L 11 R 2464/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 2177/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2464/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29.06.2021 insoweit aufgehoben, als der Klägerin Verschuldenskosten auferlegt werden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Streitig ist die Beachtung einer Vollmacht.

Die am 21.09.1953 geborene Klägerin beantragte gegenüber der Beklagten am 15.02.2019 die Gewährung einer Altersrente. Mit Bescheid vom 21.03.2019 bewilligte die Beklagte der Klägerin Altersrente ab dem 01.05.2019 iHv 838,75 € brutto monatlich. Darin stellte Beklagte fest, dass die Zeit vom 01.05.1989 bis zum 07.04.1990 nicht als Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung berücksichtigt werden könne, weil diese Zeit der Ausbildung die berücksichtigungsfähige Höchstdauer überschreite. Des Weiteren berücksichtigte die Beklagte Kindererziehungszeiten für die Töchter der Klägerin, wobei sie als Nachname der Töchter jeweils „F“ angab, obwohl diese tatsächlich den Nachnamen M des geschiedenen Ehemannes der Klägerin trugen. Dagegen legte die Klägerin am 01.04.2019 Widerspruch ein. Zur Begründung gab sie - zu diesem Zeitpunkt noch unvertreten - an, dass insbesondere die Berechnung ihres Versorgungsausgleiches fehlerhaft sei. Zudem sei auch die Zeit vom 01.05.1989 bis zum 07.04.1990 als Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung zu berücksichtigen. Es handele sich dabei um eine abgeschlossene Fachschulausbildung, die zur Berufsausübung relevant sei. Des Weiteren seien die Nachnamen ihre Kinder aus der Ehezeit falsch angegeben, diese seien jeweils in den Nachnamen „M“ zu korrigieren.

Mit Schreiben vom 25.04.2019 zeigte Rentenberater X seine Bevollmächtigung an, ohne eine weitere Widerspruchsbegründung vorzulegen.

Mit Bescheid vom 07.08.2019 korrigierte die Beklagte die Namen der Töchter und änderte diese antragsgemäß in „M“ um. Anschließend wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2020 den Widerspruch zurück. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos (S 14 R 385/20), die Berufung wurde zurückgewiesen (L 11 R 2419/21).

Mit Bescheid vom 26.05.2020 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Rentenhöhe ab 01.07.2020 neu fest. Diesen Bescheid übersandte die Beklagte direkt an die Klägerin, ohne deren Bevollmächtigten zu benachrichtigen. Mit Schriftsatz vom 23.06.2020 hat der Klägerbevollmächtigte im Namen der Klägerin Unterlassungsklage beim Sozialgericht Freiburg (SG) eingereicht mit der Begründung, die Vollmacht aus dem Widerspruchs- und Klageverfahren S 14 385/20 sei natürlich immer noch in Kraft, die Missachtung derselben im Hause der Beklagten gewinne an System. Er habe außergerichtlich alles versucht, der Geschäftsführung mit entsprechenden Klageverfahren gedroht, aber es habe nicht funktioniert. Es fehle an einer ordnungsgemäßen Zustellung, Rechtsbehelfsfristen fingen nicht an zu laufen, es träten Verzögerungen ein, die Bearbeitung sei erschwert. Durch die Missachtung der Vollmacht könne es zu zeitlichen Verzögerungen bei der Bearbeitung und der Rechnungsstellung kommen. Dies könne zum Teil zu einem Rechtsuntergang führen. Zudem komme einer Bevollmächtigung auch eine Abschirmungsfunktion zu. Eine fehlerhafte Speicherung der Vollmacht bei der Beklagten falle nicht in den Verantwortungsbereich der Klägerin. Es sei von einem vorsätzlichen Verhalten der Beklagten auszugehen, so dass nicht gewährleistet sei, dass die Vollmacht nicht erneut missachtet werde. Ihr Rechtsschutzbedürfnis für die Klage ergebe sich aus der Wiederholungsgefahr, auf die dem Sozialgericht bekannten weiteren anhängigen Unterlassungsklagen werde verwiesen.

