L 6 VG 753/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 VG 3130/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 753/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Februar 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Beschädigtengrundrente nach dem Gesetz über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (OEG) aufgrund eines Raubüberfalls.

Sie ist 1983 geboren, hat nach der Mittlerer Reife eine Ausbildung zur staatlich geprüften gestaltungstechnischen Assistentin abgeschlossen und anschließend die Fachhochschulreife erworben. Danach war sie in Verlagen tätig (vgl. den von der Klägerin vorgelegten Lebenslauf). Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) hat ihr mit Bescheid vom 27. Mai 2015 eine befristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gewährt. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 seit dem 1. Januar 2016 festgestellt (Bescheid des Landratsamtes F [LRA] vom 29. April 2015).

Am 13. April 2016 beantragte sie bei dem zuvor zuständigen Kommunalem Sozialverband S (nachfolgend einheitlich: Beklagter) die Gewährung von Leistungen nach dem OEG. Angegeben wurde, dass sie am 1. Februar 2003 an ihrem Arbeitsplatz, der E Tankstelle in X, überfallen worden sei. Da der Täter damals schon mehrfach vorbestraft gewesen sei, habe sie Angst, dass er etwas machen werde, wenn sie Ansprüche an ihn stelle. Er sei damals schwer gewalttätig und Alkoholiker gewesen. Sie selbst wohne nicht mehr in X, aber ihre Familie. Sie wisse nicht, in welcher psychischen Lage sich der Täter befinde und wolle kein Unheil heraufbeschwören. Sie habe trotz Therapie immer noch Angst- und Panikattacken. Weiter wurden Befundberichte über durchgeführte Behandlungen vorgelegt.

Der Beklagte zog die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft X bei.

In ihrer damaligen Zeugenvernehmung gab die Klägerin an, dass der Täter bei ihr an der Kasse gestanden habe, um Bier zu bezahlen. Weiter habe er eine Stange Zigaretten verlangt. Sie habe sich gebückt, um die Zigaretten aus dem Unterteil des Zigarettenregals zu nehmen. Als sie wieder aufgetaucht sei, habe sie in den Lauf einer Pistole geschaut. Der Täter habe sie aufgefordert, sich auf den Boden zu legen. Die anderen Kunden in der Tankstelle hätten nichts mitbekommen. Sie habe sich zum Täter umgesehen, dieser habe mit seiner Waffe gewinkt, die er die ganze Zeit in Höhe seiner rechten Hüfte geführt habe. Sie sei in die hinteren Räume dirigiert worden. Zu den anderen Kunden habe der Täter gesagt „wir sind gleich wieder da“. Im hinteren Vorratsraum habe er die Waffe auf ihre linke Brust gerichtet und gefragt, ob noch jemand hier hinten sei. Sie sei dann in den linken, hinteren Raum dirigiert und aufgefordert worden sich hinzusetzen. Der Täter habe gesagt, dass sie warten solle, bis er aus dem Laden raus sei. Wenn sie ihm hinterherkomme, schieße er. Den Stoffbeutel mit den Getränken und den Zigaretten habe er in seiner linken Hand gehalten. Als er den Raum verlassen habe, habe er die Pistole in seine rechte Jackenaußentasche gesteckt, die Hand aber am Griff gelassen.

Der Täter stellte sich fünf Tage später selbst der Polizei. Sichergestellt wurde ein Gasfeuerzeug in Form einer Pistole, das er nach eigenen Angaben bei dem Vorfall eingesetzt hat. Zur Tat selbst gab er an, dass er Bier, eine Flasche „Goldkrone“ und eine Stange „Marlboro“ verlangt und erhalten habe. Nachdem er alles eingepackt habe, habe er seine Feuerzeugpistole aus der Gesäßtasche geholt und diese unter dem linken Arm auf die Klägerin gerichtet. Er habe zu ihr gesagt, dass sie sich hinlegen solle. Er habe Panik bekommen, weil noch ein Mann im Laden gewesen sei. Er habe zur Klägerin gesagt, dass sie aufstehen und in den Hinterraum gehen solle. Es sei ein kleiner Raum linksseitig vom Verkaufsstand. Die Tür habe offen gestanden. Dort hätten sich drei oder vier braune Polsterstühle befunden. Sie habe sich hinsetzen sollen. Er habe die Klägerin gefragt, ob noch jemand da sei. Sie habe gesagt, dass noch jemand im Lager sei. Er habe die Pistole wieder eingesteckt und sei aus dem Verkaufsraum gerannt. Er sei auf direktem Weg nach Hause gegangen. Das Bier und den Schnaps habe er alleine ausgetrunken. An dem besagten Tag habe er schon vier bis fünf Flaschen Bier getrunken.

Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 1. April 2003, in der die Klägerin als Zeugin gehört wurde, verurteilte das Amtsgericht X (AG) – Schöffengericht – den Täter wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Zum Tathergang wurde festgestellt, dass er, als er die Ware habe bezahlen sollen, die Pistole gehoben und die Klägerin angewiesen habe, sich auf den Boden zu legen. Anschließend habe sie in das Hinterzimmer gehen und sich auf den Stuhl setzen sollen. Dieser Aufforderung sei die Klägerin nachgekommen. Nachdem der Täter gegangen sei, sei die Klägerin noch auf dem Stuhl sitzen geblieben. Sie habe geschildert, sehr verängstigt gewesen zu sein. Der Täter sei zwar nicht aggressiv gewesen, aber sie habe aufgrund der Bedrohung mit der Waffe Angst gehabt.

Im Berufungsverfahren (Landgericht X [LG]) wurde das Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und der Täter zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach Einvernahme einer rechtsmedizinischen Sachverständigen stellte das LG unter anderem fest, dass der Täter am Tattag morgens bereits fünf Flaschen Bier zu sich genommen habe. Er habe unter Entzugserscheinungen gelitten und sich aus Angst vor diesen entschlossen, die Tat zu begehen, um sich Alkohol zu verschaffen. Es habe ein Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit bestanden. Die dagegen eingelegte Revision wurde zurückgenommen.

Mit Bescheid vom 28. November 2016 lehnte der Beklagte den Antrag auf Beschädigtenversorgung ab. Aus der Akte der StA gehe hervor, dass der Täter wegen schwerer räuberischer Erpressung verurteilt worden sei. Nach der Rechtsprechung sei ein tätlicher Angriff im Sinne des OEG eine unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende, gewaltsame physische Einwirkung. Die bloße Drohung mit einer – wenn auch erheblichen – Gewaltanwendung oder Schädigung reiche damit für einen tätlichen Angriff nicht aus. Denn dieser Umstand allein stelle über die psychische Wirkung hinaus noch keinen tätlichen physischen Angriff dar. Der tätliche Angriff in Gestalt der körperlichen Einwirkung auf den Körper eines anderen beginne erst mit dem Ansetzen der Pistole auf den Körper des Opfers. Maßgeblich sei daher, ob ein tätlicher, körperlicher Angriff tatsächlich begonnen habe. Die Pistole sei nur vorgehalten worden, es sei aber zu keiner Berührung mit dem Körper gekommen. Bei dem schädigenden Ereignis könne es sich um einen Arbeitsunfall handeln, sodass die Möglichkeit bestehe, sich an die zuständige Berufsgenossenschaft (BG) zu wenden.

Gegen den Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, dass bekannt sei, dass die inakzeptable Auffassung vertreten werde, dass der Einsatz einer Pistole dann, wenn es nicht zu einer körperlichen Berührung gekommen sei, unter dem Tatbestandserfordernis des § 1 OEG nicht subsumierbar sei. Sie sehe dies anders, da es für die betroffene Person zu keinem anderen Ergebnis führe, wenn sie mit dem Lauf der Pistole, von welcher sie anzunehmen hatte, dass es eine scharfe Waffe gewesen sei, berührt worden wäre. Gesetzliches Tatbestandsmerkmal sei hier der tätliche Angriff, eine Tathandlung in Angriffshaltung liege vor.

Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2017 zurück. Der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG zeichne sich durch eine körperliche Gewaltanwendung gegen eine Person aus. Sie wirke also körperlich (physisch) auf einen anderen ein. Eine bloße Drohung mit einer, wenn auch erheblichen, Gewaltanwendung oder Schädigung reiche für einen tätlichen Angriff nicht aus, auch wenn diese Drohung beim Opfer erhebliche gesundheitliche Folgen haben sollte. Nach den Feststellungen des AG sei die Klägerin mit einer Feuerzeugpistole, die nach Angaben des Klägers nicht gefüllt gewesen sei, bedroht worden. Sie habe die Feuerzeugpistole für eine echte Waffe gehalten. Nach ihren und den Angaben des Täters habe keine Berührung stattgefunden. Somit habe sie aufgrund einer vorgetäuschten Bedrohung für Leib und Leben zu einer bestimmten Handlung bzw. Unterlassung genötigt werden sollen, sodass kein tätlicher Angriff vorliege.

Am 16. August 2017 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Es reiche aus, dass sich das vorsätzliche Angriffsereignis in einer aktiven Angriffstathandlung darstelle und dieses körperliche Auswirkungen auslöse. Solche seien gegeben, wie aus den medizinischen Erkenntnissen der Verwaltungsakte folge. Verbliebe man bei der gegenteiligen Auffassung, ergäbe sich für den Fall einer schießenden Waffenverwendung in aller Regel, dass die Erlebenden-Leistungen des Opfers nicht mehr Platz griffen, sondern bestenfalls Hinterbliebenenleistungen. Eine Angriffshandlung sei bereits bei einer Bedrohung mit einer für scharf gehaltenen Waffe zu bejahen. Nach dem Sinn und Zweck des OEG sollten diejenigen Selbstverteidigungsnachteile ausgeglichen werden, jedenfalls aber gemildert werden, welche dadurch eintreten könnten, dass die Bürger das Gewaltmonopol dem Staat übertragen hätten und der Staat im konkreten Einzelfall deren Schutz nicht habe gewährleisten können. Dann, so die ratio legis, solle dem Bürger wenigstens eine gewisse Ausgleichung staatlicherseits zufließen. Jeder Schusswaffenverwendung gehe deliktstypischer Weise in aller Regel die Androhung mit der Schusswaffe voraus. Nehme man solche Handlungen aus dem Anwendungsbereich des § 1 OEG aus, habe dies die widersinnige Folge, dass erst dann, wenn die Mündung des Laufes beispielsweise auf den Kopf oder den Körper des Opfers aufgesetzt würde, eine körperliche Wirkung zu bejahen und Leistungen nach dem OEG zuzusprechen seien. Dies könne aber keinesfalls Sinn und Zweck des Gesetzes sein. Bereits die Drohung mit einer vorgehaltenen Schusswaffe sei ein Angriff. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei erkennbar darum bemüht gewesen, vermeintlich ausgeweitete Anwendungsbereiche des OEG wieder einzugrenzen und in der Sache zu korrigieren. Nicht umsonst werde die diesbezügliche Rechtsprechung auch nicht von allen Versorgungsverwaltungen aller Bundesländer angewendet.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20. Februar 2020 abgewiesen und auf die Begründung in Bescheid und Widerspruchsbescheid Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Mit Beschluss vom gleichen Tag hat es den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ebenfalls unter Hinweis auf § 136 Abs. 3 SGG abgelehnt.

