S 38 KA 125/19

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 125/19
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

I. Die Aufzählung der Vertretungsgründe in § 32 Ärzte-ZV ist nicht abschließend, jedoch vor dem Hintergrund des im Vertragsarztrecht geltenden elementaren Grundsatzes der persönlichen Leistungserbringung können weitere Gründe nur in Ausnahmefällen eine Durchbrechung des Grundsatzes rechtfertigen. Es kann daher lediglich eine restriktive Erweiterung der Vertretungsgründe in Betracht kommen.

II. Ein solcher rechtfertigender Vertretungsgrund ist anzunehmen, wenn es sich um eine rein ehrenamtliche Tätigkeit (z.B. ehrenamtliche Tätigkeit eines Arztes in Entwicklungsländern bei Ärzte ohne Grenzen ) handelt, bei der finanzielle Interessen nicht im Vordergrund stehen.

III. Eine Krankentransportrückholtätigkeit (ärztliche Begleitung von Patienten in Linien- bzw. Chartermaschinen Business Class im Auftrag des DRK, des ADAC und Medical Berlin), die pauschal und relativ niedrig (hier: von ca. 18 €-90 €) neben einer Aufwandsentschädigung vergütet wird, steht einer ehrenamtlichen Tätigkeit nahe.

IV. Der Begriff des Urlaubs (§ 32 Abs. 1 Ärzte-ZV) ist in der Ärzte-ZV nicht definiert. Er ist wesentlich weiter als in §§ 1 ff. Bundesurlaubsgesetz (BurlG) und abhängig von der individuellen Einstellung und dem individuellen Empfinden des Vertragsarztes. Es kann dem Vertragsarzt nicht vorgeschrieben werden, wie er seinen Urlaub zu gestalten gedenkt. Die Grenze der Auslegung des Begriffs Urlaub in § 32 Ärzte-ZV findet sich aber in dem Grundsatz der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung.

V. Zur allgemeinen Dokumentationspflicht nach § 57 BMV-Ä und zur besonderen Dokumentationspflicht bei der Erbringung der Leistung nach der GOP 35100 EBM.

 

I. Der Honorarrückforderungs- und Neufestsetzungsbescheid der Beklagten, betreffend die Plausibilitätsprüfung für die Quartale 4/12 bis 1/16 vom 09.05.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2019 wird insofern aufgehoben, als die Rückforderung auf die Implausibilität eigener Leistungen des Klägers im Zusammenhang mit Abflug- und Ankunftstagen, sowie auf die Vertretertätigkeit von Herrn Q. gestützt wird, ausgehend von einer von der Prozessbevollmächtigten geltend gemachten Rückforderungssumme in Höhe von 158.168,55 Euro. Der Ausspruch der Beklagten im Widerspruchsbescheid zur Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bleibt aufrechterhalten. Im Übrigen wird die Klage zurückgewiesen.     
   

II. Der Kläger trägt 1/8 der Kosten des Verfahrens, die Beklagte 7/8 der Kosten des Verfahrens.


T a t b e s t a n d :

Die Klage richtet sich gegen den Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2019, inhaltlich gegen die von der Beklagten vorgenommene Plausibilitätsprüfung, betreffend die Quartale 4/12 bis 1/16, verbunden mit einer Rückforderung von ursprünglich 215.326,28 €. Diese Rückforderung wurde zwischenzeitlich auf 170.496,40 € reduziert.
Zur Begründung führte die Beklagte aus, es habe zeitliche Auffälligkeiten im Quartal 4/15 gegeben. Die Prüfung sei dann auf weitere Quartale ausgeweitet worden. Die Auffälligkeiten stünden zum Teil im Zusammenhang mit den sonstigen Aktivitäten des Klägers. So habe der Kläger im Ausland erkrankte Patienten in erheblichem Umfang zurückbegleitet. Am 04.10.2017 wurde der Kläger gebeten, für die Referenzquartale geeignete Nachweise vorzulegen, die belegten, dass zum Teil auch an Abflug-und Rückkehr-Tagen Leistungen von ihm selbst in der Praxis erbracht wurden. Dem kam der Kläger allerdings nicht nach. Er gab zu verstehen, er wolle gerichtlich klären lassen, ob seine Krankenrückkehrtransporttätigkeit einen Vertretungsgrund darstelle.
Die Beklagte kam in ihrem Widerspruchsbescheid zu dem Ergebnis, es liege ein Verstoß gegen die Grundpflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung vor. Nach § 4 Abs. 5 der Satzung der KVB sei der Vertragsarzt auskunftspflichtig. Es bestehe auch eine entsprechende Dokumentationspflicht des Arztes. Im Einzelnen wurde ausgeführt, der Kläger verstoße gegen die persönliche Leistungserbringung. Es hätten unzulässige Vertretungen stattgefunden. So habe der Kläger Leistungen seines Vertreters "Q." (ab dem Quartal 4/14) abgerechnet, ohne dass ein Vertretungsgrund vorgelegen habe. Im Zeitraum Quartale 4/12 bis 1/16 sei der Kläger insgesamt an 364 Tagen mit der Durchführung von Krankenrückholtransporten, zum Beispiel für das DRK, den ADAC und Medical A-Stadt und befasst gewesen. An 260 Tagen seien Leistungen abgerechnet worden, ohne dass ein Vertretungsgrund vorgelegen habe. Einer der Grundsätze im Vertragsarztrecht sei aber der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 14.12.2011, Az B 6 KA 31/10 R) sei auch eine anderweitige privatärztliche Tätigkeit, wie sie hier in der Durchführung von Krankenrückholtransporten vorliege, kein Vertretungsgrund. Der Wortlaut von § 32 Abs. 1,2 Ärzte-ZV und die Systematik würden eine erweiternde Auslegung der Vertretungsgründe verbieten. Auf das Überschreiten des Dreimonatszeitraums komme es nicht an. Eine vorherige Genehmigung nach § 32 Abs. 2 S. 5 Ärzte-ZV durch die KVB habe ebenfalls nicht vorgelegen. Im Übrigen habe der Kläger auch die für eine Vertretung erforderlichen Voraussetzungen (§ 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Ärzte-ZV) nicht nachgewiesen. Deshalb scheide eine Zurechnung als Eigenleistung aus (§ 15 Abs. 1 S. 2 BMV-Ä).
Die Plausibilitätsprüfung bezog sich auch auf die Erbringung der Leistung nach der GOP 35100. Hierzu führte die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden aus, der Kläger habe in keinem der Fälle einen Vermerk über die ätiologischen Zusammenhänge erstellt. Dies sei notwendig zum Erfüllen der Leistungslegende. Vielmehr habe der Kläger abstrakte Textbausteine wie "therapeutisches Gespräch zum Schmerz im Zusammenhang mit Belastung" verwendet (Beispiele werden genannt).
Der Pflichtverstoß sei außerdem verschuldet. Der Sammelerklärung komme nämlich eine Garantiefunktion zu. Der Kläger habe die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt.
Bei der Ermittlung der Höhe der Rückforderung habe die Beklagte ein weites Schätzungsermessen. Die Beklagte habe exakt und taggenau eine Auswertung der Abwesenheitstage vorgenommen, an denen der Kläger Krankenrückholtransporte durchgeführt, aber dennoch Leistungen abgerechnet habe. Deshalb habe für den Ansatz eines Sicherheitsabschlages keine Veranlassung bestanden; anders aber bei der GOP 35100. Hier habe die Beklagte einen Sicherheitsabschlag in Höhe von 10 % gewährt.


Gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten ließ der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte Klage zum Sozialgericht München einlegen. Beantragt wurde eine Aufhebung des Bescheides insoweit, als ein Honorar in Höhe von 158.168,55 € zurückgefordert werde.
Zur Begründung der Klage wurde zunächst darauf hingewiesen, der Kläger begleite seit dem Jahr 2009 Patienten im Rahmen von Krankenrückholtransporten. Es habe in dem der Plausibilitätsprüfung zugrundegelegten Zeitraum eine kollegiale Vertretung durch K. und B., aber auch eine Praxisvertretung durch "Q." stattgefunden. Was die kollegiale Vertretung betreffe, so verfügten die genannten Ärzte über eine eigene LANR. Ab dem Quartal 4/14 habe man auf den Praxisvertreter "Q." zurückgegriffen. Soweit eigene Leistungen des Klägers an den Tagen abgerechnet wurden, an denen der Kläger mit dem Rücktransport von Patienten beauftragt wurde, seien diese entweder vor dem Abflug oder nach der Ankunft durch ihn oder sein Personal persönlich erbracht worden. An allen anderen Tagen sei eine Vertretung durch "Q." erfolgt.
Was die Abrechnung der GOP 35100 bzw. 35110 EBM betreffe, so sei der Leistungsinhalt erfüllt worden. Ergänzend werde auf die handschriftlichen Patientenakten verwiesen. Im Übrigen hätten in den Quartalen 1/16 - 4/16 Wirtschaftlichkeitsprüfungen stattgefunden. Dort sei die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise festgestellt worden.
Ein Verstoß gegen die persönliche Leistungserbringung liege entgegen der Auffassung der Beklagten nicht vor. Es handle sich vielmehr um eine zulässige Vertretung. Insbesondere sei von einem Vertretungsgrund auszugehen. In dem Zusammenhang sei auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 14.12.2014, B 6 KA 31/10 R) hinzuweisen. Der Vertretungsgrund "Urlaub" sei weit auszulegen. Außerhalb von § 32 Ärzte-ZV kämen als rechtfertigende Gründe etwa gerichtliche Zeugenvorladungen und Hausbesuche in Betracht. Bei der Tätigkeit des Klägers (Durchführung von Krankenrückholtransporten) handle es sich um ein Ehrenamt. Der Kläger dürfe hierfür nicht bestraft werden, da ansonsten kein Arzt mehr ein Ehrenamt übernehme. Hinzu komme, dass es dem Arzt überlassen bleiben müsse, wie er seinen Urlaub verbringe, sei es, dass er lieber am Strand liege oder dass er z.B. Krankenrückholtransporte vornehme.
Außerdem sei zu unterscheiden zwischen der kollegialen Vertretung und der Praxisvertretung. Nur die Praxisvertretung unterliege den Voraussetzungen des § 32 Ärzte-ZV. Eine Vertretung von drei Monaten innerhalb von zwölf Monaten sei zulässig und genehmigungsfrei. Im Übrigen habe der Kläger auch an Flugtagen Sprechstunden abgehalten. Im Einzelnen wurde ausgeführt, die Kürzungen in den Jahren 2012, 2013, 2014 bis zum vierten Quartal 2014 seien ohne rechtlichen Grund erfolgt. Denn erst im vierten Quartal 2014 habe eine Praxisvertretung stattgefunden. Im vierten Quartal 2014 habe es lediglich 16 Vertretertage gegeben. Damit sei die Höchstdauer im Sinne von § 32 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV eingehalten worden. Für das Jahr 2014 seien deshalb insgesamt 25.147,94 € ohne rechtlichen Grund zurückgefordert worden. Im Jahr 2015 habe es insgesamt 77 Vertretertage gegeben. Damit sei die Höchstdauer von 65 Vertretertagen überschritten worden. Insofern sei eine Honorarrückforderung in Höhe von 8.321,42 € gerechtfertigt gewesen. An einigen Flugtagen seien abgerechnete Leistungen des Klägers von diesem selbst bzw. von seinem Personal erbracht worden. Auch im Jahr 2016 habe der Kläger an bestimmten Flugtagen die abgerechneten Leistungen selbst erbracht. Im Übrigen habe eine Vertretung durch "Q." stattgefunden. Insofern seien Kürzungen in Höhe von 15.552,15 € ohne rechtlichen Grund erfolgt.
 "Q." sei auch ein geeigneter Vertreter gewesen. Ein Eintrag in das Arztregister sei nicht erforderlich gewesen. "Q." habe die Weiterbildung als praktischer Arzt erfolgreich abgeschlossen. Dieser Arzt sei wiederholt in sogenannten "Witwenquartalen" tätig gewesen. Deshalb sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte dessen Qualifikation anzweifle.
Was die Leistungen nach der GOP 35100 EBM betreffe, so sei der hohe Ansatz damit zu erklären, dass im Einzugsgebiet der Praxis keine psychotherapeutische Versorgung angeboten worden sei. Dies habe sich erst im vierten Quartal 2016 gebessert. Sofern der Kläger versehentlich Leistungen der 35100 EBM bei Tätigkeiten von "Q." abgerechnet habe, sei die Rückforderung durch die Beklagte berechtigt. Denn dieser habe nicht über die hierfür notwendige Qualifikation verfügt. Die vom Kläger selbst erbrachten Leistungen nach der GOP 35100 seien aber zu Recht in Ansatz gebracht worden. Denn die Dokumentation sei ausreichend, insbesondere sei eine ICD-Kodierung nicht erforderlich.