Die Beklagte hat vorgetragen, sie unterscheide bei Vollmachten zwischen denjenigen für das jeweilige Verwaltungsverfahren sowie zwischen General- und Vorsorgevollmachten. Die Vollmacht für das jeweilige Verwaltungsverfahren, die nur bis zum Abschluss des aktuell anhängigen Verwaltungsverfahrens gelte, werde unter einer sogenannten „Durchlaufadresse“ gespeichert. Diese Durchlaufadresse werde nach Verarbeiten von Ausführungsläufen - zum Beispiel Erteilen einer Rentenauskunft, Prognoseauskunft oder Erteilen eines Rentenbescheides, nachdem auch die Nachzahlung abgerechnet wurde - maschinell gelöscht. Demgegenüber werde eine General- oder Vorsorgevollmacht unter einer „festen“ Adressnummer gespeichert. Es werde dann sichergestellt, dass auch nach Abschluss des anhängigen Verfahrens sämtliche Rentenbescheide an den Bevollmächtigten adressiert würden. Die vom Bevollmächtigten der Klägerin vorgelegte Vollmacht sei im Konto der Klägerin korrigiert und gespeichert worden und sollte somit nunmehr sichergestellt sein. Für die vorbeugende Unterlassungsklage fehle das besondere Rechtsschutzinteresse, da die Klägerin auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden könne. Die eventuelle Verzögerung des Verwaltungsverfahrens oder die neu zu bestimmende Rechtsmittelfrist bei Nichtbeachtung der Vollmacht erfüllten die Kriterien des besonderen Rechtsschutzbedürfnisses nicht.

