Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 27.09.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen ein vom Beklagten verhängtes Hausverbot.
Die 1979 geborene Klägerin, die an einem Borderline-Syndrom leidet und sich in ambulanter psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung wegen (Mann-zu-Frau)Transsexualität befindet (Arztbrief K vom 20.08.2020), stand bis Ende 2021 im Leistungsbezug beim Beklagten. Am 14.10.2020 teilte die Klägerin in einer E-Mail an die zuständige Fallmanagerin mit, dass sie mit dieser keinen persönlichen Kontakt mehr wolle und auch nicht für deren Sicherheit garantieren könne, wenn sie sie persönlich sehe. Das letzte was sie wolle, sei körperlich auf sie oder sonst wen loszugehen. Sie forderte die Fallmanagerin auf, den übergebenen Ordner mit Unterlagen an der Rezeption des Jobcenters zu hinterlegen.
Die Klägerin sprach am 20.10.2020 ohne vorherige Terminvereinbarung in den Amtsräumen des Beklagten vor und forderte vom dortigen Mitarbeiter des Security-Dienstes, Herrn Y, nachdrücklich die sofortige Aushändigung des Ordners, wobei sie nach Aussagen des Mitarbeiters in Teilen sehr bedrohlich wirkte. Die Klägerin betonte auch nochmals gegenüber dem Mitarbeiter, sie wolle auf keinen Fall ihre Fallmanagerin persönlich treffen, weil sie dann für nichts garantieren könne.
Mit Bescheid vom 03.11.2020 erteilte der Beklagte der Klägerin aufgrund dieses Vorfalls mit sofortiger Wirkung ein für die Dauer von zwölf Monaten befristetes Hausverbot. Die Klägerin habe bei der Vorsprache sehr bedrohlich und ungehalten gewirkt und Deeskalationsbemühungen ignoriert. Ein solches bedrohliches Verhalten wolle man nicht dulden. Die Dienstleistungen des Beklagten blieben der Klägerin insoweit erhalten, als sie bei schriftlicher Einladung bzw. nach telefonischer Terminabsprache berechtigt sei, das Haus zu betreten. Sie könne sich auch selbst schriftlich oder telefonisch an den Beklagten wenden. Die sofortige Vollziehung des Hausverbotes wurde angeordnet.
Die Klägerin nahm hierzu in einem sehr ausführlich gehaltenen Schreiben, Eingang beim Beklagten am 24.11.2020, Stellung und legte, anwaltlich vertreten, Widerspruch ein. Sie trug vor, dass der Beklagte grundsätzlich erreichbar sein müsse, um bei ihm Anträge und Rechtsmittel einlegen zu können, ggf. auch im Wege mündlicher Vorsprachen. Verbale Aggressionen in einem Streitgespräch würden kein Hausverbot rechtfertigen. Sie kündige oft die Gefahr einer Selbstverletzung an; dies stelle aber niemals eine Bedrohung gegenüber einem Dritten dar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2020 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 08.12.2020 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und vorgetragen, dass nicht zu erkennen sei, dass sie den Ablauf so gestört habe, dass ein Hausverbot ausgesprochen werden müsse. Eine Störung des Hausfriedens, die ein Hausverbot rechtfertige, liege erst bei Gewalttätigkeit oder Bedrohung vor; beides sei nicht gegeben. Der Beklagte hat ausgeführt, eine nachhaltige Störung des Dienstbetriebes und eine Gefährdung der Sicherheit einer Mitarbeiterin des Beklagten sei bereits durch die schriftlich formulierte Bedrohung per E-Mail vom 14.10.2020 und sodann durch die wiederholt mündlich ausgesprochene Bedrohung, gepaart mit einem aggressiven Verhalten bei der Übergabe des Ordners vor dem Gebäude des Beklagten am 15.10.2020, gegeben gewesen.