Am 3. März 2020 hat die Klägerin Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Der Sachverhalt habe aufgrund des Rundschreibens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) an die Versorgungsbehörden vom 10. Oktober 2017 weiter aufgeklärt werden müssen. Der Täter habe beim Tatgeschehen körperlich wirkend agiert. Er habe nach Zigaretten gefragt. Sie als nebenberufliche Verkäuferin sei abgetaucht, um aus dem Unterteil des Zigarettenregals die geforderte (Zigaretten-)Stange zu entnehmen. Als sie wieder aufgetaucht sei und sich herumgedreht habe, habe sie in den Lauf einer Pistole gesehen, welche der Täter mit seiner rechten Hand auf sie gerichtet habe. Hierzu habe er gesagt „Leg Dich auf den Boden“, sie habe noch gefragt „Ist das jetzt ernst oder ein Scherz“, woraufhin der Täter geantwortet habe „Nein, das ist ernst, leg dich hin“. Sie habe sich zwischen die beiden Kassen mit dem Kopf in Richtung des Fensters auf den Fußboden gelegt, dies sei die vom Laden aus gesehene linke Kasse. Ein Kunde mit einer Zeitung und eine weitere Kundin hätten vor der rechten Kasse gestanden. Im Weiteren habe der Kläger sie mit der Waffe in die hinteren Räume dirigiert, im hinteren Vorratsraum habe er seine Waffe auf ihre Brust gerichtet und gefragt, ob noch jemand dahinten sei. Daraufhin sei sie in den linken, hinteren Raum dirigiert und hier aufgefordert worden sich hinzusetzen. Der Täter habe gesagt, dass sie hier warten solle, bis er aus dem Laden raus sei, wenn sie ihm hinterherkäme, schieße er. Weiter hat sie das Schreiben des BMAS vom 10. Oktober 2017 „Durchführung des Opferentschädigungsgesetzes, Drohung ohne physische Gewalteinwirkung“ vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Februar 2020 sowie den Bescheid vom 28. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr Entschädigungsleistungen, insbesondere Beschädigtengrundrente, aufgrund des Raubüberfalls vom Februar 2003 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er verweist auf die angefochtene Entscheidung. Aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Anhaltspunkte bezüglich des Vorliegens eines tätlichen Angriffs gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG.
Den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat der Senat mit Beschluss vom 9. November 2021 abgelehnt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte sowie die Akte der Staatsanwaltschaft X Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Das Rubrum war von Amts wegen zu ändern, da nach § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Entschädigung von Opfern von Gewalttaten (OEG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder und des Kinderbetreuungsfinanzierungsgesetzes vom 15. April 2020 (BGBl. I S. 812) für die Entschädigung ab dem 1. Juli 2020 dasjenige Land zuständig ist, in dem die berechtigte Person ihren Wohnsitz hat. Durch den somit kraft Gesetzes eingetretenen Beteiligtenwechsel war das Passivrubrum zu ändern (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 9 V 1/15 R –, juris, Rz. 14) und das Land Baden-Württemberg als Beklagter zu führen.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 20. Februar 2020, mit dem die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) auf Gewährung von Entschädigungsleistungen unter Aufhebung des Bescheides vom 28. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 31. Juli 2017 abgewiesen worden ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung.

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 28. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Senat hat sich nicht davon überzeugen können, dass es bei dem Raubüberfall vom 2. Februar 2003 zu einem tätlichen Angriff im Sinne des OEG gekommen ist.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, § 30, § 31 BVG. Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, unter anderem auch Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1 BVG, wer im Geltungsbereich des OEG oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Versorgung umfasst nach dem insoweit entsprechend anwendbaren § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG die Beschädigtenrente (§§ 29 ff. BVG). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der GdS – bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl I S. 2904) am 21. Dezember 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezeichnet – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Liegt der GdS unter 25 besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2014 – L 6 VS 413/13 – , juris, Rz. 42; Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 31 BVG, Rz. 2).

Für einen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG sind folgende rechtlichen Grundsätze maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 – B 9 V 1/12 R –, BSGE 113, 205 <208 ff.>):

