S 19 U 72/19

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 19 U 72/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 203/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.


Tatbestand

Die Klägerin streitet im vorliegenden Verfahren um die Abänderung eines am 21.3.2018 geschlossenen gerichtlichen Vergleiches. 

In dem zugrundliegenden Rechtsstreit S 19 U 134/14 stritt die Klägerin um die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und die Gewährung einer Rente wegen der Unfallfolgen ihres Arbeitsunfalls vom 31.10.2012. Nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Dr. J. vom 2.3.2016 und dessen ergänzender Stellungnahme vom 23.5.2016 sowie der Durchführung eines Erörterungstermins am 10.1.2017 und Einholung einer weiteren ergänzenden Stellungnahme des Dr. J. vom 3.7.2017 unterbreitete die Klägerin nach vergeblichen Versuchen des Gerichtes einen eigenen Vergleichsvorschlag, überreicht durch ihren damaligen Prozessbevollmächtigten in dessen Schriftsatz vom 8.3.2018. Ziffer 1 des von ihr vorgeschlagenen Vergleichs lautete: „Die Beklagte erklärt sich bereit, die Kosten für die aufgrund der Unfallfolgen erforderliche Therapie bei Frau Dr. D. bis zum Abschluss der bereits genehmigten 10 Einheiten sowie die Kosten für die bei der Praxis E. geplante Blocktherapie und ein weiteres Abschlussgespräch bei Frau Dr. D. zu übernehmen. Hierbei können auch die Ereignisse des Aufenthaltes in der BG-Unfallklinik vom 18. bis 20.12.2013 und der psychologischen Untersuchungen in der Praxis E. vom 21.02.2014 und 14.03.2014 besprochen werden.“ Es folgten weitere Ziffern des Vergleichs. Die Beklagte stimmte durch Schriftsatz vom 19.3.2018 dem Vergleichsvorschlag der Klägerin vollumfänglich zu. 

Nunmehr führte die Beklagte durch Bescheid vom 4.4.2018 den geschlossenen Vergleich aus. Sie hob den Bescheid vom 2.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.10.2014 auf. Wegen der Folgen des Arbeitsunfalls gewährte sie eine Rente für den Zeitraum vom 26.11.2012 bis 30.11.2014 nach einer MdE von 20 % wegen einer unfallbedingten Ampassungsstörung. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 27.4.2018 Widerspruch ein. Durch Schreiben vom 3.5.2018 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ein Widerspruch gegen die durch Vergleich geregelten Punkte nicht möglich sei. Der Bescheid setze lediglich den Vergleich um. Die Klägerin bat durch Schreiben vom 16.5.2018 um Übersendung der ärztlichen Feststellungen, auf welche sich in Absatz 4 des Bescheides vom 4.4.2018 berufen werde. Durch Bescheid vom 17.9.2018 half die Beklagte dem Widerspruch vom 30.4.2018 gegen den Bescheid vom 4.4.2018 in vollem Umfang ab. Der Bescheid vom 4.4.2018 wurde aufgehoben. Die Beklagte übernahm nunmehr im Bescheid vom 17.9.2018 den Wortlaut des geschlossenen Vergleiches. 

Am 20.9.2018 rief die Therapeutin D. bei der Beklagten an. Durch Schreiben vom 23.9.2018 wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagte und begehrte 5 bis 10 EMDR-Sitzungen bei Frau Dr. D. und parallel ambulante Unterstützung durch ein- bis zweimal wöchentlich Fango und manuelle Therapie. Am 10.10.2018 informierte die Therapeutin D. die Beklagte darüber, dass die Klägerin weitere Therapien beantragt habe, ohne Rücksprache mit ihr zu halten. Am 15.10.2018 teilte die Therapeutin D. mit, die letzte Stunde durchgeführt zu haben. Der letzte der vereinbarten und durch Vergleichsschluss vereinbarten Termine wurde durchgeführt. Ferner wurde eine Blocktherapie beim PZDT zugesagt und abschließend ein Gespräch bei Frau D. Diese berichtete am 15.10.2018 nach insgesamt 25 durchgeführten Sitzungen über die Behandlung der Klägerin. Für sie befremdlich sei, dass die Klägerin ohne Rücksprache mit ihr bei der Beklagten weitere Therapiestunden beantragt habe. Das spreche gegen ein therapeutisches Bündnis auf Augenhöhe. Eine weitere Therapie käme deshalb nicht infrage. Gegen den Bescheid vom 17.9.2018. legte die Klägerin durch Schreiben vom 12.10.2018 Widerspruch ein. Durch Schreiben vom 18.10.2018 erläuterte die Beklagte, an den Inhalt des geschlossenen Vergleiches gehalten zu sein. Am 22.10.2018 wiederholte die Klägerin ihren Antrag auf 5 bis 10 EMDR-Sitzungen bei Frau D. oder hilfsweise einem anderen Therapeuten ihrer Wahl und parallel als ambulante Unterstützung ein bis zweimal wöchentlich Fango und manuelle Therapie. Durch Schreiben vom 5.11.2018 erläuterte die Beklagte erneut den Vergleichsinhalt. Die Klägerin legte erneut Widerspruch ein. 