Am 19.12.2020 hat die Klägerin einen Eilantrag beim SG gestellt (Az. S 17 AS 146/21 ER), den dieses mit Beschluss vom 05.02.2021 abgelehnt hat. Die hiergegen beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Beschwerde hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 25.03.2021 (Az. L 12 AS 846/21 ER-B) zurückgewiesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 27.09.2021 hat das SG nach vorheriger Anhörung die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es habe eine nachhaltige Störung des Dienstbetriebs vorgelegen. Denn die Klägerin habe in einer an ihre Fallmanagerin gerichteten E-Mail vom 14.10.2020 gedroht und mitgeteilt, nicht für deren Sicherheit garantieren zu können, wenn sie sie persönlich sehe. Das Letzte was sie wolle, sei körperlich auf sie oder sonst einen Dritten loszugehen. Darüber hinaus soll die Klägerin am 20.10.2020 vor dem Gebäude des Beklagten einem Securitymitarbeiter mitgeteilt haben, dass sie ihre Fallmanagerin nicht persönlich treffen möchte, weil sie für nichts garantieren könne. Zudem habe die Klägerin auch im Schreiben, eingegangen beim Beklagten am 24.11.2020, den Geschäftsführer mehrfach beleidigt („strunzbehindertes Schreiben […] mit noch dämlicheren Inhalt“, „Sie Witzbold“, „wie dämlich muss man sein“). Vor diesem Hintergrund liege eine nachhaltige Störung des Dienstbetriebs vor und es könne aufgrund der psychischen Erkrankung der Klägerin zukünftig eine Störung des Dienstbetriebs nicht ausgeschlossen werden. Das vom Beklagten ausgesprochene Hausverbot, halte sich auch im Rahmen des dem Entscheidungsträger zustehenden Ermessens und verletze nicht das Verhältnismäßigkeitsgebot. Der Klägerin verbleibe die Möglichkeit, in ihren Leistungsangelegenheiten postalisch oder telefonisch mit dem Beklagten in Kontakt zu treten. Ferner könne die Klägerin nach telefonischer Terminabsprache das Gebäude betreten. Angesichts dessen sei die Dauer des Hausverbots von einem Jahr auch verhältnismäßig.
Hiergegen richtet sich die am 30.09.2021 beim SG eingelegte Berufung der Klägerin. Sie hat zur Begründung vortragen lassen, ihr sei gezielt mit dem Gerichtsbescheidsverfahren die Möglichkeit genommen worden, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, weil das SG sich mit ihrem Vorbringen nicht habe beschäftigen wollen, was allein schon die Rückverweisung rechtfertige. Es liege mittlerweile ein Bescheid des Versorgungsamtes vor, der für die Funktionsbeeinträchtigung „Restfolgen nach Schnittwunden, seelische Störung“ immerhin einen GdB von 20 festsetze; somit liege eine beachtliche Behinderung vor.
Im Zuge der gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss des Senats vom 03.12.2021 eingelegten Anhörungsrüge (Az. L 12 AS 3879/21 RG) hat die Klägerin ergänzend vortragen lassen, es setze sich fort, was in erster Instanz bereits begonnen habe, dass nämlich nach Aktenlage entschieden werde. Damit werde sie von der mündlichen Verhandlung ferngehalten, die freilich notwendig sei, um beurteilen zu können, wie bedrohlich sie wirke. Es werde konsequent die Sicht der Behörde zugrunde gelegt und die allfällige Beweisaufnahme nicht vorgenommen. Auch ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe zweifelsohne, da bei ihr eine psychische Erkrankung mit Behinderungswert zugrunde liege; ganz davon abgesehen, dass eine Auseinandersetzung mit der Behinderung bislang ebenfalls nicht erfolgt sei.
Die Klägerin beantragt:
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 27.09.2021 wird aufgehoben und die Sache zur Entscheidung an das Sozialgericht Ulm zurückverwiesen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Berufungsbeklagte hat zur Begründung auf seine erstinstanzlichen Ausführungen verwiesen.
Mit Verfügung vom 20.12.2021 sind die Beteiligten zur beabsichtigten Übertragung des Rechtsstreits auf den Berichterstatter gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört worden. Die Beteiligten haben keine Einwände erhoben.
Mit Schreiben vom 08.12.2021 hat die Deutsche Rentenversicherung Bund im Verfahren zur Feststellung der Erwerbsfähigkeit nach § 44a Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei der Klägerin eine volle Erwerbsminderung seit September 2020 festgestellt.
Mit Verfügung vom 17.01.2022 hat der Berichterstatter die Beteiligten darauf hingewiesen, dass sich das mit Bescheid vom 03.11.2020 für die Dauer eines Jahres verhängte streitgegenständliche Hausverbot durch Zeitablauf erledigt haben dürfte. Das Hausverbot dürfte damit keine Rechtswirkungen mehr entfalten und die ursprünglich erhobene Anfechtungsklage unzulässig geworden sein.