In ihrer Replik (12.05.2020) trug die Beklagte vor, eine Abrechnung von Leistungen, die von "Q." erbracht wurden, scheide aus, da die Vertretung an keinem Tag zulässig gewesen sei. Abrechnungen von Leistungen bei ausschließlicher Anwesenheit des nichtärztlichen Personals seien ebenfalls unzulässig. Der Kläger habe eigene Leistungen an Abflug-und Rückflugtagen nicht nachgewiesen. Im Übrigen sei der Vortrag des Klägers nicht glaubhaft. Denn es seien Fahrt-und Wartezeiten zu/an Flughäfen sowie notwendige Ruhezeiten zu berücksichtigen. So sei nicht glaubhaft, dass der Kläger vor einem in F1.-Stadt am Vormittag startenden Flug zuvor noch Leistungen persönlich in seiner Praxis erbracht habe. Aber auch an Tagen, an denen Abflüge erst am Nachmittag/Abend waren, sei es implausibel, wenn der Kläger vortrage, er habe die Leistungen persönlich erbracht. Als Beispiel wird ein Abflug am 05.09.2014 um 9:55 Uhr genannt. An diesem Tag habe der Kläger 52 Arzt-Patientenkontakte abgerechnet. Auch der Vortrag des Klägers, es seien Leistungen zu Recht abgerechnet worden, die von nichtärztlichen Personal erbracht wurden, sei unzutreffend. So habe der Kläger beispielsweise am 05.10.2012 Leistungen abgerechnet, die einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt erforderten.
Was die Abrechnung von Leistungen der GOP 35100 EBM betreffe, so sei nochmals zu betonen, dass der Kläger den Leistungsinhalt nicht erfüllt habe. Denn die Dokumentation sei unzureichend und stereotyp; insbesondere lasse diese kein konkretes psychosomatisches Beschwerdebild erkennen und sei auch nicht einem bestimmten Patienten zuordenbar. Nachträgliche schriftsätzliche Erklärungen könnten die mangelnde Dokumentation nicht heilen, da die Dokumentation aus sich heraus verständlich sein müsse.
Im Nachgang äußerte sich die Prozessbevollmächtigte des Klägers (Schreiben vom 22.06.2020). Es sei nicht zutreffend, dass der Kläger an Flugtagen keine Leistungen erbracht habe. So habe er beispielsweise am 05.09.2014 auf der Fahrt zum Flughafen aufgrund einer sehr guten Organisation noch den ein oder anderen Hausbesuch getätigt. Auch sei die Delegation von Leistungen an nichtärztliches Personal zulässig. Hinsichtlich der Praxisvertretung durch "Q." führte die Prozessbevollmächtigte aus, der Zeuge L. habe bestätigt, dass "Q." als Assistenzarzt in der chirurgischen Abteilung des damals noch bestehenden Krankenhauses M1.-Stadt tätig gewesen war. "Q.", der inzwischen verstorben ist, habe häufig Wochenenddienste in der Bereitschaftsdienstgruppe übernommen. So habe auch die Beklagte einen Rechtsschein gesetzt, auf den der Kläger habe vertrauen dürfen.
Zu "Q." wurde ausgeführt, trotz interner Recherchen seien keine Vorgänge zu "Q." gefunden worden. Im Übrigen müsse sich der Kläger selbst von der Geeignetheit des Vertreters überzeugen. Er könne sich daher nicht darauf berufen, "Q." habe oftmals Wochenenddienste in der Bereitschaftsdienstgruppe übernommen und damit sei ein Rechtsschein durch die Beklagte gesetzt worden.
Die mündliche Verhandlung am 28.10.2021 wurde unterbrochen und als Fortsetzungstermin der 27.01.2022 vorgesehen. Im Nachgang richtete das Gericht ein Schreiben an die Beteiligten (Schreiben vom 02.11.2022). In diesem wurde nach Darstellung des Sachverhalts auch die damals nach Auffassung des Gerichts bestehende Rechtslage aufgezeigt. Außerdem wurde der Beklagten aufgegeben, die Anteile der Kürzungen aufgeschlüsselt nach Quartalen mitzuteilen. Des Weiteren wurde der Beklagten aufgegeben, Erkundigungen hinsichtlich der Qualifikation von "Q." und zur vom Kläger angegebenen Tätigkeit des "Q." im Rahmen des Bereitschaftsdienstes einzuholen und dem Gericht hierüber Mitteilung zu machen. Dem Kläger wurde außerdem aufgegeben, eine repräsentative Anzahl an Dokumentationen, mindestens aber je Quartal 10 über Leistungen, die von ihm an den sogenannten Flugtagen erbracht wurden, an das Gericht zu übersenden. Ferner wurde dem Kläger aufgegeben, die für die Vertretertätigkeit von "Q." erforderliche Qualifikation zu belegen. Außerdem wurde dem Kläger aufgegeben, dem Gericht Abrechnungen über seine ehrenamtliche Tätigkeit (Teilnahme an Krankenhausrückholtransporten) vorzulegen.
In einem zur Klageakte gereichten Schreiben von K1., dem damaligen Kollegen des Klägers wies dieser auf die prekäre Versorgungslage im Landkreis hin. Er teilte mit, dass ihm der Vertreter des Klägers unter dem Namen "Q." bestens bekannt gewesen sei. Dieser sei Assistenzarzt in der chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses M1.-Stadt gewesen. Auch wisse er, dass "Q." als Vertreter im Bereitschaftsdienst und als sogenannter Witwenvertreter tätig gewesen sei.