Mit Schreiben vom 26.11.2018 wandte sich die Klägerin an das Gericht und beantragte ein vollstreckbare Ausfertigung des geschlossenen Vergleichs. Durch feststellenden Beschluss vom 18.12.2018 wurde durch das Gericht das Zustandekommen des Vergleiches in dem Rechtsstreit S 19 U 134/14 mit dem sich aus dem Beschluss ergebenden Inhalt festgestellt. 

Durch Schreiben vom 14.2.2019 teilte die Klägerin der Beklagten mit, es sei nicht voraussehbar gewesen, dass bezüglich Punkt 1 des Vergleiches Frau Dr. D. nicht bereit sei, die komplexen Themen überhaupt zu besprechen. Deshalb bedürfe der Vergleich der Vertragsanpassung. Sie bat darum, dass Frau Dr. H. bzw. ein in Traumatherapie ausgebildeter Psychotherapeut ihrer Wahl ohne zeitliche Begrenzung die Behandlung durchführe. 

Der nunmehr beauftragte Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragte nach Abschluss des Rechtsstreites Akteneinsicht in dem Verfahren S 19 U 134/14 und teilte im Schriftsatz vom 13.4.2019 mit, der Akte des Sozialgerichtes entnommen zu haben, dass sich die Klägerin vollinhaltlich mit einem eigenen Vergleichsvorschlag durchgesetzt hatte. 

Durch Widerspruchsbescheid vom 14.3.2019 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.9.2018 zurück. Hiergegen hat die Klägerin am 18.4.2019 Klage erhoben (S 19 U 28/19). Dieses Verfahren wurde aufgrund der Anträge der Beteiligten durch Beschluss vom 27.8.2019 ruhend gestellt.

Parallel dazu erhob die Klägerin am 18.4.2019 die vorliegende Änderungsklage.

Die Klägerin ist der Ansicht, im vorliegenden Fall hätten sich die Verhältnisse so maßgebend geändert, dass es ihr nicht zumutbar sei, an der ursprünglich vereinbarten Regelung festzuhalten. Unabhängig davon, ob nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder über § 59 SGB X vorzugehen sei, sei zu berücksichtigen, dass Geltungsgrund gerichtlicher Vergleiche allein der Parteiwille sei. Im vorliegenden Fall sei Ziel des Vergleiches gewesen, dass Frau Dr. D. für die aufgrund der Unfallfolgen erforderliche durchzuführende Therapie bis zum Abschlussgespräch zur Verfügung stehe. Aber die Therapeutin habe sich geweigert, weitere Therapien durchzuführen. Bei Vertragsabschluss sei nicht bekannt gewesen, von Frau Dr. D. keine Unterstützung mehr zu bekommen. Ziel des Vergleiches sei es auch gewesen, die Kostentragungspflicht der Beklagten durch die Dauer der Notwendigkeit der Therapie zu bestimmen. Die Klägerin benötige eine Langzeittherapie bei einer Psychotherapeutin bzw. einem Psychotherapeuten mit Zusatzausbildung auf dem Gebiet der Traumaverarbeitung. § 48 SGB X sei nicht einschlägig. Die Klägerin benötige dringende und sofortige psychologische Stunden. Die Klägerin behauptet unter Vorlage einer Bescheinigung der Dr. H. vom 16.7.2019, sie leide unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Außerdem verstoße die Anhörung des Gerichtes zum Gerichtsbescheid gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Das Gericht habe in seinem Hinweis nicht den gesamten klägerischen Vortrag verarbeitet. Zudem verstoße das Gericht gegen Art. 19 Abs. 4 GG und gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK.