Ein Versorgungsanspruch setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gegeben sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. April 2009 – B 9 VG 1/08 R –, juris, Rz. 27 m. w. N). Danach erhält eine natürliche Person („wer“), die im Geltungsbereich des OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Somit besteht der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind. In Altfällen, also bei Schädigungen zwischen dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 und dem Inkrafttreten des OEG am 16. Mai 1976 (BGBl I S. 1181), müssen daneben noch die besonderen Voraussetzungen gemäß § 10 Satz 2 OEG in Verbindung mit § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG erfüllt sein. Nach dieser Härteregelung erhalten Personen, die in diesem Zeitraum geschädigt worden sind, auf Antrag Versorgung, solange sie allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt und bedürftig sind sowie im Geltungsbereich des OEG ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Eine Schwerbeschädigung liegt nach § 31 Abs. 2 BVG vor, wenn ein GdS von mindestens 50 festgestellt ist.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei der Auslegung des Rechtsbegriffes „vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von subjektiven Merkmalen, wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht, hat sich die Auslegung insoweit weitestgehend gelöst (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 – B 9 VG 2/10 R –, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 32 m. w. N.). Dabei sind je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben worden. Leitlinie ist insoweit der sich aus dem Sinn und Zweck des OEG ergebende Gedanke des Opferschutzes. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffes hat das BSG daher aus der Sicht von objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden. Allgemein ist es in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass als tätlicher Angriff grundsätzlich eine in feindseliger oder rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen ist, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer – jedenfalls versuchten – vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 29. April 2010 – B 9 VG 1/09 R –, SozR 4-3800 § 1 Nr. 17, Rz. 25 m. w. N.). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des § 240 Strafgesetzbuch (StGB) zeichnet sich der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 – B 9 VG 2/10 R –, SozR 4 3800 § 1 Nr. 18, Rz. 36 m. w. N.). Ein solcher Angriff setzt eine unmittelbar auf den Körper einer anderen Person zielende, gewaltsame physische Einwirkung voraus; die bloße Drohung mit einer wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung reicht hierfür demgegenüber nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 1/13 R –, juris, Rz. 23 ff.).

Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennen das soziale Entschädigungsrecht und damit auch das OEG drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 6 Abs. 3 OEG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben der Antragstellenden, die sich auf die mit der Schädigung, also insbesondere auch mit dem tätlichen Angriff im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.

Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller, a. a. O., § 128 Rz. 3b m. w. N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 – B 11 AL 35/09 R –, juris, Rz. 21). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, a. a. O.).

Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 m. w. N.). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 6/13 R –, juris, Rz. 18 ff.) angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein „deutliches“ Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich. Sie entfällt, wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt.

Bei dem „Glaubhafterscheinen“ im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, a. a. O., Rz. 3d m. w. N.), also der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Beschluss vom 8.
August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3 3900 § 15 Nr. 4, S. 14 f. m. w. N.). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, also es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl. Keller, a. a. O.), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses, aber kein deutliches Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Tatsachengericht ist allerdings mit Blick auf die Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Einzelfall grundsätzlich darin nicht eingeengt, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 15). Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend - seit Juli 2004 - den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)“ in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 bis 3 und 12 der Anlage zu § 2 VersMedV; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 6/13 R –, juris, Rz. 17).