Mit Schreiben vom 08.12.2021 legte die Prozessbevollmächtigte des Klägers dem Gericht eine Zeugniskopie des Kreiskrankenhauses M1-Stadt vom 02.10.1992 vor. Dort wurde ausgeführt, "Q." sei Assistenzarzt, Stationsarzt, aber auch Notarzt gewesen. Der Unterzeichner, P1. äußerte sich dahingehend, er könne einen Antrag auf Approbation von "Q." voll unterstützen. Vorgelegt wurde ferner ein Schreiben von M2. vom 24.03.2019. Dieser trug vor, er sei im Kreiskrankenhauses M1.-Stadt Urologe gewesen. "Q" sei seines Erachtens ein besonders qualifizierter Kollege in der Notfallbehandlung gewesen. Vom Gericht wurde schließlich L. angeschrieben. In seinem Antwortschreiben gab dieser zu verstehen, "Q." habe oft den Wochenenddienst von Kollegen übernommen und sei auch vermehrt im Bereitschaftsdienst tätig gewesen. Die Qualifikation von "Q." sei ausreichend und ein Schaden für die Krankenkassen nicht ersichtlich. Er, L. sei von 2001-2011 Vorsitzender bzw. regionaler Vorstandsbeauftragter der KVB Bezirksstelle Unterfranken gewesen.
In Ihrem Schreiben vom 03.12.2021 teilte die Beklagte mit, eine erneute hausinterne Recherche habe keine Erkenntnisse zur Qualifikation von "Q." ergeben.
Mit Schreiben vom 03.12.2021 legte die Prozessbevollmächtigte des Klägers zahlreiche Unterlagen vor, und zwar für jedes streitgegenständliche Quartal exemplarische Dokumentationen über Leistungen, die der Kläger an den sogenannten Flugtagen erbracht hat. Vorgelegt wurden außerdem Belege über die Vergütung der Rückholtransportbegleitung. Zum Beispiel sei der Einsatz des Klägers am 23.11.2012 mit 450 € entschädigt worden, was einem Stundensatz von 18,75 € entspreche.
Die Beklagte trug mit Schreiben vom 05.11.2021 vor, zum Beispiel sei am 01.07.2013 durch das Personal das Einlesen der Chip-Karten von Versicherten erfolgt. Zugleich habe K1. die Vertretung übernommen. Dennoch habe der Kläger 24 Versichertenpauschalen (GOP 03211, 03212) und 22 Chronikerpauschalen (03212) abgerechnet. Erforderlich hierfür sei aber ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt. Genannt wurden weitere sog. Beispielstage (07. bis 09.04.2014). Die Falschabrechnungen ließen sich für eine Vielzahl der vom Kläger im Anlagenkonvolut dargestellten Flugtage aufzeigen. Was den Ansatz der GOP 35100 EBM durch den Kläger betreffe, so könne bei keinem einzigen Ansatz der Leistungen ein schriftlicher Vermerk über die ätiologischen Zusammenhänge festgestellt werden. Zu bezweifeln sei auch, dass es sich bei der Rückholtätigkeit des Klägers um eine ehrenamtliche Tätigkeit handle. Denn, je nachdem liege der Stundensatz bei 50 € zuzüglich der gewährten Auslagenpauschale.
In einem nachfolgenden Schriftsatz (14.02.2022) räumte die Prozessbevollmächtigte des Klägers ein, dass im Beispiel 01.07.2013 an diesem Tag kein Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden habe, wohl aber später. Dies hätte die Beklagte sachlich-rechnerisch richtig stellen müssen. Zu einer Rückforderung hätte dies aber nicht führen dürfen. Außerdem sei nach wie vor von einer ehrenamtlichen Tätigkeit des Klägers, seine Tätigkeit bei Rückholtransporten betreffend, auszugehen. Denn maßgeblich sei, dass dem Kläger keine Einnahmen mit Gewinnerzielungsabsicht zugeflossen seien. Der Kläger wäre finanziell besser beraten gewesen, diese Tätigkeit zugunsten seiner ambulanten vertragsärztlichen Tätigkeit in der Praxis abzulehnen, da er auf diese Weise bei weitem mehr Einkünfte hätte erzielen können. Ohne Beanstandung würden Vertragsärzten Vergütungen in Höhe von 90 € bzw. 120 € für deren ehrenamtliche Tätigkeit (ehrenamtlicher Heimarzt; ehrenamtlicher Impfarzt) gewährt.
Im Hinblick auf das Pandemiegeschehen fand die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung nicht wie geplant am 27.01.2022, sondern am 02.06.2022 statt. Auf Nachfrage durch das Gericht wurde mitgeteilt, von dem Gesamtrückforderungsbetrag in Höhe von 170.496,40 € entfielen 32.162,15 € auf eigene Leistungen des Klägers im Zusammenhang mit Abflug-und Ankunftstagen (Quartale 4/12-3/14 (zuzüglich einer leistenden Quartal 4/14 vom 09.10.2014. Für den anschließenden Zeitraum (Quartale 4/14 bis 1/16) entfielen 57.862,50 € auf eigene Leistungen des Klägers im Zusammenhang mit Abflug-und Ankunftstagen. Zum Ansatz der GOP 35100, sofern sie vom Kläger erbracht wurden, äußerte der Kläger die Auffassung, bei diesen Leistungen sei anders zu dokumentieren als bei sonstigen Leistungen. Denn es gehe um den Schutz der Sphäre des Patienten. Er führe eine handschriftliche Dokumentation und versuche stets, auch die Rechte seiner Patienten zu schützen.


Es fanden im Rahmen der mündlichen Verhandlung umfangreiche Vergleichsgespräche statt, die aber letztendlich nicht zu einem Abschluss führten.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers stellte den Antrag aus dem Schriftsatz vom 03.03.2020.
Der Beklagtenvertreter beantragte, die Klage abzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschriften vom 28.10.2021 und 02.06.2022 verwiesen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage ist zulässig und erweist sich auch als teilweise begründet. Die angefochtenen Bescheide sind insofern als rechtswidrig anzusehen, als Leistungen des Klägers, die dieser an sogenannten Ankunfts-und Abflugtagen abgerechnet hat ( Ausnahme: Leistungen des Klägers nach der GOP 35100 EBM sowie nicht delegierbare Leistungen, erbracht vom nichtärztlichen Personal), in die Rückforderungssumme aufgrund der Plausibilitätsprüfung einbezogen wurden, aber auch insofern, als Rückforderungen im Hinblick auf die Vertretungstätigkeit von "Q." (richtiger Name wohl: "Q.") ausgesprochen wurden (Ausnahme: Leistungen des Vertreters nach der GOP 35100). Im Übrigen war die Klage aber als unbegründet anzusehen.

Rechtsgrundlagen für die Plausibilitätsprüfung sind §§ 75 Abs. 1, 83 Satz 1 SGB V, § 7 Abs. 1 Gesamtvertrag-Primärkassen bzw. § 8 Gesamtvertrag Ersatzkassen in Verbindung mit der Anlage 8 Gesamtvertrag-Ersatzkassen, § 106a Abs. 2 SGB V, § 46 Bundesmantelvertrag-Ärzte (= BMV-Ä) bzw. § 42 Arzt/Ersatzkassen-Vertrag (= A-EKV) bzw. § 50 Abs. 1 SGB X. Danach ist die Beklagte generell berechtigt, die Abrechnungen der Vertragsärzte auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Im Fall des Klägers hat eine solche Prüfung in den Quartalen 4/12 bis 1/16 stattgefunden.

