Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts
Frankfurt (Oder) vom 6. Mai 2020 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des im März 2022 verstorbenen Beigeladenen zu 1. in der Kranken- und der Pflegeversicherung aufgrund seiner Tätigkeit als Notarzt für die Klägerin im Zeitraum 28. Mai 2016 bis 8. Januar 2017.
Die Klägerin ist Trägerin des H K B S, eines Plankrankenhauses.
Der Beigeladene zu 1., geboren im Jahre 1949 und verstorben am 2022, war Facharzt für Anästhesie und Notfallmediziner. Er bezog im streitigen Zeitraum Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und Versorgungsleistungen aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung. Vom 1. Mai 2015 bis zum 30. August 2019 war er als Beschäftigter bei der AA P GmbH und der E K L GmbH in der Kranken- und Pflegeversicherung bei den Beigeladenen zu 3. und 4. zum ermäßigten Beitragssatz pflichtversichert.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Rettungsdienst im Land Brandenburg (Brandenburgisches Rettungsdienstgesetz – BbgRettG) vom 14. Juli 2008 (GVBl. I/08 S. 186) haben alle in einem Rettungsbereich gelegenen Krankenhäuser den Trägern des Rettungsdienstes das für die notärztliche Versorgung erforderliche Fachpersonal bereitzustellen („Personalgestellung“). Für die Personalgestellung leisten die Träger des Rettungsdienstes den Krankenhäusern eine kostendeckende Vergütung (§ 14 Abs. 1 Satz 2). Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes sind nach § 6 Abs. 1 BbgRettG die Landkreise und kreisfreien Städte.
Die Klägerin hat ihren Sitz im Landkreis Oder-Spree. Als Träger des Rettungsdienstes handelte dort der „Bevölkerungsschutz“, Eigenbetrieb des Landkreises Oder-Spree. Dieser schloss mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin, dem H K BS, im Februar 2006 eine „Vereinbarung über die Absicherung der notärztlichen Versorgung des Rettungsdienstes“.
In § 1 der Vereinbarung („Versorgungsaufgabe“) heißt es u.a.:
- Das Klinikum verpflichtet sich, dem Bevölkerungsschutz geeignete Notärztinnen/Notärzte für die Besetzung eines Notarzteinsatzfahrzeuges bzw. eines Notarztwagens am Notarztstandort B bereitzustellen. Die Bereitstellung erfolgt täglich und über 24 Stunden.
§ 6 („Unterstellungsverhältnis“) regelt:
- Im Einsatzfall unterstehen die Dienst habenden Notärztinnen / Notärzte der für den Rettungsdienst zuständigen integrierten Leitstelle. (…)
- Die Leitstelle ist in allen einsatztaktischen und organisatorischen Fragen weisungsbefugt (…)
- In allen rettungsmedizinischen Fragen liegt die Weisungsbefugnis bei der Ärztlichen Leitung des Rettungsdienstes (…)
- (…) Die zwischen dem Klinikum und der Notärztin / dem Notarzt bestehenden tariflichen oder arbeitsrechtlichen Regelungen werden durch die Absätze 1 und 2 nicht berührt.
Weiter enthielt die Vereinbarung u.a. eine Regelung über die Vergütung der Notärztinnen/Notärzte durch das Klinikum und in der Anlage der Höhe nach Angaben zu der vom Landkreis an das Klinikum zu leistenden jährlichen Pauschale. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 54 bis 57 des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
Die Vereinbarung wurde im Dezember 2008 mit der Klägerin als Vertragspartnerin fortgeschrieben.
Zuletzt schloss der Landkreis Oder-Spree in Gestalt des Rettungsdienstes, Eigenbetrieb des Landkreises, am 28. Januar 2011 eine „Vereinbarung über die Bereitstellung einer ärztlichen Leitung des Notarztstandortes für den Rettungsdienst“ mit der Klägerin. Darin verpflichtete sich die Klägerin, dem Rettungsdienst für die Notarztstandorte B und F einen Notarzt für die ärztliche Leitung der Notarztstandorte bereitzustellen und zu benennen (§ 1). Dieser nimmt für den Rettungsdienst die Aufgaben der Fachaufsicht gegenüber den eingesetzten Notärzten wahr und ist gleichzeitig gegenüber der ärztlichen Leitung des Rettungsdienstes weisungsgebunden (§ 3). In allen rettungsmedizinischen Fragen liegt die Weisungsbefugnis bei der ärztlichen Leitung des Rettungsdienstes (§ 5). Auf Bl. 68 bis 70 des Verwaltungsvorgangs der Beklagten wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Die der Klägerin vom Landkreis zu leistende finanzielle Pauschale für die Absicherung des Notarztdienstes wurde jährlich angepasst und betrug im Jahre 2015 für den Standort B 229.785,15 Euro.