Die Klägerin beantragt ausdrücklich: 

1.    Den gerichtlichen Vergleich vom 18.12.2018 in folgendem zu ändern: Ziffer 1 des vom Gericht vorgeschlagenen Vergleiches enthält folgenden Wortlaut: „Die Beklagte erklärt sich bereit, die Kosten für die aufgrund der Unfallfolgen weiterhin erforderliche Therapie einer posttraumatischen Belastungsstörung bei einer geeigneten Therapeutin nach Wahl von Frau A. (zum Beispiel Frau Dr.  H.) bzw. einem anderen geeigneten Therapeuten bis hin zu einem Abschlussgespräch ohne zeitliche Begrenzung zu übernehmen. Hierbei können auch die Ereignisse des Aufenthaltes in der BG-Unfallklinik vom 18. bis 20.12.2013 und der psychologischen Untersuchungen in der Praxis E. vom 21.2.2014 und 14.3.2014 besprochen werden.“, 

2.    hilfsweise, Feststellung darüber zu treffen, dass die Funktionseinschränkungen (posttraumatische Belastungsstörungen) mit dem notwendigen Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis und auf die von der Beklagten beauftragten Untersuchungen in der BG Unfallklinik und dem psychologischen Gesprächen mit der Diplom-Psychologen F. zurückzuführen sind.

Die Beklagte beantragt, 

die Klage abzuweisen.

Aus Ihrer Sicht seien die Umstände nicht derart schwerwiegend, dass der Klägerin ein Festhalten an dem Vergleich unzumutbar sei. Überdies seien die Therapieeinheiten, zu der sich die Beklagte bereit erklärt hatte, gewährt worden. Insofern habe sie ihre Verpflichtung aus Ziffer 1 des Vergleiches erfüllt. Eine weitere Behandlung der Klägerin müsse zulasten der Krankenkasse erfolgen. Inhalt des Vergleiches sei nicht eine unbegrenzte Gewährung einer auf Dauer angelegten Therapie.

Das Gericht hat die Akte S 19 U 134/14 beigezogen. Das Gericht hat ferner durch Schreiben vom 16.10.2019 einen Hinweis erteilt. Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 16.10.2019 zum Gerichtsbescheid angehört. Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes, insbesondere das umfangreiche Vornringen der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte, auch die beigezogene, sowie die Verwaltungsakten inhaltlich verwiesen und Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 105 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Vorliegend ist eine reine Rechtsfrage streitig. Die Beteiligten wurden vorher gehört, § 105 Abs. 1 S. 2 SGG. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Anwendung der Vorschrift. Die Regelung des § 105 SGG ist auch mit Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 105, Rn. 2).

Streitgegenständlich ist im vorliegenden Verfahren allein die von der Klägerin begehrte Abänderung des unter dem Aktenzeichen S 19 U 134/14 geschlossenen Vergleichs, dessen Zustandekommen am 18.12.2018 durch Beschluss festgestellt wurde.

Nach Auffassung der Kammer ist die vorliegende Klage bereits unzulässig. Es fehlt an einem Vorverfahren, § 78 SGG. Nach Auffassung der Kammer hätte die Klägerin zunächst über § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) einen Antrag bei der Beklagten stellen müssen und die wesentliche Änderung der Verhältnisse darlegen müssen. Zwar besteht die Möglichkeit zur Durchbrechung der (formellen und materiellen) Rechtskraft. Wege zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft sind die Wiederaufnahme (§ 179) und die Wiedereinsetzung (§ 67), ebenso Verfassungsbeschwerde und die Anhörungsrüge (§ 178a). Anstelle der Änderungsklage (§ 323 ZPO) tritt im SGG ein Antrag nach § 48 SGB X (Breitkreuz, in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl., § 141, Rn. 24). Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an. Selbst wenn über § 202 SGG § 323a Zivilprozessordnung (ZPO) Anwendung findet, so lautet letzterer: Enthält ein Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 oder eine vollstreckbare Urkunde eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil auf Abänderung des Titels klagen, § 323a Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Klage ist nur zulässig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die die Abänderung rechtfertigen, § 323a Abs. 1 S. 2 ZPO. Nach jener Vorschrift ist eine erfolgreiche Abänderungsklage nur für zukünftige Zeiträume bei einer entsprechenden Änderung möglich (Peters-Lange, Anmerkung zu BSG, Urteil vom 12.12.2014, B 4 AS 17/13 R, SGb 2015, 114, 119). Vorliegend streitet die Klägerin um die Gewährung eines anderen Leistungsinhaltes. 

