L 11 R 2419/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 385/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2419/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23.06.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.


Tatbestand

Streitig sind die Gewährung einer höheren Rente unter Berücksichtigung von Zeiten der Hochschulausbildung sowie die Kosten des Widerspruchsverfahrens.

Die 1953 geborene Klägerin machte 1973 ihr Abitur an der Fschule H (Bescheinigung vom 13.12.1973, Bl 14 Verwaltungsakte), vom 01.04.1974 bis 31.03.1977 studierte sie Medizin an der P-Universität M, vom 09.06.1987 bis zum 07.04.1990 absolvierte sie eine Kunsttherapieausbildung. Von 1975 bis zur Scheidung 1999 war sie mit M1 verheiratet und trug dessen Namen. Die gemeinsamen Töchter J, A und C wurden am 1976, 1979 und 1984 geboren. Mit Beschluss vom 30.08.2000 urteilte das Amtsgericht N., dass zu Lasten der Versorgung des Ehemannes bei der Bischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte durch Realteilung für die Klägerin bei dieser Versorgungsanstalt Rentenanwartschaften von monatlich 1.612,97 DM begründet wurden, außerdem wurden  zu Lasten der Versorgung des Ehemannes bei der Zusatzversorgungskasse  B für die Klägerin bei der Beklagten Rentenanwartschaften von monatlich 121,01 DM begründet.
 
Am 28.09.1999 beantragte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Feststellung von Kindererziehungszeiten bzw von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für ihre drei Töchter und gab dabei als Geburtsnamen der Töchter jeweils „M2“ an. Sie selbst nahm nach der Scheidung wieder ihren Geburtsnamen an. Mit Vormerkungsbescheid vom 18.09.2008 wurde - neben anderen der Schul-, Hochschul- und Fachschulausbildung - ua die Zeit vom 01.05.1989 bis 07.04.1990 als Fachschulausbildung anerkannt. Gleiches findet sich in Rentenauskünften vom 18.09.2008 (Bl 8 Verwaltungsakte II) und 15.02.2019 (Bl 23 Verwaltungsakte II). In den Rentenauskünften vom 18.09.2008 sowie 15.02.2019 ist zudem ein Zuschlag an Entgeltpunkten für einen durchgeführten Versorgungsausgleich enthalten auf Basis von Rentenanwartschaften in Höhe von 1.612,97 DM sowie 121,01 DM, zusammen 1.733,08 DM.

Am 15.02.2019 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente, wobei im Vordruck als Nachname der drei Töchter jeweils „F1“ aufgenommen wurde (Bl 16/17 Verwaltungsakte). Mit Bescheid vom 21.03.2019 bewilligte die Beklagte der Klägerin Altersrente ab dem 01.05.2019 iHv 838,75 € brutto monatlich. Im Versicherungsverlauf wurden 35 Monate als Schulausbildung vom ...1970 (17. Geburtstag der Klägerin) bis zum ...1973 ausgewiesen, gefolgt von zwei Monaten Übergangszeit (01.08.1973 bis 30.09.1973), weiterhin insgesamt 36 Monate Hochschulausbildung (01.04.1974 bis 31.03.1977) sowie als Fachschulausbildung die Zeit vom 09.06.1987 bis 30.04.1989 (23 Monate), insgesamt 96 Monate. Die Beklagte stellte fest, dass die Zeit vom 01.05.1989 bis zum 07.04.1990 nicht als Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung berücksichtigt werden könne, weil diese Zeit der Ausbildung die berücksichtigungsfähige Höchstdauer überschreite. Der bisherige Bescheid über die Feststellung dieser Zeit werde insoweit ab Rentenbeginn aufgehoben. Des Weiteren berücksichtigte die Beklagte Kindererziehungszeiten für die Töchter der Klägerin, wobei sie als Nachname der Töchter jeweils „F1“ angab. Ein Zuschlag für einen Versorgungsausgleich erfolgte nunmehr lediglich noch auf Basis der Rentenanwartschaft in Höhe von 121,01 DM.

Dagegen legte die Klägerin am 01.04.2019 Widerspruch ein. Zur Begründung gab sie - zu diesem Zeitpunkt noch unvertreten -  an, dass insbesondere die Berechnung ihres Versorgungsausgleiches fehlerhaft sei. Zudem sei auch die Zeit vom 01.05.1989 bis zum 07.04.1990 als Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung zu berücksichtigen. Es handele sich dabei um eine abgeschlossene Fachschulausbildung, die zur Berufsausübung relevant sei. Des Weiteren seien die Nachnamen ihre Kinder aus der Ehezeit falsch angegeben, diese seien jeweils in den Nachnamen „M2“ zu korrigieren.

