Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 07.10.2021 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen einen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold, das ihre Klage gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid für den Zeitraum Juli bis Oktober 2014 abgewiesen hat.
Die am 00.00.1988 geborene Klägerin ist die Mutter der am 00.00.2013 geborenen B.H Am 24.04.2014 beantragte die Klägerin, damals noch unter ihrem Familiennamen „E“ für sich und ihre Tochter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie habe sich von ihrem Partner und dem Vater ihrer Tochter (R.H) getrennt und lebe nunmehr mietfrei bei ihren Eltern in der D-Straße 25, C.
Mit Bescheid vom 09.05.2014 bewilligte der Beklagte auf Antrag der Klägerin einen Betrag iHv 1.250 € für die Anschaffung einer Erstausstattung. Mit gesonderten Bescheid vom 21.07.2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin weitere 40 € für die Erstausstattung und 302 € Renovierungsbeihilfe.
Zum 01.07.2014 mietete die Klägerin eine Wohnung unter der Anschrift N-Straße 74, C zu einer Bruttokaltmiete von 379,25 € (312,25 € Grundmiete, 67 € Betriebskosten) an. Der Abschlag für die gasbetriebene Heizung betrug monatlich 60 €. Der Beklagte bewilligte der klägerischen Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 24.06.2014 Leistungen unter Einschluss der geltend gemachten Unterkunfts- und Heizbedarfe u.a für Juli bis November 2014 iHv monatlich 883,01 € (391 € Regelbedarf + 229 € Sozialgeld + 140,76 € Mehrbedarf für Alleinerziehende + 439,25 € Unterkunfts- und Heizbedarfe = 1.200,01 € Gesamtbedarf – 184 € Kindergeld – 133 € UVG-Leistungen). Der Anteil der Klägerin hiervon betrug monatlich 751,38 € (391 € Regelbedarf, 140,76 € Mehrbedarf, 219,63 € kopfteilige Unterkunft- und Heizbedarf).
Im September 2014 erhielt der Beklagte eine anonyme Anzeige, wonach die Klägerin nicht (mehr) in C, sondern zusammen mit ihrer Tochter wieder beim Vater ihrer Tochter lebe. Sie sei seit April 2014 mit dem Kindesvater verlobt und plane für das nächste Jahr eine Hochzeit. Die Klägerin würde von den Leistungen des Jobcenters ständig in Y einkaufen gehen und hätte sich vor 3-4 Wochen von den Leistungen des Beklagten die Brüste machen lassen.
Der Beklagte veranlasste aufgrund der anonymen Anzeige eine Überprüfung durch seinen Außendienst, der die Klägerin iRv unangekündigten Besuchen am 24.09.2014, 25.09.2014 und 30.09.2014 nicht in der N-Straße, C, antreffen konnte. Der Briefkasten und das Klingelschild seien jedoch ordnungsgemäß mit dem Namen der Klägerin beschriftet gewesen.
Der Beklagte lud die Klägerin zu einem Vorsprachetermin am 23.10.2014, 9.30 Uhr, ein, zu dem die Klägerin erschien. Der Klägerin wurde die anonyme Anzeige vorgehalten. Hierzu teilte sie mit, dass dies alles nicht stimmen würde und sie immer mit ihrem Kind in der Wohnung N-straße gewohnt habe. Die Klägerin wurde aufgefordert, ihre Registrierung beim Einwohnermeldeamt (EMA) vorzulegen und sich zur weiteren Prüfung umgehend in ihre Wohnung zu begeben, wo der Außendienst auf sie warte. Im Anschluss fand um 9.45 Uhr eine zuvor nicht angekündigte Wohnungsbegehung durch den Außendienst des Beklagten statt, der feststellte, dass die Wohnung N-Straße 74, C, bis auf Gardinen, Tisch, Sofa, zwei Stühlen, Sonnenliege, Vitrinen- und Kommodenschrank, Campingtisch, 2 Gartenstühle, Zweiplattenkocher, ein wenig Teller, Tassen, Löffel und Plastikbesteck sowie ein paar Umzugskartons nicht ausgestattet gewesen sei. An Lebensmitteln seien lediglich eine Tüte Brötchen, Marmelade und Schokocreme vorhanden gewesen, die die Klägerin dabei hatte. Die Wohnung sei weder renoviert, noch renovierungsbedürftig. Lediglich im Flur seien einige Bohrlöcher vorhanden. Bekleidung und Schuhe der Klägerin seien keine vorhanden und im Flur und im Schlafzimmer kein Licht angebracht gewesen. Die Klägerin habe erklärt, bei ihren Eltern zu schlafen. Die Wohnung habe auf die Außendienstmitarbeiter keinen bewohnten Eindruck gemacht. Es seien keine persönlichen Gegenstände vorhanden gewesen. Was in der Wohnung vorhanden war, habe nur abgestellt gewirkt. Was mit der gewährten Erstausstattung und Renovierungsbeihilfe geschehen sei, habe die Klägerin nicht erklären können. Da die Klägerin alleinerziehende Mutter eines kleinen Kindes sei, stelle sich zumindest die Frage, wo das Kind übernachte.
