L 3 AS 50/22

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 174 AS 15822/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 AS 50/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

 

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 05. Januar 2022 wird als unzulässig verworfen.

 

Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Gründe

 

I.

 

 

Die Klägerin steht beim Beklagten im laufenden Bezug von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und wendet sich – neben der gleichfalls eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde – auch mit der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin (SG) vom 05. Januar 2022.

 

Die 1968 geborene Klägerin, die mit ihren unter 25-jährigen (eine Ausbildung absolvierenden) Söhnen N (bis zum Auszug am 29. September 2015) und C in einem Haushalt lebte, beantragte mit am 21. April 2015 bei dem Beklagten eingegangenen Schreiben vom 19. April 2015 die Weiterbewilligung von Leistungen für die Zeit ab dem 01. Juni 2015. Mit Bescheid vom 28. Mai 2015 bewilligte ihr der Beklagte den Regelbedarf sowie die anteiligen tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung. Als Einkommen berücksichtigte der Beklagte einen Betrag von monatlich 31,57 € (überschießendes Kindergeld des Sohnes N). Als Grund für die nur vorläufige Bewilligung der Leistungen gab der Beklagte an, dass für die endgültige Bewilligung noch eine weitere Klärung des übersteigenden Kindergeldbetrages des Sohnes N erfolgen müsse.

 

Den gegen den Bescheid vom 28. Mai 2015 eingelegten und am 04. Juni 2015 bei dem Beklagten eingegangenen Widerspruch, der mit der Begründung erhoben wurde, der Beklagte habe einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II für erforderliche Hygiene- und Pflegeprodukte aufgrund der Neurodermitis der Klägerin in Höhe von 57,10  € monatlich nicht berücksichtigt, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2015 als unzulässig zurück, da er im angefochtenen vorläufigen Bewilligungsbescheid keine Entscheidung über den (separat gestellten) Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs für Hygiene- und Pflegeprodukte getroffen habe.

 

Mit Änderungsbescheiden vom 19. Oktober 2015 und vom 27. November 2015 bewilligte der Beklagte der Klägerin zuletzt vorläufige Leistungen in Höhe von 603,89 € für Juni und August 2015, 608,57 € für September 2015, 714,28 € für Oktober 2015 und 787,81 € für November 2015. Dabei berücksichtigte er ein überschießendes Kindergeld nur noch für die Monate Juni bis August 2015 in Höhe von 31,57 € monatlich und im September 2015 in Höhe von 29,52 € monatlich. Wiederum führte er aus, dass eine abschließende Entscheidung bisher nicht möglich sei, da das anzurechnende (überschießende) Kindergeld nicht abschließend festgestellt werden könne und der Zufluss des mit Bescheid vom 15. September 2015 bewilligten Wohngeldes ab Oktober 2015 ungeklärt sei.

 

Mit ihrer am 02. August 2015 beim SG erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren auf Bewilligung des Mehrbedarfs für Hygiene- und Pflegeprodukte sowie die Nichtberücksichtigung überschießenden Kindergeldes weiterverfolgt. Sie hat die Auffassung vertreten, ihr stehe ein Anspruch auf Bewilligung eines Mehrbedarfs in Höhe von 57,10 € monatlich zu. Darüber hinaus sei überschießendes Kindergeld nicht zu berücksichtigen, weil dafür zum einen keine Rechtsgrundlage existiere und zum anderen der tatsächliche Bedarf ihres Sohnes bei der Ermittlung des überschießenden Betrages hätte Berücksichtigung finden müssen. Insbesondere hätte der Regelbedarf für Alleinstehende in die Berechnung einfließen müssen.

 

Mit Bescheid vom 14. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2016 hat der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Bewilligung eines Mehrbedarfs für Hygiene- und Pflegeprodukte für die Monate Juni bis einschließlich November 2015 versagt, weil die Klägerin trotz Aufforderung vom 06. August 2015 keine Nachweise über die Höhe der angefallenen Kosten vorgelegt habe.

 

Hiergegen hat die Klägerin ebenfalls mit Schriftsatz vom 28. Januar 2016 (klageerweiternd) Klage erhoben, mit dem Begehren, ihr einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II zu bewilligen.