Eine Plausibilitätsprüfung findet grundsätzlich dann statt, wenn aufgrund von Aufgreifkriterien der Verdacht der Implausibilität besteht. Abrechenbar und vergütungsfähig sind nur solche Leistungen, die in Übereinstimmung mit den für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Vorschriften, vor allem dem EBM, dem HVV bzw. dem HVM und den sonstigen Abrechnungsbestimmungen erbracht werden. Wird eine Implausibilität festgestellt, erfolgt die Rückforderung der zu Unrecht abgerechneten Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 SGB X.

Der Klage war zunächst bezüglich der eigenen, vom Kläger erbrachten Leistungen an Abflug-und Ankunftstagen (Ausnahme: Leistungen nach der GOP 35100 EBM) stattzugeben. Auf diese Leistungen entfiel laut Auskunft in der mündlichen Verhandlung am 02.06.2022 ein Betrag in Höhe von ca. 90.000 €. Diese Leistungen wurden in toto regressiert.

Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger im Zeitraum, auf den sich die Plausibilitätsprüfung der Beklagten bezog, nämlich vom Quartal 4/12 bis zum Quartal 1/16 an insgesamt 364 Tagen, also umgerechnet auf Arbeitstage in dreieinhalb Jahren (= ca. 700 Arbeitstage bei 200 Arbeitstagen jährlich) mehr als die Hälfte (= 364 Arbeitstage) mit der Durchführung von Krankenrückholtransporten beschäftigt war. Konsequenz hieraus musste sein, dass insgesamt weniger Zeit für die Tätigkeit am Praxissitz zur Verfügung stand. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 06.10.2017 im Nachgang zu dem am 04.10.2017 geführten Plausibilitätsgespräch für die Quartale 3/14 und 3/15 vom Kläger die anonymisierten Protokolle der Flugeinsätze und die gestellten Rechnungen von Q. angefordert. Dieser Aufforderung ist der Kläger nicht nachgekommen. Er hat durch seine Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 10.11.2017 mitteilen lassen, er wolle die Frage, ob ein Vertretungsgrund gegeben war, gerichtlich klären lassen, weshalb sich die Einreichung der geforderten Unterlagen erledigt habe. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob der Kläger berechtigt war, die geforderten Angaben und Unterlagen zu verweigern. Denn es obliegt ihm gemäß § 4 Abs. 2 der Satzung der KVB eine Mitwirkungspflicht, die auch eine Auskunftspflicht miteinschließt. Danach ist jedes Mitglied der KVB verpflichtet, den Organen und Stellen der KVB alle Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen vorzulegen, die zur Nachprüfung der vertragsärztlichen oder sonstigen von der KVB sichergestellten und gewährleisteten ärztlichen Tätigkeit erforderlich sind. Diese Mitwirkungsverpflichtung bezieht sich in erster Linie auf Auskunft und Unterlagen zur vertragsärztlichen Tätigkeit. Soweit die Beklagte die Übersendung anonymisierter Protokolle der Flug einsätze und von Q. gestellte Rechnungen gefordert hat, betrifft dies allerdings nicht unmittelbar die vertragsärztliche Tätigkeit des Klägers. Mittelbar kann dies aber zur Überprüfung dienen, ob der Kläger gegen seine Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verstoßen hat oder nicht. Nach Auffassung des Gerichts begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, die Mitwirkungspflicht des Klägers nach § 4 Abs. 2 der Satzung der KVB auch auf Unterlagen zu beziehen, die zumindest mittelbar mit der vertragsärztlichen Tätigkeit zusammenhängen und ohne die eine vertragsärztliche Leistungserbringung nicht beurteilbar ist. Selbstverständlich gilt es, dabei datenschutzrechtliche Bestimmungen einzuhalten.

Letztendlich kommt es aber nicht darauf an, ob der Kläger seine Mitwirkungspflicht verletzt hat. Denn die angeforderten Unterlagen sind nicht geeignet und zielführend, auf dieser Basis beurteilen zu können, ob der Kläger Leistungen an den Flugtagen erbringen konnte. Vielmehr wäre dies nur im Wege eines Abgleichs der Flugzeiten mit den exakten minutengenauen Zeiten der Erbringung vertragsärztlicher Leistungen möglich gewesen.


Im Ergebnis ist nicht auszuschließen, bestätigt durch die im Rahmen des Gerichtsverfahrens eingereichten Unterlagen, dass ein nicht unbeachtlicher Teil der regressierten Leistungen vor dem Einsatz bzw. nach dem Einsatz vom Kläger erbracht werden konnte und auch tatsächlich erbracht wurden, ohne dass eine zeitliche Kollision bzw. Überschneidung stattfand. Wenn insbesondere die Flugzeiten so sind, dass vor dem Abflug bzw. nach dem Abflug unter Berücksichtigung der Anfahrts-/Abfahrtszeiten zum Flughafen bzw. vom Flughafen - dem Vernehmen nach hauptsächlich Flughafen F1.-Stadt - genügend Zeit verbleibt, eine Praxistätigkeit auszuüben, erscheint es zumindest in zeitlicher Sicht plausibel, dass vom Kläger an den Abflug und Ankunftstagen Leistungen erbracht wurden.

Die Beklagte hat dies überhaupt nicht geprüft. Auch wenn unter Berufung auf das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 17.09.1997, Az 6 RKa 86/95) ein weites Schätzungsermessen bei Plausibilitätsprüfungen besteht, geht dieses nicht so weit, bei dieser Sachlage eine alle an den Flugtagen stattgefunden Leistungen pauschal zu kürzen. Damit verstößt die Beklagte gegen das ihr zustehende weite Schätzungsermessen.

Ein Verstoß gegen die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung liegt auch nicht darin, dass ab dem Quartal 4/14 eine Vertretung stattfand. Die Beklagte bezweifelt zum einen, ob ein Vertretungsgrund gegeben war, zum anderen die Qualifikation des Vertreters.

Die Vertretungsgründe sind in § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV geregelt. Danach hat der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben. Bei Krankheit, Urlaub und Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung kann er sich innerhalb von zwölf Monaten bis zu einer Dauer von drei Monaten vertreten lassen (§ 32 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV).

