L 4 KR 394/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 210 KR 1953/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 KR 394/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 32/22 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Zur Statusabgrenzung bei einem Handels-/Versicherungsvertreter, dessen Tätigkeitsschwerpunkt auch in der Mitarbeiterschulung lag.

2. Erhält ein Erwerbstätiger monatlich ein garantiertes Entgelt in existenzsicherndem Umfang, liegt in der Möglichkeit, durch besondere Anstrengungen weitere erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile „on top“ zu erwirtschaften, mangels Verlustgefahr kein unternehmerisches Risiko.

Bemerkung

Beschwerde eingelegt

 

Die Berufung der Beigeladenen zu 1 gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2016 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass auch der Bescheid der Beklagten vom 26. März 2019 aufgehoben wird.

 

Die Beigeladene zu 1 trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 bis 4, die diese selbst tragen.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

 

 

 

Tatbestand

 

 

Die Beteiligten streiten für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 15. Juli 2002 um die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund seiner Tätigkeit für die R AG (Beigeladene zu 1, im Folgenden: Beigeladene).

 

Der 1964 geborene Kläger ist gelernter Bankkaufmann und war in diesem Beruf bis 1987 tätig. Seit März 1988 verfügt er über eine Erlaubnis nach § 34c Gewerbeordnung (GewO). Seit diesem Jahr betreibt er – auf der Grundlage zweier Gewerbeanmeldungen – die Fa. V Management und ist als Handelsvertreter für verschiedene Vertragspartner, unter anderem Versicherungen und Banken, bzw. als Finanzdienstleister tätig. Nach eigenen Angaben trainiert er aufgrund einer 1995 absolvierten „Ausbildung zum Trainer“ „unterschiedliche Vertriebe in den Bereichen Rhetorik, Verkauf & Motivation“ und ist außerdem Gesellschafter-Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft VHG.

 

Mit der Beigeladenen schloss er unter dem 26. Oktober 1997 einen Grundvertrag mit unter anderem folgendem Inhalt:

 

„1. Der Finanzkaufmann [= d. Kl.] wird als selbständiger Handelsvertreter gemäß §§ 92, 84ff. HGB gerichtet auf die Vermittlung von Allfinanzangeboten für die R tätig sein.

 

Bestandteil und Inhalt dieses Grundvertrages sind die dem Finanzkaufmann übergebenen folgenden Anlagen:

 

A Provisionsleistungen und -Bedingungen

B […]

C Karriereplan

D Zusatzleistungen […]

 

Mündliche Nebenabreden sind neben diesen Vertrag nicht getroffen worden. Änderungen des Vertrages sowie auch der Vereinbarung der Schriftform bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

 

2. Der Finanzkaufmann wird seine Tätigkeit für die R entsprechend dem Karriereplan (Anlage C) beginnen

 

am: 01. 01. 1998

als: Regionaldirektionsleiter

 

3. Der Finanzkaufmann verpflichtet sich, die öffentlich-rechtlichen Vorschriften, insbesondere die Gewerbe- und Steuerrichtlinien Bestimmungen in eigener Verantwortung zu erfüllen.“

 

4. Im übrigen gelten folgende besonderen Vertragsbedingungen:

 

b) Während der Vertragsdauer ist es dem Finanzkaufmann untersagt, selbst oder durch Dritte für einen Mitwettbewerber der R oder deren Partnergesellschaften tätig zu sein sowie in gleicher Weise sich an einem Konkurrenzunternehmen der R oder deren Partnergesellschaften zu beteiligen, Mitarbeiter oder Kunden der R oder deren Partnergesellschaften abzuwerben, deren Kündigung des Vertrages mit der R in irgendeiner Weise zu fördern oder zu unterstützen sowie ohne schriftliche Genehmigung der R eine anderweitige Vermittlung- oder Verkaufstätigkeit auszuüben. Soweit der Finanzkaufmann sonstige Erwerbstätigkeiten ausüben will, sind diese der R schriftlich anzuzeigen. Bei Zuwiderhandlung gegen eine dieser Bestimmungen verliert der Finanzkaufmann, ohne daß hierdurch weitere Rechte der R ausgeschlossen werden, seinen Vergütungsanspruch für solche Geschäfte, die er nach diesem jeweiligen Verstoß getätigt hat. Unabhängig davon ist der verpflichtet, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gegen vorstehende Bestimmungen an die R eine Vertragsstrafe in Höhe von DM 5.000,00 zu zahlen. […]

 

c) Der Finanzkaufmann ist berechtigt und verpflichtet, sich in allen geschäftlichen Angelegenheiten, die sich auf seine Tätigkeit für die R und deren Produktpartner beziehen, als Angehöriger der R-Organisation auszuweisen. Auf diese Weise bewirkt er durch korrekte und qualifizierte Kundenbetreuung eine Manifestation des Ansehens und Rufes von R, von dem er auch selbst im eigenen geschäftlichen Interesse sodann profitiert. Geschäftsbriefe, Visitenkarten des Finanzkaufmannes sind über R zum Selbstkostenpreis zu beziehen und einheitlich zu verwenden.

 

Der Finanzkaufmann ist jedoch nicht befugt, im Geschäftsverkehr den Anschein zu erwecken, daß seine Zugehörigkeit zu R in irgendeiner Weise unmittelbar Vertragsbeziehungen zwischen dem Kunden und R begründen könnten. Im übrigen ist der Finanzkaufmann nicht berechtigt, rechtserhebliche Erklärungen mit Verpflichtungswirkung für oder gegen die R abzugeben oder in Empfang zu nehmen.

 

Dem Finanzkaufmann ist es nicht gestattet, Anzeigen, Druckstücke und sonstige Werbemaßnahmen im Namen der R oder auch in seinem eigenen Namen durchzuführen; Ausnahmen bedürfen der schriftlichen Genehmigung durch die R. Dies gilt auch für die Eröffnung und Unterhaltung eines Büros seitens des Finanzkaufmannes.

 

d) Der Finanzkaufmann ist ohne besondere schriftliche Ermächtigung nicht befugt, von Kunden Zahlungen – gleich welcher Art – entgegenzunehmen oder solche zu stunden, Vertragsanträge anzunehmen oder abzulehnen, die Änderung oder Verlängerung von Verträgen zu erklären, Kündigung- und Rücktrittserklärungen abzugeben, die R oder deren Partnergesellschaften durch irgendwelche Erklärungen zu verpflichten, […]

 

f) Der Finanzkaufmann ist nicht befugt, Untervertreter oder andere Mitarbeiter in eigenem Namen und für eigene Rechnung zu beschäftigen.

 

g) Die R bietet dem erfolgreichen Finanzkaufmann Zusatzleistungen an, wie diese in der entsprechenden Anlage zu diesem Vertrag auch hinsichtlich der Bedingungen näher erläutert sind. Alle Leistungen der R – gleich welcher Art – die nicht ausdrücklich mit diesem Grundvertrag nebst Anlage A (Provisionsleistungen und -Bedingungen) vereinbart werden, sind freiwillige Zusatzleistungen der R, auf die der Finanzkaufmann, auch wenn sie ihm über einen längeren Zeitraum gewährt wurden, nur in dem Umfang und unter den Voraussetzungen Anspruch hat, wie dieses in den entsprechenden schriftlichen Erläuterungen (Anlage D, Ziff. I-IX) zu solchen Zusatzleistungen jeweils bestimmt ist. Die R ist stets berechtigt, die Gewährung solcher Zusatzleistungen einzustellen, zu ändern oder die Voraussetzungen für solche Leistungen zu ändern. […]

 

Anlage A zum Grundvertrag enthielt Regelungen zu den Voraussetzungen und der Höhe von Provisionsleistungen. Nach Abs. 3 Satz 3 der in dieser Anlage enthaltenen „Provisionsbedingungen“ erfolgt die Vergütung für die Tätigkeit des Assistenten/Finanzkaufmanns durch Provisionszahlungen auf der Grundlage der jeweils gültigen Provisionstabellen (Anlage A) und des Karriereplanes (Anlage C).

 

Der in Anlage C enthaltene „Karriereplan R-Führungskraft“ beschrieb die Tätigkeit und Aufgaben eines Regionaldirektionsleiters mit „Führungstreffen / Schulung, Gewinnung und Betreuung neuer Mitarbeiter / genehmigtes R-Büro“ sowie mit folgender Passage:

„12.000 Einheiten Gruppenumsatz als Geschäftsstellenleiter in max. 12 Monaten/Führung von mind. 6 von Vertragsbeginn an direkt betreuten aktiven Mitarbeitern der Stufe Finanzkaufmann II mit der Mindestleistung von 500 Einheiten und mind. 10 Kunden. Umsatz eines Mitarbeiters oder Gruppe höchstens 40 % von 12.000 Einheiten. Gesondert vorgegebene Ausbildungskriterien erfolgreich absolviert“.

 

Die in Anlage D beschriebenen Zusatzleistungen sind „zusätzliche Aufwendungen der R für den erfolgreichen Finanzkaufmann.“ Mit dieser Zusatzleistung, die bei Abschluss des Zusatzvertrages mit der R nur so lange gewährt werden sollte, wie der Finanzkaufmann die hierfür von der R festgelegten Leistungsbedingungen erfüllt, wollte die Beigeladene dem Finanzkaufmann im Wesentlichen auch einen Ausgleich gemäß §§ 89b, 90a, 92 HGB leisten. Als Zusatzleistungen waren vorgesehen:

I.        Familienabsicherung (Risikolebensversicherung, Unfallversicherung bei Tod/Invalidität, bis zu einem Höchstalter von 63 Jahren des als Versicherte Person fungierenden Finanzkaufmannes),

II.       Versorgungswerk (nur bis zur Karrierestufe eines Geschäftsstellenleiters),

III.      „Goldene R-Uhr“ für besonders bewährte Finanzkaufleute,

IV.     Organisationszuschuss (u.a.: monatlich 1.000 DM für die Regionaldirektion),

V.      R-Aktienbeteiligungsplan (u.a.: 3 Aktien für Regionaldirektionsleiter)

VI.     Erfolgsbeteiligung,

VII.    Pensionskasse (ab der Karrierestufe Regionaldirektionsleiter, besondere Pensionsordnung, die dem Mitglied nach dem 63. Lebensjahr eine Monatsrente von 1000 €/2000 DM oder bei dessen Tod dem Ehegatten eine monatliche Witwenrente von 600 €/1200 DM),

VIII. Bonusregelung für Generaldirektionsleiter (Bonus i.H.v. 0,5 Promille „auf den gesamten Nettoumsatz jeder direkt nachgewachsen Generaldirektion seiner Provisionsstruktur“).

