L 8 KR 522/21

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 18 KR 352/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 522/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Vorschrift des § 240 Abs. 1 S. 3, S. 4 SGB V idF durch das GKV-VEG vom 11.12.2018, die für bestimmte freiwillig Versicherte eine rückwirkende Korrektur der Beitragsfestsetzung nach dem Höchstbeitrag ermöglicht, ist auf den Personenkreis der hauptberuflich Selbständigen nicht anwendbar; für diese trifft § 240 Abs. 4a S. 4 SGB V eine eigene Regelung. 
 

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Dezember 2021 aufgehoben und die Klage abgewiesen. 

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. 

Die Revision wird nicht zugelassen. 


Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berechnung der Beiträge des Klägers zur Kranken- und Pflegeversicherung im Zeitraum 1. August 2015 bis 31. Mai 2016.

Der 1962 geborene Kläger war bis 31. August 2016 als hauptberuflich selbstständig Tätiger freiwilliges Mitglied bei der Beklagten zu 1) und dem folgend Pflichtmitglied bei der zu 2) beklagten Pflegekasse der Beklagten. 

Anfang Juni 2016 reichte der Kläger bei der Beklagten seine Einkommenssteuerbescheide der Jahre 2014 und 2015 ein. Im Einkommensteuerbescheid vom 6. Juli 2015 legte das Finanzamt Bad Homburg der Berechnung der Einkommensteuer für das Jahr 2014 Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer i.H.v. 34.221,- € zugrunde. Der Einkommensteuerbescheid vom 30. Mai 2016 für das Jahr 2015 schloss mit Einkünften aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer i.H.v. 8.491,- €.

Mit Bescheid vom 16. Juni 2016 setzten die Beklagten die monatlichen Beiträge ab 1. August 2015 zur Krankenversicherung auf 424,91 € und zur Pflegeversicherung auf 74,15 €, ab 1. Januar 2016 zur Krankenversicherung auf 430,61 € und zur Pflegeversicherung auf 74,15 € fest. Als Bemessungsgrundlage zogen sie die im Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2014 ausgewiesenen Einkünfte i.H.v. 34.221,- € heran.

Der Kläger erhob am 12. Juli 2016 Widerspruch. Seine Einkünfte müssten nach dem Steuerbescheid für das Jahr 2015 berechnet werden und rechtfertigten lediglich eine Festsetzung des Mindestbeitrags.

Die Beklagten wiesen den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2017 zurück. Maßgeblich sei das Datum des Erlasses des Einkommensteuerbescheids, weswegen der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 vom 6. Juli 2015 zu einer Änderung der Beiträge ab 1. August 2015 geführt habe. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 sei erst im Mai 2016 erlassen worden und könne daher erst ab 1. Juni 2016 der Berechnung zugrunde gelegt werden. Ab diesem Zeitpunkt sei sodann die monatliche (Mindest-)Beitragsbemessungsgrundlage i.H.v. 1.452,50 € heranzuziehen, da die tatsächlichen Einnahmen unterhalb dieser Grenze gelegen hätten.

Hiergegen hat der Kläger am 27. Februar 2017 Klage am Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben.

Mit Urteil vom 13. Dezember 2021 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 16. Juni 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2017 teilweise aufgehoben, soweit ein monatlicher Gesamtbeitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. August 2015 i.H.v. mehr als 248,10 € bzw. ab 1. Januar 2016 von mehr als 257,10 € festgesetzt worden ist. Als Beitragsbemessungsgrundlage sei ab 1. August 2015 (lediglich) ein nach Maßgabe der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für freiwillig versicherte Selbständige berechnetes monatliches Einkommen i.H.v. 1.417,50 €, ab 1. Januar 2016 i.H.v. 1.452,50 € zugrunde zu legen. Die Höhe des Beitrags zur Krankenversicherung ergebe sich für den Kläger als freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich aus § 240 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung i.V.m. den „Einheitlichen Grundsätzen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge“ (Beitragsverfahrens-grundsätze Selbstzahler – BVSzGs). Auf der Grundlage dieser Vorschriften hätten die Beklagten grundsätzlich zutreffend die Beiträge festgesetzt. Im Fall des Klägers sei jedoch der mit Wirkung zum 15. Dezember 2018 eingeführte § 240 Abs. 1 S. 4 SGB V heranzuziehen. Danach habe die Krankenkasse für Zeiträume, für die ihr hinreichende Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds die jeweils anzuwendende Mindestbeitragsbemessungsgrundlage nicht überschritten, die Beiträge des Mitglieds neu festzusetzen. Für eine rückwirkende Anwendung spreche der Sinn und Zweck der Regelung, wie er sich aus der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 24. September 2018 (BT-Drs. 19/5554) zum Entwurf des GKV-VEG ergebe. Sie ermögliche die rückwirkende Korrektur der Beitragsfestsetzung auf den Höchstbetrag in den Fällen, in denen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte klar sei, dass die Einnahmen des Versicherten die Mindestbeitragsbemessungsgrenze nicht überstiegen hätten. Die Regelung gelte zeitlich unbeschränkt und beziehe sich ausweislich der Gesetzesbegründung auf alle vergangenen Zeiträume der Zwangseinstufung. Die Regelung sei auch auf Fallgestaltungen wie die des Klägers anzuwenden, in denen sich ergebe, dass die Beiträge von zu hohen Einnahmen aus berechnet, jedoch gegen den Versicherten keine Höchstbeiträge nach § 240 Abs. 1 S. 2 a.E. SGB V festgesetzt worden seien, da es anderenfalls zu einer im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG ungerechtfertigten Besserstellung dieser Versicherten, die ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen seien, gegenüber Personen wie dem Kläger komme, die ihren Pflichten zur Vorlage von Einkommensnachweisen nachgekommen seien. 

