Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus der russischen Rente des Klägers.

a) Die Beklagte zu 1) war berechtigt, im Namen der Beklagten zu 2) auch die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung festzusetzen. Nach § 46 Abs. 2 Satz 4 SGB XI in der ab dem 01.07.2008 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 31 Pflege-Weiterentwicklungsgesetz vom 28.05.2008, BGBl. I S. 874) können Krankenkassen und Pflegekassen für Mitglieder, die - wie vorliegend - ihre Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. Hierbei ist das Mitglied darauf hinzuweisen, dass der Bescheid über den Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse ergeht (§ 46 Abs. 2 Satz 5 SGB XI). Den erforderlichen Hinweis auf den gemeinsamen Bescheid hat die Beklagte zu 1) in ihrem Bescheid vom 17.12.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.04.2020 sowie in den Bescheiden vom 30.12.2020 und 27.12.2021 jeweils erteilt.

b) Der Umfang der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung beurteilt sich nach dem Versichertenstatus in dem Zeitpunkt, für den Beiträge erhoben werden. Der Kläger war im hier streitigen Zeitraum vom 28.05.2015 bis 29.02.2020 als Beschäftigter nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungspflichtig in der Krankenversicherung. Die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung folgte für diesen Zeitraum aus § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI. Seit dem 01.03.2020 ist der Kläger in der Krankenversicherung der Rentner versicherungspflichtig (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V). Für die soziale Pflegeversicherung gilt seither § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 SGB XI.

Nach § 220 Abs. 1 Satz 1 SGB V werden die Mittel der Krankenversicherung unter anderem durch Beiträge aufgebracht. Nach § 223 Abs. 2 Satz 1 SGB V werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Nach § 226 Abs. 1 Nr. 2 SGB V gehört zu den in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragspflichtigen Einnahmen des versicherungspflichtig Beschäftigten nicht nur das Arbeitsentgelt, sondern auch der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung. Gleiches gilt nach § 237 Satz 1 Nr. 1 SGB V für gesetzlich versicherte Rentner. Erfasst sind für die Zeit ab 01.07.2011 auch vergleichbare Renten aus dem Ausland (§ 228 Abs. 1 Satz 2; § 237 Satz 2 i.V.m. § 228 Abs. 1 Satz 2; eingefügt durch Art. 4 Nr. 7 Buchst. a Gesetz zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze vom 22.06.2011 mit Wirkung zum 01.07.2011 <Art. 13 Abs. 3 Gesetz zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze>, BGBl I 1202; ab 01.01.2017 § 237 Satz 4). Nach dem bis 30.06.2011 geltenden Recht unterlagen aus dem Ausland gezahlte Leistungen nur der Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie ein Versorgungsbezug im Sinne von § 229 Satz 1 Nr. 5 SGB V waren. Dazu gehörten Leistungen aus ausländischen öffentlich-rechtlichen Rentensystemen nicht (BSG, Urteil vom 10.06.1988 - 12 RK 39/87 -, in juris, zum inhaltsgleichen früheren § 180 Abs. 8 Reichsversicherungsordnung <RVO>). Mit der Einfügung des § 228 Satz 2 SGB V beseitigte der Gesetzgeber dies aus Gründen der Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Rentenbezieher, und zwar unabhängig davon, ob die Rente aus einem Mitgliedstaat der EU oder einem Drittstaat bezogen wird. Dies sieht der Gesetzgeber aus Gründen der Gleichbehandlung und der Beitragsgerechtigkeit als angezeigt an (BT-Drucks. 17/4978 S. 20 und BR-Drucks. 846/10 S 30) und war im Hinblick auf Art. 5 VO EG Nr. 883/2004 erforderlich. Der allgemeine Beitragssatz in der Krankenversicherung beträgt gem. § 241 SGB V ab dem 01.01.2015 14,6 % der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Für Mitglieder, die keinen Anspruch auf Krankengeld haben, gilt ein ermäßigter Beitragssatz von 14,0 % (§ 243 Satz 3 SGB V). Der Zusatzbeitrag belief sich im Jahr 2015 auf 0,9 %, ab dem 01.01.2016 auf 1,0 %, im Jahr 2019 auf 0,9 %, ab dem 01.01.2020 auf 1,3 %, ab dem 01.01.2021 auf 1,1 % und ab dem 01.01.2022 wieder auf 1,3 %. Nach § 247 Satz 2 SGB V gilt bei Versicherungspflichtigen für die Bemessung der Beiträge aus ausländischen Renten nach § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes und abweichend von § 242 Abs. 1 Satz 2 SGB V die Hälfte des kassenindividuellen Zusatzbeitrags. Veränderungen des Zusatzbeitragssatzes gelten jeweils vom ersten Tag des zweiten auf die Veränderung folgenden Kalendermonats an: dies gilt nicht für ausländische Renten nach § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V (§ 247 Satz 3 SGB V).