 

Außerdem schlossen der Kläger und die Beigeladene (Vertragsparteien) im Oktober 1997 eine ab dem 1. Januar 1998 gültige „Zusatzvereinbarung zum R-Grundvertrag“ mit folgenden Regelungen:

 

1.    Zusätzliches Aufgabengebiet des [Kl.]:   Mitarbeiterausbildung        

Mitarbeitergewinnung

Fachgebiet Baufinanzierung

2.    Probezeit:                                                     6 Monate

3.    Monatliche Grundprovision:                      DM 10 000.--

Ab einer Gesamtprovision (Grundprovision und Führungsprovision) in Höhe von DM 200 000,- pro Jahr wird die Grundprovision um den diesen Betrag übersteigenden Anteil gekürzt. Eigenumsatz des [Kl.] wird zusätzlich verprovisioniert.

4.    Jahresurlaub des [Kl.]:                               30 Arbeitstage

5.    R AG überlässt [Kl.] einen Firmenwagen der Mittelklasse zur Nutzung oder erstattetet [Kl.] bei Verwendung des eigenen Kraftfahrzeugs eine Km-Pauschale in Höhe von DM -, 50 pro gefahrenen Kilometer.

6.    R AG überlässt [Kl.] einen Büroraum sowie die Telefonanlage in der R-Zentrale zur Nutzung.

7.    Anfallende Umzugskosten durch Verlegung des Wohnsitzes des [Kl.] werden durch R AG […] erstattet.

 

Eine ab dem 1. Januar 1999 gültige weitere Zusatzvereinbarung vom 9. November 1998 sah u.a. vor:

 

1.  Zusätzliches Aufgabengebiet: – Ausbau der bundesweiten Vertriebsorganisation
                                                – Einarbeitung und Schulung neuer Vertriebspartner

2.  Monatliche Grundprovision:   DM 10 000.--

3.  ab 01.01.1999 erhält [Kl.] eine erfolgsabhängige Zusatzprovision für die von ihm betreuten Mitarbeiter in Höhe von 1 ‰, die wie folgt berechnet wird: […]

4.  […]

5. [Kl.] erhält die Möglichkeit, nach Erfüllung der diesbezüglichen Kriterien in die R-Pensionskasse einzutreten.

 

Für die Zeit ab dem 1. April 2000 schlossen Vertragsparteien einen (undatierten) neuen Grundvertrag, der bei im Übrigen – auch in den Anlagen – weitestgehend inhaltsgleichen Regelungen eine Tätigkeit des Klägers als Generaldirektionsleiter vorsah. Die Tätigkeit und Aufgaben eines Generaldirektionsleiters wurde in Anlage C („Karriereplan R-Führungskraft“) beschrieben mit „Führungstreffen / Schulung / genehmigtes R-Büro und Sekretariat und Verwaltung / Mitwirkung bei der R-Geschäftspolitik“ sowie mit folgender Passage:

„60.000 Einh. als Gruppenumsatz als Direktionsleiter in max. 12 Monaten / Führung von mind. 6 aktiven Mitarbeitern der Stufe Finanzkaufmann III mit der Mindestleistung von 500 Einh. und mind. 10 Kunden. Umsatz eines Mitarbeiters oder Gruppe höchstens 40 % von 60.000 Einh.“

 

Im Hinblick auf seine Tätigkeit bei der Beigeladenen erhielt der Kläger einen Schlüssel für das R-Bürogebäude (Haustür, Erdgeschoss, I. und III. Etage). Im Telefonverzeichnis für den R-Innendienst wurde er als Vertriebsbeauftragter (Sekretariat: Manuela Dehn) geführt.

Ausweislich der vom Kläger eingereichten Ergebnisprotokolle nahm er an einer Sitzung der Geschäftsführung am 6. November 2001 teil, jedoch nicht an der Sitzung vom 5. März 2002 wegen anderweitiger Termine.

 

Nach den von der Beigeladenen, teilweise auch vom Kläger eingereichten Unterlagen stand ihm monatlich als „Provision [bis März 1999: Grundprovision] für Vermittlung von Versicherung- und Bausparverträgen“ ein Betrag von 10.000 DM bzw. (ab 2002) 5.112,92 € zu. In insgesamt 39 Kalendermonaten kamen weitere Beträge zwischen 10,11 DM und 12.078,08 DM hinzu, die von der Beigeladenen in den von ihr eingereichten Jahresübersichten als „Prov. Partner Eigenumsatz“ oder „Prov. Partner“ bezeichnet, in den für den Kläger erstellten monatlichen Abrechnungen jedoch entweder überhaupt nicht ausgewiesen oder als Teil der o.g. (Grund-)Provision bezeichnet wurden. Für die Gesamteinnahmen des Klägers aus seiner Tätigkeit für die Beigeladene ergibt sich nach deren Darstellung folgendes Bild:

 

 

Jahr

Gesamteinnahmen

1998

127.018 DM

1999

148.126,40 DM

2000

205.554,65 DM

2001

141.830,72 DM

2002

39.272,91 €

 

Im April 1999 erteilte die Beigeladene dem Kläger außerdem den Klienten Walter Prinz betreffende Provisionsabrechnungen für sich sowie den R-Mitarbeiter Ehlers über 4.843 DM bzw. 2.685,50 DM.

Nach weiteren Angaben der Beigeladenen waren dem Kläger im August 2000 im R-System insgesamt 56 „Vertriebspartner“ zugeordnet.

Ausweislich einer Abrechnung vom 23. Juni 1999 erstattete die Beigeladene dem Kläger Kfz-Belege, Taxi- und Parkgebühren, Fahrt-, Übernachtung- und Bewirtungskosten i.H.v. 3.272,45 €.

Für die Monate Februar und März 2002 stellte der Kläger gegenüber der Beigeladenen Spesen (Kraftstoff, Bewirtung, Verpflegung, Übernachtungen, Parkgebühren) i.H.v. 745,92 € in Rechnung.

 

Die Landesversicherungsanstalt Hannover teilte der Beigeladenen nach einer die Jahre 1995 bis 1998 umfassenden Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) mit, dass sie sich deren sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung anschließe, wonach die beschäftigten Handelsvertreter aufgrund des Selbständigenstatus sozialversicherungsfrei seien.

 

Nach Angaben des Klägers ließ die Beigeladene den für sie tätigen Handelsvertretern als „Arbeitsanweisung zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht“ ein Musterschreiben an die Beklagte – noch unter ihrer damaligen Bezeichnung Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) – mit folgendem Inhalt zu kommen:

 

„Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige mit einem Auftraggeber

Hier: Hilfsweise Befreiungsantrag

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

Als freie/r Handelsvertreter/in im Sinne des § 84 Handelsgesetzbuch bin ich für mehrere Produktpartner tätig. Ich stelle fest, dass ich nicht unter die Kategorie des/der „Arbeitnehmerähnlichen Selbständigen / Selbständige mit einem Auftraggeber“ falle.

 

Hilfsweise beantrage ich zur Vermeidung juristischer Nachteile und zur Wahrung der Frist die Befreiung von der Versicherungspflicht als „Arbeitnehmer ähnlicher Selbständige“ wegen Existenzgründung.“

 

Zusätzlich stellte die Beigeladene ihren Mitarbeitern – so die weiteren Angaben des Klägers – einen auf einen Herrn Mustermann ausgerichteten Formularvordruck der Beklagten („Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige mit einem Auftraggeber“) mit teilweise vorgegebenen Angaben zur Verfügung. Nach diesen Angaben werden dem (jeweiligen) Antragsteller keine Weisungen hinsichtlich der Ausführung (Art und Weise) seiner Tätigkeit erteilt, der Auftraggeber könne das Einsatzgebiet nicht ohne seine Zustimmung verändern und die Einstellung von Vertretern bzw. Hilfskräften sei nicht von der Zustimmung des Auftraggebers abhängig. Das unternehmerische Handeln wird wie folgt beschrieben: „Eigenes Büro, Telefon- und Bürokosten, Pkw-Kosten, Preisgestaltung durch Selektion verschiedener Tarife möglich, eigene Werbung möglich, Aufträge kann ich jederzeit ablehnen.“

 

Im März 2001 wandte sich der Kläger wegen „Statusfeststellung freier Handelsvertreter nach § 34c GewO sowie als freier Trainer (Lehrer) für Rhetorik, Verkauf & Motivation“ an die Beklagte und bat, ihn als freien Handelsvertreter sowie als freien Trainer zu „registrieren“. In seinem im August 2001 gestellten „Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige mit einem Auftraggeber“ gab er u.a. an,

– nicht nur für einen Auftraggeber tätig zu sein,

– ihm würden keine Weisungen hinsichtlich der Ausführung (Art und Weise) seiner Tätigkeit erteilt,

– sein Auftraggeber könne sein Einsatzgebiet nicht ohne seine Zustimmung ändern,

– die Einstellung von Vertretern bzw. Hilfskräften sei nicht von der Zustimmung seines Auftraggebers abhängig,

– seine selbständige Tätigkeit bestehe in der Beratung von Kunden (Auftraggeber) im Bereich Finanzdienstleistungen sowie der konzeptionellen Erarbeitung, Durchführung und Vermittlung von Seminaren,

– im Jahre 2000 habe seine Fa. VF einen Mitarbeiter gehabt (D T, mit einem von der Bundesagentur für Arbeit bewilligten Eingliederungszuschuss bei erschwerter Vermittlung für die Zeit vom 15. September 2000 bis 14. Mai 2001).

Ferner beschrieb der Kläger sein unternehmerisches Handeln bezüglich der von ihm betriebenen Firmen V F und V M und fügte für diese beiden Firmen auf das Jahr 1998 bezogene Einnahme-Überschuss-Rechnungen bei.

Mit Bescheid vom 7. September 2001 teilte ihm die Beklagte mit, dass für seine selbständige Tätigkeit als Handelsvertreter seit dem 1. Januar 1988 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehe, weil er auf Dauer und im Wesentlichen für mehr als einen Auftraggeber tätig sei.

 

Am 25. April 2002 schloss der Kläger mit der D AG einen Vertrag über seine am 2. Mai 2002 beginnende Tätigkeit als Trainer/Führungskraft. Er kündigte am 2. Mai 2002 seinen Vertrag mit der Beigeladenen mit Wirkung zum 31. August 2002. Mit Schreiben vom 11. Juli 2002 kündigte die Beigeladene ihrerseits das Vertragsverhältnis mit dem Kläger fristlos. Mit (rechtskräftig gewordenem) Urteil vom 6. Oktober 2003 verurteilte das Landgericht Hannover den Kläger, 10.225,84 € an die Beigeladene nebst Zinsen zu zahlen, weil er pflichtwidrig ab dem 2. Mai 2002 eine Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen der Beigeladenen (D AG) aufgenommen habe.