Mit Schreiben vom 25.04.2019 zeigte Rentenberater E seine Bevollmächtigung an, ohne eine weitere Widerspruchsbegründung vorzulegen.

Mit Bescheid vom 07.08.2019 korrigierte die Beklagte die Namen der Töchter und änderte diese antragsgemäß in „M2“ um. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie an, dass die Klägerin aus der Versorgung ihres geschiedenen Mannes Rentenanwartschaften erhalte bei der Bischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte in Tübingen (Ärzteversorgung B) und der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbandes B in S. Bei dem Ausgleich der Ärzteversorgung B handele es sich um eine Realteilung, so dass für die Klägerin ein Anrecht aus dem Versorgungsausgleich bei der Ärzteversorgung B begründet worden sei, nicht dagegen bei einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung. Zeiten einer schulischen Ausbildung seien nur bis zu einer Höchstdauer von 8 Jahren als Anrechnungszeiten zu berücksichtigen. Die Nachnamen der drei Töchter seien aufgrund der Angaben der Klägerin im Rentenantrag in „F.“ geändert worden. Dies sei mit Bescheid vom 07.08.2019 berichtigt worden. Die Namensänderung sei von der Klägerin selbst provoziert worden, so dass keine Kosten des Widerspruchsverfahrens übernommen werden könnten.

Hiergegen hat die Klägerin am 06.02.2020 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Hinsichtlich der Bewertung der Hochschulzeiten sei eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht unter dem Az B 13 R 54/19 B anhängig. Bei der Erstattung von Vorverfahrenskosten im Rahmen des § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) handele es sich nicht um Sozialleistungen. Aufgrund dessen dürfe die Beklagte nicht per Verwaltungsakt entscheiden, sondern habe vielmehr eine Abrechnung vorzunehmen. Es handele sich damit um einen Schadensersatzanspruch aus rechtswidrigem Handeln. Im Übrigen habe die Klägerin zu den Kindern keine Angaben im Rentenantragsvordruck gemacht, da nach dem Antragsvordruck keine weiteren Angaben erforderlich gewesen seien, da die Zeiten bereits berücksichtigt worden seien. Die Abstammungsurkunden hätten vorgelegen und lauteten alle auf den Namen „M2“. Die Namensänderung der Kinder sei daher vermutlich im Wege der elektronischen Datenverarbeitung bei der Beklagten erfolgt. Aufgrund dieses systematischen Fehlers habe die Beklagte die Widerspruchskosten zu tragen.