Nach diesen Maßstäben ist ein tätlicher Angriff im Sinne des § 1 OEG auch nach Überzeugung des Senats nicht gegeben, sodass Entschädigungsleistungen nicht beansprucht werden können. Die stattgefundene Bedrohung der Klägerin mit dem pistolenähnlichen Gasfeuerzeug erfüllt das Tatbestandsmerkmal des tätlichen Angriffs nicht.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist der tätliche Angriff eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung (s. o.). Die Verletzungshandlung im OEG ist dabei eigenständig und ohne direkte Bezugnahme auf das StGB geregelt (vgl. BT-Drucks. 7/2506 S. 10). Der Begriff des tätlichen Angriffs begrenzt den schädigenden Vorgang und schränkt den im Strafrecht uneinheitlich verwendeten Gewaltbegriff ein. Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des § 240 StGB wird der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG durch eine körperliche Gewaltanwendung gegen eine Person geprägt und wirkt damit körperlich (physisch) auf einen anderen ein. Dieses Verständnis der Norm entspricht am ehesten dem strafrechtlichen Begriff der Gewalt im Sinne des § 113 Abs. 1 StGB, als eine durch tätiges Handeln bewirkten Kraftäußerung, also einem tätigen Einsatz materieller Zwangsmittel wie körperlicher Kraft. Die bloße Verwirklichung eines Straftatbestandes allein reicht nicht aus, auch wenn das Opfer über den eingetretenen Schaden verzweifelt und einen seelischen Gesundheitsschaden davonträgt. In Fällen der Bedrohung oder Drohung mit Gewalt ist die Grenze der Wortlautinterpretation erreicht, wenn sich die auf das Opfer gerichteten Einwirkungen ohne Einsatz körperlicher Mittel – allein als intellektuelle oder psychisch vermittelte Beeinträchtigungen darstellen und nicht unmittelbar auf die körperliche Integrität abzielen. Eine objektive Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit einer Person ohne physische Einwirkung allein aufgrund der objektiven Gefährlichkeit der Situation reicht nicht aus. Für das Vorliegen eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs kommt es nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Situation im Nachhinein als tatsächlich objektiv (lebens-)gefährlich erweist, weil die Waffe scharf geladen und entsichert war, oder als ungefährlich, weil es sich um eine bloße – echt aussehende – Schreckschusswaffe, oder wie im Falle der Klägerin um ein Gasfeuerzeug, also eine Scheinwaffe, handelte. In diesen Fällen steht die Drohwirkung der vorgehaltenen Waffe auf das Opfer und dessen psychische Belastung in der konkreten Situation im Vordergrund; diese unterscheidet sich insoweit in Fällen wie dem vorliegenden regelmäßig nicht. Diese psychische Wirkung der Straftat ersetzt das Erfordernis eines tätlichen Angriffs indessen nicht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 1/13 R –, juris, Rz. 19 ff.).

Eine solche rein psychische Wirkung hat vorliegend jedoch bestanden, wie der Senat den Angaben der Klägerin sowie des Täters und den Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils entnimmt, die er im Wege des Urkundsbeweises (§ 118 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]) verwertet. Danach hat der Täter der Klägerin die Feuerzeugpistole vorgehalten, sie zunächst gezwungen, sich auf den Boden zu legen und sodann in die Hinterräume dirigiert, bevor er den Tatort – mit seiner Beute – wieder verlassen hat. Eine körperliche Kraftentfaltung des Täters hat nicht vorgelegen, dieser hat die Klägerin nur mit einer Gewaltanwendung bedroht, wobei es nicht darauf ankommt, dass die Situation insofern objektiv ungefährlich gewesen ist, nachdem es sich nur um ein – nach Angaben des Täters – nicht gefülltes Gasfeuerzeug gehandelt hat. Aus dem vorgelegten Rundschreiben des BMAS ergibt sich im konkreten Fall nichts Anderes. Unabhängig davon, ob den dort aufgezeigten Prüfungsmaßstäben zu folgen ist, wird jedenfalls auf den Beginn des tätlichen Angriffs Bezug genommen, der im Fall der Klägerin aber, wie dargelegt, gerade nicht festzustellen ist.

Soweit die Klägerin meint, es sei darauf abzustellen, ob die Angriffshandlung „körperlich wirke“, folgt der Senat dem nicht. Es kommt weder auf die körperliche Wirkung noch darauf an, ob die Angriffshandlung zu körperlichen Auswirkungen im Sinne eines pathologisch, somatisch, objektivierbaren Zustandes führt oder welches Individualgut von der verletzten Strafrechtsnorm geschützt wird (BSG, Beschlüsse vom 26. Januar 2021 – B 9 V 26/20 B –, juris, Rz. 17 und vom 4. Februar 2021 – B 9 V 42/20 B –, juris, Rz. 8 f.; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 1/13 R –, juris, Rz. 19 ff.).