 

Mit der Klägerin am 01. Dezember 2021 zugestelltem Schreiben vom 25. November 2021 hat das SG sie dazu angehört, dass beabsichtigt sei, über die Klage gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Die Klägerin hat mit am 09. Dezember 2021 eingegangenem Schreiben vom 08. Dezember 2021 die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

 

Mit Gerichtsbescheid vom 05. Januar 2022 hat das SG den Versagungsbescheid vom 14. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2016 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Gegenstand des Rechtsstreits sei aufgrund der fristgerechten und sachdienlichen Klageerweiterung zum einen der Versagungsbescheid vom 14. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2016, mit dem die Bewilligung eines Mehrbedarfs für die Monate Juni bis einschließlich November 2015 versagt worden sei. Statthafte Klageart gegen diesen Versagungsbescheid sei allein die Anfechtungsklage, da eine materielle Prüfung durch den Leistungsträger nicht stattgefunden habe. Prüfungsmaßstab sei danach allein, ob der Beklagte hier mangels Mitwirkung die Leistung zu Recht versagt habe, mithin die Voraussetzungen des § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) vorgelegen hätten. Dies sei jedoch nicht der Fall. Nachdem der Beklagte die Versagungsentscheidung maßgeblich darauf gestützt habe, dass die Klägerin keine ärztliche Bescheinigung über das Weiterbestehen des Mehrbedarfs vorgelegt habe sowie keinen Nachweis über die geltend gemachten Kosten eingereicht habe, es aber eines entsprechenden Nachweises nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht bedürfe und dem Beklagten zudem eine ärztliche Bescheinigung darüber vorgelegen habe, dass es sich um eine chronische Erkrankung handele, sei die Versagung rechtswidrig ergangen, sodass sie aufzuheben gewesen sei.

Zum anderen sei Gegenstand des Rechtsstreits der (vorläufige) Bewilligungsbescheid vom 28. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 19. Oktober 2015 und vom 27. November 2015, mit denen der Beklagte der Klägerin Leistungen für die Monate Juni bis einschließlich November 2015 vorläufig bewilligt habe, wobei die Leistungen (mangels Erlass eines Festsetzungsbescheides) nunmehr als abschließend festgesetzt gälten. Mit diesen Bescheiden habe der Beklagte nicht über den Mehrbedarf entschieden, sodass es an einer anfechtbaren Verwaltungsentscheidung des Beklagten bzw. an einer gerichtlich überprüfbaren materiellen Entscheidung über den geltend gemachten Mehrbedarf fehle. Im Übrigen sei die Höhe der bewilligten Leistungen nicht zu beanstanden. Dies gelte insbesondere für die Anrechnung des überschießenden Kindergeldes nach § 11 Abs. 1 Satz 5 SGB II.

Dem Gerichtsbescheid beigefügt war eine Rechtsmittelbelehrung über eine zulässige Berufung.

 

Gegen den ihr am 08. Januar 2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 15. Januar 2022 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingelegt und unter anderem beantragt, „die Sache zur mündlichen Verhandlung an das Sozialgericht Berlin zurückzuverweisen“. Bereits mit Schreiben vom 08. Dezember 2021 habe sie die mündliche Verhandlung beantragt. Diesem Antrag sei das SG nicht nachgekommen, sodass ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sei. Dieser Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung wirke fort.

 

Zugleich hat die Klägerin am 15. Januar 2022 Beschwerde wegen Nichtzulassung der Berufung eingelegt und diese entsprechend zu ihrem Berufungsvorbringen begründet.

 

Mit Schreiben vom 10. Februar 2022 hat der Berichterstatter die Klägerin unter anderem darauf hingewiesen, dass der für die Zulässigkeit der Berufung maßgebliche Wert des Beschwerdegegenstandes von mehr als 750 € gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG vorliegend nicht erreicht sei. Zudem hat er um Klarstellung gebeten, ob vorliegend Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt oder Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellt werden solle. Das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde und der Rechtsbehelf des Antrags auf Durchführung der mündlichen Verhandlung vor dem SG könnten nur wahlweise eingelegt werden.

 

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 14. Februar 2022 mitgeteilt, sie habe bereits vor Erlass des Gerichtsbescheides mit Schreiben vom 08. Dezember 2022 Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Dieser Antrag entfalte nach wie vor Wirkung. Im Übrigen habe das SG die Berufung zugelassen, woran die Berufungsinstanz gebunden sei. Überdies verstoße die für die Zulässigkeit der Berufung maßgebliche Grenze des Wertes des Beschwerdegegenstandes von 750 € gegen die grundgesetzlichen Vorgaben des Rechtsstaatsprinzips, des Gleichheitssatzes und des Sozialstaatsziels.

