L 12 U 3349/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 6701/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 U 3349/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.08.2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV), mithin von Erkrankungen durch Erschütterung bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden Werkzeugen oder Maschinen (künftig: BK 2103), sowie die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 vom Hundert (v.H.) streitig.

Der 1969 geborene Kläger stellte am 06.09.2017 einen Antrag auf Anerkennung einer BK und begründete diesen mit seiner bei der Beklagten versicherten Tätigkeit bei der Firma K-Getriebe GmbH (künftig: Firma K) seit 2002, bei der er sich infolge der im Zusammenhang mit der dortigen Beschäftigung stehenden, regelmäßig erforderlichen Hammerschläge bei der Getriebeproduktion 2007 das Handgelenk rechts verletzt habe.

Die Beklagte holte Auskünfte bei der Firma K ein und zog Arztberichte der behandelnden Ärzte, insbesondere der Klinik für Hand-, plastische und Mikrochirurgie des Krankenhauses über die dort seit Oktober 2007 erfolgten Vorstellungen des Klägers, zuletzt (Juni 2017) mit den Diagnosen eines 3- bis 4-gradigen Knorpelschadens des Os lunatum rechts und Zustand nach konservativer Therapie einer Lunatummalazie des rechten Handgelenk 2008, bei.

Der Präventionsdienst der Beklagten gelangte in seiner Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition im Hinblick auf die BK 2103 vom März 2018 zum Ergebnis, dass für die Tätigkeiten des Klägers bei der Firma K im Zeitraum vom August 2002 bis einschließlich März 2018 und unter Berücksichtigung der verwendeten Werkzeuge (Schlagschrauber, Akku-Bohrschrauber, Winkelschleifer, Schwingschleifer und Schlosserhammer) die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

Mit Bescheid vom 24.04.2018 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung einer BK 2103 ab und verneinte Ansprüche auf Leistungen. Der Kläger sei nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes im Rahmen seiner versicherten Tätigkeiten keinen relevanten Vibrationen und Hand-Arm-Schwingungen durch Druckluftwerkzeuge oder gleichartig wirkende Werkzeuge oder Maschinen ausgesetzt gewesen. Die Schlagfrequenz von Handhämmern würde deutlich unterhalb denen von pneumatisch betriebenen Hämmern liegen und deshalb zu keinen Resonanzerscheinungen im Handgelenk führen, die grundsätzlich als geeignet angesehen werden könnten, krankhafte Veränderungen zu verursachen. Es fehle daher bereits an den arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2103.

Zu den im Widerspruchsverfahren vom Kläger vorgebrachten Einsatz von Handmeißeln holte die Beklagte die ergänzende Stellungnahme des Präventionsdienstes vom September 2018 ein, der ausführte, Tätigkeiten mit Handhämmern und mit Handmeißeln würden nicht in einer Weise wirken, wie Arbeiten mit druckluft- oder elektrisch betriebenen Geräten und Maschinen, welche in der Lage seien, eine BK 2103 zu verursachen. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 07.12.2018 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt und beantragt hat, bei ihm eine BK 2103 anzuerkennen und ihm Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren. Die von ihm verwendeten Werkzeuge und Maschinen seien entgegen der Auffassung der Beklagten sehr wohl geeignet, die arbeitstechnischen Voraussetzungen zu erfüllen. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat darauf verwiesen, dass die Gewährung einer Verletztenrente nicht streitgegenständlich sei, da in den angefochtenen Bescheiden über eine solche gar nicht entschieden worden sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.08.2019 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage hinsichtlich der beantragten Rentengewährung sei schon nicht zulässig, weil die Beklagte dazu keine Verwaltungsentscheidung getroffen habe, und hat im Übrigen im Wesentlichen auf die Ausführungen der Beklagten im Bescheid und Widerspruchsbescheid Bezug genommen.

Gegen den dem Kläger am 03.09.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 02.10.2019 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt und im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Er hat unter anderem eine Arbeitsplatzbeschreibung der Firma K gegenüber der Krankenkasse vom Januar 2008 vorgelegt.

Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.08.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.04.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2018 zu verurteilen, bei ihm das Vorliegen einer BK 2103 anzuerkennen sowie Leistungen, insbesondere eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H., zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK 2103 würden nicht vorliegen. Der gegenteilige, teilweise recht pauschale Vortrag des Klägers sei nicht zielführend. Die Klage hinsichtlich der beantragten Rentengewährung sei nicht zulässig, weil sie, die Beklagte, dazu keine Verwaltungsentscheidung getroffen habe.

Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat  B, gestützt auf eine ambulante Untersuchung des Klägers und ein radiologisches Fachgutachten des R, das Gutachten vom Juli 2021 über den Kläger erstattet. B hat eine Arthrose in beiden Handgelenken und eine zystische Struktur im Os lunatum, differenzialdiagnostisch Knochenzyste, differenzialdiagnostisch Residualzustand bei Lunatummalazie Stadium II, diagnostiziert und das Vorliegen einer BK 2103 verneint, weil bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht gegeben seien.

Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter vom 28.01.2022, bezüglich dessen Einzelheiten auf die Niederschrift verwiesen wird, haben die Beteiligten einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerechte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheids des SG vom 27.08.2019, mit dem die auf die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 24.04.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2018 und die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung der BK 2103 und (unter anderem) Gewährung einer Verletztenrente gerichtete Klage des Klägers abgewiesen worden ist. Diese prozessualen Ziele verfolgt der Kläger in statthafter Weise gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Abs. 4 SGG mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (zum Wahlrecht zwischen Verpflichtungs- und Feststellungsklage: BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 31/11 R, juris unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, juris) und im Hinblick auf die Gewährung von Leistungen mit der Leistungsklage.

1.
Die Klage ist, soweit sie auf die Gewährung von „Leistungen, insbesondere eine Verletztenrente“, gerichtet ist, unzulässig, wie schon das SG dargelegt hat.

Soweit der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Erbringung von „Leistungen“ begehrt, ist die Klage bereits deshalb unzulässig, weil sie nicht auf konkrete Leistungen, sondern allgemein auf Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten gerichtet ist (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 35/03, juris, auch zum Nachfolgenden). Über sie kann auch nicht durch Grundurteil entschieden werden. Denn die in § 130 SGG vorgesehene Möglichkeit zum Erlass eines Grundurteils ist auf Fälle beschränkt, in denen der Kläger eine oder mehrere ihrer Art nach feststehende Geldleistungen begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Nicht die Leistung als solche, sondern nur ihre Höhe kann in diesem Fall vom Gericht offengelassen und der Berechnung durch den Sozialleistungsträger überlassen werden. Geht es nur um die Frage, ob ein bestimmter Unfall Arbeitsunfall ist oder eine bestimmte BK vorliegt sowie um die Feststellung der Entschädigungspflicht dem Grunde nach, steht im Entscheidungszeitpunkt nicht fest, welche der in Frage kommenden Leistungen (Krankenbehandlung, Rehabilitation, Verletztengeld, Verletztenrente u.a.) im konkreten Fall tatsächlich beansprucht werden können und für welchen Zeitraum sie ggf. zu erbringen sind. Auch handelt es sich nur teilweise um Geldleistungen und im Übrigen um Sachleistungen, die einer Zuerkennung durch Grundurteil von vornherein nicht zugänglich sind.

Soweit der Kläger konkret die Gewährung einer Verletztenrente begehrt, fehlt es für das klägerische Begehren an der Klagebefugnis im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG. Ausreichend ist zwar, dass eine Verletzung in eigenen Rechten möglich ist und Rechtsschutzsuchende die Beseitigung einer in ihre Rechtsphäre eingreifenden Verwaltungsmaßnahme anstreben, von der sie behaupten, sie sei nicht rechtmäßig. Die Klagebefugnis ist demgegenüber zu verneinen, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht kommt, weil hinsichtlich des Klagebegehrens keine gerichtlich überprüfbare Verwaltungsentscheidung vorliegt (BSG, Urteil vom 21.09.2010, B 2 U 25/09 R, juris). So liegt es hier. Mit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung hat die Beklagte es nur abgelehnt, festzustellen, dass beim Kläger eine BK 2103 vorliegt. Eine Regelung, mit dem die Beklagte einen Anspruch auf Verletztengeld bzw. Verletztenrente abgelehnt hätte, enthält der Verwaltungsakt vom 24.04.2018 nicht. Eine solche Entscheidung lässt sich auch im Wege der Auslegung dieses Bescheides nicht entnehmen.

