1. Nach § 150 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB VII i.V.m. § 28e Abs. 3a bis 3f SGB IV haftet ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen i.S.v. § 175 Abs. 2 SGB VII beauftragt, als sog. Hauptunternehmer für die Erfüllung der Zahlungspflicht von Beiträgen dieses Unternehmers oder eines von diesem Unternehmer beauftragten Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge.
2. Bei der Auswahl des Nachunternehmers hat der Hauptunternehmer die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anzuwenden. Hierzu gehört u.a. eine gewissenhafte Nachprüfung, ob die vom Nachunternehmer angebotene Leistung die Lohnkosten mit den Sozialversicherungsbeiträgen zutreffend einkalkuliert hat.
3. Bei Vorlage einer qualifizierten Unbedenklichkeitsbescheinigung (UB) muss der Hauptunternehmer keine tiefere Prüfung der Zuverlässigkeit des Nachunternehmers vornehmen. Er bleibt jedoch verpflichtet, eine grobe Plausibilitätsprüfung dahingehend vorzunehmen, ob mit den in der qualifizierten UB eingetragenen Unternehmensteilen der entsprechende Auftrag überhaupt ausgeführt werden kann und die darin angegebenen Arbeitsentgelte in angemessenem Verhältnis zu den voraussichtlichen Lohnnebenkosten stehen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.01.2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 67.798,78 € festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die Rechtmäßigkeit sogenannter Haftungsbescheide im Streit.
Die Klägerin ist im Hochbau als selbständiges Bauunternehmen (auch international) tätig. Am 01.10.2013 (Bl. 206 f. Senatsakte) beauftragte sie die Firma M Stahl und Bau GmbH (später M Immobilien und Dienstleistungen GmbH; im Folgenden einheitlich: Auftragnehmerin) mit der Durchführung von Rohbauarbeiten im Rahmen des Bauvorhabens „Campus P, E-Allee, B“ im Wert von netto (geschätzt) 1.861.069,15 €. Grundlage der Auftragsvergabe war das Verhandlungsprotokoll vom 05.09.2013 (Bl. 198 ff. Senatsakte) und die Zusatzvereinbarung vom 26.09.2013 (Bl. 205 Senatsakte), wonach die Hauptleistung am 07.10.2013 beginnen und am 30.04.2014 fertiggestellt sein sollte. Dementsprechend sollten die Arbeiten laut dem Personalorientierungsplan vom 26.09.2013 (Bl. 353 Senatsakte) in der Kalenderwoche (KW) 41 (07.10.2013 bis 13.10.2013) beginnen und in der KW 18 (28.04.2014 bis 04.05.2014) enden. Inhalt des Vertrages war - nach dem ausdrücklichen Vortrag der Klägerin - die Erbringung von „nahezu ausschließlich“ Lohnleistungen (Bl. 324 Senatsakte). Das Material wurde „bauseits“ gestellt (siehe u.a. Angebotsemail vom 06.08.2013, Bl. 325 Senatsakte). Hinsichtlich der Einzelheiten und des genauen Inhalts der Vereinbarungen und des Personalorientierungsplans wird auf die Senatsakte Bezug genommen.
Noch vor Auftragserteilung (Bl. 324 Senatsakte) legte die Auftragnehmerin der Klägerin neben weiteren Unterlagen (Bl. 440 ff. Senatsakte) u.a. eine Gewerbeanmeldung vom 01.02.2013 (gemeldete Tätigkeit: Durchführung von Stahlarmierungs-, Maurer- und Betonarbeiten; Bl. 440 Senatsakte), wonach die angemeldete Tätigkeit am 01.01.2013 begann, sowie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung (UB) der Beklagten vom 29.07.2013 vor (Bl. 447 Senatsakte), die bis zum 28.01.2014 gültig war und in der ihr bescheinigt wurde, dass sie ihre Zahlungsverpflichtungen zur gesetzlichen Unfallversicherung bis zum „heutigen Tag“ erfüllt habe. Als Arbeitsentgelte für die aktuellen Vorschüsse im Unternehmensteil „Hochbau“ waren 360.000,- € und im Unternehmensteil „Büroteil“ 14.968,- € ausgewiesen. In der UB wurde außerdem darauf hingewiesen, dass der Auftraggeber grundsätzlich aus dem Auftragsverhältnis zum Auftragnehmer für dessen nicht gezahlte UV-Beiträge (§ 150 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch <SGB VII>) hafte. UBen der BG BAU befreiten nach ihrem Inhalt nur dann von einer Inanspruchnahme, wenn die Gültigkeitszeiträume der Bescheinigungen den Bauzeitraum vollständig erfassten (Nr. 1), das Verhältnis der obigen Arbeitsentgelte zu der Anzahl der auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmer plausibel sei (Nr. 2) und der Auftragnehmer mit den obigen Unternehmensteilen die übernommenen Arbeiten ausführen könne (Nr. 3).
In der Folgezeit überreichte die Auftragnehmerin der Klägerin drei weitere UBen. Die UB vom 31.10.2013 galt bis 29.04.2014 und war ansonsten inhaltsgleich mit der UB vom 29.07.2013 (Bl. 66 VA). Die UB vom 22.04.2014 galt bis zum 15.07.2014 und unterschied sich von den UBen vom 29.07.2013 und 31.10.2013 nur insofern, als die Arbeitsentgelte für die aktuellen Vorschüsse für die Unternehmensteile „Hochbau“ mit 376.774 € und „Büroteil“ mit 28.488,- € ausgewiesen wurden. Die UB vom 19.05.2014 galt bis zum 15.12.2014 und war im Übrigen inhaltsgleich zur UB vom 22.04.2014 (Bl. 68 VA).
Tatsächlich begannen die Rohbauarbeiten am 07.10.2013 (Bl. 206 Senatsakte) und endeten am 09.10.2014 (Bl. 250 Senatsakte). Subunternehmer setzte die Auftragnehmerin nicht ein. Die Klägerin vergütete die Arbeiten abschlagsweise in Teilzahlungen (s. Abschlagsrechnungen Bl. 208 ff. Senatsakte) und zahlte der Auftragnehmerin laut Schlussrechnung vom 30.09.2014 insgesamt 1.964.441,70 € netto (Bl. 250 f. Senatsakte).
Bereits am 05.09.2014 teilte die Auftragnehmerin der Beklagten mit, dass sie vorläufig keine weiteren und keine laufenden Aufträge habe, bis auf den Geschäftsführer zum 31.08.2014 alle ihre Mitarbeiter ausgeschieden seien und auch keine neuen Mitarbeiter eingestellt würden. Die Brutto-Lohnsumme habe im Jahr 2014 für den Bauwerksbau 275.412,72 € und den Büroteil 20.421,60 € (insgesamt 295.834,32 €) betragen (Bl. 192 Senatsakte). Für das Jahr 2013 zahlte sie an die Beklagte Beiträge in Höhe von insgesamt 26.123,68 € und für das Jahr 2014 in Höhe von 22.471,03 € (Bl. 59 und 61 Senatsakte).
Im Jahr 2015 führte das Hauptzollamt P1 umfangreiche Ermittlungen wegen des Verdachts auf Schwarzarbeit gegen die Auftragnehmerin durch (Bl. 66 ff. Senatsakte). Der Prüfdienst der Deutschen Rentenversicherung Bund errechnete daraufhin für den Zeitraum 01.03.2007 bis 31.07.2014 einen Gesamtbeitragsschaden in Höhe von insgesamt 4.881.954,12 € (Bl. 78 ff. Senatsakte). Im Februar 2017 setzte das Hauptzollamt P1 die Beklagte von ihren Ermittlungen in Kenntnis und bat um eine Schadensberechnung (Bl. 66 Senatsakte).
Die Beklagte rechnete daraufhin unter Zugrundelegung der seitens des Hauptzollamts P1 und der Deutschen Rentenversicherung Bund festgestellten Nettoumsätze und der vorgegebenen Lohnquote von 80% die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung für die Jahre 2007 bis 2014 nach (Bl. 1 f. VA) und erließ am 02.08.2017 entsprechend geänderte Beitragsbescheide an die Auftragnehmerin (Bl. 5 ff. VA). Für das Jahr 2013 setzte sie einen Gesamtbeitrag von 219.097,06 € (Bl. 22 f. VA) sowie für das Jahr 2014 Beiträge in Höhe von 118.561,50 € (Bl. 25 f. VA) und in Höhe von 1.792.03 € (Beitrag für den Arbeitsmedizinisch-Sicherheitstechnischen Dienst, Bl. 27 f. VA), jeweils fällig am 25.09.2017, fest. Die hiergegen erhobenen Widersprüche der Auftragnehmerin wurden mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2018 zurückgewiesen (Bl. 77 ff. VA). Obgleich dieser bestandskräftig wurde, erfolgte eine Zahlung seitens der Auftragnehmerin nicht. Vielmehr wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg (Insolvenzgericht) vom 19.06.2018 der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Auftragnehmerin mangels Masse abgewiesen (Bl. 96 ff. VA).