 

Der Berichterstatter hat am 17. Mai 2021 einen Erörterungstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten dieses Termins wird auf das in den Gerichtsakten befindliche Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

 

Mit Schriftsatz vom 22. Mai 2022 hat die Klägerin den folgenden Antrag formuliert: „Ich stelle Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht und bitte um Weiterleitung dieses Antrags zusammen mit den Akten an das Sozialgericht Berlin“. Weiterhin hat sie mitgeteilt, dass sie sowohl ihre Nichtzulassungsbeschwerde als auch ihre Berufung fortführe. Bereits vor Erlass des Gerichtsbescheides gestellte Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem SG würden nicht zurückgenommen. Unzutreffend sei die Auffassung des Gerichts, wonach ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung erst nach Erlass des Gerichtsbescheides gestellt werden könne.

 

Der Berichterstatter hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 01. Juni 2022 dazu angehört, dass beabsichtigt sei, die Berufung gemäß § 158 Satz 1 und 2 SGG durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen.

 

Mit weiterem Beschluss vom heutigen Tage hat der Senat die von der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid vom 05. Januar 2022 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen, da zugleich ein zulässiger, insbesondere fristgerechter Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gestellt worden sei.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

 

II.

 

Der Senat konnte durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gemäß § 158 Satz 2 SGG über die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 05. Januar 2022 entscheiden. Die Berufung ist nicht statthaft und daher gemäß § 158 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Die Beteiligten sind zur Absicht des Senats, über die Berufung durch Beschluss gemäß § 158 SGG entscheiden zu wollen, mit Schreiben vom 01. Juni 2022 angehört worden. Ihre Zustimmung ist nicht erforderlich.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts, bei Vorliegen der im Gesetz genannten Voraussetzungen nach § 158 Satz 1 und 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Ihr steht hier nicht entgegen, dass das Recht auf eine mündliche Verhandlung aus Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie das Gebot fairen und effektiven Rechtsschutzes es im Regelfall verbieten, durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung nach § 158 Satz 2 SGG zu entscheiden, wenn die Berufung sich gegen einen Gerichtsbescheid richtet. Denn die Rechte der Beteiligten werden durch die nachfolgende Entscheidung des SG gewahrt, ohne dass es insoweit einer mündlichen Verhandlung durch das Berufungsgericht bedarf, wenn ein Beteiligter - wie vorliegend - einen Antrag auf mündliche Verhandlung gegen den Gerichtsbescheid gestellt hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Antrag auf mündliche Verhandlung zulässig und fristgerecht gestellt worden ist und damit sicher feststeht, dass in der Sache eine mündliche Verhandlung stattfinden wird (Bundessozialgericht <BSG>, Beschlüsse vom 30. Oktober 2019 – B 14 AS 7/19 B -, Rn. 2 f., und vom 25. März 2021 – B 1 KR 51/20 B -, Rn. 8 ff., beide zitiert nach Juris; Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 158 Rn. 6).

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 22. Mai 2022 einen auf den Gerichtsbescheid vom 05. Januar 2022 bezogenen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellt und um Weiterleitung dieses Antrags zusammen mit den Verfahrensakten an das SG gebeten. In seinem weiteren Beschluss vom heutigen Tag hat der Senat hierzu ausgeführt, dass es sich um einen zulässigen, insbesondere fristgerecht gestellten Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung handelt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in dem genannten Beschluss wird Bezug genommen. Damit ist dem Senat trotz der erstinstanzlichen Entscheidung durch Gerichtsbescheid die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gemäß § 158 Satz 2 SGG eröffnet.

 

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 05. Januar 2022 ist als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht statthaft ist. Nach § 143 SGG findet die Berufung nur gegen Urteile des SG und ihnen gleichgestellte Entscheidungen (vgl. insoweit § 105 Abs. 3 Halbsatz 1 SGG) statt, soweit sich aus den §§ 144 bis 159 SGG nichts anderes ergibt.

Die Berufung ist nach § 143 SGG in Verbindung mit § 144 Absatz 1 und 2 SGG unstatthaft, da der Beschwerdewert einen Betrag von 750 nicht übersteigt, sondern sich lediglich auf 466,83 € beläuft. Denn streitig im vorliegenden Verfahren ist zum einen die Gewährung eines Mehrbedarfs in Höhe von 57,10 € monatlich im Zeitraum von Juni 2015 bis einschließlich November 2015, also ein Teilbetrag von 342,60 € (6  x 57,10 €). Zum anderen ist streitig die bei der Klägerin erfolgte Berücksichtigung von überschießendem Einkommen aus Kindergeld ihres Sohnes N, die in den Monaten Juni bis August 2015 in Höhe von jeweils 31,57 € und im Monat September 2015 in Höhe von 29,52 € erfolgt ist. Es geht insoweit also um einen Teilbetrag von 124,23 € (3 x 31,57 € + 29,52 €). Damit beläuft sich der Wert des Beschwerdegegenstandes im vorliegenden Verfahren auf insgesamt 466,83 € (342,60 € + 124,23 €), mithin auf nicht mehr als 750 €. Es besteht vorliegend auch weder eine Ausnahme von der Zulassungsbedürftigkeit der Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG noch eine den Senat bindende Zulassung der Berufung durch das SG (§ 144 Abs. 3 SGG).