Es stellt sich die Frage, ob es sich hierbei um eine abschließende Aufzählung der Vertretungsgründe handelt. Aus der von der Prozessbevollmächtigten des Klägers zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 30.11.2016, Az B 6 KA 38/15 R) ergibt sich zum einen, dass grundsätzlich Unterbrechungen aus anderen Gründen als unzulässig anzusehen sind, andererseits das Bundessozialgericht die Frage offen lässt, in welchen Fällen über die in § 32 Ärzte-ZV geregelten Konstellationen hinaus die Praxis während der regulären Sprechstunden geschlossen werden darf. Das Bundessozialgericht spricht von rechtfertigenden Gründen und zählt als Beispiele gerichtliche Zeugenvorladungen und Hausbesuche auf. Nach Auffassung des Gerichts ist die Aufzählung der Vertretungsgründe in § 32 Ärzte-ZV zwar nicht abschließend, jedoch vor dem Hintergrund des im Vertragsarztrecht geltenden elementaren Grundsatzes der persönlichen Leistungserbringung können weitere Gründe nur in Ausnahmefällen eine Durchbrechung des Grundsatzes rechtfertigen. Es kann daher lediglich eine restriktive Erweiterung der Vertretungsgründe in Betracht kommen. Somit kommt es darauf an, ob ein solcher rechtfertigender Vertretungsgrund in der Tätigkeit des Klägers, bei Krankenrückholtransporten aus dem Ausland mitzuwirken, gesehen werden kann. Handelt es sich um eine rein ehrenamtliche Tätigkeit (z.B. ehrenamtliche Tätigkeit eines Arztes in Entwicklungsländern bei "Ärzte ohne Grenzen"), bestehen nach Auffassung des Gerichts keine rechtlichen Bedenken, einen Vertretungsgrund anzunehmen. Dagegen ist bei einer Tätigkeit egal welcher Art, bei der finanzielle Interessen im Vordergrund stehen, ein Vertretungsgrund zu verneinen.

Der Kläger wurde hier als ärztliche Begleitung bei Krankenrückholtransporten (ärztliche Begleitung von Patienten in Linien- bzw. Chartermaschinen Business Class) tätig, dem Vernehmen nach für das DRK, den ADAC und Medical A-Stadt. Er erhielt hierfür laut einer dem Gericht vorgelegten Abrechnung ein Honorar in Höhe von 450 €/Kalendertag zuzüglich sonstiger Aufwendungen (Telefonkosten, eigene Anfahrt, eventuell Hotelkosten etc.). Je nach Dauer der Flugbegleitung (geschätzte Mindestdauer: 5 Stunden) beträgt das Stundenhonorar somit 90 €-18,75 €. Daraus errechnet sich ein durchschnittliches Stundenhonorar von ca. 54 €. Bei dieser Größenordnung ist nicht von einer Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht auszugehen, sondern von einer Tätigkeit, die zwar vergütet wird, die aber einer ehrenamtlichen Tätigkeit nahe steht. Zu Recht weist die Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, der Kläger wäre finanziell besser beraten gewesen, diese Tätigkeit zugunsten seiner ambulanten vertragsärztlichen Tätigkeit in der Praxis abzulehnen.

Selbst wenn die konkrete Tätigkeit des Klägers nicht einen rechtfertigenden Vertretungsgrund im obigen Sinne darstellen sollte, erscheint es durchaus vertretbar, den Sachverhalt unter den Begriff des "Urlaubs" im Sinne von § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV zu subsumieren. Der Begriff des "Urlaubs" ist in der Ärzte-ZV nicht definiert. Er spielt insbesondere eine Rolle bei unselbstständig tätigen Arbeitnehmern, denen ein Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz (BurlG) oder nach tarifvertraglichen Regelungen zusteht. Verstanden wird darunter ein Erholungsurlaub (vgl. § 1 BUrlG). § 8 BUrlG bestimmt deshalb, dass Arbeitnehmer während des Urlaubs keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten dürfen. Eine Übertragung auf Selbstständige ist nach Auffassung des Gerichts nur bedingt möglich. Selbstständige haben auch keinen Urlaubsanspruch. Der Begriff des "Urlaubs" in § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV ist daher wesentlich weiter und abhängig von der individuellen Einstellung und dem individuellen Empfinden des Vertragsarztes. Es kann dem Vertragsarzt nicht vorgeschrieben werden, wie er seinen Urlaub zu gestalten gedenkt. Die Grenze der Auslegung des Begriffs "Urlaub" in § 32 Ärzte-ZV findet sich aber in dem Grundsatz der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung. Die Schließung einer Arztpraxis zum Zwecke der Ausübung einer weiteren beruflichen Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht, auch einer privatärztlichen Tätigkeit wäre mit dem vorgenannten Grundsatz nicht zu vereinbaren.

Davon ausgehend, dass ein Vertretungsgrund nach § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV anzunehmen ist, ist für eine Vertretung erforderlich, dass der Vertreter die notwendige Qualifikation nach § 3 Abs. 2 Ärzte-ZV besitzt. Eine Eintragung in das Arztregister ist für die Berechtigung zur Vertretung nicht erforderlich, jedoch die Voraussetzungen, die zur Eintragung ins Arztregister berechtigen. Dies sind nach § 3 Abs. 2 Buchstabe a. die Approbation als Arzt und Buchstabe b. der erfolgreiche Abschluss entweder einer allgemeinmedizinischen Weiterbildung oder einer Weiterbildung in einem anderen Fachgebiet mit der Befugnis zum Führen einer entsprechenden Gebietsbezeichnung oder der Nachweis einer Qualifikation, die gemäß § 95a Abs. 4 und 5 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch anerkannt ist. Nachdem der Vertreter des Klägers zwischenzeitlich verstorben ist, mussten anderweitig Ermittlungen zu dessen Qualifikation angestellt werden. Nach dem wiederholten Vortrag der Beklagten ist dort zu dem genannten Vertreter nichts bekannt. Dies mag damit zusammenhängen, dass die Ermittlungen zunächst zu einem Vertreter unter dem Namen "Q." stattfanden. Auch die Anfragen des Gerichts zum Namen "Q.", aber auch zum Namen "Q." beim aktuellen Krankenhausträger (H1. Kliniken) und beim ehemaligen Krankenhausträger des ehemaligen Kreiskrankenhauses M1.-Stadt (Landkreis M1.) haben zu keinem Ergebnis geführt. Zu dem Vertreter des Klägers gibt es aber verschiedene Äußerungen anderer Ärzte. So hat L. bestätigt, er wisse, dass "Q." als Assistenzarzt in der chirurgischen Abteilung des damals noch bestehenden Kreiskrankenhauses M1.-Stadt tätig gewesen war. Dieser habe auch häufig Wochenenddienste in der Bereitschaftsdienstgruppe übernommen. Die Qualifikation sei ausreichend und ein Schaden für die Krankenkassen nicht ersichtlich. Im Übrigen weist er darauf hin, dass er, L. von 2001-2011 Vorsitzender bzw. regionaler Vorstandsbeauftragter der KVB Bezirksstelle und Unterfranken gewesen sei.