Mit Schreiben vom 27.10.2017 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer Beitragshaftung als Auftraggeberin für das Jahr 2013 in Höhe von 16.197,21 € und für das Jahr 2014 in Höhe von 93.661,12 € gemäß § 150 Abs. 3 SGB VII in Verbindung mit § 28e Abs. 3a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) an (Bl. 44 ff. VA).
Am 04.04.2018 (Bl. 54 ff. VA) erließ die Beklagte insgesamt drei Bescheide gegenüber der Klägerin über die Haftung für die ausstehenden Beiträge der Auftragnehmerin in den Jahren 2013 und 2014 nach § 150 Abs. 3 SGB VII i.V.m. § 28e Abs. 3a SGB IV. Zur Berechnung der Beiträge setzte sie für das Jahr 2013 anteilig - gesamt 369 Tage, 87 Tage für 2013 und 282 Tage für 2014 - ein Nettoauftragsvolumen für das Bauvorhaben „Campus P“ in Höhe von 463.153,- € an, schätzte die beitragspflichtigen Arbeitsentgelte auf die Hälfte (231.576,- €) und errechnete einen Gesamtbeitrag in Höhe von 16.197,21 € (Bl. 58 VA). Für das Jahr 2014 ging sie für das Bauvorhaben „Campus P“ anteilig von einer Nettoauftragssumme von 1.501.288,50 € und für das Bauvorhaben „Justizzentrum H“ von 1.214.707,- € (gesamt: 2.715.995,50 €) aus, schätzte die beitragspflichtigen Arbeitsentgelte wiederum auf die Hälfte (1.357.997,- €) und errechnete einen Gesamtbeitrag von 93.661,12 € (Bl. 60 VA).
Hiergegen erhob die Klägerin am 16.04.2018 Widerspruch (Bl. 63 f. VA), berief sich auf die vier UBen und die dadurch erfolgte Exkulpation nach § 28e Abs. 3f SGB IV, bestritt, dass die Auftragnehmerin die geltend gemachten Beiträge nicht bezahlt habe, berief sich auf Verjährung und teilte mit, die Auftragnehmerin hinsichtlich des Bauvorhabens „Justizzentrum H“ nicht beauftragt zu haben.
Mit Änderungsbescheid vom 04.06.2018 hob die Beklagte daraufhin den Haftungsbescheid für das Jahr 2014 der Höhe nach auf und setzte ihn - unter Außerachtlassung des Auftragsvolumens für das Bauvorhaben „Justizzentrum H“ - neu auf 51.601,57 € fest (Bl. 93 f. VA). Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch (Bl. 101 f. VA) und führte aus, dass der Unternehmer nach § 28e Abs. 3f SGB IV den Nachweis des fehlenden Verschuldens gemäß § 28e Abs. 3b SGB IV durch die Vorlage einer UB der zuständigen Einzugsstelle für den Nachunternehmer erbringen könne. Nach dem Gesetz reiche für eine Enthaftung allein die Vorlage einer UB aus. Eine zusätzliche Plausibilitätsprüfung sei nicht gefordert und daher auch nicht zusätzliche Voraussetzung für eine Enthaftung. Im Übrigen habe die Beklagte die UBen nur ausstellen dürfen, wenn die Auftragnehmerin bis zu diesen Zeitpunkten ihren Zahlungsverpflichtungen vollständig nachgekommen sei. Diese Zahlungen seien auch zu ihren Gunsten zu berücksichtigen. Außerdem genüge es nach der Rechtsprechung für die Exkulpation, wenn sich der in Anspruch genommene Generalunternehmer zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe an seinen Nachunternehmer über die Erfüllung der diesem obliegenden Beitragspflichten vergewissert habe. Bei der Auftragsvergabe habe die UB vom 29.07.2013 vorgelegen. Diese habe Arbeitsentgelte von 360.000,- € ausgewiesen, was für die im Jahr 2013 noch zu erbringenden Arbeiten ohne weiteres plausibel gewesen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2018 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück (Bl. 121 ff. VA). Gem. § 150 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz SGB VII i.V.m. § 28e Abs. 3a Satz 1 SGB IV in der ab dem 01.10.2009 geltenden Fassung hafte ein Unternehmen des Baugewerbes, das einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 101 Abs. 2 Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) beauftrage, für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmens oder eines von diesem Unternehmen beauftragten Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Der Haftungstatbestand sei nach Art, Gegenstand und Auftragswert der an die Auftragnehmerin vergebenen Arbeiten begründet. Die von der Klägerin bestrittenen Zahlungsrückstände der Auftragnehmerin ergäben sich aus den bestandskräftigen Beitragsbescheiden vom 02.08.2017. Gemäß § 152 Abs. 1 SGB VII erhebe die Beklagte von den Unternehmen im Wege der Umlage einen Jahresbeitrag. Die dahingehende Zahlungspflicht sei folglich immer erst dann erfüllt, wenn dieser in seiner infolge einer Betriebsprüfung nach § 166 SGB VII gemäß § 168 Abs. 2 SGB VII nachträglich festgesetzten endgültigen Höhe vollständig bezahlt sei.
Eine Verpflichtung der Beklagten, von der Auftragnehmerin geleistete Zahlungen zugunsten der Klägerin aus dem geltend gemachten Haftungsanspruch anzurechnen, bestehe nicht. Zwar könne der Auftraggeber den Entlastungsnachweis auch durch die Vorlage einer UB der Beklagten erbringen, welche nach § 150 Abs. 3 S. 2 SGB VII insbesondere Angaben über die bei der Beklagten eingetragenen Unternehmensteile und Lohnsummen, zumindest des Nachunternehmers, sowie die ordnungsgemäße Zahlung der Beiträge zu enthalten habe. Obwohl der Klägerin für das Bauvorhaben „Campus P“ von der Auftragsvergabe über die Auftragsdurchführung bis zur Schlussrechnung seitens der Auftragnehmerin vier lückenlos gültige UBen vorgelegt worden seien, könne sie mit diesen Bescheinigungen nicht nachweisen, dass sie ohne eigenes Verschulden davon habe ausgehen können, dass die Auftragnehmerin ihre Zahlungspflicht gegenüber der Beklagten erfülle, da die mit den dortigen Angaben erforderliche Plausibilitätsprüfung ohne Weiteres ergeben hätte, dass die Auftragnehmerin ihrer Zahlungspflicht nicht nachkomme, da sie zu niedrige Beiträge an die Beklagte entrichte. Die UBen zeigten auf, dass die damaligen Beiträge und Beitragsvorschüsse der Auftragnehmerin nach Jahresarbeitsentgeltsummen in Höhe von 360.000,- € und 376.774,- € bemessen worden seien. Bereits eine oberflächliche Kalkulation der für die beauftragte Bauleistung im Wert von 1.964.441,77 € benötigte Arbeitszeit und dem entsprechenden beitragspflichtigen Arbeitsentgelt hätte die Klägerin erkennen lassen müssen, dass gegen die Auftragnehmerin weit höhere Beitragsansprüche und Zahlungsverpflichtungen im Raum stünden, als es die in den UBen ausgewiesenen Arbeitsentgelte aufzeigten, da diese Arbeitsentgelte dem übernommenen und auszuführenden Arbeitsvolumen nicht annähernd entsprochen hätten. Allein der Auftrag Bauvorhaben „Campus P“ hätte ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in Höhe von wenigstens 750.644,- € erfordert, was mit den in den UBen bescheinigten Arbeitsentgelten nicht annähernd in Einklang zu bringen gewesen sei. Soweit eingewandt worden sei, dass die für den Zeitpunkt der Auftragsvergabe (01.10.2013) bescheinigte Lohnsumme in Höhe von 360.000,- € zu dem folgend ab dem 07.10.2013 auf das Jahr 2013 entfallenden Anteil des Auftragsvolumens des Bauvorhabens „Campus P“ (schätzungsweise 463.153,20 €) plausibel gewesen sei, sei diese Lohnsumme der Auftragnehmerin bereits am 29.07.2013 bescheinigt worden. Dieser Umstand lege deshalb nahe, dass die Auftragnehmerin im Jahre 2013 nicht erst am 01.10.2013 ihren Geschäftsbetrieb aufgenommen habe, sodass die am 29.07.2013 bescheinigte Lohnsumme für 2013 in Höhe von 360.000,- € nicht ohne Weiteres dem obigen Bauvorhaben habe zugerechnet werden können. Es hätte mit dem am 01.10.2013 erteilten Auftrag eher die Annahme nahegelegen, dass mit diesem Auftrag eine weit höhere Lohnsumme entstehen werde, als sie zwei Monate vorher bescheinigt worden sei. Die bei fortschreitenden Arbeiten an dem genannten Bauvorhaben später eingeholten UBen hätten den Verdacht einer zu geringen Beitragszahlung der Auftragnehmerin an die Beklagte auf Grund unterlassener Meldung der tatsächlichen Arbeitsentgelte zur Gewissheit gemacht, da der Auftragnehmerin auch zum Abschluss der Arbeiten von der Beklagten immer noch eine Beitragszahlung auf der Grundlage einer eklatant nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechenden Lohnsumme in Höhe von 376.774,- € bescheinigt worden sei. Der Klägerin hätte sich nach Prüfung der UBen aufdrängen müssen, dass die Auftragnehmerin ihre Zahlungspflicht gegenüber der Beklagten nicht in der richtigen Höhe (nur unvollständig) erfülle. Angesichts dieser Prüf- und Erkennungsmöglichkeiten hätte die Klägerin nicht glaubhaft gemacht, dass sie ohne ihr eigenes Verschulden davon habe ausgehen können, dass die Auftragnehmerin ihre Zahlungspflicht erfülle. Irgendwelche Bemühungen, auf das Beitragsverhalten der Auftragnehmerin einzuwirken, seien weder vorgetragen, noch ersichtlich. Es sei auch die gesetzlich geforderte Form der zur Exkulpation geeigneten UB zu beachten.