Ziffer 1 des geschlossenen Vergleichs lautet: Die Beklagte erklärt sich bereit, die Kosten für die aufgrund der Unfallfolgen erforderliche Therapie bei Frau Dr. D. bis zum Abschluss der bereits genehmigten 10 Einheiten sowie die Kosten für die bei der Praxis E. geplante Blocktherapie und ein weiteres Abschlussgespräch bei Frau Dr. D. zu übernehmen. Hierbei können auch die Ereignisse des Aufenthaltes in der BG-Unfallklinik vom 18. bis 20.12.2013 und der psychologischen Untersuchungen in der Praxis E. vom 21.02.2014 und 14.03.2014 besprochen werden.

Die in diesem Klageverfahren beantragte Änderung der Ziffer 1 soll lauten: Die Beklagte erklärt sich bereit, die Kosten für die aufgrund der Unfallfolgen weiterhin erforderliche Therapie einer posttraumatischen Belastungsstörung bei einer geeigneten Therapeutin nach Wahl von Frau A. (zum Beispiel Frau Dr. H.) bzw. einem anderen geeigneten Therapeuten bis hin zu einem Abschlussgespräch ohne zeitliche Begrenzung zu übernehmen. Hierbei können auch die Ereignisse des Aufenthaltes in der BG-Unfallklinik vom 18. bis 20.12.2013 und der psychologischen Untersuchungen in der Praxis E. vom 21.2.2014 und 14.3.2014 besprochen werden.“
Damit verfolgt die Klägerin mit der vorliegenden Klage das Ziel, über den Vergleich hinaus eine künftige, weil weiterhin erforderliche Behandlung ohne jegliche zeitliche Begrenzung zu erhalten. Das wäre bei der Beklagten zunächst geltend zu machen gewesen, damit diese ihrerseits die dafür erforderlichen Voraussetzungen prüfen und bescheiden kann.

Das LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.4.2014, L 6 VK 934/12, Rn. 20 führt dazu aus: „Der Vergleich kann nur den Streitgegenstand regeln, der ihm durch den Lebenssachverhalt … vorgegeben wird. Daraus folgt gerade im Sozialrecht der beschränkte Regelungscharakter eines solchen Vergleichs. Durch den Vergleich soll lediglich eine Rücknahme nach § 45 SGB X (so auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 101 Rz. 15a; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 01.09.1999 - L 8 U 23/99 - NZS 2000, 259) beziehungsweise eine Überprüfung nach § 44 SGB X ausgeschlossen werden (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.06.2011 - L 10 R 3494/08 - juris), nicht aber eine Neufeststellung nach § 48 SGB X. Wenn sich nämlich der medizinische Lebenssachverhalt - wie häufig - wesentlich ändert, ist der Beklagte sogar nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X verpflichtet, dies mit Wirkung für die Zukunft zu berücksichtigen. Wollten sich die Vertragspartner dieser rechtlichen Verpflichtung begeben, so müsste demzufolge aufgrund des Regel-Ausnahme-Verhältnisses sogar eine entsprechende Klausel in den Vergleich aufgenommen werden, dass keine Abänderung nach § 48 SGB X, sondern nur die Vertragsanpassung nach § 59 SGB X möglich ist, wobei dann weiter zu prüfen wäre, ob die Vertragsparteien überhaupt gesetzliche Pflichten in einem Vergleich abbedingen können. Dem steht nämlich aus Sicht des Senats bereits die Vorschrift des § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB X entgegen, wonach die Behörde nur anstatt eines ansonsten zu erlassenden Verwaltungsakts einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen kann. Die Behörde darf daher im Vertrag nicht mehr regeln, als ihr an Verwaltungsaktsbefugnis zukommt. Durch Verwaltungsakt kann sie aber nicht die Anwendbarkeit des § 48 SGB X ausschließen. Es wird daher zumindest in einem Vergleich in den üblichen durch Verwaltungsakt geregelten Materien … konkludent die Anwendung des eine Anpassung eines Vergleichsvertrages regelnden § 59 SGB X abbedungen, wenn - wie vorliegend - nichts dafür spricht, dass der Einigung eine höhere Bestandskraft zukommen soll (Steinwedel in Kasseler Kommentar, SGB X, § 48 Rz. 12). Das entspricht auch dem Regelungswillen der Parteien, die nämlich nur eine Einigung über den gegenwärtigen Gesundheitszustand erzielen, aber keine Regelung für die Zukunft treffen und sich insbesondere nicht des Rechts begeben wollen, auf Änderungen durch Herabsetzung oder - wie vorliegend - durch Neufeststellungsantrag zu reagieren. Wenn man dem Vergleich die Bedeutung zumessen wollte, dass sich seine Abänderung nur nach § 59 SGB X richten könnte, hätte das aber zur Folge, dass jeder Neufeststellungsantrag ausgeschlossen wäre und die Parteien ohne die Filterfunktion des Verwaltungsverfahrens eine gerichtliche Klärung der Anpassung und Kündigung vornehmen müssten, was überdies auf besondere Fälle beschränkt wäre und im Ermessen stünde. Das widerspräche auch der jahrzehntelangen Praxis in der Sozialgerichtsbarkeit (Urteil des Senats vom 24.10.2013 - L 6 SB 5459/11 - juris).“ Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an und erachtet deshalb § 48 SGB X im vorliegenden Fall als vorgreiflich. 