Mit Verfügung vom 05.03.2021 hat das SG den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid und die Klägerin zudem darauf hingewiesen, dass die Fortführung der Klage rechtsmissbräuchlich sei und Verschuldenskosten iHv mindestens 150 € auferlegt werden können. Anschließend hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29.06.2021 abgewiesen und der Klägerin Verschuldenskosten in Höhe von 150 € auferlegt. Die Klage sei unzulässig, da die Beklagte bereits erklärt habe, die dem Bevollmächtigten der Klägerin erteilte Vollmacht im Konto der Klägerin gespeichert zu haben und diese künftig zu beachten. Dadurch sei das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage entfallen, da die Klägerin durch eine gerichtliche Entscheidung nicht mehr erlangen könnte. Soweit sich die Klägerin mit ihrer Klage auch gegen eine künftige Missachtung der Vollmacht ihres Bevollmächtigten durch die Beklagte wende, sei dieses Begehren als vorbeugende Unterlassungsklage analog § 54 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, jedoch sei auch diese Klage unzulässig, da es an dem dafür erforderlichen qualifizierten Rechtsschutzinteresse der Klägerin fehle. An das Rechtsschutzbedürfnis seien bei Unterlassungsklagen nach der Rechtsprechung des BSG besondere Anforderungen zu stellen. Voraussetzung einer Unterlassungsklage sei die Behauptung des Klägers, dass ein Rechtsanspruch bestehe, dessen drohende Verletzung zu besorgen sei, dass also ein Eingriff in eine geschützte Rechtsposition bestehe. Als maßgebliches Kriterium für das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses und damit für die Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes gelte, dass ein erneutes als widerrechtlich beurteiltes Vorgehen der Behörde ernstlich zu befürchten ist. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Es sei bereits fraglich, ob der Klägerin ein eigener Anspruch auf Beachtung der Vollmacht aus § 13 Abs 3 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegen die Beklagte zustehen könne. Nach wohl überwiegender Meinung führe eine fehlerhafte Ermessensbetätigung im Rahmen von § 37 Abs 1 Satz 2 SGB X grundsätzlich zu einer fehlerhaften und damit unwirksamen Bekanntgabe, eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte sei damit nicht verbunden. Jedenfalls habe aber die Beklagte ausführlich erläutert, wie es zu der Nichtbeachtung der dem Bevollmächtigten der Klägerin erteilten Vollmacht gekommen und dass nunmehr durch eine entsprechende Korrektur und Speicherung im Konto der Klägerin sichergestellt sei, dass die Vollmacht künftig ihrerseits beachtet werde. Es fehle damit an der erforderlichen Wiederholungsgefahr. Auf andere beim Sozialgericht Freiburg rechtshängige Unterlassungsklagen zwischen anderen Beteiligten komme es insoweit nicht an. Eine Kostentragung im Rahmen des § 193 SGG komme nicht in Betracht. Die Beklagte habe zwar zunächst fälschlicherweise den Bescheid vom 26.05.2020 direkt an die Klägerin unter Missachtung der Vollmacht ihres Bevollmächtigten gesandt. Es sei aber nicht dargelegt und nachgewiesen worden, ob und inwiefern die Beklagte seitens der Klägerin bzw seitens ihres Bevollmächtigten vor Klageerhebung am 23.06.2020 auf die Nichtbeachtung der Vollmacht im konkreten Fall der Klägerin hingewiesen und zur Korrektur aufgefordert worden sei unter Androhung einer Klageerhebung. Die Auferlegung von Verschuldenskosten beruhe auf § 192 Abs 1 Satz 1 Nr 2, Satz 2 und 3 SGG iVm § 184 Abs 2 SGG. Ein Missbrauch im Sinne dieser Regelung sei insbesondere dann anzunehmen, wenn der Rechtsstreit trotz offensichtlicher Aussichtslosigkeit weitergeführt werde. Dabei genüge nach der geltenden Fassung des § 192 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG die objektive Aussichtslosigkeit dann, wenn die weitere Rechtsverfolgung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden müsse. Vorliegend habe die Klägerin den Rechtsstreit fortgeführt, obwohl sie vom Gericht auf die Aussichtslosigkeit und auf die Missbräuchlichkeit der Fortführung der Klage sowie auf die Möglichkeit der Auferlegung von Verschuldenskosten in Höhe von mindestens 150 € hingewiesen worden sei. Die Höhe der Verschuldenskosten entspreche dem in §§ 192 Abs 1 Satz 3, 184 Abs 2 SGG festgelegten Mindestbetrag.

Gegen den ihm am 01.07.2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Klägerbevollmächtigte am 27.07.2021 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingereicht unter Wiederholung und Vertiefung der bisherigen Begründung. Der Rechtsstaat versage und lege sogar Verschuldenskosten auf. Hier sei wohl das Maß des Verhältnismäßigen komplett überschritten. Die rechtliche Benachteiligung bestehe in der persönlichen Beeinträchtigung und nicht nur in der rechtlichen, und das möchte die Gerichtsbarkeit wohl nicht akzeptieren. Es sei völlig gleichgültig, ob die Beklagte nun behaupte, es sei irgendetwas fehlerhaft gespeichert worden oder handele sich um ein Versehen. Es sei wöchentliches Tagesgeschäft inzwischen, dass hier die Vollmachten nicht beachtet würden, es liege eine systematische Vollmachtsmissachtung durch die Beklagte vor. Es sei Aufgabe der Gerichtsbarkeit, sich nicht hier in der Anwendung des § 56 a SGG zu ergehen, sondern einer Vollmachtsbeachtung Genüge zu tun. § 13 Abs 3 Satz 2 SGB X sei komplett gesperrt, die Behörde habe kein Ermessen mehr.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29.06.2021 aufzuheben und die Beklagte dazu zu verpflichten, unter Androhung eines Zwangsgeldes von 2.500,- Euro, die Vollmacht, die für die Klägerin bei ihr hinterlegt worden ist, nicht weiterhin zu missachten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die frist- und formgerecht eingelegte und statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 SGG), ist zulässig (§§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 151 SGG), jedoch nur in Bezug auf die Missbrauchsgebühren begründet.