Die UB habe nach § 150 Abs. 3 Satz 2 SGB VII u.a. sowohl die bei der Beklagten eingetragenen Unternehmensteile, als auch die Beitragsbemessungsgrundlagen zu enthalten, auf deren Grundlage die Beiträge bzw. Beitragsvorschüsse festgesetzt und bezahlt worden seien. Die geforderten Angaben in der UB könnten nur den Zweck haben, den Auftraggeber anzuhalten, anhand einer Plausibilitätsprüfung nicht nur das Zahlungs-, sondern auch das dem zugrundeliegende Meldeverhalten des Nachunternehmers im eigenen Interesse zur Abwendung eines Haftungsrisikos kritisch zu prüfen. Der Auftraggeber könne sich daher nur durch den Nachweis lückenlos gültiger und plausibler UB von einem Auswahl- und Überwachungsverschulden entlasten, da er nur so seine Bemühungen um eine effektive Kontrolle der Beitragsehrlichkeit der Nachunternehmer nachweisen und dadurch im Einzelfall den Verschuldensvorwurf entkräften könne.
Die Forderungen seien auch nicht verjährt, da die Verjährung des Haftungsanspruchs der Beitragsverjährung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV folge. Danach verjährten Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Der Beitragsanspruch für das Jahr 2013 könne frühestens im Jahre 2014 fällig sein und somit erst mit Ablauf des Jahres 2018 verjähren. Mit der Bekanntgabe des angefochtenen Haftungsbescheides am 05.04.2018 richte sich die Verjährung nach § 52 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Auftragnehmerin sei über den Zahlungsrückstand gemahnt worden und habe ihre Zahlungspflicht auch nach Ablauf der Mahnfrist nicht erfüllt. Zudem sei ihre Insolvenz festgestellt worden, so dass die Forderung der Beklagten notleidend geworden sei und der Klägerin kein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 28e Abs. 3a Satz 3 SGB IV i.V.m § 28e Abs. 2 Satz 2 SGB IV mehr zustehe. Gegen die Berechnung des Haftungsanspruchs selbst habe die Klägerin nichts vorgetragen. Die Prüfung habe insoweit keine Fehlerhaftigkeit ergeben.
Hiergegen hat die Klägerin am 18.01.2019 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Sie hat ihren bisherigen Vortrag wiederholt und zudem ausgeführt, dass die Beklagte selbst für das Jahr 2013 lediglich eine Auftragssumme in Höhe von 463.123,20 € berechnet habe. Daraus ergebe sich für das Jahr 2013 ein von der Beklagten selbst berechnetes beitragspflichtige Arbeitsentgelt in Höhe von 231.576,- €. Die in den UBen vom 29.07.2013 und 31.10.2013 angegebenen Jahresentgelte in Höhe von 360.000,- € hätten deutlich über diesem Betrag gelegen, weshalb die daraus ersichtliche Relation ohne Weiteres plausibel gewesen sei. Auch die UBen vom 22.04.2014 und 19.06.2014 seien in dem von der Beklagten geforderten Sinne plausibel gewesen, zumindest gehe daraus jedoch kein derart eklatantes Missverhältnis hervor, dass die Klägerin daraus zwingend eine Unzuverlässigkeit der Auftragnehmerin hätte ableiten müssen. Die Beklagte habe für das Jahr 2014 bei dem Bauvorhaben „Campus P“ beitragspflichtige Arbeitsentgelte in Höhe von 750.644,- € zugrunde gelegt. In der UB vom 22.04.2014 seien Arbeitsentgelte in Höhe von 376.774,- € angegeben gewesen. Zu diesem Zeitpunkt seien bei dem Bauvorhaben „Campus P“ noch keine höheren beitragspflichtigen Arbeitsentgelte angefallen, so dass diese UB zu diesem Zeitpunkt für die Klägerin sehr wohl plausibel gewesen sei und kein Grund für Zweifel bestanden habe. Schließlich seien in der UB vom 19.06.2014 erneut Arbeitsentgelte in Höhe von 376.774,- € angegeben worden. Selbst wenn zu diesem Zeitpunkt bereits höhere beitragspflichtige Arbeitsentgelte bei dem Bauvorhaben angefallen sein sollten (die Bauabwicklung habe bis 09.10.2014 gedauert, so dass zum Zeitpunkt der Erteilung der UB noch ca. vier Monate zu bauen gewesen sei), ergäbe sich daraus zumindest kein derart eklatantes Missverhältnis, auf Grund dessen die Klägerin Anlass zu Zweifeln über die Zuverlässigkeit der Auftragnehmerin hätte haben müssen. Vielmehr habe die Klägerin ohne Weiteres davon ausgehen dürfen, dass die Auftragnehmerin etwaige höhere Arbeitsentgelte bei den künftigen Meldungen zur Beklagten berücksichtigen werde. Es sei festzustellen, dass das bei der Auftragnehmerin beauftragte Bauvolumen im Verhältnis zu den in den UBen angegebenen beitragspflichtigen Arbeitsentgelten sehr wohl plausibel gewesen sei und zwar insbesondere zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, aber hilfsweise auch hinsichtlich der UBen aus dem Jahre 2014. Auch sei der Haftungsanspruch für das Jahr 2013 verjährt. Die Beiträge für das Jahr 2013 seien im Jahr 2014 fällig gewesen. Die Klägerin hafte nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Forderungen aus Bürgschaften würden zusammen mit dem gesicherten Anspruch fällig. Die Fälligkeit der Forderung aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft trete mit der Fälligkeit der Hauptschuld ein und sei insbesondere nicht von einer Leistungsaufforderung des Gläubigers abhängig. Die für das Jahr 2013 geltend gemachten Forderungen seien mithin gem. §§ 195, 199 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit Ablauf des Jahres 2017 verjährt, denn für die Klägerin als Bürgin gelte nicht die vierjährige Verjährungsfrist gemäß § 25 Abs. 1 SGB IV, sondern die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB.
Die Beklagte hat dem entgegengehalten, dass durch den Begriff „solange“ in § 28 Abs. 3b Satz 2 SGB IV zum Ausdruck komme, dass die Zuverlässigkeit des Nachunternehmers nicht nur einmalig, sondern über einen andauernden Zeitraum nachzuweisen sei, nämlich jeweils für die Dauer der Eintragung im entsprechenden Verzeichnis. Da sich ein Auftraggeber über die Präqualifikation nur entlasten könne, wenn er nachweise, dass sein Auftragnehmer zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe und für den gesamten Zeitraum der Durchführung der beauftragten Bauarbeiten präqualifiziert sei, müsse derselbe Maßstab für den gem. § 28e Abs. 3f SGB IV i.V.m. § 150 Abs. 3 Satz 2 SGB VII derzeit noch zulässigen Entlastungsnachweis mittels qualifizierter UB des zuständigen Unfallversicherungsträgers gelten. Die qualifizierte UB enthalte daher insbesondere Angaben über die bei dem Unfallversicherungsträger eingetragenen Unternehmensteile und der diesen zugehörigen und den aktuellen Vorschüssen zugrundeliegenden Arbeitsentgelten des Nachunternehmers sowie die Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen zur gesetzlichen Unfallversicherung. Das Erfordernis der Angaben zu den Unternehmensteilen und Arbeitsentgelten mache nur vor dem Hintergrund Sinn, dass der Hauptunternehmer prüfen solle, ob im Angebotspreis Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung enthalten seien. Andernfalls reiche die bloße Bescheinigung der Unbedenklichkeit aus. Dass die zur Erbringung der Bauleistung notwendigen Arbeitsentgelte nicht bzw. nicht in voller Höhe enthalten sein konnten, sei schon aus der UB vom 29.07.2013 offensichtlich. Die Klägerin fordere von der Beklagten als deren Mitglied für ihr eigenes Unternehmen regelmäßig qualifizierte UBen ab. Ihr sei mithin hinlänglich bekannt, dass die auf den UBen nachgewiesenen Arbeitsentgelte auf ein Umlagejahr abstellten. Dass die Klägerin im Hinblick auf die genannten 360.000,- € bzw. 376.000,- € bei einer Gesamtbauleistung in Höhe von ca. 1,9 Millionen € keine Zweifel an der Plausibilität gehabt habe, sei nicht glaubhaft dargelegt.