Mit Schreiben vom 23.10.2014 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die Leistungen vorläufig ab dem 01.11.2014 eingestellt worden seien. Sie wurde noch einmal aufgefordert, eine EMA-Registrierung vorzulegen.
Die Klägerin legte am 28.10.2014 eine EMA-Anzeige vom 28.10.2014 vor, die als „Tag des Einzugs“ den 01.10.2014 aufwies. Mit Bescheid vom 28.10.2014 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung ab November 2014 vollständig auf.
Einen anwaltlichen Widerspruch der Klägerin vom 30.10.2014, der als Anschrift der Klägerin „D-straße 25, C.“ (Adresse der Eltern der Klägerin) angab, gegen die vorläufige Leistungseinstellung, verwarf der Beklagte mangels Verwaltungsaktcharakter der vorläufigen Leistungseinstellung als unzulässig (Widerspruchsbescheid vom 04.12.2014). Zuvor nahm der Beklagte die Leistungsauszahlung von Regel- und Mehrbedarfen ab dem 01.10.2014 aber wieder auf.
Am 03.11.2014 besuchte der Bedarfsermittlungsdienst des Beklagten Herrn R.H, der zwischenzeitlich auch Alg II beantragt hatte, diesen Antrag aber später zurücknahm, in dessen Wohnung in der F-Straße 21, W. Der Briefkasten zu der Wohnung war mit „H/ E“ beschriftet. In dem Ermittlungsbericht heißt es aszugsweise u.a.:
„Im Flur hingen diverse Bilder die den LB und Frau E, sowie die beiden mit der Tochter zeigten. Schuhe von Frau E waren hier auch vorhanden. Im Schlafzimmer befand sich ein beiderseitig bezogenes und mit zwei Garnituren Bettwäsche versehenes Doppelbett und ein Kleiderschrank. (…). Die komplette rechte Hälfte des Schrankes war voll mit Bekleidung von Frau E, Jacken, Oberteile, Hosen Unterwäsche etc. Das Kinderzimmer war komplett bis auf einen Kinderschrank eingerichtet. Der LB gab an, dass seine „Ex-Freundin“ den Schrank bereits abgeholt habe. Auf der Wickelkommode lag Kinderkleidung und frische Windeln in großer Anzahl und in dem Mülleimer waren noch einige dreckige Windeln. Auf der Kommode waren diverse Schminksachen, Nagellack und andere Damenhygieneartikel sowie ein Haarglätteeisen. In dem ganzen Raum befanden sich Spielsachen und persönliche Sachen des Kindes, es wirkte bewohnt und genutzt. Im Wohnzimmer waren ebenfalls diverse Kindersachen und Spielzeug in großer Anzahl vorhanden. Auch hier hingen einige Bilder die den LB und Frau E sowie die beiden mit Kind zeigten. In der Küche hing eine Weste von Frau E und eine Strickjacke der Tochter über einem Stuhl. Im Badezimmer hing der ganze Heizkörper mit Unterwäsche von Frau E voll, ferner waren hier neben Herren- auch diverse Damenhygieneartikel.“
Der Außendienst des Beklagten kam zu der Einschätzung, dass die Klägerin mit der gemeinsamen Tochter noch beim Kindesvater lebe.
Mit Bescheid vom 31.10.2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter Leistungen ab November 2014, jedoch ohne Unterkunfts- und Heizbedarfe.