Mit Beschluss des Senats vom 17.01.2022 ist die Berufung nach § 153 Abs. 5 SGG dem Berichterstatter übertragen worden.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Prozessakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerechte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 27.09.2021, über die nach Übertragung durch den Senat gemäß § 153 Abs. 5 SGG der Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern zur Entscheidung berufen war, ist unbegründet. Denn die Klage ist unzulässig (geworden).
1.
Soweit die Klägerin ursprünglich die Aufhebung des mit Bescheid vom 03.11.2020 verfügten Hausverbots beantragt hat, ist dieses Klagebegehren durch Zeitablauf des Hausverbots unzulässig geworden. Der Beklagte hat mit diesem Bescheid mit sofortiger Wirkung ein Hausverbot für die Dauer von zwölf Monaten verfügt. Unabhängig davon, ob die 12 Monate ab dem 03.11.2020 oder erst ab dem Datum der Bekanntgabe bei der Klägerin – ausweislich der Postzustellungsurkunde war dies der 05.11.2020 – rechnen, hat sich das Hausverbot jedenfalls im November 2021 wegen Zeitablaufs gemäß § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erledigt und entfaltet nunmehr keine Rechtswirkungen mehr. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der sich bereits erledigt hat, besteht nicht.
Eine Umstellung der Klage von der ursprünglich begehrten Aufhebung des Hausverbots im Wege der isolierten Anfechtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungklage ist nicht ausdrücklich erfolgt und kann den Erklärungen der Klägerin allenfalls in weiter Auslegung entnommen werden. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, da auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig ist.
Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG in Verbindung mit § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) zwar statthaft, aber mangels Fortsetzungsfeststellungsinteresse ebenfalls unzulässig.
Hat sich der Verwaltungsakt vor dem Urteil durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn die Klägerin ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG). Das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes ist wie das berechtigte Interesse bei der allgemeinen Feststellungsklage zu behandeln (Bundessozialgericht, [BSG], Urteil vom 28.08.2007, B 7/7a AL 16/06 R, juris). Es ist damit Zulässigkeitsvoraussetzung der Fortsetzungsfeststellungsklage. Ein für diese Feststellung vorausgesetztes schutzwürdiges Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art sein. Es kommt damit in Betracht bei einem Rehabilitationsinteresse, bei Wiederholungsgefahr bzw. bei Präjudiziabilität, d.h. wenn die Entscheidung in einem anderen Rechtsstreit von Bedeutung sein kann, insbesondere wenn ein Schadensinteresse geltend gemacht wird.
Wiederholungsgefahr ist anzunehmen, wenn die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht (BSG, Urteil vom 14.02.2013, B 14 AS 195/11 R, juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 13. Aufl. 2020, § 131 Rn. 10b).
Für eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr liegen danach keine Anhaltspunkte vor. Der Umstand, dass die Klägerin bereits in der Vergangenheit ein Verhalten gezeigt hat, welches die Prognose begründet, dass sie ein solches Verhalten auch in der Zukunft zeigen könnte, begründet für sich noch nicht die Annahme einer hinreichend konkreten Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Verhängung eines Hausverbotes (Verwaltungsgericht [VG] München, Gerichtsbescheid vom 04.08.2020, M 30 K 18.5917, juris). Gegen das Vorliegen einer hinreichend konkreten Wiederholungsgefahr spricht insbesondere, dass für ein etwaiges erneutes Hausverbot die Voraussetzungen aufgrund der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles gegeben sein müssten (VG München, a.a.O.; vgl. auch Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019 § 113 Rn. 112). Nur dann, wenn konkret zu erwarten wäre, dass der Klägerin in absehbarer Zeit wegen des Vorwurfs der Bedrohung der körperlichen Integrität der Fallmanagerin auf vergleichbare Weise ein erneutes Hausverbot drohen würde, käme ein berechtigtes Interesse an der nachträglichen Feststellung in Betracht, ob das hier streitgegenständliche und durch Zeitablauf erledigte Hausverbot rechtswidrig gewesen ist. Hierfür liegen jedoch keine konkreten Anhaltspunkte vor; die Klägerin selbst bestreitet ja vielmehr, überhaupt die Fallmanagerin bedroht zu haben. Der wesentliche Konfliktstoff, an dem sich die konkrete Auseinandersetzung entzündet hat, nämlich der Ordner mit den ärztlichen Unterlagen, ist der Klägerin mittlerweile ausgehändigt worden. Auch trägt der Beklagte aufgrund der zwischenzeitig erfolgten Änderung des Vornamens und der Geschlechtszugehörigkeit dem Begehren der Klägerin, entsprechend bezeichnet und als Frau angesprochen zu werden, mittlerweile Rechnung, womit ein weiterer Konfliktpunkt, der zu der dem Hausverbot zu Grunde liegenden Eskalation beigetragen hat, ausgeräumt ist. Vor allem aber bezieht die Klägerin mittlerweile eine Erwerbsminderungsrente. Ein Leistungsbezug nach dem SGB II ist mangels Erwerbsfähigkeit (vergleiche §§ 7, 8 SGB II) ausgeschlossen, womit künftig keine Berührungspunkte der Klägerin mit dem Beklagten mehr bestehen. Eine konkrete Wiederholungsgefahr ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin aus den vorstehenden Gründen auch nicht aus der geltend gemachten Behinderung.