Mit Urteil vom 17.01.2020 hat das SG die Bescheide der Beklagten vom 04.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2018 aufgehoben. Die Klägerin habe sich entsprechend § 150 Abs. 3 Satz 2 SGB VII i.V.m. § 28e Abs. 3f SGB IV durch die Vorlage der qualifizierten UBen exkulpiert. Sie treffe keine Pflicht, die Zuverlässigkeit der Auftragnehmerin nicht nur einmalig, sondern über einen andauernden Zeitraum zu prüfen. Durch die in § 28e Abs. 3f SGB IV geschaffene Möglichkeit, durch Vorlage einer UB die Haftung des Unternehmers nach § 28e Abs. 3b SGB IV entfallen zu lassen, habe der Gesetzgeber eine vereinfachte Form des Haftungsausschlusses gewählt. Weder der Wortlaut des Gesetzes noch dessen Sinn und Zweck begründeten eine Verpflichtung der Klägerin, trotz durch die Beklagte ausgestellter UBen in eine Prüfung einzutreten, ob die Auftragnehmerin nach wie vor die Voraussetzungen der erteilten UBen erfülle. Die Haftungseinschränkung finde auch dann statt, wenn die UB jedenfalls im Zeitpunkt des Beginns der Ausführung des Auftrags vorgelegen habe. Auch hänge die Wirksamkeit einer qualifizierten UB nicht davon ab, dass in dieser eine bestimmte Lohnsumme ausgewiesen sei (Landessozialgericht - LSG - Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 06.07.2016, L 17 U 301/15, juris).
Gegen das ihr am 06.04.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 04.05.2020 Berufung beim LSG eingelegt. Sie hat ihren bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft und darauf hingewiesen, dass sich das SG der Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen vom 06.07.2016 (L 17 U 301/15) bedient habe, die jedoch vor dem Hintergrund der bis zum 30.09.2009 geltenden Rechtslage ergangen sei, in der an die Exkulpation keine weitere gesetzliche Anforderung gestellt worden sei als lediglich die Vorlage einer normalen (keinesfalls qualifizierten) UB (ohne Entgelte, usw.) bei Ausführungsbeginn des erteilten Bauleistungsauftrags. Hingegen habe das LSG Niedersachsen-Bremen in seinem Urteil vom 19.06.2018 (L 16 U 25/16, juris) der ab dem 01.10.2009 geltenden Rechtslage Rechnung getragen und den Hauptunternehmer in die Pflicht genommen, die Angaben der Beklagten in der qualifizierten UB hinsichtlich der eingetragenen Unternehmensteile und diesen zugehörigen Lohnsummen zu überprüfen. Zwar sei in diesem Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen das Missverhältnis zwischen ausgewiesener Lohnsumme in der UB und übertragenem Auftrag (6.038,- €/520.905,40 €) „ins Auge springend“ auf den ersten Blick erkennbar gewesen. In dem vorliegenden Verhältnis (360.000 bzw. 376.774,- €/1.964.441,77 €) sei das Missverhältnis jedoch auch für Laien offensichtlich genug. Denn auch die Klägerin sei ihrerseits Empfängerin von UBen der Beklagten und wisse, dass in den UBen jeweils die Jahreslohnsumme der Unternehmen ausgewiesen werde. Überdies sei sie zur Tatsachenfeststellung berechtigt, sich allein auf die im Rahmen der Bekämpfung der Schwarzarbeit gewonnenen Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes P1 nach §§ 2 und 6 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) i.V.m. § 28p SGB IV sozialversicherungs- und beitragsrechtlich zu stützen sowie das Ergebnis der Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung Bund heranzuziehen und zur alleinigen Grundlage ihrer Entscheidung zu machen. Die Beitragsschuld der Auftragnehmerin habe für das Jahr 2013 insgesamt 219.097,06 € betragen, wovon 192.973,39 € nicht gezahlt worden seien (Bl. 60 Senatsakte). Neben der Klägerin hätten noch zwei weitere haftende Unternehmen ermittelt werden können. Insgesamt beliefe sich deren Beitragsschuld auf 28.332,95 € und erreiche somit nicht die tatsächlichen Haftungsbeträge für das Jahr 2013. Für das Jahr 2014 läge die noch nicht gezahlte Beitragsschuld bei insgesamt 97.585,61 €. Insgesamt seien lediglich Vorschüsse in Höhe von 22.471,03 € bezahlt worden (Bl. 61 Senatsakte). Außer der Klägerin seien für das Jahr 2014 keine weiteren Auftraggeber in Haftung genommen worden. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, die getätigten Vorschusszahlungen auf die von der Klägerin geforderten Beiträge (anteilig) anzurechnen. Entsprechend § 366 Abs. 2 BGB habe sie vielmehr die bereits getätigten Zahlungen mit den Beitrags- und Umlageforderungen aufrechnen dürfen, für die die Klägerin oder andere Unternehmen nach § 150 Abs. 3 SGB VII gerade nicht hafteten, da diese Schulden geringer gesichert seien. Sie hat überdies darauf hingewiesen, dass sie bei der Bezifferung ihres Haftungsanspruchs gegenüber der Klägerin lediglich 50 v.H. der abgerechneten Leistungen als Lohnleistungen im Rahmen einer Schätzung nach § 165 Abs. 3 SGB VII zugrunde gelegt habe und mit dieser Einschätzung im unteren Rahmen dessen geblieben sei, was bei illegaler Beschäftigung und reinen Lohnleistungen ohne Material schätzungsweise in Ansatz zu bringen gewesen wäre. Überdies sei bereits bei Auftragsvergabe die Gesamtsumme der Bauleistungen vereinbart worden, so dass sich die Prüfpflicht der Klägerin auf die Gesamtsumme des Auftrags erstrecke und nicht - in der von ihr beschriebenen Art und Weise auf die Jahre 2013 und 2014 - zerstückelt werden könne, zumal es sich bei den Angaben in den UBen gerade um die Jahresmeldung der Lohnsummen gehandelt habe. Es liege sowohl ein Auswahl- als auch ein Überwachungsverschulden der Klägerin vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.01.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat ihren bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft und ausgeführt, dass eine Prüfpflicht der Klägerin allenfalls erstmals mit Übergabe der 10. Abschlagsrechnung vom 02.05.2014 angenommen werden könne, da erst zu diesem Zeitpunkt eine Differenz zwischen den in den UBen bestätigten Arbeitsentgelten und der zu berücksichtigenden Lohnleistung habe auffallen können. Überdies beruft sie sich auf Verwirkung gemäß § 242 BGB, da die Beklagte der Auftragnehmerin in der Vergangenheit ohne nähere Prüfung jahrelang UBen ausgestellt habe und dies gerade dazu geführt habe, dass sie nunmehr in Haftung genommen werden (Bl. 49 Senatsakte).
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Abs.1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig und begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits sind die Bescheide vom 04.04.2018 in der Fassung des Änderungsbescheides (§ 86 SGG) vom 04.06.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 19.12.2018, mit denen die Beklagte eine Pflicht der Klägerin zur Zahlung von ausstehenden Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung der Auftragnehmerin für die Jahre 2013 und 2014 in Höhe von insgesamt 67.798,78 € - 16.197,21 € für das Jahr 2013 und 51.601,57 € für das Jahr 2014 - festsetzte. Die Klägerin begehrt die vollständige Aufhebung dieser Bescheide, weshalb die (reine) Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG die zulässige Klageart ist. Da die Klägerin die Auftragnehmerin am 01.10.2013 mit der Durchführung der Rohbauarbeiten am Bauvorhaben „Campus P“ beauftragte, ist nicht die Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (Erlass des Widerspruchsbescheides) im Dezember 2018, sondern das zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe Anfang Oktober 2013 einschlägige materielle Recht zugrunde zu legen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz <SGG>, 13. Aufl., 2020, § 54 Rdnr. 33).
Danach hat die Klägerin keinen Anspruch auf Aufhebung der streitigen Bescheide. Vielmehr hat die Beklagte zu Recht in den angefochtenen Bescheiden die Beitragshaftung der Klägerin für Beitragsschulden der Auftragnehmerin für die Jahre 2013 und 2014 in Höhe von insgesamt 67.798,78 € festgestellt.