 

Wegen Fragen zum Thema „Scheinselbständigkeit sowie arbeitnehmerähnliche Selbständige“ wandte sich der Kläger ab Juli 2003 wiederholt an die Beklagte und gab in diesem Zusammenhang während des Verwaltungsverfahrens u.a. an:

– Es hätten keine weiteren Tätigkeiten, unabhängig von der R, vorgelegen.

– Soweit 1998 noch große Provisionen neben den monatlichen regelmäßigen Einkommen geflossen seien, handele sich ausschließlich um bereits 1997 erarbeitete Provisionen.

– Soweit er von der Versicherungspflicht befreit worden sei, basiere dies auf unrichtigen Angaben.

– Er sei wie auch alle anderen Mitarbeiter der Beigeladenen von dieser aufgefordert worden, sich vor der BfA als Selbständiger zu gerieren; hierzu seien ihnen Vorträge und geradezu Schulungen erteilt worden und es gebe auch zwei Schreiben, in denen ihnen mitgeteilt und aufgegeben worden sei, wie sie sich zu verhalten hätten und welche Angaben sie gegenüber der BfA machen sollten (beigefügt waren das o.g. Musterschreiben und ein mit dem o.g., teilweise ausgefüllten Formularvordruck weitgehend identischer Vordruck).

– Der Tätigkeitszeitraum bei der Beigeladenen habe aufgrund deren fristloser Kündigung am 15. Juli 2002 geendet.

– Seine Aufgabe bei der Beigeladenen sei nicht die eines Handelsvertreters, sondern die eines Personal- und Vertriebsleiters gewesen, dessen Arbeitsleistung darin bestanden habe, neue Strukturen aufzubauen, also Mitarbeiter zu suchen, auszuwählen und dann die ausgewählten Mitarbeiter den Entscheidungsträgern für eine Zusammenarbeit vorzuschlagen. Er habe wöchentlich mündlich über seine Erfolge berichten müssen.

– Von den über 300 Handelsvertretern der Beigeladenen habe nur er regelmäßig an den Geschäftsführersitzungen teilgenommen.

– Als er wegen der Geburt seiner Tochter am 17. Januar 2001 nicht zum Dienst erschienen sei, sei ihm nahegelegt worden, seine Einstellung zum Unternehmen zu überprüfen.

– Neben seiner regelmäßigen, erfolgsunabhängigen Provision von monatlich 10.000 DM habe er nur die Chance gehabt, bei Zielerfüllung eine kleine Tantieme zu erreichen.

– Provisionsabrechnungen seien nach Monaten erfolgt; eine Auflistung der Erfolge, wie es im Handelsgesetzbuch (HGB) verankert sei, habe es nicht gegeben.

– Die Beigeladene habe die Termine und die Anzahl der Zeitungsanzeigen vorgegeben.

 

Nachdem die Beklagte das Vorbringen des Klägers zwischenzeitlich als Antrag auf Statusfeststellung eingestuft hatte, nahm sie ihren Bescheid vom 7. September 2001 gemäß § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ab Beginn zurück, weil das Schreiben des Klägers vom 26. März 2001 falsche Angaben enthalte (nicht angefochtener Bescheid vom 19. April 2004).

 

Die Beklagte stellte nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 23. Februar 2005 fest, dass er seine Tätigkeit für die Beigeladene in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 31. August 2002 selbständig ausgeübt habe. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale für eine selbständige Tätigkeit. Der Kläger habe den Arbeitsort innerhalb eines vereinbarten Einsatzgebietes frei wählen können. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung hielten sich die Weisungen seines Auftraggebers im Rahmen der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung und gingen im Wesentlichen nicht über die sich für Handelsvertreter aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag ergebenden Weisungsrechte (§§ 675, 665 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB), die Interessenwahrnehmungspflicht (§ 86 Abs. 1 HGB) sowie die Berichtspflicht (§ 86 Abs. 2 HGB) hinaus. Arbeits- bzw. Anwesenheitszeiten und die Ausführung der Vermittlertätigkeit könne er überwiegend frei bestimmen. Seine Chancen und zugleich das von ihm zu tragende Unternehmerrisiko bestünden hier in der Berufsausübung, da die Höhe der zu zahlenden Provisionen von der Höhe und Anzahl der vermittelten Geschäfte abhänge. Ein erheblicher Einsatz von Eigenkapital sei für selbständige Tätigkeit als Handelsvertreter nicht notwendig.

 

Auf den Widerspruch des Klägers vom 18. März 2005 nahm die Beklagte diesen Bescheid zurück und lehnte den Antrag des Klägers auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status vom 28. April 2004 ab, weil § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV auf beendete Auftragsverhältnisse nicht anzuwenden sei (Bescheid vom 29. August 2007, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 10. März 2009). Das anschließende Klageverfahren endete aufgrund eines – klägerseitig angenommenen – Anerkenntnisses, mit dem sich die Beklagte (Schriftsatz vom 20. Mai 2011) bereit erklärte, über den Widerspruch des Klägers vom 18. März 2005 erneut zu entscheiden. Mit Bescheid vom 2. August 2011 nahm die Beklagte ihre Bescheide vom 29. August 2007 und 10. März 2009 zurück.

 

Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 23. Februar 2005 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2012 zurück.

 

Im Klageverfahren hat der Kläger weiter vorgetragen:

Er sei im Sommer 1997, als er noch in Wiesbaden gewohnt und bei einer Bank gearbeitet habe, von einem Mitarbeiter der Beigeladenen angesprochen worden, um deren Vertrieb im Raum Frankfurt/Main, Stuttgart und München aufzubauen.

Aus der Vereinbarung vom 26. Oktober 1997 ergebe sich, dass sein Tätigkeitsschwerpunkt die Mitarbeiterausbildung entsprechend den arbeitgeberseitigen Vorgaben sein sollte. In seiner Funktion als Regionaldirektionsleiter habe er überwiegend für seine Mitarbeiter erreichbar und daher in der Zeit von 8:00 bis 16:00 Uhr im Gebäude der Beigeladenen anwesend sein müssen. Etwa 25 % seiner Arbeitszeit habe er bei auswärtigen Terminen wahrgenommen und dann bundesweit sog. Einführungsseminare abgehalten, nachdem die Beigeladene zuvor unter ihrem Namen Annoncen geschaltet hatte. Die Interessenten hätten sich dann am betreffenden Tag am betreffenden Ort vorstellen können. Er habe persönliche Gespräche mit den potentiellen Mitarbeitern geführt und als Regionaldirektionsleiter gemäß Karriereplan zu entscheiden gehabt, welche potentiellen Mitarbeiter zur weiteren Schulung der Beigeladenen eingeladen werden sollten.

Solche berufsbedingte Reisen habe er zuvor mit dem Vorstand abstimmen müssen. Im Gegensatz zu einem selbständig Tätigen habe er seine Reisen gerade nicht selbst gestalten können, was aufgrund seines Arbeitsbereiches und der Terminierung dieser Einführungsseminare auch nicht erforderlich gewesen sei.

Ferner sei er als Mitglied des Führungsstabes zur regelmäßigen Teilnahme an der Geschäftsführungsbesprechung verpflichtet gewesen.

Er habe einen Büroraum in der obersten Etage der Zentrale der Beigeladenen gehabt. Diese habe Arbeitsgeräte gestellt und anfallende Spesen übernommen. Er sei weder im eigenen Namen noch auf eigene Rechnung tätig gewesen und habe weder eigenes Briefpapier noch einen eigenen Internetauftritt gehabt.

Er habe keinen Mitarbeiter beschäftigt. Seine Sekretärinnen (CN, M De) seien bei der Beigeladenen angestellt und von dort bezahlt worden.

Er habe in den Jahren 1998 und 1999 lediglich das vereinbarte Grundgehalt i.H.v. 120.000 DM erhalten, jedoch keine zusätzlichen Provisionszahlungen, auch nicht für die Akquisition neuer Mitarbeiter. Mit Ausnahme von zwei Kunden habe er keinen eigenen Kundenstamm zu betreuen gehabt. Die direkte Kundenbetreuung sei durch „auf Erfolgsprovision“ arbeitende Außendienstmitarbeiter der Beigeladenen erfolgt. An den jeweiligen Provisionsabrechnungen der Mitarbeiter sei er nicht beteiligt gewesen.

Die Überlassung eines Firmenwagens und die Übernahme der Umzugskosten spreche für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.

Zu keiner Zeit habe er eine Handelsvertreterabrechnung erhalten. Nach der Provisionsvereinbarung hätte eine detaillierte Abrechnung der einzelnen Verträge der Mitarbeiter nebst der Provisionsstufe und der Stornoabrechnungen erfolgen müssen.

Seine Spesenkonto habe sich auf 20.000 bis 30.000 € jährlich belaufen.

Er habe eine Kernarbeitszeit von 9:00 bis 16:00 Uhr einzuhalten gehabt, meist habe die Arbeitswoche aber 60 Stunden umfasst. Nachdem er anfänglich morgens zum Tennis gegangen und erst danach ins Büro gekommen sei, sei er von Frau S gebeten worden, die Kernarbeitszeiten einzuhalten.

Er habe in seinem Büro in den Kernzeiten von 8:00 bis 16:00 Uhr für die Telefonanlage der Beigeladenen als Assistent der Geschäftsleitung verfügbar sein müssen. Die freien Handelsvertreter hätten für die von ihnen genutzten Räume in der zweiten Etage des R-Gebäudes monatliche Miete zahlen müssen.

Auch wenn er keine Urlaubsanträge gestellt habe, habe er seinen Urlaub mit Frau S und Herrn v abstimmen müssen. Er habe keinen Urlaub nehmen dürfen, wenn dieser urlaubsabwesend gewesen sei.

Er sei für die Einstellung neuer Regionaldirektionsleiter zuständig gewesen und habe die entsprechenden Bewerbungsgespräche geführt. Die erforderliche Organisation (Buchung von Konferenz- und anderen Räumen, Einladung der Bewerber zum jeweiligen Termin, Zahlung) sei durch die Beigeladene erfolgt. Die Termine habe er mit dem Vorstandsvorsitzenden der Beigeladenen (Herr v) festgelegt. An den Sitzungen der Geschäftsführung habe er teilnehmen müssen.

Er habe Einführungsseminare für die neuen Mitarbeiter und Schulungen für alle Mitarbeiter abgehalten, sei aber selbst nicht im Vertrieb tätig gewesen.

Die Kosten des von ihm bis zu einem Unfall mit Totalschaden im Jahr 2000 genutzten Jaguars, der durch Aufkleber als Firmenwagen der Beigeladenen zu erkennen gewesen sei, habe diese vollumfänglich getragen.