Aufgrund der Verweisung in § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI gilt die Beitragspflicht in gleicher Weise auch für die Pflegeversicherung; dies gilt auch für die Verbeitragung ausländischer Renten (vgl. LSG für das Saarland, Urteil vom 16.07.2014 - L 2 KR 14/14 -, in juris, zu einer Rente aus den Vereinigten Staaten von Amerika). Der Beitragssatz beträgt ab dem 01.01.2015 2,35 % der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder (§ 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in der Fassung vom 17.12.2014), ab dem 01.01.2017 2,55 % (in der Fassung vom 21.12.2015) und seit 01.01.2019 3,05 % (in der Fassung vom 17.12.2018).

c) Die dem Kläger von der Russischen Föderation gezahlte Leistung ist eine der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Rente aus dem Ausland. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist insoweit im Wege der rechtsvergleichenden Qualifizierung zu ermitteln, ob es sich bei der ausländischen Leistung um eine Sozialleistung öffentlich-rechtlicher Art handelt und von Ähnlichkeit bzw. Vergleichbarkeit der ausländischen und der inländischen Sozialleistung auszugehen ist (BSG, Urteil vom 18.12.2008 - B 11 AL 32707 R -, in juris). Vergleichbarkeit ist dann anzunehmen, wenn die ausländische Leistung in ihrem Kerngehalt den gemeinsamen und typischen Merkmalen der inländischen Leistung entspricht, d.h. nach Motivation und Funktion gleichwertig ist. Maßgeblicher Gesichtspunkt sind die Essentialia der nationalen Norm, also deren Funktion und Struktur nach nationalem Verständnis (BSG, Urteil vom 29.10.1997 - 7 RAr 10/97 -, in juris; BSG, Urteil vom 18.12.2008, aaO). Die wesentlichen Gesichtspunkte der deutschen Altersrente sind dabei, dass sie erst bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze gezahlt wird und als Entgeltersatzleistung in der Grundkonzeption der Lebensunterhaltssicherung dient (BSG, Urteil vom 18.12.2008, aaO). Gemessen hieran sind die Leistungen der Russischen Föderation einer deutschen Regelaltersrente vergleichbar. Bei der die Leistung auszahlenden Pensionskasse handelt es sich um eine Einrichtung der russischen Sozialversicherung. Abgedeckt wird der Versicherungsfall des Alters. Die russische Altersrente wird ab einem bestimmten Alter nach einer bestimmten Mindestversicherungszeit gezahlt. Die Versicherungszeiten beeinflussen auch die Rentenhöhe. Zur Berechnung der Rente werden individuelle Rentenpunkte ermittelt (vgl. hierzu: Russische Föderation – 2.3. Rentenleistungen und Versorgung: Recht der Herkunftsgebiete 4. Rentengesetz Nr. 400-FZ für die Zeit vom 01.01.2015 bis laufend, veröffentlicht am 25.04.2022). Dass die dem Kläger bewilligte Rente einer Altersrente entspricht, die von dem staatlichen russischen Rentenversicherungssystem geleistet wird und wie die deutsche Regelaltersrente nicht nur das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze voraussetzt, sondern auch dazu dienen soll, den Lebensunterhalt des Rentners zu sichern, bestreitet der Kläger auch nicht.