Gegen das am 15. Dezember 2021 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 29. Dezember 2021 Berufung eingelegt. 

Sie tragen vor, das Sozialgericht lasse die ihm Rahmen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entwickelten Grundsätze der Beitragsbemessung freiwillig Versicherter, die eine selbständige Tätigkeit ausübten, völlig außer Betracht. Maßgeblich sei danach grundsätzlich ausschließlich der letztergangene Einkommenssteuerbescheid, der ab dem Folgemonat nach seinem Eingang zugrunde zu legen sei. Mit dieser nachgelagerten Verbeitragung werde eine annähernde Beitragsgerechtigkeit zwischen pflichtversicherten Mitgliedern und freiwilligen Mitgliedern erreicht. Zudem interpretiere das Sozialgericht die Gesetzesbegründung entgegen dem gesetzgeberischen Willen, welcher die Anwendung der Neuregelung auf Sachverhalte beziehe, in denen der Höchstbeitrag festgesetzt worden sei und das Mitglied nicht den Nachweis geringerer Einnahmen erbringe, jedoch „hinreichende Anhaltspunkte“ dafür vorlägen, dass die beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds die jeweils einschlägige Mindestbeitragsbemessungsgrundlage nicht überschritten. Bei den eingereichten Einkommenssteuerbescheiden handele es sich jedoch nicht um „hinreichende Anhaltspunkte“, sondern um Einkommensnachweise. Die gesetzliche Neuregelung ziele auf Sachverhalte, bei denen Mitglieder bei der Feststellung ihrer beitragspflichtigen Einnahmen nicht mitgewirkt hätten, da nur diese „fiktive“ Beitragsschulden hätten. Bei allen anderen Mitgliedern – wie im Fall des Klägers – handele es sich um eine korrekte und realistische Beitragseinstufung und somit im Fall eines Beitragsrückstands um „echte“ Beitragsschulden. 

Die Beklagten beantragen, 

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Dezember 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen. 

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. 

Er verteidigt das Urteil des Sozialgerichts. 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der Beratungen des Senats war, Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch in der Sache begründet. Das Urteil des Sozialgerichts kann keinen Bestand haben. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. 

Die Klage richtet sich gegen einen Bescheid, mit dem die Beklagten zu 1) und 2) die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 1. August 2015 bis 31. Mai 2016 festgesetzt haben. Bei der Krankenkasse und der Pflegekasse handelt es sich um rechtlich selbständige Versicherungsträger. Dementsprechend war das Rubrum des Verfahrens von Amts wegen dahingehend zu korrigieren, dass auch die Pflegekasse als Beklagte geführt wird.

Die Beklagten haben die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 1. August 2015 bis 31. Mai 2016 in zutreffender Höhe festgesetzt. Der Kläger ist als freiwilliges Mitglied der Beklagten zu 1) beitragspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 223 SGB V). Aus der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung folgt die versicherungspflichtige Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - SGB XI -) und daraus folgend die Pflicht, Beiträge zur Pflegeversicherung zu entrichten, deren Berechnung der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge folgt (§§ 54 Abs. 2, 57 Abs. 4 SGB XI).

Nach § 240 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB V in der vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung wird für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. In Bezug auf freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, gilt nach § 240 Abs. S. 2 SGB V a.F. als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste, für freiwillige Mitglieder, die einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 93 des Dritten Buches oder eine entsprechende Leistung nach § 16b des Zweiten Buches erhalten, der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 können nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden (S. 6).