 

Die Beigeladene hat vorgebracht, sie sei ein Handelsvertretervertragsunternehmen im sog. strukturierten Vertrieb. Ihre Tätigkeit sei gerichtet auf die Vermittlung von sog. Allfinanzprodukten, zu deren Durchführung sie mittels entsprechender Handelsvertreterverträge Untervertreter verpflichte, die nach einem sog. Karriereplan in Strukturen eingeordnet würden. Die Geschäfte würden jedoch ausschließlich über sie – die Beigeladene – beim vermittelten Unternehmen eingereicht und diesem verprovisioniert werden. Die jeweiligen Untervertreter enthielten von ihr Provisionsanteile. Wesentliche Aufgabe eines Handelsvertreters im strukturierten Vertrieb sei es, im eigenen Interesse, aber auch im Interesse der R möglichst viele neue Untervertreter anzuwerben, damit diese ihrerseits Verträge innerhalb der R-Struktur abschlössen.

Entsprechend dem Karriereplan und seiner Einstufung als Regionaldirektionsleiter seien dem Kläger aktive Mitarbeiter, also Handelsvertreter der R, unterstellt gewesen mit der Folge seiner Beteiligung an deren „Produktion“. Die vom Kläger erwarteten Tätigkeiten umfassten nach dem Grundvertrag neben der Eigenvermittlung die Teilnahme an sog. Führungstreffen sowie die Schulung, Gewinnung und Betreuung neuer Handelsvertreter. Die Führung eines R-Büros sei genehmigt worden.

Zusätzlich und ergänzend zum Grundvertrag sei die Zusatzvereinbarung vom Oktober 1997 geschlossen worden. Die darin geregelte „Grundprovision“ von monatlich 10.000 DM sei durchaus üblich. Die Überlassung eines Büroraumes und der Telefonanlage in der Zentrale ergäben sich als Möglichkeit schon aus dem Karriereplan und lasse im Übrigen – wie die Überlassung eines Firmenwagens, die Vereinbarung eines Jahresurlaubs oder die Übernahme von Umzugskosten – keine Zweifel an einer selbständigen Tätigkeit zu. Während der gesamten Zeit habe der Kläger nie die Genehmigung von Urlaub beantragt, sondern sei ohne Kontrolle durch sie – die Beigeladene – völlig frei darin gewesen, wann und wie lange er Urlaub machen wolle. Die Probezeit habe sich nur auf die Zusatzvereinbarung bezogen.

Soweit die Einstufung des Klägers als Generaldirektionsleiter ab dem 1. April 2000 die „Mitwirkung bei der R-Geschäftspolitik“ vorgesehen habe, korrespondiere hiermit die Tatsache, dass der Kläger an den Geschäftsführersitzungen teilgenommen habe.

Das Abhalten von Einführungsseminaren und das Ansprechen neuer „potentieller“ Mitarbeiter folge aus der Funktion des Generaldirektionsleiters.

Die Gewährung eines Büroraumes in der Zentrale, die Zurverfügungstellung gewisser Arbeitsgeräte und der Umstand, dass der Kläger mangels eigener Mitarbeiter auf solche der R habe zurückgreifen dürfen, stelle eine Zusatzleistung im Rahmen seiner Einstufung im Karriereplan dar.

Nicht richtig sei, dass der Kläger zur Anwesenheit von 8:00 bis 16:00 Uhr, zur Abstimmung „berufsbedingter Reisen“ mit dem Vorstand und zur regelmäßigen Teilnahme an Geschäftsführerbesprechungen verpflichtet gewesen sei.

Neue Einzelberater zu suchen und anzuwerben, sei eine Aufgabe der Führungskräfte. Der Kläger habe hauptsächlich Mitarbeiterschulungen geleitet, darüber hinaus aber auch Vermittlertätigkeit wahrgenommen. Sein Büro habe er mit eigenen Möbeln ausgestattet, einen Schüssel für die zweiten Etage, auf der die Handelsvertreter gesessen hätten, habe er nicht gehabt. Der Kläger habe eigene Provisionsabrechnungen erhalten.

 

Mit Urteil vom 27. Mai 2016 hat das Sozialgericht Berlin den Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2009 aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 31. August 2002 aufgrund einer abhängigen Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig gewesen sei. Das Sozialgericht hat – u.a. unter Bezugnahme auf § 7 SGB IV und § 84 HGB sowie hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) – zur Begründung ausgeführt, das Aufgabenfeld des Klägers habe sich von dem der übrigen Handelsvertreter unterschieden. Aufgrund des glaubhaften Vorbringens des Klägers sei die Kammer zur Überzeugung gelangt, dass er durch die Beigeladene zur Einhaltung bestimmter fester Arbeitszeiten angehalten worden sei, deren Einhaltung durch weitere Mitarbeiter der Beigeladenen kontrolliert worden sei. Die Zahlung einer monatlichen, festen, vorab vereinbarten Vergütung in mehr als existenzsichernder Höhe, vertraglich vereinbarter, bezahlter, nicht frei planbarer Urlaub, die fehlende eigene Betriebsstätte und der fehlende Einsatz von Betriebsmitteln und eigenen Mitarbeitern, die ihm zugeteilte, von der Beigeladenen entlohnte Sekretärin und die Möglichkeit, Reisekosten abzurechnen, sprächen für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung. Der Kläger sei auch vollständig in die Betriebsorganisation der Beigeladenen integriert gewesen, was auch durch ein einheitliches Auftreten gegenüber den Kunden ersichtlich gewesen sei. Er habe weder Zahlungen einnehmen oder stunden, Vertragsanträge annehmen oder ablehnen, Verträge verlängern oder kündigen dürfen und können. Bezüglich der durchgeführten Mitarbeiterschulungen und Vorstellungen der neuen Mitarbeiter habe er Weisungen der Beigeladenen unterlegen.

 

Gegen dieses ihr am 12. Juli 2016 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beigeladenen vom 8. August 2016, zu deren Begründung sie vorträgt:

Innerhalb des strukturierten Vertriebes sei es zwingend, dass jeder für sie tätige Handelsvertreter seine Tätigkeit ganz wesentlich darauf ausrichte, neue Handelsvertreter für das Unternehmen anzuwerben, die ihm sodann in der Struktur unterstellt würden und an deren Geschäften er beteiligt sei. Dies setze zwingend voraus, dass der entsprechende Handelsvertreter die neu geworbenen Handelsvertreter in die Tätigkeit einweise und entsprechende Schulungen veranlasse. Die vom Sozialgericht herangezogenen Wettbewerbsunterlassungsbestimmungen seien für einen solchen Handelsvertretervertrieb ebenso üblich wie die Zahlung einer Garantieprovision.

Dass der Kläger Spesen erhalten habe und ihm in diesem Bereich Aufwendungen erstattet worden seien, werde mit Nichtwissen bestritten. Der vom Sozialgericht angenommene Unterschied zwischen der Tätigkeit des Klägers und der anderer Handelsvertreter bestehe nicht. Der Kläger sei nicht verpflichtet gewesen, die ihm zur Verfügung gestellten Büroräume zu nutzen. Die ihm angeblich zugeteilte Sekretärin sei nicht bei ihr – der Beigeladenen – angestellt gewesen, weil nicht sie, sondern nur ihre Tochtergesellschaft (R  GmbH) Angestellte habe. Diese Angestellten würden eingesetzt, damit die Tochtergesellschaft die ihr – der Beigeladenen – gegenüber bestehenden Verpflichtungen erfüllen könne.

Unzutreffend seien die Behauptungen des Klägers, dass er für sie nicht als Handelsvertreter im strukturierten Vertrieb tätig gewesen sei und ihm also keine anderen Handelsvertreter in der Struktur unterstellt worden seien.

Basis für alle Provisionszahlungen sei immer die Anlagesumme des Kunden. Auf diese Anlagesumme – im Versicherungsbereich werde von „Bewertungssumme“ oder „Beitragssumme“ gesprochen – zahle der Produktgeber (Investmentfonds-, Versicherungsgesellschaft, Bausparkasse) eine vertraglich festgelegte Provision, die sich prozentual auf die Anlagesumme beziehe und Basis der Provisionsberechnung sei. Das R-Vergütungssystem verfüge neben den Provisionszahlungen in DM zusätzlich über ein R-Einheitensystem, welches u.a. für Zusatzleistungen, Beförderungen und Wettbewerbe für ihre Vertriebspartner relevant sei. Auch die R-Einheiten stünden im direkten Verhältnis zur Anlagesumme.

Das vertraglich vorgesehene Aufgabenfeld spreche nicht gegen eine selbständige Tätigkeit. Auch die in den o.g. Zusatzvereinbarungen erwähnten zusätzlichen Aufgaben des Klägers stellten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) typische Handelsvertretertätigkeiten dar. Bei der Anwerbung, Einarbeitung, Schulung und Betreuung von weiteren Vertriebspartnern handele es sich ebenfalls um Tätigkeiten, die auf die Vergrößerung und den Erhalt der Vertriebsorganisation und damit wiederum auf den Betrieb an sich, also die Vermittlung von Geschäften, gerichtet seien. Auch regelmäßige Teilnahmen an Besprechungen seien mit dem Selbständigenstatus eines Handelsvertreters vereinbar. Ein Konkurrenzverbot folge auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung aus der gesetzlich zwingenden Interessenwahrnehmungspflicht des § 86 Abs. 1 Halbs. 2 HGB und habe folglich keine Statusrelevanz. Dies alles folge aus höchstrichterlicher Rechtsprechung.

Die vom Sozialgericht zugrunde gelegten beschränkten Befugnisse des Klägers entsprächen dem Wesen des Handelsvertretervertragsverhältnisses.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts habe auch ein Unternehmerrisiko bestanden, welches aufgrund der vertraglichen Vergütung- und Kostenerstattungsregelungen zwar vermindert, nicht jedoch aufgehoben gewesen sei. Insbesondere habe für ihn das Risiko bestanden, seine Arbeitszeit ohne Vergütung einzusetzen: Falls die Einleitung und Schulung der zugeordneten Handelsvertreter keine hinreichenden Vermittlungserfolge nach sich zogen, sei der Kläger zusätzlicher Provisionseinnahmen über die Grundprovision hinaus verlustig gegangen.

Dem Kläger seien nicht sämtliche Kosten erstattet worden. Dies ergebe sich bereits aus seinen Antragsunterlagen zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht im Jahre 2001.

Die Feststellungen des Sozialgerichts seien teilweise unter prozessrechtlichem Blickwinkel in keiner Weise nachvollziehbar.

Soweit Frau S den Kläger gebeten habe, die Kernarbeitszeiten einzuhalten, liege hierin keine Weisung. Dass auch der selbstständig tätige Handelsvertreter seine Urlaubs- und/oder sonstige Abwesenheitszeiten dem von ihm vertretenen Unternehmen mitteile, verstehe sich von selbst und werde sowohl vom BSG als auch vom BAG als praktische Notwendigkeit eingeordnet. Es liege auf der Hand, dass das vertretene Unternehmen über eine eventuelle Abwesenheit des Handelsvertreters vorab informiert sein sollte, schon um Nachfragen der Kunden oder zugeordneter Handelsvertreter nicht mit der Mitteilung „keine Ahnung“ abspeisen zu müssen.