Bei einem Besuch durch den Bedarfsermittlungsdienst in der N-Straße am 03.11.2014 konnte die Klägerin erneut nicht angetroffen werden. Bei einem erneuten Besuch am 04.11.2014 konnte der Außendienst feststellen, dass mittlerweile einige Möbel angeschafft wurden, jedoch hatten die Außendienstmitarbeiter weiterhin nicht den Eindruck, dass die Klägerin in die Wohnung eingezogen ist. Insoweit wird auf den Bericht des Außendienstes vom 04.11.2014 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 06.11.2014 hörte der Beklagte die Klägerin zu den Ergebnissen der Wohnungsbegehungen an und überreichte die Berichte des Außendienstes vom 03.11.2014 und 04.11.2014. Es erscheine sehr deutlich, dass die Wohnung N-Straße immer noch nicht bezogen sei. Wohnkosten könnten aber nur übernommen werden, wenn die Unterkunft tatsächlich bewohnt wird.
Die Klägerin ließ über ihre Prozessbevollmächtigte am 11.11.2014 mitteilen, dass sie sich „regelmäßig“ in der Wohnung N-Straße aufhalte. Sie habe überwiegend bei ihren Eltern übernachtet, weil sie „schwer depressiv“ sei und unter „Panikattacken“ leide. Nur aus diesem Grund sei in der Wohnung weder für die Klägerin noch ihre Tochter ein Bett vorhanden und sei ihre Kleidung bei ihren Eltern. Ob jemand mit Plastikbesteck isst oder nicht, könne nicht erheblich sein.
Weitere Ermittlungen des Beklagten unter facebook.com ergaben, dass die Klägerin unter dem Nutzernamen „K“ ein Portraitfoto hochlud, das Herr R.H am 11.08.2014 mit dem Kommentar „Nicht so ernst mein Schatz“ kommentierte, was die Klägerin in der Kommentarleiste mit einem Herz-Symbol versah.
Bei einem erneuten Hausbesuch am 02.12.2014 konnte die Klägerin in der N-Straße nicht angetroffen werden. Ein neuerlicher Hausbesuch am 04.12.2014 durch den Außendienst des Beklagten ergab, dass die Klägerin – obwohl erkennbar anwesend – den Außendienstmitarbeitern auf mehrmaliges Klingeln und Klopfen nicht die Türe öffnete. An diesem Tag stand vor der Haustüre der silberne Audi A6 mit dem Kennzeichen „XX-X 000“, der Herrn R.H gehöre. Am 10.12.2014 kam es schließlich zu einer erneuten Hausbesichtigung durch den Außendienst, der insgesamt vermerkte, dass die Wohnung nunmehr durch die Klägerin im Wesentlichen eingerichtet worden sei und bewohnt wirke. Der Beklagte übernahm daraufhin ab dem 01.12.2014 wieder die Unterkunft- und Heizbedarfe der Klägerin und ihrer Tochter.
Am 15.12.2014 legte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin eidesstattliche Versicherungen der Klägerin, ihrer Mutter und Herrn R.H vom 12.12.2014 vor, auf die Bezug genommen wird.
Mit zwei Schreiben vom 15.06.2015 hörte der Beklagte die Klägerin und (vertreten durch die Klägerin) die Tochter der Klägerin wegen beabsichtigter Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen für die Zeit vom 01.07.2014 bis 31.10.2014 iHv 1.206,26 € bzw. 490,74 € an. Hierauf teilte die Klägerin mit Schreiben vom 19.06.2015 mit, dass sie sich oft in der N-Straße aufgehalten habe. Der Umzug habe lange gedauert und es könne sein, dass das eine oder andere Teil bei Herrn R.H verblieben sei, jedoch sei sie oftmals in der neuen Wohnung gewesen, in der einige Renovierungsarbeiten etc. hätten durchgeführt werden müssen.
Mit zwei Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 29.06.2015 nahm der Beklagte die bewilligten Leistungen für Juli bis Oktober 2014 gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X teilweise zurück und forderte von der Klägerin 1.206,26 € (327,78 € Regelbedarf, 878,48 € Unterkunfts- und Heizbedarfe) und von der Tochter der Klägerin Unterkunftsbedarfe iHv insgesamt 490,74 € für diesen Zeitraum zurück.
Hiergegen legte die Klägerin am 30.07.2015 Widerspruch ein und nahm auf ihre bisherigen Einlassungen Bezug.