Rechtsgrundlage für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrags im Baugewerbe ist vorliegend § 150 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB VII in der vom 01.10.2009 bis 22.11.2019 geltenden Fassung (aF) i.V.m. § 28e Abs. 3a Satz 1 Alternative 1 SGB IV in der vom 01.04.2012 bis 31.03.2017 geltenden Fassung (aF). Danach haftet ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 101 Abs. 2 SGB III in der vom 01.04.2012 bis 31.07.2016 geltenden Fassung (aF) beauftragt, für die Erfüllung der Zahlungspflichten des Unternehmers wie ein selbstschuldnerischer Bürge, wobei eine Haftung nach § 28e Abs. 3a SGB IV aF erst ab einem geschätzten Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen von 275.000,- € in Betracht kommt, § 28e Abs. 3d Satz 1 SGB IV aF.
Vorliegend beauftragte die Klägerin die Auftragnehmerin am 01.10.2013 mit der Erbringung von (Roh-)Bauleistungen am Bauvorhaben „Campus P“ im Sinne des § 101 Abs. 2 SGB III aF mit einem Nettoauftragswert in Höhe von 1.861.069,15 €, so dass die Vorschriften zur Haftung für Beitragsschulden des Nachunternehmers nach § 150 Abs. 3 Satz 1 SGB VII aF i.V.m. § 28e Abs. 3a SGB IV aF Anwendung finden.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Beklagte die Klägerin zu Recht zur Haftung für die Beitragsschulden der Auftragnehmerin heranzog und sie sich nicht exkulpieren kann. Nach § 28e Abs. 3b Satz 1 SGB IV entfällt die Haftung nämlich nur dann, wenn der Unternehmer nachweist, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer seine Zahlungspflicht erfüllt. Diese Exkulpation ist der Klägerin nicht gelungen.
Wie bereits das LSG Thüringen in seinem Urteil vom 04.07.2019 (L 1 U 1334/18, juris) zu Recht ausführte, sollte mit § 28e Abs. 3a bis 3f SGB IV (eingefügt mit Wirkung zum 01.08.2002 durch das Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit vom 23.07.2002, BGBl. I 2787, 3760) die illegale Beschäftigung (Schwarzarbeit) bekämpft, die Funktionalität und finanzielle Stabilität der Sozialversicherung gewährleistet und gewerbliche Unternehmer verfassungsgemäß belastet werden (BT-Drucks. 14/8221 zu Nr. 4 § 28e, S. 15 ff.). Der Hauptunternehmer sollte durch Einführung einer subsidiären Zahlungsverpflichtung veranlasst werden, dafür zu sorgen, dass der Nachunternehmer seinen sozialversicherungsrechtlichen Zahlungspflichten nachkommt. Durch die Wertgrenze sollten private Eigenheimbauer vor dem Haftungsrisiko geschützt, kleinere Bauvorhaben mit einem kalkulatorischen Vorteil begünstigt und die mittelständischen Bauunternehmen und die Betriebe des Handwerks gefördert werden (vgl. BSG, Urteil vom 27.05.2008, B 2 U 11/07 R, juris Rdnr. 41).
Nach der Gesetzesbegründung zu § 28e SGB IV besteht die Haftung nicht, wenn der Hauptunternehmer der Einzugsstelle nachweist, dass er auf Grund sorgfältiger Prüfung ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer seine Zahlungspflicht erfüllt. Dabei hat er nachzuweisen, dass er bei der Auswahl der Nachunternehmer die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns aufgewandt hat (vgl. BT-Drucks. 14/8221, S. 15). Dazu gehört beispielsweise eine Prüfung des Angebots des Nachunternehmers darauf, ob Sozialversicherungsbeiträge bei den Lohnkosten zutreffend einkalkuliert sind. Einfluss auf den Umfang der Prüfung kann auch haben, ob der Nachunternehmer eine Freistellungsbescheinigung der Finanzbehörden über die Erfüllung seiner Steuerpflicht nach dem Gesetz zur Eindämmung der illegalen Betätigung im Baugewerbe oder Bescheinigungen der Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag über die Erfüllung seiner Zahlungspflicht vorlegt. Werden vom Nachunternehmer weitere Nachunternehmen zur Durchführung des Werkes eingeschaltet, so verringern sich die Möglichkeiten des Hauptunternehmers, die Erfüllung der Zahlungspflicht der weiteren Nachunternehmer festzustellen. Gleichwohl hat er alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Erfüllung der weiteren Zahlungspflichten sicherzustellen. Daher gehört es unter anderem zur Sorgfaltspflicht des Hauptunternehmers, seine Nachunternehmer nachweisbar zu verpflichten, ihrerseits die Erfüllung der Zahlungspflicht der weiteren Nachunternehmer zu prüfen und sich entsprechende Nachweise stichprobenartig und regelmäßig vorlegen zu lassen. Der Hauptunternehmer, auch wenn es sich um ein kleines Bauunternehmen handelt, hat grundsätzlich die erforderliche Professionalität. Er verfügt über ausreichende Informationen über die Zuverlässigkeit und finanzielle Leistungsfähigkeit der in Betracht kommenden Nachunternehmer, und er hat die Kenntnis von möglichen Vertragsgestaltungen, um sich vor dem Eintritt der Haftung zu schützen (BT- Drucks. 14/8221, S. 15,16).
Der Nachweis, dass er bei der Auswahl des Nachunternehmens die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns aufgewandt hat, ist vom Hauptunternehmer zu erbringen. Die Beweislast für das Nichtvorliegen der Haftung trägt der Hauptunternehmer (BT-Drucks. 14/8221, S. 15; LSG Thüringen, a.a.O.; Wehrhahn in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Dezember 2021, § 28e SGB VII Rdnr. 34).
Nach der Begründung des Gesetzgebers zur Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns gehört zum Prüfungsumfang mithin die Überprüfung des Angebots des Nachunternehmers darauf, ob bei den Lohnkosten Sozialversicherungsbeiträge zutreffend einkalkuliert waren oder auch, ob der Nachunternehmer seiner Steuerpflicht ausreichend nachkommt (BT-Drucks. 14/8221 S. 15). Den Unternehmer darf kein eigenes Verschulden treffen; dieses bezieht sich auf die Zuverlässigkeit seines Nachunternehmers. Der Hauptunternehmer hat ein hohes Maß an der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu beachten (vgl. Sehnert in Hauck/Noftz, SGB IV, Stand Dezember 2020, § 28e Rdnr. 24). Bei einfacher leichter Fahrlässigkeit ist im Einzelfall eine Exkulpation unter dem Gesichtspunkt der verfassungskonformen Auslegung (Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -, Art. 2 Abs. 1 GG) anzunehmen (Wehrhahn, a.a.O., Rdnr. 33).
Bis zur Neufassung der Vorschriften zur Unternehmerhaftung im Jahre 2009 war gesetzlich nicht näher bestimmt, auf welche Weise sich der Unternehmer exkulpieren konnte. Mit Wirkung vom 01.10.2009 (Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch vom 15.07.2009, BGBl. I 1939) kann dem Hauptunternehmer ein Verschuldensvorwurf nicht mehr gemacht werden, soweit und solange er Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Nachunternehmers oder des von diesem beauftragten Verleihers durch eine Präqualifikation nachweist, die die Eignungsvoraussetzungen nach § 8 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.03.2006 (BAnz. Nr. 94a vom 18.05.2006) erfüllt, § 28e Abs. 3b Satz 2 SGB IV aF, bzw. anstelle der Präqualifikation eine UB der zuständigen Einzugsstelle für den Nachunternehmer oder den von diesem beauftragten Verleiher erbringt, § 28e Abs. 3f Satz 1 SGB IV aF. Nach § 28e Abs. 3f Satz 2 SGB IV aF soll die UB Angaben über die ordnungsgemäße Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge und die Zahl der gemeldeten Beschäftigten enthalten. Für die gesetzliche Unfallversicherung ist diese Regelung in § 150 Abs. 3 Satz 2 SGB VII aF dahingehend modifiziert, dass eine qualifizierte UB des zuständigen Unfallversicherungsträgers insbesondere mit Angaben über die bei dem Unfallversicherungsträger eingetragenen Unternehmensteile und diesen zugehörigen Lohnsummen des Nachunternehmers oder des von diesem beauftragten Verleihers sowie die ordnungsgemäße Zahlung der Beiträge enthalten soll. Durch diese Angaben soll der Hauptunternehmer in die Lage versetzt werden zu beurteilen, ob das Verhältnis der ausgewiesenen Arbeitsentgelte zu der Anzahl der auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmer plausibel ist und der Nachunternehmer mit den ausgewiesenen Unternehmensteilen die übernommenen Arbeiten ausführen kann (BT-Drucks. 17/11920, S. 8; LSG Thüringen, a.a.O., juris Rdnr. 32; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19.06.2018, L 16 U 25/16, juris Rdnr. 35).