Auch K. äußerte sich in einem Schreiben dahingehend, ihm sei der Vertreter des Klägers unter dem Namen "Nguyen Quang" bestens bekannt gewesen. Er sei Assistenzarzt in der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses Miltenberg gewesen. Auch wisse er, dass dieser als Vertreter im Bereitschaftsdienst und als sogenannter Witwenvertreter tätig gewesen sei. Ein weiteres Schreiben von M2. wurde dem Gericht vorgelegt. Dieser führte aus, er sei Urologe im Kreiskrankenhauses M1.-Stadt gewesen und habe den Vertreter des Klägers als besonders qualifizierten Kollegen in der Notfallbehandlung geschätzt. Ferner wurde zur Klageakte eine Zeugniskopie des Kreiskrankenhauses M1.-Stadt vom 02.10.1992 eingereicht. Der Unterzeichner, P1. führte aus, "Q." sei Assistenzarzt, Stationsarzt, aber auch Notarzt gewesen und er könne einen Antrag auf Approbation von "Q." voll unterstützen.

Aufgrund dieser Unterlagen steht für das Gericht fest, dass es eine Person mit Namen "Q." gab und diese Person ärztlich sowohl im ehemaligen Kreiskrankenhauses M1.-Stadt als Assistenzarzt, Stationsarzt, aber auch im Rahmen von Bereitschaftsdiensten, Witwenvertretungen und Notfalldiensten tätig war. Fest steht allerdings auch, dass Q. zumindest bis Ende 1992 keine Approbation besaß, wie sich insbesondere aus der Zeugniskopie des Kreiskrankenhauses Miltenberg vom 02.10.1992 ergibt. Ansonsten hätte P1. den Antrag auf Approbation nicht unterstützen müssen. Ob ihm zwischenzeitlich eine Approbation erteilt wurde, ist nicht bekannt. Die Tatsache, dass "Q." jahrelang im stationären Bereich als Arzt tätig war, lässt es äußerst wahrscheinlich erscheinen, dass die Qualifikationsvoraussetzungen vom Krankenhausträger vor Einstellung geprüft wurden und dieser eine Qualifikation besaß, die gemäß § 95a Abs. 4 und 5 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch anerkannt ist. Es trifft zwar zu, dass es Aufgabe des Vertretenen ist, sich bei der Auswahl des Vertreters von dessen notwendiger Qualifikation zu vergewissern (Ladurner, Kommentar zur Ärzte-ZV und Zahnärzte-ZV, Rn 9 zu § 32). Ehemaligen Kollegen des Vertreters aus dem stationären Bereich, aber auch Kollegen aus dem ambulanten Bereich waren die Tätigkeiten von "Q." (Assistenzarzt, Stationsarzt, Übernahme von Bereitschaftsdiensten, Übernahme von sog. Witwenvertretungen) bekannt; so auch dem Kläger. Er konnte deshalb aufgrund dieser Kenntnis und der Gesamtumstände von einer ausreichenden Qualifikation von "Q." ausgehen. Nicht nachvollziehbar sind in dem Zusammenhang die mehrfachen Äußerungen der Beklagten, man habe keine Vorgänge zu dem Vertreter des Klägers finden können. Dies verwundert auch deshalb etwas, weil L. von 2001-2011 Vorsitzender bzw. regionaler Vorstandsbeauftragter der KVB Bezirksstelle und Unterfranken gewesen war und dieser laut seiner Äußerungen sehr wohl Kenntnis von "Q." und dessen Tätigkeit hat.

Als weiteres Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die Aufhebung der Honorarbescheide Zusammenhang mit der Tätigkeit von Q. und die damit verbundene Rückforderung rechtswidrig ist mit Ausnahme der Leistungen nach der GOP 35100. Für die Erbringung der Leistungen der GOP 35100 hatte der Vertreter keine erforderliche Qualifikation, was auch vom Kläger eingeräumt wird.

Abzuweisen war die Klage aber hinsichtlich der Erbringung der Leistungen durch den Kläger nach der GOP 35100 EBM. Die GOP 35100 lautet wie folgt: "Differenzialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände". Zum obligatorischen Leistungsinhalt gehören eine differenzialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände, ein schriftlicher Vermerk über ätiologische Zusammenhänge und eine Dauer von mindestens 15 Minuten."

Nach § 57 BMV-Ä bzw. § 10 Abs. 1 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns und Art. 18 Abs. 1 Ziffer 3 Heilberufekammergesetz (HKaG) besteht für alle erbrachten Leistungen eine allgemeine Dokumentationspflicht. Dies bedeutet, der Vertragsarzt hat die Befunde, die Behandlungsmaßnahmen sowie die veranlassen Leistungen einschließlich des Tages der Behandlung in geeigneter Weise zu dokumentieren. Der Dokumentation ärztlicher Leistungen kommt große Bedeutung zu. Sie hat Beweisfunktion, beispielsweise dient sie dem Patienten im Rahmen von Strafverfahren oder im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses, aber auch dem Vertragsarzt im Rahmen der Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen zur Nachweisführung. Selbstverständlich dient sie auch dem Arzt als Gedächtnisstütze, aber auch als Informationsquelle für den Fall, dass Mitbehandler oder Nachbehandler die Behandlung des Patienten begleiten oder fortsetzen (SG Düsseldorf, Urteil vom 20.12.2006, Aktenzeichen S 2 (17) KA 276/03). Folglich dient die Dokumentation auch der Qualitätssicherung. Erfolgt keine Dokumentation oder kann der Nachweis einer Dokumentation nicht geführt werden, gelten die Leistungen als nicht erbracht (BayLSG, Urteil vom 7.7.2004, Az L 3 KA 510/02; SG Marburg, Urteil vom 13.9.2017, S 12 KA 349/16; SG Stuttgart, Urteil vom 14.09.2016, Az S 24 KA 235/14; SG E-Stadt, Urteil vom 25.07.2018, Az S 38 KA 645/16).
Bei der Erbringung der Leistungen der GOP 35100 sind darüberhinaus besondere über die allgemeinen Dokumentationspflichten hinausgehende Dokumentationspflichten zu beachten, die sich zum einen aus dem EBM selbst, aber auch aus der Psychotherapie-Richtlinie ergeben. So ist Leistungsinhalt der GOP 35100 ein schriftlicher Vermerk über die ätiologischen Zusammenhänge (Anm.: ursächlicher Zusammenhang zwischen der somatischen Erkrankung und der Psyche).