Weitere vom Sozialgericht angeführten Punkte (Logo, Briefpapier, Visitenkarte, Abstimmungsgespräche) führten nicht zu einer Eingliederung in die Betriebsorganisation des Unternehmens, wie das BSG bereits in seinem Urteil vom 29. Januar 1981 (12 RK 63/79) entschieden habe.

In dem seinem Antragsschreiben vom 25. August 2001 beigefügten Fragebogen und auch noch im September 2003 habe der Kläger Angaben gemacht, die belegten, dass er sich bis dahin als freien Handelsvertreter gesehen habe. Auch heute noch sehe er sich so.

Ihre klägerseitig eingereichten Schreiben an die Mitarbeiter enthielten keine „Dienstanweisung“. Ihnen liege vielmehr in einer für die Praxis unklaren und damit unsicheren Situation eine vertretbare Rechtsauffassung zugrunde. Dass ein Handelsvertreter, der über eine Vermittlungsgesellschaft wie sie – die Beigeladene – mit mehreren Produktpartnern verbunden gewesen sei, nur einen Auftraggeber (die Vermittlungsgesellschaft) habe und nicht jeder Produktpartner als Auftraggeber i.S.v. § 2 Nr. 9 SGB VI anzusehen sei, habe das BSG erst in seinem Urteil vom 10. Mai 2006 (B 12 RA 2/05 R) geklärt.

Dass der Kläger „nach einem Gruppenumsatz bezahlt“ wurde, ergebe sich aus der konkreten, individuellen Zusatzvereinbarung vom 9. November 1998, wonach bei Überschreiten eines Jahresnettoumsatzes von 40.000 Einheiten eine erfolgsabhängige Zusatzprovision für die von ihm betreuten Mitarbeiter i.H.v. 1 ‰ zu zahlen war. Der Verweis des Klägers auf angeblich 60.000 notwendige Einheiten gehe ins Leere, weil die Zusatzvereinbarung den allgemeinen Regelungen vorgehe. Rechtsgrundlage für die Zusatz-/Führungsprovisionen seien die Zusatzvereinbarungen, nicht jedoch der jeweilige Grundvertrag.

Dass Frau S sich überhaupt gegenüber dem Kläger hinsichtlich seiner Anwesenheitszeiten geäußert habe, werde bestritten.

 

Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte den Bescheid vom 23. Februar 2005 dahin abgeändert, dass in der vom Kläger in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 31. August 2002 ausgeübten Tätigkeit für die Beigeladene keine Versicherungspflicht als abhängig Beschäftigter in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe (Bescheid vom 26. März 2019). In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie ihre Bescheide auf den Status des Klägers in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung und der Kläger seine Klage auf die Zeit bis zum 15. Juli 2002 begrenzt.

 

 

 

Die Beigeladene beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

Der Kläger beantragt,

 

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass auch der Bescheid vom 26. März 2019 aufgehoben wird.

 

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor:

Er habe nicht bestritten, dass ein Teil seiner Tätigkeit darin bestanden habe, potentielle Mitarbeiter zu akquirieren.

Üblich sei bei Handelsvertretern eine geringe Grundzahlung, die mit entsprechenden Abschlussprovisionen verrechnet werde.

Seine überwiegende Tätigkeit habe in der Mitarbeiterakquisition, der Darstellung der Beigeladenen nach außen und auch Schulungen sowie die Durchführung von Fachveranstaltungen und Präsentationen bestanden. Aus dem beigefügten Schriftverkehr mit Herrn S, der seinerseits von der Beigeladenen für Mitarbeiterschulungen gebucht worden sei, weil er – der Kläger – diese aufgrund des erheblichen Umfanges nicht mehr alleine habe durchführen können, sei zu entnehmen, dass Trainingskonzepte mit ihm – dem Kläger – abzustimmen gewesen seien. Er sei als Ansprechpartner für Herrn S und gleichzeitig als Mitarbeiter der Geschäftsleitung eingesetzt worden

Die für ihn arbeitende Sekretärin De sei in einer Pressemitteilung der Beigeladenen vom 4. März 2011 als Ansprechpartnerin für Presseanfragen benannt worden.

Die Provisionen für den Klienten P aus dem Jahr 1999 sei ihm nach seiner Kenntnis mit dem Hinweis nicht ausgezahlt worden, er erhalte ein Festgehalt. Auch seien Abrechnungen im Laufe des Monats nicht üblich gewesen. Die von der Beigeladenen vorgelegten Abrechnungen entsprächen keinesfalls einer ordnungsgemäßen und nachvollziehbaren Provisionsabrechnung, weil zum Beispiel Differenzprovisionen und Stornoreserven nicht zu erkennen seien. Es dürfte unglaubwürdig sein, dass entsprechende Unterlagen bei der Beigeladenen nicht mehr vorliegen.

Er habe seinen Urlaub – immer in Absprache mit Herrn v und Frau S – jeweils beantragen müssen. Quasi monatlich habe er Spesenabrechnungen wie die für Februar/März 2002 eingereichte erstellt; die Beigeladene habe die Spesenabrechnungen in vollem Umfange erstattet. Visitenkarten und Briefpapier habe er entgegen der Vereinbarung kostenfrei erhalten.

Soweit seine Einnahmen-Überschuss-Rechnung für das Jahr 1998 – die Einkommensteuerbescheide für die fraglichen Jahre lägen ihm nicht mehr vor – ein Betrag von 135.831,87 DM aus der Tätigkeit für die Beigeladene ausweise, sei zu berücksichtigen, dass der die jährliche Grundprovision von 120.000 DM übersteigende Betrag daraus resultiere, dass er Spesen als Umsätze angegeben habe.

Er sei nicht nach einem Gruppenumsatz bezahlt worden und habe auch keine aktiven Mitarbeiter geführt.

 

Die Beklagte ist der Auffassung, das Urteil des Sozialgerichts sei aufgrund des gerichtlich festgestellten Tatbestands hinzunehmen, und erklärt ferner, es sei derzeit nicht beabsichtigt, eigene Anträge zu stellen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die dem Senat vorgelegen hat, Bezug genommen.

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Der Kläger war bei der Beigeladenen beschäftigt und unterlag der Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

 

A. Streitgegenstand ist – neben dem Urteil des Sozialgerichts vom 27. Mai 2016 – zunächst der Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2012, beide in der Fassung des Bescheids vom 26. März 2019.

 

Der Bescheid vom 26. März 2019 "ergänzt" die Bescheide vom 23. Februar 2005 und 27. September 2012, die sich auf die (unzulässige) Feststellung einzelner Elemente der Versicherungspflicht beschränkten, in ihren Verfügungssätzen um die notwendigen Feststellungen zur Versicherungspflicht. Wird in einem solchen Fall ein wegen der Feststellung eines (unselbständigen) Tatbestandselements unvollständiger Verwaltungsakt (hierzu: BSG, Urteil vom 04. Juni 2009 – B 12 R 6/08 R –, juris) durch einen weiteren Verwaltungsakt um das fehlende (andere) Element zu einer vollständigen Feststellung ergänzt – und erst damit einer inhaltlichen, materiell-rechtlichen Überprüfung durch das bereits angerufene Gericht zugänglich gemacht –, so liegt darin eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der zweite Verwaltungsakt den ersten i.S.v. § 96 Abs. 1 i.V.m. § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ersetzt (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 12 R 17/09 R -; Landessozialgericht - LSG - Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. November 2013 – L 9 KR 294/11 –, Rn. 110; jeweils juris).

Weil der Kläger jedoch spätestens seit der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht nur noch seine Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung verfolgt und die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ihre Bescheide auf diese beiden Versicherungszweige beschränkt hat, sind die Bescheide vom 23. Februar 2005, 27. September 2012 und 26. März 2019 nur (noch) bezogen auf diese beiden Versicherungszweige Gegenstand des Rechtsstreits.

 

Gegen die Verneinung seiner Versicherungspflicht in diesem Umfang wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage. Allerdings hat er bereits im Verwaltungsverfahren (Schreiben vom 1. September 2004) darauf hingewiesen, dass seine Tätigkeit für die Beigeladene durch deren fristlose Kündigung am 15. Juli 2002 geendet habe, und hierdurch sein Begehren auf die Zeit bis dahin begrenzt. Dies hat er in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich erklärt.

 

B. Dass die Beklagte im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt hat, bleibt ohne Auswirkung. Zwar kann die Weigerung eines Klägers – entsprechendes gilt für Rechtsmittelführer –, einen Antrag zu stellen, als konkludente Rücknahme oder als konkludente Erklärung, die Hauptsache sei erledigt, ausgelegt werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13.A., § 112 Rn. 8 m.w.N.). Denn dem Antrag kommt, auch wenn das Gericht an seine Fassung ­bzw. Formulierung nicht gebunden ist (§ 123 SGG), für die Bestimmung des Streitgegenstands und daraus folgend für den Umfang von Obsiegen und Unterliegen eine maßgebliche Bedeutung bei. Dies rechtfertigt ggf. die Abweisung der Klage als unzulässig, wenn Kläger oder Rechtsmittelführer sich weigern, einen Antrag zu stellen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Januar 2019 – L 18 AS 2617/17 –, juris). Da dem typischerweise auf Abweisung gerichteten Antrag des (Rechtsmittel-)Beklagten eine solche Wirkung nicht zukommt, ist seine Weigerung, einen Antrag zu stellen, im Regelfall unschädlich. Der Verzicht der Beklagten auf einen eigenen Antrag im Berufungsverfahren kann auch nicht als konkludentes Anerkenntnis i.S.v. § 101 Abs. 2 SGG verstanden werden. Denn bei der Auslegung von Erklärungen ist nicht am Wortlaut zu haften, sondern der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen. Auch die Begleitumstände einer Erklärung sind von Bedeutung (BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 4 AS 13/20 R –, juris, Rn. 23, m.w.N.). Im vorliegenden Fall spricht bereits die Teilnahme der Beklagten an der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dafür, dass sie dem klägerischen Begehren auf der Grundlage dessen erstinstanzlichen Erfolgs durch den Verzicht auf einen Antrag im Berufungsverfahren entsprechen wollte. Dies hätte auch nicht in ihrem Interesse gelegen, weil sie nach Erteilung eines ihr Anerkenntnis umsetzenden Verwaltungsaktes (Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers) mit Rechtsbehelfen der Beigeladenen hätte rechnen müssen. Eine Befriedung der Angelegenheit wäre somit durch ein Anerkenntnis ihrerseits gerade nicht eingetreten.