Mit Gerichtsbescheid vom 23.06.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Sie sei bereits unzulässig, soweit sie auf eine teilweise Kostenerstattung im Widerspruchsverfahren bzw eine Aufhebung der Kostenentscheidung im Widerspruchsverfahren gerichtet ist. Das Gericht habe im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten hätten, § 193 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Nach dem Grundsatz der Kosteneinheit seien dabei die gesamten in einer Instanz angefallenen Kosten als eine einheitliche Kostenmasse zu behandeln. Zu diesen Kosten gehörten auch die Kosten des Vorverfahrens, soweit sie zwingende Klagevoraussetzung seien, denn als notwendige Vorbereitungskosten seien sie Teil des gerichtlichen Verfahrens. Schließe sich an ein Vorverfahren ein gerichtliches Verfahren an, erledige sich die Kostengrundentscheidung des angefochtenen Widerspruchsbescheides. Dementsprechend fehle es der Klägerin für eine isolierte Entscheidung über die Vorverfahrenskosten an einem Rechtsschutzbedürfnis. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, da der Klägerin gegen die Beklagte kein Anspruch auf die Gewährung einer höheren Rente zustehe. Die Rentenhöhe richte sich nach den §§ 63 ff Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Maßgebend sei dabei unter anderem die Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen, diese würden in Entgeltpunkte umgerechnet (§ 63 Abs 2 SGB VI). Anschließend erfolge eine Multiplikation mit dem Zugangsfaktor, dem Rentenartfaktor sowie dem aktuellen Rentenwert, § 64 SGB VI. Dabei ergäben sich die persönlichen Entgeltpunkte für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente, indem die Summe aller Entgeltpunkte unter anderem für Beitragszeiten und beitragsfreie Zeiten mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt wird, § 66 Abs 1 SGB VI. Die Klägerin begehre mit ihrer Klage eine höhere Rente unter Anerkennung ihrer Fachschulausbildung auch in der Zeit vom 01.05.1989 bis zum 07.04.1990 als Anrechnungszeit. Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Fachschule besuchten, seien gemäß § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI Anrechnungszeiten. Als solche seien sie als beitragsfreie Zeiten einzustufen, wenn für diese Kalendermonate nicht auch Beiträge gezahlt worden seien, § 54 Abs 4 SGB VI. Auch beitragsfreie Zeiten seien rentenrechtliche Zeiten gemäß § 54 Abs 1 SGB VI. Grundsätzlich würden gemäß § 63 Abs 3 SGB VI für beitragsfreie Zeiten Entgeltpunkte angerechnet, deren Höhe von der Höhe der in der übrigen Zeit versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen abhängig sei. Eine Berücksichtigung von Zeiten eines Fachschulbesuchs als Anrechnungszeiten seien nach dem seit dem 01.01.2002 geltenden Recht höchstens bis zu 8 Jahren möglich (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB SGB VI). Ausgehend von diesen gesetzlichen Regelungen komme eine Berücksichtigung der Zeiten des Fachschulbesuchs der Klägerin als Anrechnungszeit im Zeitraum vom 01.05.1989 bis zum 07.04.1990 nicht in Betracht, da die Höchstdauer von insgesamt 8 Jahren Anrechnungszeiten überschritten sei. Das Gericht habe keine Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Begrenzung von Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung auf höchstens 8 Jahre in § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI. Ein Verstoß gegen die grundrechtliche Eigentumsgarantie in Art 14 Abs 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) sei nicht gegeben. Gemäß Art 14 Abs 1 Satz 2 GG würden Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze bestimmt. Dabei komme dem Gesetzgeber ein weiter Ermessens- und Gestaltungsspielraum zu. Im Falle von Anrechnungszeiten für den Besuch einer Schule, Fachschule oder Hochschule nach dem vollendeten 17. Lebensjahr sei dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Versicherten in diesen Zeiten keine Beiträge zur Rentenversicherung geleistet hätten und dennoch für bis zu 8 Jahre Anrechnungszeiten dafür zuerkannt würden. Angesichts der zunehmenden Belastung der Alterssicherungssysteme durch die demographische Entwicklung der Bevölkerung beruhe die Begrenzung der Anrechnungszeiten für eine schulische Ausbildung auf höchstens 8 Jahre auf sachgerechten Gründen und sei nach Auffassung des Gerichts auch verhältnismäßig. Aus dem Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22.09.2020 im Verfahren B 13 R 54/19 B (bei juris) ergebe sich für das hiesige Verfahren nichts anderes. Mit diesem Beschluss habe das BSG seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach die Begrenzung des Gesamtleistungswerts für Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung durch § 74 Satz 4 iVm § 263 Abs 3 SGB VI mit dem GG vereinbar sei; die Regelungen verstießen weder gegen Art 14 Abs 1 noch gegen Art 3 Abs 1 GG oder das Sozialstaatsprinzip. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe die dagegen gerichteten Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG <Kammer> Beschluss vom 18.05.2016, 1 BvR 2217/11 ua - juris). Mit der im hiesigen Klageverfahren streitgegenständlichen Frage, ob die Begrenzung der Anrechnungszeiten für eine Fachschulausbildung auf höchstens 8 Jahre rechtmäßig sei, habe sich das BSG nicht befasst. Die Kostenentscheidung beruhe auf § 193 SGG. Eine teilweise Kostenauferlegung auf die Beklagte komme vorliegend nicht in Betracht, da die Teilabhilfe durch Bescheid vom 07.08.2019 lediglich in einer Änderung der Nachnamen der Kinder der Klägerin bestanden habe. Hieraus ergebe sich keine für die Klägerin günstigere Rechtsposition, so dass eine Erstattung ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten durch die Beklagte nicht gerechtfertigt sei. 

Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 22.07.2021 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingereicht. Das Sozialgericht sei auf die Klagebegründung überhaupt nicht eingegangen, vielmehr tätige das Gericht in seinen Entscheidungsgründen Ausführungen zu einem Fachschulbesuch und zur Begrenzung auf 8 Jahre. Dies habe mit dem Klagevortrag nichts zu tun. Es sei um eine Hochschulausbildung gegangen und nicht um die Begrenzung auf 8 Jahre. Auch die Ausführungen zu den Widerspruchskosten gingen an der Sache vorbei. Es sei extra beantragt worden, die Verfahren voneinander zu trennen, da bezüglich der Widerspruchskosten eine völlig andere Rechtsauffassung vertreten werde. Es handele sich um einen Schadensersatzanspruch, so dass die Auffassung vertreten werde, dass ein Verwaltungsakt nicht zulässig sei. Es sei also nicht um die Frage gegangen, die Widerspruchskosten mit nachfolgendem Klageverfahren isoliert anzufechten, sondern darum, das gesondert abzuhandeln, aber wenn es nicht anders gehe, dann mache man das halt nachher im Überprüfungsverfahren.
Zur Frage der Nichtbewertung von Hochschulzeiten gebe es keine verfassungsrechtliche Entscheidung. Nichtannahmebeschlüsse seien keine Beschlüsse in dem Sinne und es sei auch inakzeptabel, wenn in solchen Nichtannahmebeschlüssen trotzdem materiell-rechtlich orientierte Ausführungen getätigt würden, weil das letztlich eine Übervorteilung des Rechtssuchenden darstelle. Die Nichtbewertung von Hochschulzeiten sei verfassungswidrig, denn der Solidaritätsgedanke werde mit Füßen getreten. Eine Versichertengemeinschaft habe Vorteile von hochqualifiziert Ausgebildeten, da sie in der Regel höhere Beiträge als weniger Qualifizierte zahlten.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Freiburg vom 23.06.2021 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 21.03.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2020 zu verurteilen, die Rente neu zu berechnen unter Berücksichtigung von Hochschulausbildungszeiten,

die Beklagte unter Abänderung der Bescheide dazu zu verurteilen, im Hinblick auf die Teilabhilfe des Widerspruchsverfahrens bzgl der Namensänderung der Kinder, Widerspruchskosten im Rahmen des § 63 SGB X zu tragen,

hilfsweise den Bescheid vom 21.03.2019 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 07.08.2019 aufzuheben, insoweit eine Entscheidung über die Widerspruchskosten im Rahmen des § 63 SGB X getroffen worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat dargelegt, bei einem Rentenbeginn ab 01.01.2005 würden Anrechnungszeiten wegen Schul- oder Berufsschulausbildung nach dem vollendeten 17. Lebensjahr nicht mehr bewertet, vielmehr würden diese Zeiten nach nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI bis zur Höchstdauer von 8 Jahren weiterhin als Anrechnungszeit berücksichtigt und führten so zu einer mittelbaren Rentenerhöhung. Eine Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 263 Abs 3 SGB VI liege nicht vor. Das habe das Bundessozialgericht in mehreren Verfahren bestätigt (BSG vom 19.04.2011, B 13 R 27/10 R, B 13 R 28/10 R, B13 R 29/10 R, B 13 R 55/10 R, B13 R 8/11 R). Die Abschmelzung der Bewertung von Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz verstoße danach weder gegen die Eigentumsgarantie aus Artikel 14 Absatz 1 GG noch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 Abs 1 GG noch gegen das Sozialstaatsprinzip. Die gegen vier der Urteile des BSG vom 19.04.2011 gerichtete Verfassungsbeschwerde habe das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 18.05.2016, 1 Bv R 2217/11, 1 Bv R 2218/11, 1 Bv R 2219/11 und 1Bv R 2430/11).
Hinsichtlich des dritten Antrags der Klägerin werde Bezug genommen auf den bisherigen Vortrag und die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen in der angegriffenen Entscheidung. Anhaltspunkte für einen Schadensersatzanspruch bestünden nicht.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 SGG), ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG). Sie ist aber unbegründet. Soweit die Kosten des Vorverfahrens betroffen sind, hat das SG die Klage zu Recht bereits als unzulässig erachtet; im Übrigen ist die Klage zwar zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg, da die Gewährung einer höheren Rente nicht in Betracht kommt.

Gegenstand des Verfahrens ist der Rentenbescheid der Beklagten vom 21.03.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2020.