Der Hilfsantrag ist nach Auffassung der Kammer ebenfalls unzulässig. Die begehrte Feststellung, dass „posttraumatische Belastungsstörungen mit dem notwendigen Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis und auf die von der Beklagten beauftragten Untersuchungen in der BG-Unfallklinik und den psychologischen Gesprächen mit der Dipl.-Psychologin F. zurückzuführen sind“, ist abstrakt nicht feststellbar. Vielmehr zielt der Antrag auf die Anerkennung weiterer Unfallfolgen über die bereits anerkannten Unfallfolgen hinaus. Eine solche Auslegung des Antrages ist möglich (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl., § 123, Rn. 3b). Anerkannt ist auf psychiatrischem Gebiet eine vorübergehende unfallbedingte Anpassungsstörung. Ob die Klägerin unfallbedingt an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, wäre zunächst ebenfalls bei der Beklagten zu beantragen. Die Anerkennung weiterer Unfallfolgen ist zunächst stets bei der Beklagten zu beantragen, die durch Bescheid darüber zu entscheiden hat. Das ist vorliegend unterblieben.

Sofern man mit der Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin noch eine Zulässigkeit annehmen wollte, wird lediglich ergänzend darauf hingewiesen, dass die Klage nach Auffassung der Kammer auch unbegründet ist. Die Anpassung eines Vertrages ist nur unter engen Voraussetzungen möglich, welche hier nicht vorliegen. Haben die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen, § 59 Abs. 1 S. 1 SGB X. Die wesentliche Änderung in § 59 SGB X verlangt strengere Anforderungen als die wesentliche Änderung in § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X. Das wird durch den Wortlaut des § 59 Abs. 1 S. 1 SGB X verdeutlicht („so wesentlich geändert“), folgt aber auch aus dem Grundsatz der Vertragsbindung, als dessen Durchbrechung sich § 59 SGB X darstellt (Engelmann, von Wulffen, SGB X, § 59, Rn. 6; Hissnauer, in: Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB X, § 59, Rn. 13). Die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, müssen sich folglich nach Vertragsschluss so schwerwiegend verändert haben, dass ein Festhalten unzumutbar ist. (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.8.2017, L 2 AS 1822/12; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.8.2000, L 17 U 157/98, Rn. 35.) Dabei ist grundsätzlich zu beachten, dass geschlossene Verträge und somit auch gerichtliche Vergleiche einzuhalten sind, weshalb nur ausnahmsweise eine Loslösung vom Vertrag möglich sein darf (BSG, Urteil vom 6.12.2012, B 11 AL 15/11 R, Rn. 27). Der Grundsatz der Vertragstreue darf folglich auch im öffentlichen Recht nur ausnahmsweise und allein dann unterbrochen werden, wenn das notwendig ist, um wesentliche, das heißt untragbare, mit Recht und Gerechtigkeit schlechterdings unvereinbare Ergebnisse im öffentlichen Interesse zu vermeiden, wobei die Umstände des Einzelfalls maßgebend sind (BSG, Urteil vom 6.12.2012, B 11 AL 15/11 R, Rn. 33 m.w.N.).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist eine solche wesentliche Änderung der Verhältnisse, die eine Anpassung des gerichtlich geschlossenen Vergleichs, wie es die Klägerin begehrt, rechtfertigen würde, für das Gericht nicht ersichtlich. In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit S 19 U 134/14 hat die Klägerin, überreicht durch ihren damaligen Prozessbevollmächtigten, am 2.3.2018 einen umfassenden Vergleichsvorschlag unterbreitet, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. Darauf hin hat die Beklagte im Schreiben vom 19.3.2018 mitgeteilt, dem Vergleichsvorschlag der Klägerin zuzustimmen. Insofern haben sich die Beteiligten vollständig auf den von der Klägerin vorgeschlagenen Inhalt des Vergleiches geeinigt. Aufgrund des Schreibens der Klägerin vom 26.11.2018 erging der feststellende Beschluss des Gerichtes vom 18.12.2018. Der nach Abschluss des Rechtsstreits beauftragte Prozessbevollmächtigte beantragte am 29.3.2019 Einblick in die Gerichtsakte und stellte durch Schriftsatz vom 13.4.2019 zutreffend fest, der Akte entnommen zu haben, dass sich die Klägerin vollinhaltlich mit einem eigenen Vergleichsvorschlag durchgesetzt hatte.