 

C. Das Urteil des Sozialgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zutreffend hat es die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und Versicherungspflicht im o.g. Umfang aufgrund der Beschäftigung des Klägers bei der Beigeladenen festgestellt.

 

I. In den streitigen Zeiträumen unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 (Satz 1) Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III). Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbeson­dere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Eine abhängige Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, wobei die Freiheit bei Ort und Zeit der Tätigkeit in der modernen Arbeitswelt nicht zwingend für Selbstständigkeit spricht. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unterneh­merrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekenn­zeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Um­stände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Be­schäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, und Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, jeweils juris und m.w.N.).

 

Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zu­ordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG a.a.O.). Ein rein faktisches, nicht rechtlich gebundenes und daher jederzeit änderbares Verhalten der Beteiligten ist nicht maßgeblich (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, juris, m.w.N.). Daher spricht es nicht für eine selbständige Tätigkeit, wenn vertragliche (Weisungs-, Aufsichts- oder Überwachungs-)Rechte vom Auftraggeber faktisch nicht wahrgenommen werden. Andernfalls stünde es im freien Belieben der Beteiligten, durch zweckgerichtete Angaben zur tatsächlichen Stellung des Betroffenen im Unternehmen Sozialversicherungspflicht zu begründen oder auszuschließen (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R –, juris, Rn. 25 ff.)

 

Diese vom BSG entwickelten Kriterien zur Auslegung von § 7 Abs. 1 SGB IV sind allgemeiner Natur und beanspruchen grundsätzlich Geltung für jede Berufsgruppe (vgl. BSG, Beschluss vom 25. Juli 2011 – B 12 KR 114/10 B –, Rn. 10, und Beschluss vom 09. Februar 2016 – B 12 R 11/15 B –; jeweils juris). Die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit erfolgt – unabhängig von der Verkehrsanschauung – nach allgemeinen Kriterien und nicht bezogen auf bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf entweder in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts (BSG, Urteil vom 07. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, Rn. 16, und Urteil vom 27. April 2021 – B 12 R 16/19 R –, Rn. 15; jeweils juris).

 

Bei der insoweit gebotenen Gesamtabwägung sind sämtliche, auch solche Umstände zu berücksichtigen, die einer Tätigkeit ihrer Eigenart nach immanent, durch gesetzliche Vorschriften oder eine öffentliche-rechtliche Aufgabenwahrnehmung bedingt sind oder auf sonstige Weise "in der Natur der Sache" liegen. Ihnen ist zwar nicht zwingend eine entscheidende Indizwirkung für eine abhängige Beschäftigung beizumessen; umgekehrt ist eine abhängige Beschäftigung aber auch nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil sich bestimmte Weisungsrechte oder Vorgaben aus der Eigenart der Tätigkeit ergeben oder ihr innewohnen. Aus welchen Gründen eine Tätigkeit nach Weisungen und unter Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation statt weisungsfrei ausgeübt wird, spielt insoweit keine Rolle. Insbesondere sind berufsrechtliche Weisungsrechte nicht vom Begriff der "Weisungen" i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ausgenommen (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 R 16/19 R –, Rn. 15 f., und Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R –, Rn. 15; jeweils juris und m.w.N.). Mit der unterschiedlichen Zielsetzung berufs- und sozialversicherungsrechtlicher Regelungen ist eine am Berufsrecht – hier etwa an den Handelsvertreter betreffenden Bestimmungen der §§ 84 ff. HGB – orientierte Auslegung des sozialversicherungsrechtlichen Begriffs der Beschäftigung nicht zu vereinbaren (BSG, Urteil vom 07. Juli 2020 – B 12 R 17/18 R –, juris, Rn. 35).

 

II. Der Senat legt bezüglich der streitgegenständlichen Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene folgenden Vertragsinhalt zugrunde:

 

1. Der Schwerpunkt der klägerischen Tätigkeit war nach den vertraglichen Tätigkeitsbeschreibungen für Regional- und Generaldirektionsleiter im Karriereplan (Anlage C zu den beiden Grundverträgen) die Mitarbeiterschulung. Sie bezog sich in seiner Zeit als Regionaldirektionsleiter neben deren Gewinnung und Betreuung auf neue Mitarbeiter – gemeint waren hiermit nach dem Gesamtzusammenhang Handelsvertreter –, während sich eine solche Beschränkung in der Tätigkeitsbeschreibung für Generaldirektionsleiter nicht mehr findet.

Dass es sich bei den Schulungsaufgaben des Klägers um den Schwerpunkt seiner Tätigkeit handelt, entnimmt der Senat auch den beiden o.g. Zusatzvereinbarungen, die als „zusätzliches Aufgabengebiet“ des Klägers die Mitarbeiterausbildung und -gewinnung während seiner Zeit als Regionaldirektionsleiter sowie den „Ausbau der bundesweiten Vertriebsorganisation“ und die „Einarbeitung und Schulung neuer Vertriebspartner“ während seiner Zeit als Generaldirektionsleiter bestimmen. Für die Schulung und Einarbeitung bzw. Betreuung neuer Handelsvertreter war der Kläger demnach während seiner gesamten Tätigkeit verantwortlich.

Den Zusatzvereinbarungen kommt nicht – etwa aufgrund ihrer Bezeichnung – lediglich untergeordnete Bedeutung im Verhältnis zu den Grundverträgen zu. Denn sie enthalten auch für die Tätigkeit des Klägers im Übrigen zentrale Regelungen, etwa bzgl. der Grundprovision oder bzgl. der Überlassung eines Büros und der Telefonanlage in der R-Zentrale. Dies erkennt letztlich auch die Beigeladene an, indem sie der Zusatzvereinbarung einen Vorrang gegenüber dem Grundvertrag einräumt.

Die Durchführung von Schulungen als Tätigkeitsschwerpunkt hat der Kläger in seinem Vorbringen stets betont und der gesetzliche Vertreter der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht bestätigt. Die Durchführung der Schulungen wurde von der Beigeladenen organisiert.

Daneben hatte der Kläger – schon in seiner Zeit als Regionaldirektionsleiter – an Führungstreffen teilzunehmen und als Generaldirektionsleiter zusätzlich an der Geschäftspolitik der Beigeladenen mitzuwirken. Daraus resultierte seine – durch entsprechende Protokolle belegte – Teilnahme an Sitzungen der Geschäftsführung der Beigeladenen. Für eine Verpflichtung des Klägers zu einer Teilnahme spricht der Umstand, dass seine Abwesenheit (nebst Abwesenheitsgrund) hierfür im Protokoll der Sitzung vom 5. März 2002 ausdrücklich erwähnt wird; hierfür hätte kein Bedürfnis bestanden, wäre die Teilnahme des Klägers an diesen Sitzungen freiwillig und unverbindlich gewesen. Unabhängig hiervon beschränkt der Wortlaut des Karriereplans die Regional- und Generaldirektionsleiter nicht auf die Teilnahme an Geschäftsführungssitzungen, sondern ist sprachlich weiter gefasst („Führungstreffen“, „Mitwirkung an der R-Geschäftspolitik“).

 

Schließlich zählte die Vermittlung von Versicherungsverträgen und anderen Geschäften als „klassische“ Tätigkeit eines Handels- bzw. Versicherungsvermittlers (§ 84 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1 HGB) zum Aufgabenbereich des Klägers, wie sich aus den Grundverträgen ergibt („Handelsvertreter […] gerichtet auf die Vermittlung von Allfinanzprodukten“).

 

2. Der Kläger hat seine Tätigkeit, sofern er sich nicht auswärts zur Gewinnung und Schulung von Mitarbeitern aufhielt, in der R-Zentrale ausgeübt. Ob er hierzu verpflichtet war, lässt die Zusatzvereinbarung von Oktober 1997 mit ihrer Regelung zur Überlassung eines dort gelegenen Büros (nebst Telefonanlage) offen. Der Kläger durfte zur Ausübung seiner Tätigkeit auf von der Beigeladenen gestellte Arbeitsgeräte in seinem Büro sowie die beiden Mitarbeiterinnen N und De zurückgreifen, die bei einer Tochtergesellschaft der Beigeladenen beschäftigt waren, um deren Verpflichtungen gegenüber der Beigeladenen zu erfüllen.

Eine auf bestimmte Uhrzeiten bezogene Anwesenheitspflicht des Klägers lässt sich den vertraglichen Bestimmungen nicht entnehmen. Gleichwohl konnte der Kläger nicht nach eigenem Gutdünken entscheiden, an welchen Tagen und zu welchen (Tages-) Zeiten er seiner Tätigkeit für die Beigeladene nachgehen wollte. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob der Kläger – wie von ihm behauptet und der Beigeladenen bestritten – von Frau S um die Einhaltung der Kernarbeitszeiten von 8 bis 16 Uhr gebeten wurde. Denn es war – wie von der Beigeladenen ausdrücklich betont – aus ihrer Sicht selbstverständlich, dass ein „Handelsvertreter seine Urlaubs- und/oder Abwesenheitszeiten dem von ihm vertretenen Unternehmen“ mitteile, weil dieses „über eventuelle Abwesenheitszeiten des Handelsvertreters vorab informiert sein sollte, um nachfragende Kunden oder zugeordnete Handelsvertreter nicht mit der Mitteilung ,keine Ahnung‘ abspeisen zu müssen“.

 

Der Kläger konnte – zumindest 1998 – 30 Arbeitstage bezahlten, da nicht mit einer Kürzung der erfolgsunabhängigen Grundprovision verbundenen Urlaub beanspruchen. Der Senat sieht keine Anhaltspunkte dafür, diese Urlaubsregelung als „Versehen“ o.Ä. der Vertragsparteien einzustufen. Denn sie ist Teil der – im Gegensatz zur den Grundverträgen individuell ausformulierten – Zusatzvereinbarung und betrifft einen für Arbeitsverhältnisse, nicht aber für Selbständige typischen Gegenstand (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2015 – B 12 KR 10/14 R –, juris, Rn. 18) in einem den gesetzlichen Anspruch (24 Werktage jährlich gem. § 3 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz) sogar übersteigenden Umfang. Die ausdrückliche Gewährung von jährlich 30 Urlaubstagen lässt daher nur den Schluss zu, dass der Kläger Umfang und zeitliche Lage derjenigen Tage, an denen er keine der vertraglich geschuldeten Leistungen zugunsten der Beigeladenen erbringen wollte, nicht völlig frei festlegen, sondern sich abstimmen musste. Gegen eine diesbezüglich freie Wahl des Klägers spricht auch das o.g. Interesse der Beigeladenen, vorab über seine Abwesenheit informiert zu werden.