In Bezug auf die Kosten des Widerspruchsverfahrens hat das SG zutreffend ausgeführt, dass diese im Falle eines sich anschließenden Klageverfahrens im Rahmen des § 193 SGG zu berücksichtigen sind und eine isolierte klageweise Geltendmachung ausgeschlossen ist. Insofern verweist der Senat auf die Ausführungen des SG und sieht von einer wiederholenden Darstellung ab (§ 153 Abs 2 SGG). Soweit der Klägerbevollmächtigte hier bemängelt, die Beklagte habe hierüber nicht mittels Verwaltungsakt entscheiden dürfen, ist die Auffassung des Klägerbevollmächtigten fehlerhaft. Es entspricht ständiger Rechtsprechung und auch - soweit ersichtlich - der einhelligen Auffassung in der Literatur, dass die Kostengrundentscheidung der Behörde (ebenso wie die Kostenfestsetzung der Höhe nach, vgl BSG 06.05.2009, B 6 KA 7/08 R, juris Rn 14; BSG 17.10.2006, B 5 RJ 66/04  R, juris Rn 11 ff; BSG 16.03.2006, B 4 RA 59/04 R, juris Rn 22) durch Verwaltungsakt erfolgt (Feddern in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 63 SGB X (Stand: 26.11.2021), Rn 40; KassKomm/Mutschler, 115. EL Juli 2021, SGB X § 63 Rn 23; BSG 31.05.2006 – B 6 KA 78/04 R, BeckRS 2006, 44257 Rn. 17, beck-online; BSG 09.09.1998, B 6 KA 80/97 R, SozR 3-1300 § 63 Nr 12, SozR 3-1300 § 106 Nr 1, Rn 19). Dabei geht es nicht um Schadenersatz, sondern um die Umsetzung des § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X. Wie das SG zutreffend dargelegt hat, kommt es auf die Entscheidung der Beklagten in Bezug auf die Kosten des Widerspruchsverfahrens indes ohnehin nicht mehr an, da diese Kostentragung im Rahmen des § 193 SGG mitgeprüft wird.

Mit zutreffenden Erwägungen hat das SG einen Anspruch auf eine höhere Altersrente abgelehnt. Wie sich die Höhe einer Rente im Einzelnen berechnet, hat das SG zutreffend begründet. Der Senat nimmt hierauf Bezug und schließt sich den Ausführungen an. Ein weiterer Zuschlag an Entgeltpunkten aufgrund Versorgungsausgleichs scheidet aus. Da das Amtsgericht Nürtingen im Beschluss vom 30.08.2000 nur 121,01 DM Rentenanwartschaften auf das Versicherungskonto der Klägerin bei der Beklagten übertragen hat, kann auch nur insoweit ein Zuschlag an Entgeltpunkten erfolgen. Die weiteren Rentenanwartschaften von monatlich 1.612,07 DM, die in den vorangegangenen - unverbindlichen - Rentenauskünften noch als Entgeltpunkte erhöhend berücksichtigt wurden, wurden vom Versicherungskonto des Ehemannes nicht auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der Beklagten übertragen, sondern sind von der Klägerin bei der Bischen Versorgungsanstalt für Ärzte geltend zu machen. Dementsprechend hat der Klägerbevollmächtigte dies auch nicht mehr weiterverfolgt.