Bei der Auslegung von Verwaltungsakten ist in Anwendung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>) vom objektiven Sinngehalt ihrer Erklärungen auszugehen, wie sie der Empfänger bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles objektiv verstehen musste (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 8. Auflage, § 31 Rn. 25 m.w.N.), wobei der der Bestandskraft (Bindungswirkung) zugängliche Verfügungssatz zugrunde zu legen und zur Klärung seines Umfangs die Begründung des Bescheides zu berücksichtigen ist (vgl. Engelmann, a.a.O., Rn. 56). Aus der Begründung des hier streitbefangenen Bescheides und des Widerspruchsbescheides sowie aus den Begleitumständen und dem Ablauf des Verwaltungsverfahrens ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass über konkrete Leistungsansprüche entschieden werden sollte. Im gesamten Verwaltungsverfahren sind konkrete Leistungen, etwa eine Verletztenrente oder Verletztengeld, weder vom Kläger beantragt noch zu irgendeinem Zeitpunkt von der Beklagten geprüft oder auch nur erwähnt worden. Bei dieser Sachlage konnte für einen verständigen Empfänger des Bescheides kein Zweifel bestehen, dass die Beklagte allein über das Vorliegen einer BK entscheiden wollte und etwaige weitergehende Leistungsansprüche nicht in Erwägung gezogen hat (so in einem gleichgelagerten Fall BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R, juris).

2.
Soweit der Kläger die Anerkennung einer BK 2103 durch die Beklagte begehrt, ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht die Feststellung der BK 2103 abgelehnt.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind BK Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BK bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII wird die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BK zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann BK sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Für die Feststellung einer Listen-BK ist erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung, die Einwirkungen und die Krankheit im Sinne des Vollbeweises – also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 11/12 R, juris unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.11.2011, B 2 U 26/10 R; BSG, Urteil vom 15.09.2011, B 2 U 25/10 R; BSG, Urteil vom 15.09.2011, B 2 U 22/10 R; BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R; BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 9/08 R, alle in juris).

In der Anlage 1 zur BKV ist unter Nr. 2103 folgende BK bezeichnet: „Erkrankungen durch Erschütterung bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden Werkzeugen oder Maschinen.“

Der Tatbestand der BK 2103 definiert die Merkmale der erforderlichen beruflichen Einwirkungen nicht näher. Der Umstand, dass Rechtsbegriffe in der Definition einer BK auslegungsbedürftig und -fähig sind, verletzt indes nicht das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot. Vielmehr ist es Aufgabe der Versicherungsträger und Gerichte, unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien sowie anhand der Vorgaben des vom damaligen Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung herausgegebenen Merkblatts zur BK 2103 (BArbBl. 3/2005, Seite 51, künftig: Merkblatt), die für diese BK vorausgesetzten beruflichen Einwirkungen näher zu konkretisieren. Solchen Merkblättern kommt zwar keine rechtliche Verbindlichkeit zu, sie sind allerdings als Interpretationshilfe und zur Wiedergabe des bei seiner Herausgabe aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstands heranzuziehen (BSG, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 11/12 R, juris, mit weiteren Nachweisen).