Ein Rehabilitationsinteresse bzw. eine Präjudiziabilität ist von der Klägerin nicht geltend gemacht worden. Es liegen auch keine Anhaltspunkte hierfür vor.
2.
Darüber hinaus ist, worauf der Senat der Vollständigkeit halber hinweist, die unzulässige Fortsetzungsfeststellungsklage auch unbegründet. Denn das mit Bescheid vom 03.11.2020 in Gestalt Widerspruchsbescheides vom 26.11.2020 verhängte Hausverbot war rechtmäßig.
Das öffentlich-rechtliche Hausrecht dient nicht wie das privatrechtliche Hausrecht, das bei einer entsprechenden Rechtsstellung auch Behörden zustehen kann (vgl. BSG, Beschluss vom 21.07.2014, B 14 SF 1/14 R, juris), der Abwehr von Beeinträchtigungen des Eigentums oder Besitzes, sondern der Gewährleistung und Aufrechterhaltung eines geordneten Dienstbetriebes (vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 01.04.2009, B 14 SF 1/08 R, juris). Darüber hinaus dient es vor dem Hintergrund der arbeits- und dienstrechtlichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers oder Dienstherrn dem Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor verbalen und körperlichen Angriffen (LSG Sachsen, Urteil vom 13.08.2015, L 3 AS 708/15, juris). Das öffentlich-rechtliche Hausrecht umfasst das Recht, zur Wahrung der Zweckbestimmung einer öffentlichen Einrichtung und insbesondere zur Abwehr von Störungen des Dienstbetriebes über den Aufenthalt von Personen in den Räumen der Einrichtung zu bestimmen (LSG Sachsen, a.a.O.). Daraus leiten sich verschiedene Anforderungen an die materielle Rechtmäßigkeit eines öffentlich-rechtlichen Hausverbotes ab. Zunächst setzt der Erlass eines Hausverbotes eine nachhaltige Störung des Dienstbetriebes voraus. Inwiefern der Dienstbetrieb betroffen sein kann, bestimmt sich nach dem Widmungszweck der jeweiligen Behörde oder öffentlichen Einrichtung. Sodann steht die Entscheidung, ob auf die Störung des Dienstbetriebes hin ein Hausverbot ausgesprochen und wie es gegebenenfalls ausgestaltet werden soll, im Ermessen des Inhabers des Hausrechts. Hierbei ist zum einen das Willkürverbot zu beachten, das heißt, der Hausrechtsinhaber muss sich bei seiner Entscheidung von sachgerechten Erwägungen leiten lassen. Zum anderen muss dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen werden (LSG Sachsen, a.a.O.).“
Danach sind hier die Voraussetzungen eines Hausverbotes erfüllt. Dies hat das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend dargestellt, weshalb der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht und die Berufung insoweit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).