Dass die Klägerin im Nachhinein nicht mehr an dem geschlossenen Vertrag festhalten will, ergibt sich aus dem Vortrag des nunmehr beauftragten Prozessbevollmächtigten. Die Unzufriedenheit eines der beiden Beteiligten mit einem Vertrag genügt aber nicht, um eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 59 SGB X anzunehmen. Vielmehr muss es sich um Umstände handeln, die darüber hinausgehen, um zu rechtfertigen, an dem geschlossenen Vertrag nicht mehr festhalten zu müssen. Wie der Akte zu entnehmen ist, und worauf der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch umfassend hinweist, hat sich die Therapie, zu deren Gewährung bzw. Finanzierung sich die Beklagte im Vergleich verpflichtet hatte, nicht so entwickelt, wie es sich die Klägerin vorgestellt hat. Die Klägerin sieht keinen Erfolg der gewählten Therapie bei der seinerzeit von ihr ausgewählten Therapeutin. Allerdings begründet das keine Unzumutbarkeit i.S.d. § 59 SGB X. Es ist nämlich nicht auf das subjektive Empfinden einer Vertragspartei abzustellen, sondern ein objektiver Maßstab zugrunde zu legen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.6.2015, 9 S 280/14). Die unter Ziffer 1 des Vergleichs durch die Beklagte übernommene Zusage der Kostenübernahme der darin festgehaltenen Therapien bei Frau Dr. D. wurden von der Beklagten auch gewährt, wie sich aus den Akten ergibt. Insofern ist dieser Teil der ersten Ziffer bereits erfüllt. Die Therapie war zeitlich limitiert, wie sich aus dem geschlossenen Vergleich ergibt. Insofern ist unerheblich, ob Frau Dr. D. eine weitere, zu Lasten der Krankenkasse durchzuführende Therapie vornimmt oder nicht. 

Sofern die Klägerin Teile der anderen zugesagten Therapien (Blocktherapie Praxis E. und anschließendes Abschlussgespräch mit Frau Dr. D.), wie sie vorträgt, nicht mehr in Anspruch genommen hat bzw. nehmen möchte, fällt das in ihren Entscheidungsbereich, führt aber nicht zu der Möglichkeit, nunmehr unter Kostenlast für die Beklagte eine weitere, andere Therapeutin ihrer Wahl entgegen der getroffenen Vereinbarung zu beanspruchen. Die Beklagte ist ihren Verpflichtungen aus dem Vergleich nachgekommen, sofern die Klägerin diese Leistungen noch in Anspruch nehmen wollte. 

Hinsichtlich des Vortrages auf Anerkennung weiterer Unfallfolgen ist lediglich ergänzend zu erläutern, dass auch diese durch den geschlossenen Vergleich, der den Rechtsstreit um die seinerzeit streitgegenständlichen Bescheide umfassend erledigt hat, geregelt worden sind. Auch hier ist für die Kammer keine Unzumutbarkeit erkennbar, an dem geschlossenen Vergleich festzuhalten. 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
 

Rechtskraft
Aus
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