Im Fall des Klägers haben die Beklagten danach korrekt die monatlichen Beiträge ab 1. August 2015 auf der Basis der im Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2014 ausgewiesenen Einkünfte i.H.v. 34.221,- € festgesetzt. Der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2015 datiert vom 30. Mai 2016 und konnte nach der gesetzlichen Regelung in § 240 Abs. 4 S. 6 SGB V erst ab dem 1. Juni 2016 Beachtung finden. 

Die Vorschrift des § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V a.F. unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Sie stellt sicher, dass bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen Veränderungen der Beitragsbemessung „auf Grund eines ... Nachweises nach Satz 2“ nur für die Zukunft wirksam werden, nämlich zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats. Weil nur Einkommensteuerbescheide als „Nachweise“ i.S.v. § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V in Betracht kommen, können stets nur die Einnahmen eines bereits vergangenen Zeitraums nachgewiesen werden, die dann als laufende Einnahmen so lange bei der Beitragsfestsetzung berücksichtigt werden, bis ein neuer Einkommensteuerbescheid vorliegt. Die damit lediglich zeitversetzt erfolgende Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmen der hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen trägt auf einen längeren Zeitraum gesehen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zutreffend Rechnung, denn es erfolgt ein Ausgleich der wechselnden Einnahmen, weil nicht nur eine nachgewiesene Erhöhung der Einnahmen, sondern auch eine nachgewiesene Verringerung für die zukünftige Beitragsfestsetzung jeweils bis zum Nachweis der nächsten Änderung berücksichtigt wird (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, B 12 KR 21/11 R - juris -; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. April 2017 – L 1 KR 294/15 –, Rn. 45, juris). 

Die danach zutreffend erfolgte Beitragsbemessung im Fall des Klägers ist nicht – wie das Sozialgericht meint – nachträglich aufgrund der gesetzlichen Neuregelung in § 240 Absatz 1 Satz 3 und 4 SGB V in der Fassung durch das GKV-VEG vom 11. Dezember 2018 zu korrigieren. Diese Vorschrift ist für die Beitragsbemessung im Fall des Klägers nicht anwendbar. 

Bei der gesetzlichen Neuregelung in § 240 Absatz 1 Satz 3 und 4 SGB V in der Fassung durch das GKV-VEG handelt es sich um eine Ausnahmebestimmung von der durch § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V angeordneten Pflicht der Krankenkasse, Höchstbeiträge auf der Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze festzusetzen, wenn das freiwillige Mitglied seiner Pflicht zur Vorlage von Einkommensnachweisen nicht nachkommt (Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 240 SGB V Rn. 33). Das Gesetz sieht nunmehr die Möglichkeit einer rückwirkenden Korrektur der Beitragsfestsetzung nach dem Höchstbeitrag in den Fällen vor, in denen das Mitglied entweder binnen 12 Monaten den Nachweis geringerer Einnahmen erbringt (S. 3) oder wenn hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, dass die beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds die jeweils einschlägige Mindestbeitragsbemessungsgrundlage nicht überschreiten (S.4). Entsprechende Anhaltspunkte dafür können z. B. das Vorliegen von Hilfebedürftigkeit im Sinne der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach SGB II oder der Sozialhilfe nach SGB XII sein. Die Vorschrift soll die harte Konsequenz der Höchstbeiträge abmildern, da nach der Vorgängerregelung Änderungen bei verspätet vorgelegten Nachweisen nur für die Zukunft möglich waren (Padé aaO). 

Bei dem Kläger sind dagegen keine Beiträge nach Höchsteinkommen festgesetzt worden. Vielmehr erfolgte bei ihm eine einkommensgerechte Beitragseinstufung nach Maßgabe des bis 31. Dezember 2017 geltenden Rechts für hauptberuflich selbständige Versicherte. Auf diese Situation und diesen Personenkreis ist § 240 Abs.1 S. 4 SGB V n.F. weder nach seinem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck der Regelung anwendbar. Vielmehr ist für freiwillig versicherte Mitglieder, bei dem sich die Beitragsbemessung nach dem Arbeitseinkommen richtet, für die Beitragsbemessung nach dem Arbeitseinkommen bis 31. Dezember 2018 ausschließlich § 240 Abs. 4 SGB V und seit dem 1. Januar 2019 allein § 240 Abs. 4a SGB V maßgeblich. Bei diesen Regelungen handelt es sich um im Verhältnis zu § 240 Abs. 1 S. 3 und 4 SGB V um lex spezialis (so auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Juli 2021 – L 5 KR 4162/19 –, Rn. 35, juris). Denn diese Vorschriften beinhalten ein in sich abgeschlossenes System der Beitragserhebung bei freiwillig Versicherten mit Arbeitseinkommen, welches die Anwendung von § 240 Absatz 1 Satz 3 und 4 SGB V in der Fassung durch das GKV-VEG vom 11. Dezember 2018 - sowohl rückwirkend als auch aktuell - ausschließt. 