Am Standort des Krankenhauses der Klägerin in B, aber auch in F, befindet sich eine Rettungswache, die als Stationierungsort eines Notarzteinsatzfahrzeuges fungiert; dieses wird vom Träger des Rettungsdienstes inklusive der notwendigen medizinischen Geräte, Hilfsmittel und Medikamente vorgehalten. Die Klägerin stellt in der Rettungswache ein Bereitschaftszimmer zur Verfügung, in dem sich der jeweils diensthabende Notarzt aufhalten kann.
Die Klägerin stellte die notärztliche Versorgung im streitigen Zeitraum sowohl durch bei ihr fest angestellte Ärztinnen und Ärzte als auch durch „Honorarkräfte“ sicher.
Am 1. Februar 2016 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1. einen „Honorararztvertrag“. Der Vertrag, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 11 bis 14 des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen wird, lautet in Auszügen:
§ 1 Vertragszweck
1. Der Honorararzt verpflichtet sich, im Fachgebiet Notfallmedizin die von der H K jeweils angeforderten ärztlichen Leistungen im Rahmen der Notfallrettung (Einsatz auf den Rettungsmitteln) von Patienten zu erbringen. Die Einsätze, Dienstzeiten, Einsatzzeiten und der Leistungsumfang im Einzelnen werden dabei zwischen den Parteien zuvor einvernehmlich abgestimmt.
2. Honorarärztliche Leistungen dieses Vertrages sind:
- Versorgung von Patienten/-innen im Rahmen der Notfallrettung (Präklinik) am Einsatzort,
- Indikationsstellung und Durchführung akut lebensrettender medizinischer Maßnahmen,
- Herstellung der Transportfähigkeit der Patienten/ -innen,
- Begleitung und Überwachung der Patienten/ -innen beim Transport in ein geeignetes Krankenhaus
§ 2 Rechtliche Stellung und Erbringung der Leistungen
1. Der Honorararzt erklärt, dass er die Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes in der Bundesrepublik Deutschland besitzt und dass er als Arzt mit der Zusatzbezeichnung Notfallmedizin über die notwendigen fachlichen Kenntnisse zur Erfüllung der ihm zu übertragenden Aufgaben verfügt. Er ist bereit, der H K auf Verlangen entsprechende Originalurkunden vorzulegen. Der Honorararzt bestätigt ferner, dass alle in seinem Lebenslauf und Zeugnissen gemachten Angaben korrekt sind, er nicht vorbestraft ist und gegen ihn keine Verfahren zur Entziehung der ärztlichen Berufserlaubnis laufen oder jemals angestrengt worden sind.
2. Der Honorararzt erbringt seine Leistungen selbständig und persönlich. Der Honorararzt ist bei Verhinderung berechtigt, sich durch einen Facharzt gleicher Fachrichtung vertreten zu lassen.
3. Der Honorararzt steht zur H K weder in einem Anstellungsverhältnis noch in einem arbeitnehmerähnIichen Verhältnis. Er ist in seiner medizinischen Verantwortung (Diagnostik und Therapie) unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet, wobei die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin einzuhalten sind.
4. Der Honorararzt bestimmt seinen Arbeitsort und seine Arbeitszeit eigenverantwortlich. Der Einsatz des Honorararztes ist zeitlich begrenzt und erfolgt ausschließlich auf der Grundlage dieses Vertrages. Die Einsatzzeiten und konkreten Tätigkeiten sind zwischen der H K und dem Honorararzt mit angemessenem zeitlichen Vorlauf zu vereinbaren und zu planen, dabei werden die Parteien die wechselseitigen Belange berücksichtigen. Von der H K erteilte Aufträge sind nur verbindlich, wenn der Honorararzt sie angenommen hat. Die H K ist nicht berechtigt, einseitig bestimmte Leistungen und bestimmte Einsatzzeiten anzuordnen, und der Honorararzt ist berechtigt, Aufträge der H K abzulehnen.