Wie bereits im Beschluss des Senats vom 25.03.2021 dargelegt, rechtfertigt auch die Einlassung der Klägerin, wonach die Äußerung gegenüber dem Security-Mitarbeiter „ich (kann) für nichts mehr garantieren“ als Ankündigung einer Gewalttat gegen sich selbst im Sinne einer borderlinetypischen Selbstverletzung bis hin zum Suizid zu verstehen sei, und auch das im Berufungsverfahren wiederholte Vorbringen, sie werde aufgrund einer Behinderung diskriminiert, keine abweichende Beurteilung. Denn dies ändert zum einen nichts daran, dass sie gegenüber der Fallmanagerin mit E-Mail vom 14.10.2020 angekündigt hat, dass sie (die Klägerin) bei weiterem Kontakt für deren (der Mitarbeiterin) Sicherheit nicht garantieren könne, was eine Bedrohung darstellt. Darüber hinaus hat die Klägerin auch im Schreiben, eingegangen beim Antragsgegner am 24.11.2020, den Geschäftsführer mehrfach beleidigt („strunzbehindertes Schreiben […] mit noch dämlicheren Inhalt“, „Sie Witzbold“, „wie dämlich muss man sein“).
Zum anderen erkennt der Senat zwar an, dass es sich bei dem Borderline-Syndrom, unter dem die Klägerin leidet, um eine Behinderung handelt. Das Hausverbot wurde jedoch nicht aufgrund der Behinderung ausgesprochen, sondern aufgrund der Drohung gegenüber einer Mitarbeiterin. Es dient dazu, mögliche künftige Bedrohungssituationen dadurch zu entschärfen, dass bei einer vorherigen Terminvereinbarung ggfs. weitere Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen hinzugezogen werden können. Selbst wenn darin eine Benachteiligung aufgrund der Behinderung gesehen würde, wäre diese gerechtfertigt, da der Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Beklagten einen legitimen Zweck darstellt und die Maßnahme auch angemessen ist, da der Klägerin der Zutritt zu den Räumen des Beklagten nicht gänzlich verwehrt wurde, sondern sie lediglich vorher einen Termin vereinbaren muss, wobei die Terminvereinbarung auch von der Klägerin selbst ausgehen kann und sie nicht auf Einladungen des Beklagten angewiesen ist.
Soweit die Klägerin eine unterbliebene Beweisaufnahme geltend macht, ist nicht ersichtlich, welcher Beweis erhoben werden soll; insbesondere hat die Klägerin keinen Beweisantrag gestellt. Die dem Hausverbot zugrundeliegenden wesentlichen Tatsachen stehen entweder aufgrund der Aktenlage fest (E-Mail vom 14.10.2020, Schreiben der Klägerin mit Eingang 24.10.2020 beim Beklagten) oder sind in den maßgeblichen Punkten zwischen den Beteiligten unstreitig (Vorsprache der Klägerin am 20.10.2020, verbunden mit der Erklärung, sie wolle auf keinen Fall ihre Fallmanagerin persönlich treffen, weil sie dann für nichts garantieren könne); gerade im Hinblick auf ihre Vorsprache am 20.10.2020 macht die Klägerin letztlich lediglich geltend, ihre Drohungen seien borderlinetypisch gegen sich selbst gerichtet zu verstehen gewesen.
Der Senat hält auch die Dauer des Hausverbotes von einem Jahr für noch verhältnismäßig vor dem Hintergrund, dass der Klägerin ermöglicht wurde, bei vorheriger Terminvereinbarung, die Räume des Beklagten zu betreten. Auch kann nicht völlig außer Acht bleiben, dass infolge der Schutz- und Hygienemaßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie der Zutritt zu den Räumlichkeiten des Beklagten während der Zeit des Hausverbots ohnedies für sämtliche Kunden in erheblichem Maße eingeschränkt war. Darüber hinaus hat die Klägerin in ihrem Schreiben, eingegangen beim Beklagten am 24.11.2020, mehrfach erwähnt, die Räume des Beklagten gar nicht (mehr) betreten zu wollen.
Die Voraussetzungen für die beantragte Zurückweisung gemäß § 159 Abs. 1 SGG liegen gleichfalls nicht vor. Danach kann das LSG durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn
1. dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,
2. das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.
Eine Zurückweisung nach dem danach einzig in Betracht kommenden Zurückweisungsgrund nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG scheitert bereits daran, dass, wie dargestellt, schon keine Beweisaufnahme notwendig ist.
Nach alledem bleibt die Berufung der Klägerin ohne Erfolg.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten (§ 193 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AS 3026/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3174/21
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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