Die BK 2103 erfasst nach ihrem Wortlaut Erkrankungen durch Erschütterung bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden Werkzeugen oder Maschinen. Dies betrifft längere Arbeiten mit Werkzeugen, die Vibrationen mit vorrangig tiefen Frequenzanteilen von 8 bis 50 Hz erzeugen und über die Handgriffe auf das Hand-Arm-Schulter-System übertragen, wie sich aus dem Merkblatt ergibt. Von Seiten des BSG ist wiederholt darauf hingewiesen worden, dass Merkblätter eine wichtige (wenngleich nicht zwingend ausreichende) Informationsquelle darstellen und sie, auch wenn sie keine verbindlichen Konkretisierungen der Tatbestandsvoraussetzungen der BK oder antizipierte Sachverständigengutachten darstellen, als Interpretationshilfe und zur Ermittlung des aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstands heranzuziehen sind (vergleiche BSG, Urteil vom 17.12.2015, B 2 U 11/14 R, juris). Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (BSG, a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass inzwischen veränderte wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen und das Merkblatt nicht mehr den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand abbildet, liegen nicht vor (vgl. z.B. die Darstellung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2103 bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 1243 f.).

Gefahrenquellen sind nach dem Merkblatt vor allem bei Arbeiten mit schlagenden Werkzeugen, Geräten oder Maschinen gegeben, zu denen u.a. Aufbruchhämmer, Abbauhämmer, schwere Meißelhämmer, Gleisstopfer, Bohrhämmer, Vibrationsstampfer und Bodenverdichter zählen, sofern die übertragenen Schwingungen in dem genannten Frequenzbereich liegen. Für die „gleichartige Wirkung“ ist es unerheblich, ob diese Geräte pneumatisch, elektrisch oder hydraulisch angetrieben werden. Dagegen haben Arbeiten mit einfachen, handgeführten Hammer- und Meißelwerkzeugen in der Regel keine gleichartige Wirkung (Merkblatt; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 1244). Der Schädigungsmechanismus an den Knochen und Gelenken beruht vorwiegend auf gleichförmigen oder auch regellosen mechanischen Schwingungen und Stößen, sofern diese bei starker Ankoppelung (Greif-, Andruck- und Haltekräfte) der Hände an den Werkzeuggriffen tieffrequente Schwingungsenergie übertragen, so dass das Hand-Arm-System zu Schwingungen angeregt wird (Merkblatt; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 1243). Eine kumulative Dosis der Schwingungsbelastung des Hand-Arm-Systems, die als Richtwert für die Begründung einer Erkrankung im Sinne der BK 2103 herangezogen werden könnte, lässt sich nach derzeitigem Erkenntnisstand, so das Merkblatt, nicht festlegen. Die gewonnenen Erfahrungen im Umgang mit der BK 2103 weisen indes darauf hin, dass die arbeitsbedingten arthrotischen Veränderungen an den Gelenken in der Regel nicht vor Ablauf einer 2-jährigen, täglich wiederholten mehrstündigen Arbeit mit hoher Schwingungsintensität auftreten. Für die Mondbeinnekrose sind Mindestexpositionszeiten derzeit nicht bekannt. Sie wird aber vorwiegend bei Versicherten nachgewiesen, die mit Drucklufthämmern arbeiten.

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte sind bereits die erforderlichen beruflichen Einwirkungen für die Feststellung einer BK 2103 nicht gegeben. Die vom Kläger als belastend geschilderten Arbeiten, insbesondere das ausdauernde Hämmern, sind nicht gefährdend im Sinne der BK 2103.
Der Kläger war nach den Feststellungen des Präventionsdienstes der Beklagten, gestützt auf die Angaben des Klägers, des Betriebs und einen Betriebsbesuch, seit August 2002 bis einschließlich Juli 2015 (spätestens seit August 2015 befindet sich der Kläger dauerhaft im Krankenstand) als Monteur bei der Firma K, einem Hersteller von Getrieben und Antriebslösungen in unterschiedlichen Bereichen des Maschinenbaus beschäftigt. Dem Kläger oblag die Montage neuer Getriebe verschiedener Baureihen, zeitweise auch die Instandsetzung von Getrieben.

Der Kläger hat dabei nach eigener Einschätzung ganz überwiegend (bis zu 6 Stunden am Tag) mit Handwerkzeugen, vor allem mit sogenannten Schlosserhämmer (Kunststoff- oder Metallhämmer) gearbeitet, um Bauteile mit einer Vielzahl von Hammerschlägen einzupassen. Daneben hat er in kleinerem Umfang (mit bis zu 20 Minuten pro Tag Haltezeit) mit Akkuschraubern oder mit Druckluftschraubern Bohrungen in Vorbereitung der Verschraubungen für Flansche gesetzt. Selten (ca. 10 Minuten pro Woche) hat er mit einem Schwingschleifer Lackanhaftungen abgeschliffen und in einem zeitlichen Umfang von rund 2 Stunden wöchentlich Schweißnähte mit einer Winkelschleifmaschine verschliffen.