d) Die Höhe der Beiträge ergibt sich aus dem Zahlbetrag der Rente multipliziert mit den anzuwendenden und oben bereits ausgeführten von den Beklagten in nicht zu beanstandender Weise angesetzten Beitragssätzen (Krankenversicherung: Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes zzgl. Zusatzbeitrag = 7,75 % bis 31.12.2015, 7,80 % bis 31.12.2018, 7,75 % bis 31.12.2020, 7,85 % bis 31.12.2021 und 7,95 % ab 01.01.2022; Pflegeversicherung: 2,35 % bis 31.12.2016, 2,55 % bis 31.12.2018 und 3,05 % seit 01.01.2019). Im Hinblick auf den Zahlbetrag der Rente ist, sofern die gesetzliche Rente aus dem Ausland nicht in Euro gewährt wird, für die Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen eine Umrechnung der Währung in Euro erforderlich. Nach § 17a Abs. 1 Satz 1 SGB IV wird zu berücksichtigendes Einkommen, das in fremder Währung erzielt wird, in Euro nach dem Referenzkurs umgerechnet, den die EZB öffentlich bekannt gibt. Nach § 17a Abs. 2 SGB IV ist bei Berücksichtigung von Einkommen in den Fällen, in denen der Beginn der Leistung oder der neuberechneten Leistung in der Vergangenheit liegt, der Umrechnungskurs für den Kalendermonat maßgebend, in dem die Anrechnung des Einkommens beginnt. Bei Berücksichtigung von Einkommen ist in den Fällen, in denen der Beginn der Leistung oder der neuberechneten Leistung nicht in der Vergangenheit liegt, der Umrechnungskurs für den ersten Monat des Kalendervierteljahres maßgebend, das dem Beginn der Berücksichtigung von Einkommen vorausgeht. Der angewandte Umrechnungskurs bleibt gem. § 17a Abs. 3 SGB IV so lange maßgebend, bis 1. die Sozialleistung zu ändern ist, 2. sich das zu berücksichtigende Einkommen ändert oder 3. eine Kursveränderung von mehr als 10 v.H. gegenüber der Umrechnung eintritt, jedoch nicht vor Ablauf von drei Kalendermonaten.

Ob die Beklagten unter Anwendung dieser Regelungen zur Umrechnung den Zahlbetrag der Rente fehlerhaft ermittelt haben, weil sie nicht den im Mai 2015, sondern den am 17.12.2019 geltenden von der EZB bekannt gegebenen Referenzkurs zugrunde gelegt haben, lässt der Senat offen. Denn die Zugrundelegung des im Mai 2015 geltenden Referenzkurses, der sich auf 1 Euro = 57,1277 Rubel belief, würde sich für den Kläger nachteilig darstellen. In diesem Fall beliefe sich die umgerechnete monatliche Rente des Klägers auf 159,31 €, wäre mithin höher als die von den Beklagten unter Zugrundelegung des am 17.12.2019 geltenden Referenzkurses (1 Euro = 69,8317 Rubel) ermittelte Rente mit 130,32 €. Dies hätte für den Kläger zur Folge, dass auch die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge höher wären. Unter Berücksichtigung einer auch im Berufungsverfahren unzulässigen reformatio in peius hätte es jedenfalls bei der von den Beklagten ermittelten Rentenhöhe zu verbleiben (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2021, Vor § 143 Rn. 17). Die Beklagten haben die Beiträge auch zutreffend gemäß
§§ 249a Satz 2, 252 Abs. 1 SGB V bei dem Kläger selbst erhoben. Nach § 249a Satz 2 SGB V (in der bis 31.12.2016 geltenden Fassung, seither § 249a Satz 3 SGB V) trägt sowohl der versicherungspflichtig Beschäftigte als auch der Rentner die aus ausländischen Renten zu zahlenden Beiträge allein. Nach § 252 Abs. 1 Satz 1 SGB V sind die Beiträge von demjenigen zu zahlen, der sie zu tragen hat, soweit gesetzlich nichts Abweichendes bestimmt ist. Nach § 255 Abs. 1 Satz 1 SGB V sind lediglich auf die in Deutschland bezogene Rente entfallenden Beiträge von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten, nicht aber die Beiträge, die auf die russische Rente zu entrichten sind, denn § 255 Abs. 1 Satz 1 SGB V nimmt lediglich Renten nach § 228 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Bezug. Auch eine Verpflichtung des russischen Rentenversicherungsträgers kommt insoweit nicht in Betracht, da hierfür eine gesetzliche Regelung entsprechend § 255 SGB V fehlt.