Für die Zeit bis zum 31. Dezember 2017 und damit auch für den Kläger galt – wie oben bereits dargestellt - für hauptberuflich selbständig erwerbstätige Versicherte, dass Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam wurden (§ 240 Abs. 4 S. 6 SGB V a.F.). Dieses System der Beitragsbemessung für hauptberuflich Selbständige war nach stRsprg des BSG – auch insoweit ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen – sachgerecht, da es (wenn auch zeitversetzt) den wechselnden Einnahmen dieses Personenkreises Rechnung trug. Allerdings sah der Gesetzgeber insoweit Handlungsbedarf und führte für die nach dem Arbeitseinkommen bemessenen Beiträge ab 1. Januar 2018 das System der vorläufigen Festsetzung ein (§ 240 Abs. Abs. 4a). Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung zum Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (BT-Drs. 18/11205, S. 71): 

„Die bisherige Regelung des § 240 Absatz 4 Satz 6 sah vor, dass Änderungen der Beitragsbemessung ausschließlich für die Zukunft wirksam werden, d. h. frühestens ab dem auf die Ausstellung des Einkommensteuerbescheids folgenden Monat. Nach den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler … war bislang nur für hauptberuflich selbständige Existenzgründer und bei Vorliegen einer unverhältnismäßigen Belastung eine vorläufige Beitragseinstufung vorgesehen.

Die neuen – verwaltungseffizient ausgestalteten – Regelungen sehen vor, dass die von selbständigen Mitglieder zu zahlenden, nach dem beitragspflichtigen Arbeitseinkommen zu bemessenden Beiträge auf der Grundlage des zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheids vorläufig festgesetzt werden. Nach Vorlage des Einkommenssteuerbescheids für das Kalenderjahr erfolgen die endgültige Beitragsfestsetzung rückwirkend entsprechend der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen sowie die erneute vorläufige Festsetzung der Beiträge für die Zukunft.“ 

Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass der Gesetzgeber in Bezug auf den Personenkreis der hauptberuflich Selbständigen für die Zeit bis 31. Dezember 2017 an dem bis dahin geltenden System der Beitragsfestsetzung keine Änderungen vorsah. Für die Zeit ab 1. Januar 2018 hat er das bisher geltende Modell der Beitragsfestsetzung nach Maßgabe des letzten Einkommenssteuerbescheids durch das System der vorläufigen Festsetzung ersetzt, bei dem erst zeitlich nachfolgend - nach Erlass und Vorlage eines Einkommensteuerbescheids - die Beiträge auf der Grundlage des erzielten Einkommens für die Vergangenheit endgültig festgesetzt werden. Auch dieses System sieht allerdings eine endgültige Festsetzung nach dem 30. Teil der Beitragsbemessungsgrenze (also dem Höchstbeitrag) vor, wenn das Mitglied nicht binnen drei Jahren seinen Nachweispflichten nachkommt (§ 240 Abs. 4a S. 4). Im Übrigen gelten die Regelungen zur vorläufigen und endgültigen Beitragsfestsetzung nicht, wenn aufgrund des zuletzt erlassenen Einkommenssteuerbescheids oder einer Erklärung des Mitglieds Höchstbeiträge zu verlangen sind (Abs. 4a S. 6). 

Vor dem Hintergrund dieses detaillierten, in sich geschlossenen Regelungssystems für selbständig Tätige, welches auch und gerade durch für den Fall der Nichterfüllung der Nachweispflichten in § 240 Abs. 4a S. 4 SGB V eine eigene Regelung enthält, kommt eine Anwendung von § 240 Absatz 1 Satz 3 und 4 SGB V in der Fassung durch das GKV-VEG vom 11. Dezember 2018 auf den Personenkreis der Bezieher von Arbeitseinkommen nicht in Betracht. Denn diese Regelung zielt sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach Systematik, Sinn und Zweck allein auf andere freiwillig Versicherte, die keine Einnahmen aus Arbeitseinkommen haben und bei denen es aufgrund eines Verstoßes gegen die Nachweispflicht nach § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V zur Festsetzung der Höchstbeiträge kommt. Dementsprechend bezeichnet auch der Gesetzgeber § 240 Abs. 4a SGB V als speziellere Regelung (vgl. BT-Drs. Drucksache 19/4454, S. 27, Abs. 3 a.E.). 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. 

Rechtskraft
Aus
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