Seit der Rechtsänderung zum 01.10.2009 ist somit klar, dass der Hauptunternehmer bei Vorlage einer qualifizierten UB keine weiteren Unterlagen zu seiner Entlastung vorlegen und eine tiefere Prüfung dahingehend vornehmen muss, ob der Nachunternehmer zuverlässig und in der Lage ist, die durch die Bauleistung entstehenden Unfallversicherungsbeiträge an den zuständigen Unfallversicherungsträger abzuführen. Dennoch entbindet den Hauptunternehmer, der - gemeinsam mit dem Nachunternehmer - genaue Kenntnisse über das konkrete Bauvorhaben, die vereinbarten Bauleistungen, Bauzeit und Auftragsvolumen hat, die Vorlage einer qualifizierter UB nicht davon, wenigstens eine grobe Plausibilitätsprüfung dahingehend vorzunehmen, ob mit den in der qualifizierten UB eingetragenen Unternehmensteilen der entsprechende Auftrag überhaupt ausgeführt werden kann und die darin angegebenen Arbeitsentgelte in angemessenem Verhältnis zu den voraussichtlich entstehenden Lohnkosten stehen, der Nachunternehmer mithin gewillt und in der Lage ist, die voraussichtlich entstehenden Beiträge auch zu entrichten. Andernfalls wäre gerade die Pflicht zur Vorlage einer qualifizierten UB, die u.a. insbesondere Angaben zu den Unternehmensteilen und den zugehörigen Lohnsummen enthalten soll, sinnlos. Dass das LSG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 06.07.2016 (L 17 U 301/15, juris), auf das sich sowohl die Klägerin als auch das SG bezogen haben, eine andere Auffassung vertrat und sogar eine UB mit einer ausgewiesenen Lohnsumme von 0,- € als geeignet ansah, eine Exkulpation hervorzurufen, ist unbeachtlich. Zum einen bezieht sich dieses Urteil noch auf die vor dem 01.10.2009 geltende Rechtslage, zum anderen handelte es sich um den Sonderfall, dass die dortige Auftragnehmerin ihren Geschäftsbetrieb gerade erst aufgenommen und noch gar keine Arbeitsentgelte an die Beklagte gemeldet hatte. Sofern in diesem Urteil überdies Ausführungen dazu gemacht wurden, dass auch nach der ab dem 01.10.2009 geltenden Rechtslage die bloße Vorlage einer gültigen UB ausreiche und keine weitere Prüfung durch den Auftraggeber durchgeführt werden müsse, schließt sich der Senat diesen Ausführungen - die in jenem Verfahren ohnehin nicht entscheidungserheblich waren - ausdrücklich nicht an und ist ohnehin an die Entscheidungen anderer Berufungsgerichte nicht gebunden.
Diese grobe Plausibilitätsprüfung ergibt, dass sich die Klägerin nicht exkulpieren kann, da ihr bereits bei Auftragsvergabe am 01.10.2013 keine plausiblen UBen vorlagen. Die der Klägerin im Rahmen der Vertragsverhandlungen am 05.09.2013 seitens der Auftragnehmerin übergebene qualifizierte UB vom 29.07.2013 war zwar bis zum 28.01.2014 gültig und umfasste somit grundsätzlich auch den Bauzeitraum vom 07.10.2013 bis 28.01.2014. Allerdings war diese bereits zu einem Zeitpunkt ausgestellt worden, an dem die Auftragnehmerin der Klägerin noch nicht einmal ihr Angebot - dieses stammt vom 05.08.2013 und wurde der Klägerin mit Email vom 06.08.2013 übersandt (Bl. 325 ff. Senatsakte) - unterbreitet hatte. Somit musste der Klägerin, die im Übrigen selbst auch schon mehrmals qualifizierte UBen bei der Beklagten abgerufen und daher Kenntnis davon hat, dass diese immer die seitens der jeweiligen Unternehmer gemeldeten und geschätzten jährlichen Lohnsummen ausweisen, klar sein, dass diese UB keinesfalls schon die mit dem Bauvorhaben „Campus P“ entstehenden Lohnsummen umfassen kann, sondern allenfalls die bereits zuvor gemeldeten Lohnsummen. Im Übrigen musste der Klägerin auch bereits auf Grund der ihr seitens der Auftragnehmerin vorgelegten Gewerbeanmeldung (Bl. 440 Senatsakte) bewusst sein, dass diese ihren Geschäftsbetrieb bereits am 01.01.2013 aufgenommen hatte und die in der UB vom 29.07.2013 eingetragenen Arbeitsentgelte schon deshalb nicht allein die durch das Bauvorhaben „Campus P“ anfallenden Arbeitsentgelte umfassen, sondern es sich ausschließlich um eine im Vorfeld geschätzte Summe handeln kann.
Ungeachtet dessen kann eine UB grundsätzlich nur im Rahmen des bescheinigten Inhalts zu einer Enthaftung führen. Die UB vom 29.07.2013 galt bis zum 28.01.2014 und bescheinigte u.a., dass die Vorschusszahlung auf die gemeldeten Arbeitsentgelte für den Unternehmensteil „Hochbau“ in Höhe von 360.000,- € seitens der Auftragnehmerin erbracht wurden. Ausweislich der Verhandlungsprotokolle vom 05.09.2013 und 26.09.2013, die Grundlage der Auftragsvergabe waren, sollte das Bauvorhaben am 07.10.2013 beginnen und die Hauptleistung am 30.04.2014 fertig gestellt sein (Bl. 200 und 205 Senatsakte). Das Nettoauftragsvolumen wurde vorläufig mit 1.861.069,15 € angegeben (Bl. 205 Senatsakte). Dieser ursprüngliche Zeitplan wird auch durch den am 26.09.2013 erstellten Personalorientierungsplan (Bl. 353 Senatsakte) bestätigt, wonach die beauftragten Rohbauleistungen in der KW 41 des Jahres 2013 (07.10.2013 bis 13.10.2013) beginnen und in der KW 18 des Jahres 2014 (28.04.2014 bis 04.05.2014) enden sollten. Dies bedeutet, dass der Auftrag mit einem voraussichtlichen Nettoauftragsvolumen von 1.861.069,15 € den Zeitraum 07.10.2013 bis längstens 04.05.2014 und einen Personaleinsatz von insgesamt 1.356 Mannstärken (Oktober 2013 32 Mannstärken, November 2013 152 Mannstärken, Dezember 2013 192 Mannstärken, Januar 2014 256 Mannstärken, Februar 2014 256 Mannstärken, März 2014 256 Mannstärken, April 2014 212 Mannstärken) umfassen sollte. Dass es offensichtlich zu Verzögerungen kam und die vereinbarten Bauleistungen erst am 09.10.2014 abgeschlossen werden konnten, ändert an den ursprünglichen vertraglichen Vereinbarungen und Planungen, auf die es bei der Prüfung der Exkulpation im Zeitpunkt der Auftragsvergabe maßgeblich ankommt, nichts. Die UB vom 29.07.2013 umfasste somit jedenfalls den Bauzeitraum von KW 41 des Jahres 2013 bis KW 4 des Jahres 2014 (07.10.2013 bis 26.01.02.14). Laut dem Personalorientierungsplan war für diesen Zeitraum ein Personaleinsatz von insgesamt 568 Mannstärken vorgesehen. Das entspricht einem Anteil von 42% am Auftragsvolumen und einem Nettoauftragswert von 781.649,04 € (42% von 1.861.069,15 €). Da Gegenstand des Vertrages nahezu ausschließlich Lohnleistungen waren, hätte der Klägerin bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nach Durchführung dieser einfachen Kalkulation klar sein müssen, dass die in der UB vom 29.07.2013 bescheinigten Arbeitsentgelte von 360.000,- € mitnichten ausreichen können, um die im Hinblick auf diesen Auftragswert anfallenden Beiträge begleichen zu können.