e) Ein Abkommen zwischen der Russischen Föderation und der Bundesrepublik Deutschland steht einer Verbeitragung einer von einem russischen Träger gewährten Rente im Rahmen der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung (§ 237 Satz 1, 4; § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V, § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI) nicht entgegen. Zwischen der Russischen Föderation und Deutschland besteht insoweit kein Sozialversicherungsabkommen.

f) Auch die Tatsache, dass die Auszahlung der Rente an den in Deutschland lebenden Kläger laut der Verordnung Nr. 1386 im Hoheitsgebiet der Russischen Föderation erfolgt und (seit dem 01.01.2015) eine Überweisung auf ein deutsches Privatkonto nicht mehr möglich ist, führt nicht dazu, dass die dem Kläger bewilligte und in der Russischen Föderation auf ein Konto des Klägers bei der Sberbank ausgezahlte Rente, nicht der deutschen Kranken- und Pflegeversicherung unterliegt. Der Kläger kann über die Rente verfügen. Die Rente wurde ihm tatsächlich bewilligt, sie wird ihm auch ausgezahlt. Es steht in seinem Belieben, ob er die Rente auf seinem Konto bei der Sberbank belässt, sich dieselbe - sei es über eigene Vertrauenspersonen oder den auch vom
Bundesministerium für Arbeit und Soziales in einem offiziellen Rundschreiben vorgeschlagenen Dienstleister -  in die Bundesrepublik Deutschland transferieren oder sie sich bei einer persönlichen Vorsprache selbst auszahlen lässt. Hieran hat sich auch durch die derzeitige geopolitische Lage wegen des Krieges zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine nichts geändert. Aufgrund der gegen Russland bzw. russische Banken verhängten Sanktionen kommt es insoweit zu keinen Problemen. Nach der auf eine schriftliche Frage eines Abgeordneten des Deutschen Bundestages erfolgten Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Griese vom 20.04.2022 liegen nach Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung keine Erkenntnisse zu aktuellen Unregelmäßigkeiten bei der Auszahlung von russischen Renten an in Deutschland lebenden Spätaussiedler vor (BT-Drucks. 20/1483 S. 25). Eine Überweisung der russischen Renten ist auch nach der im Internet verfügbaren Informationssammlung zum Thema „Russische Rente“ weiterhin möglich (recherchiert am 15.06.2022, letzte Aktualisierung am 10.06.2022).

g) Der Kläger vermag auch nicht damit durchzudringen, dass die Verbeitragung unverhältnismäßig sei und vor der Verbeitragung zumindest die ihm aufgrund des Transfers entstehenden Kosten in Abzug zu bringen seien. Die Verbeitragung entspricht dem geltenden Recht. Es entspricht der Beitragsgerechtigkeit, dass inländische und ausländische Rentenbezieher mit Blick auf den Rentenbezug und die sich daraus ergebende Beitragspflicht gleich behandelt werden. Unverhältnismäßig ist auch nicht die Höhe der Beitragssätze, die ebenfalls nicht nach der Herkunft der Renten differenziert. Eine Unverhältnismäßigkeit ergibt sich schließlich auch nicht deshalb, weil beim Transfer der Rente aus Russland nach Deutschland entstehende Kosten nicht berücksichtigt werden. Abgesehen davon, dass solche Kosten beim Kläger bisher nicht entstanden sind, sieht das Gesetz dies nicht vor. Auch in Deutschland anfallende Bankgebühren kommen nicht zum Abzug. Die hier vorliegende Konstellation unterscheidet sich auch von der Grundsicherung, in der die Leistungsträger die Kosten für die Überweisung nach § 11b Abs. 1 Nr. 5 SGB II bzw. § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII übernehmen können. Ausschlaggebend hierfür ist die im Rahmen der Grundsicherung vorliegende Bedürftigkeit der Leistungsempfänger, die nicht mit insoweit entstehenden Kosten belastet werden dürfen; der Grundsicherungsbetrag soll ihnen ungeschmälert zur Verfügung stehen. Dies ist hier nicht der Fall. Es handelt es sich um keine Leistung der Grundsicherung, sondern um eine Rentenleistung. 

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.



 

Rechtskraft
Aus
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