Am 14.04.2016 schlossen die Beteiligten bei dem Sozialgericht Detmold (S 12 AS 18/15) hinsichtlich der vom Beklagten für November 2014 nicht übernommenen Unterkunfts- und Heizbedarfe einen Vergleich, wonach der Beklagte die Hälfte der Unterkunfts- und Heizbedarfe für November 2014 iHv 219,63 € nachgezahlt hat.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2016 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen habe die Klägerin in der Zeit vom 01.07.2014 bis 31.10.2014 nicht in der streitgegenständlichen Wohnung gelebt. Ein Widerspruchsbescheid gegen die Tochter der Klägerin ist nicht ergangen.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 19.05.2016 hat (ausschließlich) die Klägerin am 14.06.2016 Klage bei dem Sozialgericht Detmold erhoben. Es sei falsch, dass sich die Klägerin nicht in der Zeit vom 01.07.2014 bis 31.10.2014 in ihrer Wohnung in der N-Straße aufgehalten habe. Dies werde dadurch deutlich, dass der Außendienst des Beklagten die Klägerin am 23.10.2014 um 9.45 Uhr in dieser Wohnung beim Frühstück angetroffen habe. Dass die Bekleidung und Möbel in der Wohnung des Ex-Freundes und der Eltern der Klägerin verblieben sei, habe an der privaten Situation der Klägerin gelegen. Insoweit wiederholte und vertiefte die Klägerin ihr Vorbringen aus den vorangegangenen Widerspruchsverfahren.
Mit Änderungsbescheid vom 20.09.2021 hat der Beklagte die Rücknahme- und Erstattungsentscheidung gegen die Klägerin auf die Unterkunftsbedarfe für Juli bis Oktober 2014 iHv (4 x Kopfanteil zu je 219,62 € =) 878,48 € reduziert.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
den Bescheid vom 29.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2016 aufzuheben.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat auf seinen Widerspruchsbescheid in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20.09.2021 Bezug genommen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtbescheid vom 07.10.2021 abgewiesen. Angesichts des Zustandes der Wohnung bei der Wohnungsbesichtigung am 23.10.2014 sei auszuschließen, dass die Wohnung von der Klägerin als Lebensmittelpunkt genutzt worden ist, sodass die Bewilligung von Unterkunftsbedarfen rechtswidrig erfolgt sei. Auf schutzwürdiges Vertrauen könne sich die Klägerin nicht berufen, denn es sei eine Selbstverständlichkeit, dass Bedarfe nach dem SGB II nur dann übernommen werden könnten, wenn sie nicht anderweitig gedeckt werden können.
Gegen den ihrer Prozessbevollmächtigten am 13.10.2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 10.11.2021 Berufung eingelegt und ihr Vorbringen wiederholt und vertieft. Sie habe mittlerweile geheiratet, ihren Namen geändert und sei nach Q verzogen. Sie sei nunmehr Mutter einer weiteren, am 00.00.2019 geborenen Tochter.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 07.10.2021 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 29.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20.09.2021 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er nimmt auf den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bezug.
Der Senat hat die Betriebskostenabrechnung der Klägerin für 2014 eingeholt, die nicht nach Verbrauch, sondern nach Wohnfläche abgerechnet wurde. Darüber hinaus hat der Senat die Strom- und Gas-Jahresabrechnung 2014 für den Zeitraum Juli bis Dezember 2014 eingeholt. Danach hat die Klägerin in sechs Monaten 184 kWh Strom (= netto 91,52 €) und 2.635 kWh Gas (= netto 235,47 €) verbraucht. Ausweislich der Mitteilung des Energielieferanten vom 14.03.2022 sei der Stromverbrauch für einen 2-Personenhashalt extrem gering. In den Folgejahren habe die Klägerin durchschnittlich 9.500 kWh Gas pro Jahr verbraucht. Der Senat hat ferner die Kontoauszüge der Klägerin für Juli bis November 2014 eingeholt, auf die Bezug genommen wird.
Nach Anhörung der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 02.05.2022 die Sache gemäß § 153 Abs. 5 SGG dem Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen und mit Beschluss vom 15.06.2022 den Antrag der Klägerin auf Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren abgelehnt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, da das Verfahren nach § 153 Abs. 5 SGG entsprechend übertragen wurde.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Zur Begründung nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass eine Wohnung, die über kein Bett, keine Lebensmittel, teilweise ohne Licht und – mit Ausnahme eines Zweiplattenkochers – über keine Küchenmöbel/ Küchenausstattung verfügt für eine alleinerziehende Mutter mit einem einjährigen Kind faktisch unbewohnbar ist. Es ist daher lebensnah und wurde spontan von der Klägerin während der ersten gemeinsamen Wohnungsbegehung auch nicht in Abrede gestellt, dass sich die Klägerin überwiegend und weiterhin in der Wohnung ihrer Eltern aufhielt, dort jedenfalls durchgehend übernachtete, wo sie bereits zuvor mietfrei untergekommen war. Hierzu passt, dass sich die Bekleidung der Klägerin – unstreitig – in der Wohnung ihrer Eltern und ihres Ex-Freundes befanden, was durch die zahlreichen Berichte des Außendienstes und die Einlassungen der Klägerin bestätigt wird.