Mit ihrer Klage und der Berufung begehrt die Klägerin, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verpflichten, es zu unterlassen, die vorgelegte Vertretungsvollmacht zu missachten, mithin etwaige Schreiben der Beklagten direkt an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu schicken und nicht an die Klägerin selbst. Bei dieser Klage handelt es sich um eine allgemeine Leistungsklage iSd § 54 Abs 5 SGG in Form einer Unterlassungsklage (vgl zur Unterlassungsklage als Unterfall der Leistungsklage BSG 30.07.2019, B 1 KR 34/18 R, juris, Rn 11 mwN; LSG Baden-Württemberg 24.07.2015, L 8 U 633/15, juris, Rn 89 f.; LSG Baden-Württemberg 15.10.2021, L 4 KR 645/21, Rn 21, juris).

Wie das SG im Ergebnis zutreffend dargelegt hat, ist diese Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig - und dies sogar, anders als das SG meint, von Anfang an und nicht erst seit der Stellungnahme der Beklagten, die Vollmacht künftig zu beachten. Am Rechtsschutzbedürfnis fehlt es nämlich grundsätzlich, wenn sich der Betreffende vor Anrufung des Gerichts mit seinem Anliegen nicht zuvor an die Behörde gewandt hat (LSG Baden-Württemberg 19.10.2021, L 9 R 1944/21,  juris Rn 27; LSG Baden-Württemberg 24.06.2019, L 7 AS 1916/19 ER-B, juris Rn 5; Sächsisches LSG 17.12.2015, L 3 AS 710/15 B ER, juris Rn 35 und vom 27.02.2017, L 7 AS 1281/16 B ER, juris Rn 15/16; LSG Nordrhein-Westfalen 13.09.2018, L 2 AS 1143/18 B ER,, juris Rn 15; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Auflage, § 86b Rn 7a; Burkiczak in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, § 86b Rn 308). Die Gerichte haben die Aufgabe, den Bürgern und der Verwaltung zu ihrem Recht zu verhelfen, soweit dies notwendig ist. Soweit eine Möglichkeit besteht, das Recht außerprozessual durchzusetzen, besteht kein Anlass, die Hilfe des Gerichts in Anspruch zu nehmen. Ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt insbesondere, wenn das angestrebte Ereignis auf einfachere Weise erreicht werden kann (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, vor § 51, Rn 16a).

Vorliegend hat der Klägerbevollmächtigte Unterlassungsklage erhoben, ohne zuvor die Beklagte auf die seiner Auffassung nach weiterhin gültige Vollmacht hinzuweisen. Der Senat hat keine Bedenken, dass allein dieser Hinweis genügt hätte, damit die Beklagte zukünftige Verwaltungsakte an den Klägerbevollmächtigten richtet und nicht mehr an die Klägerin direkt. Dass eine Missachtung von Vollmachten bei der Beklagten „System“ und der Klägerbevollmächtigte sich bereits ergebnislos an die Geschäftsführung gewandt habe, ergibt sich aus den Akten nicht und wurde vom Klägerbevollmächtigten auch in keiner Weise konkretisiert oder nachgewiesen. Insofern gibt es für den Senat keinen Hinweis darauf, dass einer vor Klageerhebung bei der Beklagten vorgebrachten Bitte, die Vollmacht in Zukunft zu beachten, kein Erfolg beschieden worden wäre.