Insbesondere aus den vom Kläger in erster Linie als Ursache für seine Handgelenkserkrankungen angeschuldigten Hand-Arm-Belastungen aufgrund der Verwendung von Schlosserhämmern und Handmeißeln ergeben sich keine Gefährdungen im Sinne der BK 2103. Denn die Schlagfrequenzen bei Arbeiten mit Handhämmern, Handmeißeln und den anderen Handwerkzeugen ohne pneumatischen, elektrischen oder hydraulischen Antrieb liegen in einem Bereich unter 4 Hz und damit wesentlich unterhalb der Schlagfrequenz eines pneumatisch betriebenen Aufbruchshammers mit einer Frequenz von ca. 20 Hz (und ebenso unterhalb des BK 2103-relevanten Bereichs von vorrangig tiefen Frequenzanteilen ab 8 bis 50 Hz), weshalb die Schwingungseinleitung in die Hand bei der Arbeit mit Handhämmern etc. deswegen auch zu keinen relevanten Resonanzerscheinungen am Hand- bzw. Ellenbogengelenk führt, so der Präventionsdienst der Beklagten in Übereinstimmung mit dem Merkblatt und der unfallversicherungsrechtlichen Literatur.

Aber auch soweit der Kläger, wie dargestellt, Handwerkzeuge mit pneumatischem, elektrischem oder hydraulischem Antrieb verwendet hat, sind diese Tätigkeiten nicht mit Schwingungsbelastungen im niedrigen Frequenzbereich von 8 bis 50 Hz einhergegangen, wie der Präventionsdienst der Beklagten in Übereinstimmung mit dem unfallversicherungsrechtlich-medizinischen Schrifttum (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 1243 f.) zutreffend festgestellt hat. Der somit nicht nachgewiesene Einsatz von im Sinne der BK 2103 gefährdenden Werkzeugen oder Maschinen korrespondiert mit den der BK zugrunde liegenden Erkenntnissen (vergleiche hierzu das Merkblatt), wonach die als Gefahrenquellen in Betracht kommenden Werkzeuge, Geräte und Maschinen in allererster Linie Verwendung im Hoch- und Tiefbau, im Tunnelbau, in Steinbrüchen, bei der Steinbearbeitung, im Bergbau, in Kesselschmieden, Gussputzereien sowie im Schiffs- und Straßenbau Verwendung finden, nicht aber im Rahmen der seriellen Produktion von Maschinen (wie vorliegend von Getrieben).

Eine abweichende Beurteilung rechtfertigt auch nicht das Vorbringen im Berufungsverfahren. Soweit der Kläger weiterhin seine mindestens 6 Stunden arbeitstäglich andauernde Tätigkeit mit dem Einpassen von Teilen in die Getriebe, insbesondere durch Schlosserhämmer, für die Anerkennung einer BK 2103 anführt, verkennt er den oben dargestellten Stand der Wissenschaft, wonach die Arbeit mit Handhämmern etc. zu keinen relevanten Resonanzerscheinungen am Hand- bzw. Ellenbogengelenk führt. Die von ihm vorgelegte Arbeitsplatzbeschreibung der Firma K vom Januar 2008 belegt nicht etwa den Einsatz von im Rahmen der BK 2103 relevanten Werkzeugen, sondern bestätigt mit der dortigen Aufzählung der am Arbeitsplatz des Klägers zum Einsatz kommenden Werkzeugen: „übliche Handwerkszeuge (Hammer, Schraubenschlüssel, Zangen, …)“ die Angaben des Präventionsdienstes zum Arbeitsplatz und den dortigen Tätigkeiten in vollem Umfang.

Nach alledem bleibt die Berufung ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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