Im Hinblick auf den Berufungsvortrag ist Folgendes zu ergänzen: Soweit der Klägerbevollmächtigte kritisiert, das SG habe nur Textbausteine verwendet und eine unzutreffende Begründung gegeben, die an der Sache vorbeigehe, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Die Klägerin selbst hatte in ihrem Widerspruchsschreiben vom 29.03.2019 ausdrücklich die Entscheidung der Beklagten bemängelt, die Zeit vom 01.05.1989 bis zum 07.04.1990 nicht als Anrechnungszeit anzuerkennen. Grund für diese Nichtanerkennung war aber gerade die Regelung des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI, wonach die Höchstdauer der Anrechnungszeiten einer schulischen Ausbildung 8 Jahre beträgt. Dementsprechend war dies auch Inhalt des Widerspruchsbescheides. Der Klägerbevollmächtigte hat im Widerspruchsverfahren keinerlei Begründung vorgelegt. Im Klageverfahren hat er zwar im Antrag die „Berücksichtigung der Hochschulausbildung“ begehrt und in einer Überschrift die „Bewertung von Hochschulzeiten“ erwähnt, jedoch ohne zu konkretisieren, welche Art von Bewertung bzw Berücksichtigung (als Anrechnungszeit? Im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung?) er damit meint. Er hat hierbei auf ein Verfahren vor dem BSG (B 13 R 54/19 B) abgestellt und vorgetragen, hier sei die Entscheidung der Nichtzulassungsbeschwerde abzuwarten. Allerdings bezog sich die darin angefochtene Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 25.01.2019, L 4 R 918/18, auf eine Bewertung von Zeiten der Schulausbildung bei der Gesamtleistungsbewertung und gerade nicht auf Hochschulzeiten. Solche hatte die Klägerin im dortigen Verfahren nicht absolviert. Dass das SG somit in seiner Begründung hauptsächlich die Regelung des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI behandelt und die Bewertung von Hochschulzeiten im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung nicht näher thematisiert hat, ist vor diesem Hintergrund fehlenden Klägervortrags verständlich.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuordnung von Entgeltpunkten für die Hochschulzeiten Rahmen der Gesamtleistungsbewertung. Dies folgt aus § 74 Satz 4 iVm § 263 Abs 3 SGB VI, wonach Zeiten der Hochschulausbildung bei der begrenzten Gesamtleistungsbewertung ab einem Rentenbeginn im Januar 2009 nicht mehr bewertet werden. Von dieser Regelung wird die Klägerin, die erst seit dem 01.05.2019 eine Altersrente bezieht, zweifellos erfasst, ohne hierdurch in ihren Grundrechten verletzt zu sein. § 74 Satz 4 iVm § 263 Abs 3 SGB VI ist verfassungsgemäß. Die Nichtbewertung von Zeiten der Hochschulausbildung verstößt weder gegen Art. 14 Abs 1 GG noch gegen Art 3 Abs 1 und auch nicht gegen Art 3 Abs 3 Satz 2 GG oder das Sozialstaatsprinzip. Dies hat das BSG in verschiedenen Urteil vom 19.04.2011 ausführlich begründet (B 13 R 27/10 R, B 13 R 28/10 R, B13 R 29/10 R, B 13 R 55/10 R, B13 R 8/11 R). Das Bundesverfassungsgericht hat die hiergegen geführten Verfassungsbeschwerden mit Kammerbeschluss vom 18.05.2016 nicht angenommen (1 BvR 2217, 2218, 2219 und 2430/11 -, juris). Der Senat verweist auf die Ausführungen des BSG in den genannten Urteilen und schließt sich ihnen inhaltlich an. Soweit der Klägerbevollmächtigte als einziges Argument vorbringt, der Solidaritätsgedanke erfordere eine Berücksichtigung der Hochschulzeiten, da höher Qualifizierte auch höhere Beiträge zahlten, spricht dieses Argument eher gegen als für eine entsprechende Bewertung. Gerade weil Absolventen von Hochschulen (Universitäten, Fachhochschulen ua) im späteren Erwerbsleben im Vergleich zu Absolventen von Fachschulen und berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen und natürlich auch im Vergleich zu Unqualifizierten durch ihre höhere berufliche Qualifikation im Regelfall bessere Verdienstmöglichkeiten haben und deswegen höhere Rentenanwartschaften und Renten aufbauen können, ist es nicht gerechtfertigt, dass die Versichertengemeinschaft solche Hochschulzeiten privilegiert (s hierzu auch Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 15/2149 Seite 19 - zu Nr 4).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Wie auch bereits das SG ausführlich dargelegt hat, kommt eine Erstattung der Kosten des Vorverfahrens nicht in Betracht, auch wenn die Beklagte mit Bescheid vom 07.09.2019 den Nachnamen der Kinder korrigiert hat. Regelungsgehalt des Rentenbescheides vom 21.03.2019 war die Gewährung einer Altersrente wegen Erwerbsminderung. Für diesen Regelungsinhalt waren die Nachnamen der Kinder der Klägerin irrelevant, entscheidend war lediglich, dass Kindererziehungszeiten - wie unstreitig erfolgt - in zutreffendem gesetzlichen Umfang berücksichtigt wurden (vgl hierzu SG Hamburg 24.04.2017, S 15 R 364/15, Rn 14, juris; LSG Hamburg 30.01.2018, L 3 R 49/17, Rn 28, juris). Sind aber die Namen der Kinder nicht vom Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheides erfasst, handelt es sich bei der anschließenden Korrektur nicht um eine Abhilfeentscheidung, sondern lediglich um eine Entscheidung über den (erstmaligen) Berichtigungsantrag der Klägerin im Sinne des § 84 SGB X (Verwaltungsakt über den Realakt einer Korrektur, vgl LSG Land Nordrhein-Westfalen 24.07.2020, L 21 AS 195/19, Rn 21, juris; Schütze/Bieresborn, 9. Aufl 2020, SGB X § 84 Rn 9; LSG Hamburg 30.01.2018, L 3 R 49/17, Rn 28, juris). Insofern war der Widerspruch der Klägerin gerade nicht erfolgreich und kommt bereits aus diesem Grunde eine Kostentragung durch die Beklagte nicht in Betracht.


Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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