Im Übrigen fehlt es, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, auch an der Wiederholungsgefahr. Die Gefahr einer Wiederholung der vermeintlichen Rechtsbeeinträchtigung ist als besondere Voraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses bei Unterlassungsklagen generell erforderlich (vgl nur BSG 15.11.1995, 6 RKa 17/95, juris Rn 15; LSG Baden-Württemberg 15.10.2021, L 4 KR 645/21, juris Rn 24; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, aaO, § 54 Rn 42a). Nachdem die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren dargelegt hat, die Vollmacht des Klägers als Generalvollmacht dauerhaft gespeichert zu haben, sieht der Senat keine Wiederholungsgefahr einer direkten Kontaktaufnahme mit der Klägerin. Es wurde auch vom Klägerbevollmächtigten nicht vorgetragen, dass sich dies seitdem wiederholt hat.

Allerdings ist die Entscheidung des SG über die Auferlegung von Verschuldenskosten rechtswidrig und war deshalb aufzuheben. Die Voraussetzungen für die Verhängung von Missbrauchskosten lagen nicht vor. Der Senat ist trotz § 144 Abs 4 SGG befugt, (allein) die Kostenentscheidung zu ändern. Diese Vorschrift erfasst nur Fälle, in denen die Berufung auf die Kostenentscheidung beschränkt wird (vgl LSG Berlin-Brandenburg 10.11.2020, L 9 KR 374/19, Rn 29, juris)

Gemäß § 192 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG kann das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass dieser den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Dem Beteiligten steht sein Vertreter oder Bevollmächtigter gleich (Satz 2). Eine missbräuchliche Rechtsverfolgung ist dann anzunehmen, wenn die Weiterführung des Rechtsstreits von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt aaO § 192 Rn 9 mwN, auch BVerfG 23.02.2016, 2 BvR 63/16, 2 BvR 60/16) und der Beteiligte entgegen seiner besseren Einsicht von der weiteren Rechtsverfolgung nicht Abstand nimmt (BSG 19.06.1961, 3 RK 67/60). Es ist also ein ungewöhnlich hohes Maß an Uneinsichtigkeit zu verlangen (BSG 12.03.1981, 11 RA 30/80). Maßstab ist die objektivierte Einsichtsfähigkeit eines vernünftigen Verfahrensbeteiligten (Stotz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Auflage, § 192 SGG (Stand: 29.03.2021), Rn 40 mwN).

Gemessen hieran erfolgte die Auferlegung der Missbrauchsgebühr durch das SG zu Unrecht.

Wie oben dargelegt, bestand für die hier eingereichte Unterlassungsklage von Anfang an kein Rechtsschutzbedürfnis, weil die Klägerin sich nicht vorab an die Beklagte gewandt hatte und keine Wiederholungsgefahr bestand. Der Senat kann offenlassen, ob ein vernünftiger Verfahrensbeteiligter, wäre er auf diese bereits anfängliche Unzulässigkeit der Klage hingewiesen worden, von einer Weiterverfolgung Abstand genommen hätte und ein Festhalten an der Klage daher als in hohem Maße uneinsichtig anzusehen wäre. Der Klägerbevollmächtigte ist jedenfalls nicht entsprechend belehrt worden. Vielmehr hat der Kammervorsitzende in der ersten Instanz den Klägerbevollmächtigten darauf hingewiesen, dass das Rechtsschutzbedürfnis durch die Zusicherung der Beklagten, die Vollmacht in Zukunft zu beachten, entfallen und eine Wiederholungsgefahr nicht erkennbar sei. Dies impliziert, dass die Klage zunächst zulässig gewesen ist. Wird aber der Eindruck vermittelt, eine Unterlassungsklage wie die vorliegende sei zulässig erhoben worden und lediglich durch eine Erklärung der Beklagten unzulässig geworden, relativiert sich hierdurch das Ausmaß der Aussichtslosigkeit erheblich. Von einem ungewöhnlichen Maß an Uneinsichtigkeit kann deshalb hier nicht gesprochen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat verweist diesbezüglich auf die zutreffenden Erwägungen des SG zur fehlenden Kostentragungspflicht der Beklagten.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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