Der Zulässigkeit der Berufung ergibt sich auch nicht aus der unzutreffenden, von einer Zulässigkeit der Berufung ausgehenden Rechtsmittelbelehrung des SG, da diese gemäß § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 66 Abs. 2 SGG lediglich Rechtsfolgen für die Berufungsfrist hat (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG Kommentar, 13. Auflage 2020, § 66 Rn. 12a).

Entgegen der Annahme der Klägerin ergibt sich die Zulässigkeit der Berufung auch nicht daraus, dass die hierfür maßgebliche Grenze des Wertes der Beschwerdegegenstandes gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG gegen Vorgaben des Verfassungsrechts verstoßen würde. Zwar sichert das Grundgesetz (GG) vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 wie auch in dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch das Offenstehen des Rechtsweges. Diese Garantie einer gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeit gegen behauptete Rechtsverletzungen eröffnet jedoch keinen unbegrenzten Rechtsweg, insbesondere ist ein Instanzenzug von Verfassung wegen nicht garantiert. Auch die Verfassung verlangt nicht, das in der Entscheidung niedergelegte Ergebnis der gerichtlichen Überprüfung selbst daraufhin zu kontrollieren, ob dadurch die für den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Rechtsnormen nunmehr vom Gericht verletzt wurden. Das verfassungsrechtlich gewährleistete Rechtssystem trägt durch institutionelle Vorkehrungen und entsprechende Verfahrensvorgaben (Art. 97 Abs. 1 GG, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 103 Abs. 1 GG) hinreichend dafür Sorge, dass die richterliche Entscheidung willkürfrei und aufgrund einer unvoreingenommenen rechtlichen Würdigung ergeht. Eine weitere Instanz ist dafür nicht geboten. Vielmehr darf der Gesetzgeber den Rechtsbehelf auf die Prüfung des nach Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich Gebotenen beschränken. Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben trägt das SGG zum einen schon dadurch Rechnung, dass die Nichtzulassung der Berufung mit der Beschwerde angefochten werden kann. Zum anderen eröffnet die als Folge des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 (Az. 1 PBvU 1/02, Juris) normierte Anhörungsrüge in § 178a SGG die Möglichkeit der richterlichen Selbstkontrolle. Über dies hinaus bewirkt auch Art. 6 EMRK keinen weitergehenden Schutz (Roos/Wahrendorf, SGG Kommentar, 1. Aufl. 2014, § 144 Rn. 6 ff., 10, m. w. N.).

 

Nicht zuletzt beschränkt der Grundsatz des Vorrangs der mündlichen Verhandlung gemäß § 105 Abs. 2 Satz 3 SGG seinen Anwendungsbereich nicht auf das Verhältnis von Nichtzulassungsbeschwerde und Antrag auf mündliche Verhandlung. Es sind vielmehr sämtliche Rechtsmittel in Bezug genommen. Der Antrag auf mündliche Verhandlung geht auch hier den Rechtsmitteln (auch der Berufung) vor, weil er den weitergehenden Rechtsbehelf darstellt. Dem entspricht auch der Sinn und Zweck der Norm. § 105 Abs. 2 und 3 SGG wahrt die Prozessrechte (insbesondere Art. 6 Abs. 1 EMRK)des Beteiligten, für den die Entscheidung des SG nicht berufungsfähig ist. Nur durch einen entsprechenden Antrag auf mündliche Verhandlung kann dieser Beteiligte eine mündliche Verhandlung und die Besetzung der Richterbank auch mit ehrenamtlichen Richtern herbeiführen. Einen Rechtsverlust kann die Klägerin hierdurch nicht erleiden. Die Klage wird mit dem zulässigen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung in den Zustand vor Erlass des Gerichtsbescheides versetzt. Das SG wird mithin über den gesamten Streitgegenstand durch Urteil aufgrund einer mündlichen Verhandlung zu befinden haben (vgl. BSG, Beschluss vom 12. Juli 2012 – B 14 AS 31/12 B -, Rn. 7 ff., Juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. (§ 160 Abs. 2 SGG).

 

 

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