Selbst wenn man zugunsten der Klägerin annehmen würde - was der Senat ausdrücklich nicht tut -, dass ihr zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe auf Grund der UB vom 29.07.2013 kein Verschuldensvorwurf zu machen ist, tritt ein Verschulden der Klägerin spätestens mit Vorlage der qualifizierten UB vom 31.10.2013 zu Tage, was eine Exkulpation ausschließt. Denn § 28e Abs. 3b Satz 2 SGB IV aF schließt ein Verschulden des Unternehmers nur aus, „soweit und solange“ er Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Nachunternehmers nachweist. Schon dieser Wortlaut deutet darauf hin, dass der Unternehmer gehalten ist, sich fortlaufend über die Zuverlässigkeit seines Nachunternehmers auf dem Laufenden zu halten (LSG Thüringen, a.a.O., juris Rdnr. 33). Hierfür spricht auch, dass § 28e Abs. 3f Satz 1 SGB IV mit Wirkung zum 01.07.2020 dahingehend geändert wurde, dass eine Exkulpation mittels UBen nur noch durch Vorlage von für den Zeitraum des Auftragsverhältnisses lückenlosen UBen der zuständigen Einzugsstellen für den Nachunternehmer oder den von diesem beauftragten Verleiher möglich ist. Wie bereits oben ausgeführt, sollte laut den Verhandlungsprotokollen vom 05.09.2013 und 26.09.2013 sowie dem Personalorientierungsplan das Bauvorhaben den Zeitraum 07.10.2013 bis 30.04.2014 bei einem geschätzten Nettoauftragsvolumen von 1.861.069,15 € umfassen (Bl. 200 und 205 Senatsakte). Die UB vom 31.10.2013 war bis zum 29.04.2013 gültig und umfasste somit nahezu den gesamten Vertragszeitraum. Doch auch diese UB enthielt als Arbeitsentgelt für den Unternehmensteil „Hochbau“ lediglich eine Summe von 360.000,- €. Ungeachtet der Tatsache, dass es sich hierbei um dieselbe Summe wie in der UB vom 29.07.2013 handelte, die - wie oben ausgeführt - die Lohnsummen für das Bauvorhaben „Campus P“ nicht (vollständig) enthalten konnte, musste der Klägerin spätestens jetzt „ins Auge springen“, dass eine Lohnsumme von 360.000,- € bei einem Nettoauftragsvolumen für „nahezu ausschließlich“ Lohnleistungen von 1.861.069,15 € nicht ausreichen kann, um die tatsächlich anfallenden Beiträge zu begleichen, und die Auftragnehmerin der Beklagten offensichtlich auch nach Auftragsvergabe am 01.10.2013 keine höheren Lohnsummen gemeldet hatte. Vor diesem Hintergrund ist der Vortrag der Klägerin, die Bauleistungen und somit die anfallenden Lohnkosten hätten sich im Laufe der Bauzeit bis zum 09.10.2014 sukzessive erhöht, weshalb ihr frühestens mit Vorlage und Begleichung der Abschlagsrechnung vom 02.05.2014 über eine Summe von insgesamt 1.702.222,- € (Bl. 235 Senatsakte) ein Verschuldensvorwurf gemacht werden könne, irrelevant, da es sich lediglich um spätere Verzögerungen handelte, die offensichtlich nicht eingeplant waren.
Da der Klägerin also bereits weder durch die UB vom 29.07.2013, noch durch die UB vom 31.10.2013 eine Exkulpation gelang, kommt es auf die Vorlage und den Inhalt der auch die verlängerte Bauzeit umfassenden UBen vom 22.04.2014 und 19.05.2014, die im Übrigen jeweils lediglich eine geringe Erhöhung der Lohnsummen für den Unternehmensteil „Hochbau“ auf 376.774,- € enthielten, nicht an.
Es bestehen auch keine Bedenken in Bezug auf das Bestehen und die Höhe der festgesetzten Beitragsforderungen.
Die Beklagte ist zur Tatsachenfeststellung grundsätzlich berechtigt, sich bei der Berechnung ihrer Beitragsforderungen auf die im Rahmen der Bekämpfung von Schwarzarbeit nach §§ 2 und 6 SchwarzArbG i.V.m. § 28p SGB IV gewonnenen Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes P1 sowie das Ergebnis der seitens der Deutschen Rentenversicherung Bund durchgeführten Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV zu stützen. Das Verwaltungsverfahren ist nicht an bestimmte Formen gebunden, soweit keine besonderen Rechtsvorschriften für die Form des Verfahrens bestehen; es ist einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen (§ 9 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch <SGB X>). Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB X bestimmt die Behörde Art und Umfang der Ermittlungen, gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 3 SGB X kann sie zur Ermittlung des Sachverhaltes u.a. Auskünfte jeder Art einholen und Urkunden und Akten beiziehen. Damit war die Beklagte grundsätzlich berechtigt, die Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes sowie der Deutschen Rentenversicherung Bund beizuziehen und zur Grundlage ihrer Entscheidung zu machen (Sächsisches LSG, Urteil vom 22.04.2016, L 1 KR 228/11, juris Rdnr. 31; Senatsurteil vom 29.06.2017, L 10 R 592/17, juris Rdnr. 20 f.). Unter Zugrundelegung dieser Ergebnisse und der eigenen Berechnungen der Beklagten, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Beklagten durch die fehlerhafte Meldung der tatsächlichen Lohnsummen seitens der Auftragnehmerin ein Beitragsschaden im Jahr 2013 in Höhe von 192.973,39 € und im Jahr 2014 in Höhe von 97.585,61 € entstand (Bl. 59 Senatsakte, s.a. Beitragsbescheide an Auftragnehmerin Bl. 22 ff. VA). Die Klägerin kann mit ihrem Bestreiten der Beitragsschuld der Auftragnehmerin mithin nicht durchdringen.
Zur Berechnung des Haftungsanteils der Klägerin durfte die Beklagte die Höhe der von der Auftragnehmerin zu zahlenden Beiträge auch nach § 165 Abs. 3 SGB VII in der vom 01.08.2002 bis 31.12.2016 geltenden Fassung (aF) schätzen, da diese die für die Beitrags-berechnung erforderlichen Arbeitsentgelte der Versicherten und die geleisteten Arbeitsstunden nicht nach § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB VII aF in zutreffender Höhe der Beklagten meldete. Bei dieser Schätzung handelt es sich nicht um eine Ermessensausübung, sondern eine
- gerichtlich voll überprüfbare - Tatsachenfeststellung, die mit Erfahrungswerten an den wahrscheinlichen tatsächlichen Verhältnissen auszurichten ist. Nach der Rechtsprechung ist es im Bereich des lohnintensiven Baugewerbes sachgerecht bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen in Form der Schwarzarbeit grundsätzlich zwei Drittel des Nettoumsatzes als Lohnsumme zu veranschlagen (Bundesgerichtsgerichtshof - BGH -, Beschluss vom 10.11.2009, 1 StR 283/09, juris Rdnr. 21; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.08.2020, L 3 U 82/19, juris Rdnr. 26; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.06.2019, L 3 U 194/16, juris Rdnr. 51). Die Beklagte hat ihrer Schätzung, obwohl der Auftrag nahezu ausschließlich Lohnleistungen umfasste, lediglich die Hälfte des in der Schlussrechnung vom 08.10.2014 ausgewiesenen Nettoauftragsvolumens von 1.964.441,70 €, wovon sie für das Jahr 2013 anteilig einen Betrag von 463.153,20 € (87 Tage für 2013) und für das Jahr 2014 anteilig einen Betrag von 1.502.288,50 € (282 Tage für 2014) ansetzte, - insgesamt also (abgerundet) 982.220,- €, anteilig für das Jahr 2013 231.576,- € und für das Jahr 2014 750.644,- € - zugrunde gelegt und ist damit sogar zugunsten der Klägerin hinter dem seitens der Rechtsprechung gebilligten Anteil zurückgeblieben.
Der von der Klägerin erhobene Einwand der Verjährung gegenüber der Beitragsforderung für das Jahr 2013 greift ebenso wenig durch. Ansprüche auf Beiträge verjähren gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV regelmäßig in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Dabei ist der für die Berechnung des Beginns der Verjährungsfrist bedeutsame Zeitpunkt der Fälligkeit der Beitragsansprüche nicht identisch mit dem in § 23 Abs. 3 SGB IV geregelten Zeitpunkt, in dem „geschuldete Beiträge der Unfallversicherung“ zur Zahlung fällig werden (sogenannte Zahlungsfälligkeit). Die Fälligkeit im Sinne des § 25 Abs. 1 SGB IV richtet sich vielmehr nach dem Zeitpunkt, in dem der Beitrag vom Unfallversicherungsträger hätte errechnet werden können (sogenannte Verjährungsfälligkeit, LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.06.2019, L 3 U 194/16, juris Rdnr. 53; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19.06.2018, L 16 U 25/16, juris Rdnr. 40; LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O., juris Rdnr. 29; Zieglmeier in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, SGB IV, Stand 117. EL, Dezember 2021, § 25 Rdnr. 25). Hintergrund dieser Unterscheidung ist, dass bei Anwendung des in § 23 Abs. 3 SGB IV bestimmten Fälligkeitszeitpunkts auf die Verjährungsvorschrift praktisch niemals Verjährung eintreten könnte, solange kein Bescheid ergangen ist. Hinzu kommt, dass die Bekanntgabe des Bescheides für sich genommen nach § 52 Abs. 1 SGB X zur Hemmung der Verjährung führt (Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. 2021, § 25 Rdnr. 23). § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV gilt nach ständiger Rechtsprechung (s. nur LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.06.2019, L 3 U 194/16, juris Rdnr. 53; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19.06.2018, L 16 U 25/16, juris Rdnr. 40; LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O., juris Rdnr. 29), der sich der Senat anschließt, auch für die Beitragshaftung des Hauptunternehmers für die Beitragsschuld des Nachunternehmers nach § 28e Abs. 3 a SGB IV und trägt dem Umstand Rechnung, dass diese Haftung streng akzessorisch zu der Beitragsschuld des Nachunternehmers ist, die regelmäßig in vier Jahren verjährt. Für die Anwendung zivilrechtlicher Verjährungsvorschriften - wie seitens der Klägerin gefordert - besteht daher kein Raum. Da die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die Beiträge rückwirkend nach Ablauf des Kalenderjahres festsetzen, in dem die Beiträge dem Grunde nach entstanden sind (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB VII), fällt die für den Verjährungsbeginn maßgebliche Fälligkeit der Beitragsansprüche in das dem Umlagejahr folgende Kalenderjahr (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.06.2019, L 3 U 194/16, juris Rdnr 55; LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O., juris Rdnr. 29), hier also bezogen auf die Ansprüche für das Jahr 2013 in das Jahr 2014 und bezogen auf die Ansprüche für das Jahr 2014 in das Jahr 2015. Bei Anwendung der Regelverjährungsfrist von vier Jahren wäre danach hinsichtlich der Beiträge für das Kalenderjahr 2013 mit Ablauf des Jahres 2018 und hinsichtlich der Beiträge für das Kalenderjahr 2014 mit Ablauf des Jahres 2019 Verjährung eingetreten. Indes ist die Verjährungsfrist durch den Erlass der Bescheide vom 04.04.2018 und den Änderungsbescheid vom 04.06.2018 gewahrt worden.