Die Wohnung N-Straße wurde daher in der hier allein streitgegenständlichen Periode Juli bis Oktober 2014 faktisch nicht von der Klägerin bewohnt. Hierfür spricht, dass die Klägerin an keinem einzigen Tag in diesem Zeitraum in ihrer Wohnung vom Außendienst (spontan) angetroffen wurde, obwohl es hierzu eine Vielzahl von Versuchen gegeben hat. Soweit die Klägerin behauptet, sie sei am 23.10.2014 – ohne Absprache – beim Frühstück vom Außendienst angetroffen worden, handelt es sich um eine falsche Darstellung der Abläufe. Tatsächlich wurde die Klägerin zu einem Meldetermin bestellt, gerade weil sie zuvor nicht in ihrer vorgeblichen Wohnung angetroffen wurde. Nach dem Meldetermin wurde der Klägerin auferlegt, umgehend in ihre Wohnung zu gehen, wo sie zusammen mit ihrer Mutter mit Brötchen und Marmelade erschien. Weitere Nahrungsmittel waren in der Wohnung nicht vorhanden, sodass nicht davon auszugehen ist, dass sie dort unabhängig von dem Meldetermin mit ihrer Mutter frühstücken wollte. Dies ist auch wenig lebensnah, denn die Mutter der Klägerin lebt ebenfalls in C und hat eine voll ausgestattete Wohnung. Es erscheint dem Senat arg konstruiert, dass sich Mutter und Tochter – unabhängig vom auferlegten Meldetermin mit anschließender Wohnungsbegehung – mit einem einjährigen Kind zu einem Frühstück in einer unmöblierten Wohnung verabreden, obwohl in derselben Umgebung eine voll ausgestatte Wohnung mit Küche der Mutter vorhanden war, in der die Klägerin seinerzeit mit ihrer Tochter ohnehin (unstreitig) stets übernachtete.
Für den Senat ist auch nicht ansatzweise erkennbar, warum die Klägerin, die bei ihrem Ex-Partner und ihren Eltern über ausreichend ausgestattete Unterkünfte verfügte, unter derart spartanischen Verhältnissen hausen sollte. Aus der Not heraus erfolgte dies jedenfalls nicht, denn das Verhältnis zu ihrem Ex-Partner wird als freundschaftlich bezeichnet und zu den Eltern, die die Klägerin ausweislich der Verwaltungsakte auch bei Behördengängen unterstützten, bestand ebenfalls ein gutes Verhältnis. Auch ist nicht verständlich, warum die Klägerin nicht die ausreichenden Mittel für Erstausstattung und Einzugsrenovierung nutzte, um ein Mindestmaß an Bewohnbarkeit der Wohnung herzustellen. Stattdessen nutzte sie die ihr ausweislich der Kontoauszüge zur Verfügung stehenden Finanzmittel für regelbedarfsfremde Ausgaben wie Markenmode, Schminke, Fitnessstudio, Handy, Kfz, Tankvorgänge und Pkw-Aufbereitung etc. Ob die Klägerin die Gelder zudem für kosmetische Operationen zweckentfremdete, was aus der anonymen Anzeige hervorgeht, brauchte der Senat nicht weiter zu ermitteln.
Letztlich hat die Klägerin sogar selbst eingeräumt, immer in der Wohnung ihrer Eltern zu schlafen und dies als Grund angegeben, dass sie dort alle ihre Bekleidung aufbewahrt hat. Damit ist es sogar unstreitig, dass die Klägerin ihren Lebensmittelpunkt nicht in der N-Straße hatte. Ohne die Klägerin konnte auch die einjährige Tochter der Klägerin in der N-Straße nicht ihren Lebensmittelpunkt haben.