Vor allem die Entwicklung der gesetzlichen Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG lässt eine Erstreckung der Opferentschädigung auf die bloße Drohung mit Gewalt ohne Vorliegen eines tätlichen Angriffs nicht zu. Bereits nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 10. Mai 1974 war der bestimmende Grundgedanke für die Schaffung des OEG der Umstand, dass Gewaltopfern ein Aufopferungsanspruch gegenüber der Gesellschaft und damit dem Staat zustehen sollte, weil es dieser nicht vermocht hat, die unschuldigen Opfer vor Gewalttaten zu schützen (vgl. BT-Drucks 7/2506 S. 10 und 13). Damit sollte der Staat für die Unvollkommenheit staatlicher Verbrechensbekämpfung aus Solidarität für den von einer Gewalttat betroffenen Bürger eintreten (vgl. BT-Drucks. 7/2506 S. 10; BSG, Urteil vom 7. November 1979 – 9 RVg 1/78 –, juris, Rz. 20). Diese – auf Gewalt abzielende – inhaltliche Ausrichtung hat das Gesetz trotz einiger Erweiterungen seines Anwendungsbereiches bis heute beibehalten und wird „von dem Grundsatz der allgemeinen staatlichen Fürsorgepflicht getragen“ (vgl. Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des OEG vom 17. März 2009, BT-Drucks. 16/12273 S. 6). Es sollten von Anfang an ausschließlich die Fälle der sogenannten „Gewaltkriminalität“ in die Entschädigung einbezogen werden, die mit einem willentlichen Bruch der Rechtsordnung durch körperliche Gewaltanwendung gegen eine Person einhergehen (vgl. BT-Drucks. 7/2506 S. 10). In Anlehnung an § 113 StGB hat der Gesetzgeber den „rechtswidrigen tätlichen Angriff gegen eine Person“ als eine unmittelbar auf den Körper eines Menschen zielende feindselige Einwirkung verstanden und beim (vorsätzlichen) Tathergang als erforderlich angesehen, dass der Täter im Rahmen des bereits begonnenen tätlichen Angriffs auf einen Menschen zumindest Leib oder Leben eines anderen Menschen wenigstens fahrlässig gefährdet hat (vgl. BT-Drucks. 7/2506 S. 13 und 14). Der Gesetzgeber hat es zudem ausdrücklich vermieden, strafrechtliche Tatbestände listenmäßig zu benennen, um Abgrenzungsschwierigkeiten zu der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG allein zu berücksichtigenden körperlichen Gewaltanwendung gegen eine Person zu vermeiden (vgl. BT-Drucks 7/2506 S 10; BSG, Urteil vom 18. Oktober 1995 – 9 RVg 4/93 –, juris, Rz. 25). Zwar kann auch Drohung mit Gewalt psychische Gesundheitsstörungen beim Betroffenen hervorrufen. Dieser ist aber nicht zu staatlicher Entschädigung berechtigtes Opfer krimineller Gewalt im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG geworden, weil das Tatmittel nicht körperliche Gewalt („tätlicher Angriff“) gegen den Körper, sondern eine List oder Täuschung gewesen ist (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 1/13 R –, juris, Rz. 19 ff.).

Die Gesetzgebungsgeschichte belegt somit, dass der Gesetzgeber von einem engen Verständnis des Begriffs des tätlichen Angriffs ausgegangen ist, sodass der Auffassung der Klägerin nicht gefolgt werden kann, dass die Rechtsprechung den Anwendungsbereich des OEG zu weitgehend einzuschränken versuche. Es ist dem Gesetzgeber vorbehalten, den Begriff des tätlichen Angriffs über den mit Bedacht gewählten und bis heute beibehaltenen engen Wortsinn des OEG auf Straftaten zu erstrecken, bei denen es an einem solchen tätlichen Angriff fehlt, weil das strafbare Verhalten zB in einer Drohung mit Gewalt, Erpressung oder einer Täuschung besteht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 1/13 R –, juris, Rz. 19 ff.). Vor diesem Hintergrund bedarf die weitere These der Klägerin, der Anwendungsbereich des OEG beschränke sich faktisch auf Hinterbliebenenleistungen, keiner eingehenden Erörterung. Es stellt eine bloße Mutmaßung dar, dass ein tatsächlicher Schusswaffeneinsatz immer mit tödlichen Folgen verbunden sein muss, vielmehr kann ein solcher zu – auch schwerwiegenden – körperlichen Verletzungen führen, für die Entschädigung zu gewähren sein kann.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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