Die Klägerin hat auch kein Leistungsverweigerungsrecht nach § 28e Abs. 2 Satz 2 SGB IV, das gemäß § 28e Abs. 3a Satz 3 SGB IV auch für die Haftung des Hauptunternehmers im Baugewerbe entsprechend gilt. Danach kann der wie ein selbstschuldnerischer Bürge haftende Hauptunternehmer die Zahlung verweigern, solange die Einzugsstelle den Arbeitgeber nicht gemahnt hat und die Mahnfrist nicht abgelaufen ist. Einer derartigen Mahnung bedarf es nicht (mehr), wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Auftragnehmers eröffnet worden ist und die noch ausstehenden Beitragsforderungen nach § 87 Insolvenzordnung (InsO) nur noch nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können (BSG, Urteil vom 07.03.2007, B 12 KR 11/06 R, juris Rdnr. 17). Gleiches muss gelten, wenn - wie vorliegend - die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Nachunternehmers mangels Masse abgelehnt wurde und somit sogar eine Durchsetzung der Beitragsforderung im Wege des Insolvenzverfahrens scheitert. Wie oben ausgeführt, erließ die Beklagte gegenüber der Auftragnehmerin am 02.07.2017 geänderte Beitragsbescheide für die Jahre 2013 und 2014 und wies die hiergegen erhobenen Widersprüche mit - bestandskräftig gewordenem - Widerspruchsbescheid vom 25.04.2018 zurück. Sodann lehnte das Amtsgericht Charlottenburg als Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Auftragnehmerin mit Beschluss vom 19.06.2018 mangels Masse ab. Eine Durchsetzung der gegenüber der Auftragnehmerin bestehenden Beitragsschuld war und ist der Beklagten daher nicht (mehr) möglich. Insofern ist es sogar unbeachtlich, ob die Beklagte - wie von ihr geltend gemacht - die Auftragnehmerin auch erfolglos mahnte.
Die Beitragsschuld der Klägerin in Höhe von insgesamt 67.798,78 € ist auch nicht teilweise durch die seitens der Auftragnehmerin in den Jahren 2013 und 2014 geleisteten Vorschusszahlungen erloschen. Denn die Beklagte ist nicht verpflichtet gewesen, die Vorschusszahlungen von insgesamt 48.594,71 € - für das Jahr 2013 26.123,68 €, für das Jahr 2014 22.471,03 € (Bl. 59 f. Senatsakte) - ganz oder teilweise mit dem Teil der Beitrags- und Umlageforderung aufzurechnen, für die die Klägerin als selbstschuldnerische Teilbürgin haftet. Vielmehr ist die Beklagte berechtigt gewesen, diese geleisteten Vorschusszahlungen mit der Beitrags- und Umlageforderung für die Jahre 2013 und 2014, für die die Klägerin oder andere Unternehmen nach § 150 Abs. 3 SGB VII gerade nicht haften, entsprechend § 396 Abs. 1 Satz 1 BGB aufzurechnen. Auf die Tilgung von fälligen Beitrags- und Umlageforderungen durch die Verrechnung geleisteter Vorschüsse nach § 164 Abs. 1 SGB VII ist die Vorschrift des § 366 Abs. 2 BGB entsprechend anwendbar. Denn weder die Vorschriften des SGB VII noch die des SGB I enthalten eine Regelung darüber, in welcher Reihenfolge der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung fällige Beitrags- und Umlageforderungen durch die Aufrechnung von Vorschüssen zu tilgen hat (BSG, Urteil vom 22.02.1996, 12 RK 42/94, juris Rdnr. 26; Senatsurteil vom 28.09.2006, L 10 U 211/06, juris Rdnr. 20; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.01.2007, L 4 U 57/06, juris Rdnr. 43). Nach § 366 Abs. 2 BGB wird bei fehlender Tilgungsbestimmung zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, unter mehreren gleich sicheren die dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleich lästigen die ältere Schuld und bei gleichem Alter jede Schuld verhältnismäßig getilgt. Da derjenige Teil der Beitrags- und Umlageforderung der Beklagten für die Jahre 2013 und 2014, für den kein Unternehmer als Bürge nach § 150 Abs. 3 SGB VII haftet, geringer gesichert ist, entspricht die von der Beklagten vorgenommen Tilgung der Beitrags- und Umlageforderung durch die Aufrechnung mit den geleisteten Vorschusszahlungen der in § 366 Abs. 2 BGB vorgesehenen Reihenfolge und ist nicht zu beanstanden.
Die Klägerin kann sich vorliegend auch nicht auf Verwirkung berufen, denn der Erlass der Haftungsbescheide nach § 150 Abs. 3 SGB VII verstößt nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Durch die Erteilung der UBen hat die Beklagte keinen Vertrauenstatbestand dahingehend gesetzt, dass sie von einer Inanspruchnahme der Klägerin als selbstschuldnerischer Bürge nach § 150 Abs. 3 SGB VII für Beitrags- bzw. Umlageschulden absehen wird. Denn die UB war schon nach deren eindeutigem Wortlaut nicht an die Klägerin, sondern an die Auftragnehmerin gerichtet. In der Bescheinigung wird nur die Mitgliedschaft der Auftragnehmerin zur Beklagten, die versicherten Unternehmensteile, die bis dahin gemeldeten Arbeitsentgelte und die Zahlung der bis zum Ausstellungszeitpunkt der UB angefallenen Vorschüsse bescheinigt. Soweit die Klägerin den Verwirkungsvorwurf damit begründet, die Beklagte habe jahrelang in der Vergangenheit ohne weitere Prüfung UBen ausgestellt und somit die Haftung der Klägerin herbeigeführt, ist auch diesem nicht zu folgen. Die Beklagte legt ihren UBen die seitens des Unternehmers im Rahmen seiner Meldepflicht nach § 28a Abs. 1 Satz 1 SGB IV gemeldeten Arbeitsentgelte zugrunde und ist grundsätzlich verpflichtet, UBen auszustellen, wenn das hierauf basierende Mitgliedskonto des Unternehmens ausgeglichen ist (LSG Thüringen, Beschluss vom 01.07.2009, L 1 U 85/09 ER, juris Rdnr. 32). Anhaltspunkte dafür, dass das bei der Beklagten geführte Mitgliedskonto der Auftragnehmerin zum Zeitpunkt des Ausstellens der im vorliegenden Verfahren vorgelegten
UBen nicht ausgeglichen war, liegen nicht vor. Vielmehr zahlte sie ausweislich der seitens der Beklagten vorgelegten Tabellen (Bl. 59 ff. Senatsakte) die auf der Grundlage der von ihr gemeldeten Arbeitsentgelte errechneten Vorschüsse regelmäßig bis zum 15.05.2015. Eine weitergehende Pflicht zur Prüfung dieser Auskünfte vor Ausstellung einer UB trifft die Unfallversicherungsträger nicht. Eine genaue Prüfung der Auskunfts- und Vorlagepflichten der Unternehmen obliegt vielmehr den Trägern der Rentenversicherung im Rahmen der Betriebsprüfungen, § 166 Abs. 2 Satz 1 SGB VII i.V.m. § 28p SGB IV.
Auch liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Forderung gegen die Auftragnehmerin bereits durch sie oder Dritte erfüllt worden ist, so dass die selbstschuldnerische Bürgenhaftung (in dieser Höhe) entfallen würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die endgültige Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).