Die besonderen Dokumentationspflichten ergeben sich aber auch und insbesondere daraus, dass die Psychotherapie-Richtlinie zu beachten ist. Rechtsgrundlage der Psychotherapie-Richtlinie ist § 92 Abs. 6a SGB V. Nach § 23 Abs. 1 Psychotherapie-Richtlinie aF. (§ 24 Abs. 1 Psychotherapie-Richtlinie nF.) wird die Psychotherapie im Sinne dieser Richtlinie in der vertragsärztlichen Versorgung durch Maßnahmen der psychosomatischen Grundversorgung ergänzt. Leistungen nach den GOP 35100 (auch 35110) stellen Leistungen der psychosomatischen Grundversorgung dar. Ausdrücklich wird in § 38 Psychotherapie-Richtlinie eine schriftliche Dokumentation genannt. Danach erfordern Leistungen nach dieser Richtlinie für jede Patientin und jeden Patienten eine schriftliche Dokumentation des Datums der Leistungserbringung, der diagnostischen Erhebungen, der wesentlichen Inhalte der psychotherapeutischen Interventionen sowie der Ergebnisse in der Patientenakte. Aufgrund des geschilderten Sinns und Zwecks der Dokumentation sind bei diesem Krankheitsbild die somatischen Befunde konkret zu dokumentieren (Bei der verbalen Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen nach der GOP 35110 sind auch Fortschritte und Misserfolge zu dokumentieren; vgl. SG E-Stadt, Urteil vom 23.10.2019, Az S 49 KA 59/18). Nur dann ist der Ansatz der GOP 35100 gerechtfertigt und die Leistung abrechenbar. Hintergrund für diese gesteigerten Dokumentationspflichten ist, dass es sich um einen äußerst sensiblen Bereich handelt, dem sich auch weitere Behandlungen durch andere Leistungserbringer anschließen können. Lediglich auf diese Weise ist gewährleistet, dass Mitbehandler oder Nachbehandler die Behandlung begleiten oder übernehmen, ohne dass es zu unnötigen Friktionen oder Verzögerungen kommt. Hinzuweisen ist auch darauf, dass die Leistungen nicht von ungefähr, eben auch im Hinblick auf die Dokumentation eine Dauer von mindestens 15 Minuten voraussetzen.

Werden die oben genannten Anforderungen auf das streitgegenständliche Verfahren angewandt, ist nach Durchsicht der Unterlagen auch in der mündlichen Verhandlung festzustellen, dass die Dokumentationen des Klägers den o.g. Anforderungen nicht gerecht werden. In vielen Fällen ist ein "therapeutisches Gespräch zum Schmerz im Zusammenhang mit Belastung" dokumentiert. Abgesehen davon, dass es sich um eine stereotype und allgemeine Dokumentation handelt, fehlt ein konkreter Organbezug (Herz, Darm, Lunge, Haut), sodass kein konkretes psychosomatisches Beschwerdebild erkennbar ist. Insofern ist die Dokumentation absolut unzureichend, der Leistungsinhalt der GOP 35100 nicht erfüllt und deshalb die Leistung nicht abrechenbar. Es genügt nicht, dass dieser Organbezug unter Zuhilfenahme anderer zusätzlicher Unterlagen (handschriftliche Aufzeichnungen) irgendwie nachvollziehbar ist. Damit kann die vorgeschriebene Dokumentation nicht geheilt werden. Vielmehr muss die Dokumentation aus sich heraus klar und eindeutig sein.

Soweit in diesem Zusammenhang die Klägerseite darauf hinweist, der hohe Ansatz der GOP 35100 ergebe sich daraus, dass im Einzugsgebiet der Praxis keine psychotherapeutische Versorgung angeboten werde, rechtfertigt dies nicht den Ansatz der GOP 35100. Denn die Leistungen sind nur dann abrechnungsfähig, wenn ihr Leistungsinhalt erfüllt ist, unabhängig von der regionalen Versorgungssituation, dem Praxiszuschnitt und dem Arbeitsanfall. Im Übrigen wäre dies auch mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG gegenüber anderen Vertragsärzten nicht vereinbar.

Auch folgt daraus, dass die Wirtschaftlichkeitsgremien für die Quartale 1/16 - 4/16 offensichtlich von einer wirtschaftlichen Behandlungsweise im Zusammenhang mit den Leistungen nach der GOP 35100 ausgegangen sind, nicht, der Kläger habe die Leistung ordnungsgemäß erbracht. Denn zum einen bezog sich die Plausibilitätsprüfung zum überwiegenden Teil auf vorausgegangene Quartale, zum anderen ist zwischen Wirtschaftlichkeitsprüfung und Plausibilitätsprüfung zu differenzieren. Da Prüfungsmaßstab jeweils ein anderer ist, können aus einer zu Gunsten des Klägers ergangenen Wirtschaftlichkeitsprüfung keine Schlüsse für die Plausibilitätsprüfung gezogen werden.

Insoweit sind die vom Kläger erbrachten Leistungen der GOP 35100 unabhängig vom Zeitpunkt der Erbringung der Leistungen als implausibel anzusehen. Damit hat der Kläger gegen seine Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen. Die Beklagte war deshalb berechtigt, die Honorarbescheide aufzuheben und die Honorare neu zu festzusetzen. Dass die Beklagte sich nicht innerhalb ihres weiten Schätzungsermessen gehalten hat, ist ebenfalls nicht ersichtlich, zumal dem Kläger auch ein Sicherheitsabschlag in Höhe von 10 % der Leistungen eingeräumt wurde.

Im Rahmen der Plausibilitätsprüfung wurden auch Leistungen nach den GOPs 03211 und GOP 03212 abgesetzt (Versichertenpauschalen bzw. Chronikerpauschalen, so zum Beispiel am 01.07.2013). Dem Vortrag der Beklagten ist zu entnehmen, dass das Einlesen der Chip-Karten von Versicherten durch das nichtärztliche Personal während der Abwesenheit des Klägers vorgenommen wurde und gleichzeitig eine kollegiale Vertretung, so z.B. durch K1. stattfand. Es handelt sich hierbei um eine Falschabrechnung, die zu Recht von der Beklagten korrigiert wurde. Entsprechend sind auch Leistungen, erbracht durch das nichtärztliche Personal des Klägers, sofern es sich um nicht delegierbare Leistungen, insbesondere solche, die einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt erfordern, nicht abrechenbar.

Insoweit war der Pflichtverstoß auch verschuldet, da der Kläger die erforderliche Sorgfalt verletzt hat.

Der Klage war daher teilweise stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1, Abs. 2 VwGO.

 

 

 

 

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