 

3. Dem Kläger standen als Vergütung für seine Tätigkeit nicht nur die Grundprovision i.H.v. 10.000.- DM zu, sondern auch weitere Zahlungen, die sich entweder als Zusatzprovision aus der Zusatzvereinbarung von November 1998 oder aus Anlage D („Zusatzleistungen“) zu den Grundverträgen ergaben. Darüber hinaus konnte er einen mit einem firmenbezogenen Aufkleber versehenen Dienstwagen oder – bei Verwendung des eigenen Pkw – Fahrkostenerstattung in Gestalt einer Km-Pauschale verlangen. Auch wenn sich diesbezüglich Regelungen nur in der Zusatzvereinbarung von Oktober 1997 finden, entnimmt der Senat dem insoweit nicht divergierenden Vorbringen der Vertragsparteien, dass hieran auch ab 1999 festgehalten wurde.

Ferner übernahm die Beigeladene die Kosten des für die Aufnahme der Tätigkeit in Hannover erforderlichen Umzugs des Klägers.

 

4. Der Kläger durfte keine Dritten zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Beigeladenen einsetzen (jeweils Ziff. 4 lit. f der Grundverträge). Während jedoch der ab dem 1. April 2000 geltende Grundvertrag dies bei Zustimmung der Beigeladenen zuließ, schloss der ältere Grundvertrag die Beschäftigung jeglicher Art von Mitarbeitern, also etwa auch für bloße Hilfstätigkeiten wie Sortieren, Aufräumen, Reinigen, aus.

 

5. Hiervon abweichende mündliche Abreden sind für den Senat nicht erkennbar. Insbesondere die von den Vertragsparteien kontrovers geführte Diskussion über die mit der Tätigkeit des Klägers verbundenen Pflichten belegt, dass sich jenseits der schriftlichen Vereinbarungen offenkundig keine Übereinkunft über sonstige vertraglichen Regelungen hat erzielen lassen.

 

III. Auf dieser Grundlage und unter Beachtung der vom BSG entwickelten o.g. Kriterien zur Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit überwiegen die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände bei weitem.

 

1. Der Senat kann offenlassen, inwieweit der Kläger einem Weisungsrecht der Beigeladenen unterlag (hierzu a.). Denn er war jedenfalls in einer seine Tätigkeit prägenden Weise in die betriebliche Organisation der Beigeladenen eingegliedert (hierzu b.).

 

a. Ein Weisungsrecht kann nach dem o.G. bei Diensten höherer Art – etwa bei hoher Qualifikation oder einer leitenden Tätigkeit – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. An der Erteilung konkreter Aufträge bzw. Weisungen wird es etwa dann fehlen, wenn es gerade Aufgabe der Erwerbstätigen ist, eigenständig Konzepte zu entwickeln, Aufgaben für sich und andere zu definieren oder ihre besondere Sach- und Fachkunde einzusetzen (Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 7 Abs. 1 SGB IV (Stand: 06.09.2021), Rn. 90). Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb bzw. in eine fremde Arbeitsorganisation stehen weder in einem Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen. Eine Eingliederung geht nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht einher (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 R 8/20 R –, juris, Rn. 15).

 

b. Der Kläger war in vielfältiger Weise in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen integriert und nahm insofern funktionsgerecht dienend an deren Arbeitsprozess teil.

 

aa. Der Kläger war in die bei der Beigeladenen bestehende hierarchische Struktur (zu diesem Kriterium: BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 12/17 R –; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Mai 2019 – L 8 R 930/16 –; jeweils juris; Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht / Zieglmeier, Stand: Juli 2021, SGB IV § 7 Rn. 121; Kocher, ZEuP 2021, 606 (615 ff)) eingebunden. Diese Struktur besteht aus insgesamt 15 Stufen und reicht vom Assistenten über verschiedene Formen des (All-) Finanzkaufmannes bis zum Generaldirektionsleiter. Innerhalb dieser Strukturen waren dem Kläger bestimmte Aufgaben vorgegeben, wie die Schulung und Betreuung (neuer) Mitarbeiter; gleichzeitig waren ihm andere Handelsvertreter, er selbst hingegen der Geschäftsleitung unterstellt. Er nahm am Arbeitsprozess der Beigeladenen, der Vermittlung von Finanzprodukten, teil, indem er – wie bereits festgestellt – auch selbst Versicherungs- und andere Verträge vermittelte.

 

bb. Während für Selbständige prägend ist, dass sie ihre Tätigkeit nach eigenem Gutdünken gestalten, weil sie über eine eigene Betriebsstätte, eigene Arbeitsmittel und/ oder eigenes Personal verfügen (BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 R 16/19 R –, juris, Rn. 22), verrichtete der Kläger seine Tätigkeit mit den ihm von der Beigeladenen zur Verfügung gestellten Betriebs- und personellen Mittel. Er nutzte ein ihm von der Beigeladenen überlassenes Büro bzw. von dieser finanzierte auswärtige Schulungsräume in Hotels und nutzte – zumindest bis zum Jahr 2000 – einen Firmenwagen. Klassische Sekretariatsaufgaben wie Annahme von Telefongesprächen oder Schreibarbeiten übernahmen zwei Mitarbeiterinnen (Frau De und Frau N) der R-Organisation. Dass diese beiden Kräfte nicht unmittelbar bei der Beigeladenen, sondern bei deren Tochtergesellschaft beschäftigt waren, ist ohne Bedeutung, weil sie gleichwohl Teil der von der Beigeladenen zu verantwortenden Arbeitsorganisation waren.

Bei einer Selbständigkeit des Klägers wäre zu erwarten gewesen, dass er ein von der Beigeladenen unabhängiges Büro unterhält, die Schulungen ohne wesentliche Unterstützung der Beigeladenen durchführt und insbesondere allein finanziert und ggf. bei ihm beschäftigte Mitarbeiter einsetzt. All dies trifft im vorliegenden Fall jedoch nicht zu.

 

c. Für eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen sprechen ferner folgende Umstände:

 

aa. Die Beigeladene wollte über die Abwesenheitszeiten des Klägers vorab informiert sein, um bei Nachfragen von Kunden oder nachgeordneten Handelsvertretern auskunftsfähig zu sein (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2001 – B 12 KR 18/00 R –, BeckRS 2001, 40435). Ob es sich hierbei um eine „praktische Notwendigkeit“ handelt – so die Darstellung der Beigeladenen –, die sich quasi aus der Natur von Handelsvertretungstätigkeiten ergebe, ist nach dem o.G. irrelevant.

 

 

bb. Nicht der Kläger selbst, sondern die Beigeladene unterhielt Vertragsbeziehungen mit den Versicherungsgesellschaften und sonstigen Produkteanbietern, nur sie rechnete die von ihm vermittelten Verträge mit diesen ab (zu diesem Aspekt vgl. BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, juris).

 

cc. Der Kläger unterlag nach Ziff. 4 lit. b der Grundverträge einem weitreichenden Wettbewerbsverbot. Dies ist für Arbeitnehmer typisch (BSG, Urteil vom 10. August 2000 – B 12 KR 21/98 R –, Rn. 23, m.w.N.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07. Mai 2014 – L 5 KR 5602/11 –, Rn. 131; vgl. auch BAG, Urteil vom 20. September 2006 – 10 AZR 439/05 –; jeweils juris), weil es für einen höheren Grad an Abhängigkeit des Erwerbstätigen spricht (BSG, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R –, juris, Rn. 49).

 

dd. Es gab ein gemeinsames firmenbezogenes Erscheinungsbild aller R-Handelsvertreter, das in einem Firmenlogo, einheitlich gestalteten Visitenkarten und ebensolchem Briefpapier, aber auch in dem firmenbezogenen Aufkleber auf dem Dienstwagen des Klägers zum Ausdruck kam. Ebenso wie bei einheitlicher Dienstkleidung ist insofern ohne Belang, ob die Nutzung dieser Utensilien vorgegeben oder freigestellt war (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 R 16/19 R –, juris, Rn. 21).

 

2. Der Kläger trug kein nennenswertes unternehmerisches Risiko.

 

a Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen. Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf. nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze (BSG, Urteile vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, und vom 31. März 2015 – B 12 KR 17/13 R –; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Februar 2021 – L 14 KR 52/16 – und Urteil vom 14. Juni 2017 – L 9 KR 354/13 –; jeweils juris und m.w.N.). Risikolos in diesem Sinne ist insbesondere die Vereinbarung eines gleichbleibenden Entgelts für geleistete Stunden (BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, juris, Rn. 31) oder einer gleichbleibenden, erfolgsunabhängigen Vergütung (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09. Mai 2018 – L 8 R 234/15 –, juris; Zieglmeier, a.a.O., Rn. 265, m.w.N.).

 

b. Der Kläger hat seine Arbeitskraft nicht mit dem Risiko eingesetzt, keine Vergütung zu erhalten.

 

aa. Dem stand schon die erfolgsunabhängige, daher garantierte Grundprovision i.H.v. 10.000.- DM monatlich entgegen. Mit der Möglichkeit, durch besondere Anstrengungen zusätzlich weitere erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile zu erarbeiten, war für den Kläger hingegen mangels Verlustgefahr kein unternehmerisches Risiko verbunden. Selbst wenn er insofern dem Risiko ausgesetzt gewesen sein sollte, diese zusätzlichen Anstrengungen ohne die Gewissheit einer Zusatzprovision zu unternehmen, wäre dies im vorliegenden Fall irrelevant, weil die monatliche Garantieleistung existenzsichernden Umfang hatte (vgl. zu diesem Aspekt LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. März 2016 – L 9 KR 114/13 –, Rn. 59; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Dezember 2012 – L 1 (16) KR 227/09 –, Rn. 30; jeweils juris), sodass die Umstände, unter denen weitere Vergütungsbestandteile „on top“ erwirtschaftet werden konnten, irrelevant sind.

 

bb. Der Kläger verfügte – wie bereits dargelegt – über keine eigene Betriebsstätte und setzte keine eigenen Arbeitsmittel oder eigenes Personal zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten ein. Der einzige Kapitalaufwand, den er im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Beigeladene betrieb, lag in der Ausstattung seines Büros mit eigenen Möbeln. Selbst wenn er diese eigens für sein Büro in der R-Zentrale angeschafft haben sollte, läge hierin – im Vergleich zu seinen Einkünften i.H.v. teilweise weit über 120.000 DM jährlich – kein Kapitalaufwand, der ein nennenswertes unternehmerisches Risiko begründen könnte.

 

c. Dem für Selbständige im Vertriebsbereich typischen Risiko, Betriebsmittel (z.B. Betriebsräume, Werbe- und Informationsmaterial oder Bürogeräte wie PC, Telefonanlage, Drucker) oder Reisekosten selbst finanzieren zu müssen, war der Kläger gerade nicht ausgesetzt, da diese Kosten – ggf. im Wege der nachträglichen Erstattung – von der Beigeladenen getragen wurden. Außerdem sah Anlage D der Grundverträge die für die Beauftragung Selbständiger nicht charakteristische Möglichkeit vor, dass die Auftraggeberin (Beigeladene) sich an den Organisationskosten des Auftragnehmers (Klägers) mit einem Organisationszuschuss beteiligte.