Ohne dass dies erforderlich war und lediglich zur Absicherung dieses gefundenen Ergebnisses hat der Senat von Amts wegen die Energieverbräuche der Klägerin und ihrer Tochter in der zweiten Jahreshälfte 2014 in der N-Straße ermittelt. Die Verbrauchspositionen sind derart niedrig, dass ein Bewohnen der Unterkunft in der Zeit vom 01.07.2014 bis 31.10.2014 (spätestens damit) ausgeschlossen werden kann. So betrug der Verbrauch an Strom in der zweiten Jahreshälfte 2014 lediglich 184 kWh, obwohl der Beklagte die Nutzung der Wohnung ab Dezember 2014 (teilweise durch Vergleich auch für November 2014) unstreitig stellte. Bei einem derart geringen Stromverbrauch (allein der Anschluss eines mittelgroßen Kühlschranks ohne Gefrierfach hat – wie gerichtsbekannt ist – einen jährlichen Verbrauch von 125 kWh zur Folge), ist davon auszugehen, dass lediglich im November und Dezember 2014 in der Wohnung Strom verbraucht wurde, was im Umkehrschluss darauf schließen lässt, dass im hier ausschließlich streitgegenständlichen Zeitraum Juli bis Oktober 2014 keine relevante Wohnungsnutzung erfolgt ist. Hierfür spricht auch der auffallend niedrige Gasverbrauch.
Ohne Nutzung der Wohnung können – selbst bei zivilrechtlicher Zahlungsverpflichtung – keine Unterkunftsbedarfe beansprucht und ausgezahlt werden. Durch § 22 SGB II soll der existenzsichernde, persönliche Lebensbereich „Wohnung" geschützt werden, sodass der Leistungsanspruch grundsätzlich nur die Übernahme der Aufwendungen für eine tatsächlich genutzte konkrete Wohnung besteht, die den aktuellen räumlichen Lebensmittelpunkt bildet und den aktuell bestehenden Unterkunftsbedarf deckt (stRspr; vgl. BSG Urteile vom 25.06.2015 – B 14 AS 40/14 R; vom 17.02.2016 – B 4 AS 2/15 R und vom 30.03.2017 – B 14 AS 13/16 R). Nicht ausreichend ist die nur gelegentliche Nutzung einer Unterkunft (vgl. BSG Urteil vom 17.02.2016 – B 4 AS 2/15 R; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 01.12.2009 – L 6 AS 21/09) oder eine reine Postadresse (LSG Bayern Urteil vom 17.02.2011 – L 7 AS 49/08). Die Nutzung als Abstellkammer oder Projektwohnung – wie hier geschehen – ist nach alledem nicht ausreichend, um einen Bedarf nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II an Unterkunfts- und Heizbedarfen auszulösen.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, wie das Sozialgericht zutreffend herausgearbeitet hat. Bereits der Beklagte hat zutreffend ausgeführt, dass Vertrauensschutz gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X ausscheidet, weil die Klägerin mindestens grob-fahrlässig falsche Angaben zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht hat. Jedem einsichtigen Leistungsbezieher muss es sich aufdrängen, dass eine Wohnung nicht durch steuerfinanzierte Transferleistungen monatelang finanziert werden kann, ohne dass diese als solche genutzt wird.
Auch im Übrigen lagen die Voraussetzungen nach §§ 45, 50 SGB X vor. Nachdem der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 20.09.2021, der gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht wurde, nur noch die zu Unrecht erbrachten (kopfteiligen) Unterkunftsbedarfe zurückfordert, muss nicht mehr entschieden werden, ob der Bewilligungsbescheid auch losgelöst von den Unterkunfts- und Heizbedarfen auch im Übrigen rechtswidrig war, etwa, weil die Klägerin aufgrund einer Bedarfsgemeinschaft mit Herrn R.H oder einer Haushaltsgemeinschaft mit ihren Eltern (§ 9 Abs. 5 SGB II, § 1 Abs. 2 Alg II-V) gar nicht hilfebedürftig war. Dahinstehen kann auch, ob und ggf. In welcher Höhe das Elterngeld der Klägerin als Einkommen berücksichtigt wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Zwar hat der Beklagte im ersten Rechtszug mit Änderungsbescheid vom 20.09.2021 dem Begehren der Klägerin teilweise (rund 28 %) abgeholfen, jedoch konnte die insoweit unrichtige Kostenentscheidung des Sozialgerichts vom Senat nicht mehr korrigiert werden. Ein isoliert gegen die erstinstanzliche Kostenentscheidung gerichtetes Rechtsmittel liegt nicht vor und wäre auch nicht statthaft (§ 144 Abs. 4 SGG; vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Aufl., § 193 Rn. 16). Die Berufung war wie dargelegt ohne Erfolg, sodass sie keine für die Klägerin günstige Kostenformel auslösen konnte (Schmidt, in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Aufl., § 193 Rn. 2a).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.