 

3. Weitere Umstände sprechen ebenfalls für eine Beschäftigung des Klägers.

 

a. Dem Kläger war die für Selbständige charakteristische Möglichkeit, nach eigenem Dafürhalten darüber zu entscheiden, ob er die vertraglich geschuldeten Leistungen allein oder mithilfe bei ihm beschäftigter Personen erbringen will, weitgehend verwehrt. So schloss der ab 1998 geltende Grundvertrag die Beschäftigung jeglicher Art von Mitarbeitern aus, sodass der Kläger nicht einmal für reine Hilfstätigkeiten wie Sortieren, Aufräumen, Reinigen auf die Unterstützung Dritter hätte zurückgreifen dürfen. Aber auch der jüngere Grundvertrag ließ dem Kläger im Hinblick auf eine Unterstützung bei der Vermittlungstätigkeit keine wirkliche unternehmerische Freiheit, hing insoweit die vertragliche Verpflichtung Dritter doch von der Zustimmung der Beigeladenen ab. Dass der Kläger nach diesem Vertrag Dritte ggf. für andere als Vermittlungstätigkeiten hätte auf seine Kosten hinzuziehen oder diesen seine Aufgaben gar hätte übertragen dürfen, ändert im Ergebnis nichts. Zum einen sieht selbst die Rechtsprechung des BAG (BAGE 87, 129; 98, 146) eine solche Möglichkeit lediglich als ein nicht von vornherein ein Arbeitsverhältnis ausschließendes Indiz an. Zum anderen kommt ihr Gewicht allenfalls dann zu, wenn die persönliche Leistungserbringung nicht mehr die Regel ist und die Leistungserbringung durch einen Dritten das Gesamtbild der Tätigkeit wesentlich verändert (BSG, Urteil vom 11. März 2009 – B 12 KR 21/07 R –, Senat, a.a.O.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Februar 2017 – L 9 KR 234/13 –, juris, Rn. 101). Dies ist hier nicht der Fall.

 

b. Anlage D zu den Grundverträgen sieht mit der möglichen Einbeziehung in eine Pensionskasse eine Beteiligung der Beigeladenen an der Alterssicherung des Klägers vor. Hierbei handelt es sich um ein für Arbeitnehmer und Beschäftigte charakteristisches, Betriebsrenten und anderen Versorgungsbezügen i.S.v. § 229 SGB V vergleichbares Instrument (zur Beitragspflicht auf Pensionskassenleistungen vgl. BSG, Urteil vom 23. Juli 2014 – B 12 KR 28/12 R –, juris). Ob der Kläger tatsächlich die vereinbarten Voraussetzungen für den Zugang zu dieser Pensionskasse erfüllte, ist unerheblich. Denn es zeichnet die Vereinbarung zusätzlicher, oftmals erfolgsabhängiger Vergütungsbestandteile in Arbeitsverträgen aus, dass sie von weiteren, z.T. vom Arbeitnehmer nicht oder wenig beeinflussbaren Bedingungen (z.B. einem bestimmten Jahresumsatz des Unternehmens oder einer freien, jederzeit widerruflichen Gewährung durch den Arbeitgeber) abhängen (vgl. Rücker, in: Münchener Vertragshandbuch, Bürgerliches Recht II, 8.A., Kap. XIX, Nr. 7, 9, 11; Schimmelpfennig, in: Krauß/Weise, Beck’sche Online-Formulare Vertrag, 58. Ed., Kap. 2.1.8, 2.1.10, 2.1.13).

 

c. Dem Kläger wurde – zumindest für 1998 – ein vertraglicher Urlaubsanspruch eingeräumt. Dies steht im Widerspruch zu den Wirtschaftsbedingungen eines Selbständigen, der grundsätzlich nach eigenem Gutdünken entscheidet, an welchen Tagen er tätig wird, um die mit seinen Auftraggebern vereinbarten Verpflichtungen zu erfüllen. Aufgrund dessen ist für Dienstverträge mit Selbständigen die Vereinbarung eines Urlaubsanspruchs untypisch. Dies gilt umso mehr, als nach der o.g. Auslegung des Senats die Vereinbarung des Urlaubsanspruchs sachgerecht erscheint, wenn der Kläger Umfang und zeitliche Lage derjenigen Tage, an denen er keine vertraglich geschuldeten Leistungen zugunsten der Beigeladenen erbringen wollte, nicht völlig frei festlegen konnte, sondern sich abstimmen musste. Ob es darüber hinaus eines ausdrücklichen Urlaubsantrags des Klägers bedurfte – die Beigeladene bestreitet dies –, ist angesichts dessen unerheblich.

 

4. Irrelevant ist, dass der Kläger neben seiner Tätigkeit für die Beigeladene auch noch eigene Firmen führte. Denn der Gesetzgeber hält, wie § 8 Abs. 2 und 3 SGB IV belegen, ein Neben­einander von Beschäftigung(en) und selbständiger Tätigkeit für zulässig.

 

5. Eine Qualifizierung der streitgegenständlichen Tätigkeit des Klägers als selbständig lässt sich auch nicht aus den hierauf gerichteten vertraglichen Vereinbarungen mit der Beigeladenen herleiten.

 

Dem Willen der Vertragsparteien kommt generell nur dann überhaupt eine potentielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen. Nur unter diesen Voraussetzungen ist der in einem Vertrag dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen; hierdurch wird eine Selbstständigkeit jedoch nicht vorfestgelegt. Dabei ist das Gewicht des Indizes umso geringer, je weniger eindeutig die Vertragsgestaltung ist und je stärker die Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen sind (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R –, juris, Rn. 36, m.w.N.; speziell für die vertragliche Bezeichnung als "Handelsvertreters" BSG, Urteil vom 24. September 1981 – 12 RK 43/79 –, juris, Rn. 21).

 

Ohne Bedeutung sind insbesondere Vertragsklauseln, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw. Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw. zu vermeiden (z.B. Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bei Urlaub bzw. von Urlaubsgeld; Verpflichtung, Einnahmen selbst zu versteuern; Obliegenheit, für mehrere Auftraggeber tätig zu werden oder für eine Sozial- und Krankenversicherung selbst zu sorgen). Solche Abreden lassen ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, eine Beschäftigung bzw. Versicherungspflicht als daraus resultierender Rechtsfolge auszuschließen, zu (vgl. auch § 32 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I). Darüber hinaus kommt solchen Vertragsklauseln bei der im Rahmen des § 7 Abs. 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung zu (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, juris, Rn. 27). Werden die entsprechenden Rechte dem Erwerbstätigen hingegen ausdrücklich vertraglich eingeräumt, spricht dies entscheidend für den Willen der Vertragsparteien, ein Arbeits- und somit auch ein Beschäftigungsverhältnis zu begründen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Juni 2017 – L 9 KR 354/13 –, juris, Rn. 117, m.w.N.; Urteil vom 10. November 2021 – L 14 KR 474/16 –, juris, Rn. 133).

 

Hieran gemessen ist der Wille der Vertragsparteien, die Tätigkeit des Klägers (auch) sozialversicherungsrechtlich als selbständig einzustufen, unbeachtlich. Denn die weit überwiegenden sonstigen Umstände lassen nur eine Qualifizierung als Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV zu. Gegen eine Beschäftigung mögen gewisse Freiheiten des Klägers bei der Gestaltung seiner Arbeitszeit und –inhalte (etwa im Zusammenhang mit den Schulungen oder dies Art und Weise der Betreuung nachgeordneter R-Mitarbeiter) sprechen. Da diese Umstände die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene jedoch nicht prägten, kommt ihnen angesichts der (bereits dargelegten) zahlreichen und gewichtigen auf eine Beschäftigung hinweisenden Indizien nur untergeordnete Bedeutung zu.

 

6. Soweit die Beigeladene beanstandet, dass der Kläger sich selbst im Zusammenhang mit seinem Antrag aus 2001, aber auch noch im September 2003 als Selbständigen gesehen habe, handelt es sich um rechtliche Schlussfolgerungen eines Beteiligten, die für den Senat ohne Bedeutung sind. Soweit sie sinngemäß auf Angaben des Klägers aus dem Jahr 2001 verweist – wonach ihm keine Weisungen zu Art und Weise seiner Tätigkeit erteilt würden, sein Einsatzgebiet nicht ohne seine Zustimmung geändert werden könne und die Einstellung von Vertretern bzw. Hilfskräften nicht von der Zustimmung seines Auftraggebers abhängig sei –, kommt es hierauf nach dem o.G. nicht an: eine Weisungsfreiheit/-gebundenheit kann der Senat im vorliegenden Fall dahinstehen lassen, im Übrigen handelt es sich um die unzutreffende Wiedergabe vertraglicher Verpflichtungen bzw. Freiheiten durch einen Beteiligten, die den Senat – selbstverständlich – nicht bindet.

 

7. Mit seiner Entscheidung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu der von der Beigeladenen zitierten Rechtsprechung des BAG und des BGH. Denn diese hatten nicht über den hier entscheidungstragenden Begriff der Beschäftigung (§ 7 Abs. 1 SGB IV), insbesondere nicht über die Frage der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation, zu entscheiden. Der Senat weicht auch nicht von der Entscheidung des BSG vom 29. Januar 1981 (12 RK 63/79, juris) ab, da diese noch zur Rechtslage vor Einführung des SGB IV am 1. Juli 1977 ergangen und daher nicht § 7 SGB IV als Grundlage hat. Im Übrigen hatte das BSG in der dortigen Entscheidung einen von einer Bausparkasse hauptberuflich mit der Vermittlung von Bausparverträgen betrauten Bezirksleiter als selbständigen Handelsvertreter angesehen, weil ihm von der Bausparkasse – um ihm die Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung zu einer "planmäßigen und intensiven Werbung" zu ermöglichen – ein weiter Spielraum zur Entfaltung seiner unternehmerischen Fähigkeiten eingeräumt worden war, dem auf der anderen Seite ein erhebliches Unternehmerrisiko entsprach, insbesondere hinsichtlich der von ihm mitfinanzierten Werbemaßnahmen sowie der Kosten für den Betrieb einer Geschäftsstelle und für die Beschäftigung von Mitarbeitern (vgl. BSG, Urteil vom 24. September 1981 – 12 RK 43/79 –, juris, Rn. 22).

 

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 bis 4 tragen diese aus Gründen der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO) selbst, weil sie keine Anträge gestellt und somit kein Kostenrisiko übernommen haben (BSG, Urteil vom 27. Juni 2007 – B 6 KA 37/06 R –, juris).

 

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vor-liegen.

Rechtskraft
Aus
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