5. Rechtsgrundlagen der Kooperation sind dieser Vertrag, die das ärztliche Verhalten regelnden Gesetze, Verordnungen und Rechtsgewohnheiten, die für die H K geltenden besonderen Rechtsvorschriften, das Gebühren- und Kostenrecht der H K und der Ärzte, die allgemeinen Arbeitsanweisungen der H K und H Qualitätsstandards, -Konzernregelungen (z.B. „Leitfaden Krankenhaushygiene“) und -Handlungsempfehlungen sowie die Vorschriften des BGB.
§ 3 Besondere Pflichten des Arztes
Der Honorararzt ist verpflichtet,
1. seine Tätigkeit in der H K auf sein Fachgebiet zu beschränken und persönlich auszuüben sowie die alleinige ärztliche Verantwortung für seine Patienten/-innen zu übernehmen,
2. für alle zu behandelnden Patienten/-innen eine Dokumentation anzufertigen, welche Eigentum der H K ist. Es gehört insbesondere dazu, die durchgeführte Behandlung zu dokumentieren. Der Honorararzt kann nach Vertragsende Abschriften, Auszüge oder Ablichtungen herstellen lassen, soweit diese zur Weiterbehandlung oder Nachbehandlung notwendig oder aus begründetem wissenschaftlichem Interesse erforderlich und rechtlich zulässig sind,
3. für eine wirtschaftliche Verordnungsweise im Rahmen der ärztlichen Notwendigkeit zu sorgen, auf eine sparsame Verwendung der zur Verfügung stehenden Mittel zu achten und der Verwaltung der H K zur Sicherung der Kostenansprüche vollständige Angaben über die veranlassten Maßnahmen zu machen,
4. die in der H K vorgehaltenen und üblicherweise eingesetzten Mittel/Medizinprodukte insbesondere Instrumentarien/Arzneimittel zu verwenden. Sofern der Honorararzt andere Mittel/Medizinprodukte insbesondere Instrumentarien/Arzneimittel verwenden möchte, bedarf es einer vorherigen schriftlichen Zustimmung durch die H K, ansonsten sind die der H K entstandenen Mehrkosten durch den Honorararzt persönlich zu ersetzen.
5. bei Abrechnungs- und Belegungsprüfungen durch den Medizinischen Dienst der
Krankenversicherung (MDK) oder der jeweiligen Kostenträger die H K in den Verfahren zu unterstützen.
6. dem Träger der H K die notwendigen Auskünfte zu erteilen, die dieser für die Abrechnung, Dokumentation, Qualitätssicherung und sonstige statistische Zwecke benötigt,
7. die ärztliche Schweigepflicht und die Vorschriften des Datenschutzes einzuhalten,
insbesondere Stillschweigen über klinikinterne Informationen zu wahren.
§ 4 Zusammenarbeit
1. Der Honorararzt verpflichtet sich, mit dem Krankenhausträger, dem KIinikgeschäftsführer, dem ärztlichen Direktor, den leitenden Abteilungsärzten sowie den übrigen ärztlichen und nichtärztlichen Mitarbeitern der H K zusammen zu arbeiten.
2. Die Benutzung der sonstigen medizinisch-technischen Einrichtungen wird der Honorararzt mit dem Chefarzt der Zentralen Notaufnahme und Rettungsmedizin festlegen. Kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet der Krankenhausträger.
3. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Honorararzt und den anderen Abteilungsärzten entscheidet der ärztliche Direktor der H K, ansonsten der Krankenhausträger.
§ 5 Durchführung honorarärztlicher Leistung
1. Dem Honorararzt stehen zur Erbringung seiner ärztlichen Leistungen die Räumlichkeiten, Einrichtungen und das medizinische Personal (ärztlich und nichtärztlich) zur Verfügung.
2. Der Honorararzt wird vor bzw. bei Aufnahme seiner Tätigkeit von einem Vertreter der H K über die H-Qualitätsstandards, -Konzernregelungen (z.B. „Leitfaden Krankenhaushygiene“) und -Handlungsempfehlungen sowie die Leitlinien des H-Konzerns informiert.
3. Der Honorararzt verpflichtet sich, die sich bei der Untersuchung, Intervention, Operation oder Behandlung ergebenden Beurteilungen dem zuständigen leitenden Abteilungsarzt zur Aufnahme in der Krankengeschichte zur Verfügung zu stellen. Das gleiche gilt sinngemäß für Röntgenaufnahmen, Ultraschallbilder und ähnliche Unterlagen und Aufzeichnungen.
§ 6 Vergütung honorarärztlicher Leistungen
Die Vergütung der ärztlichen Leistung ist in Anlage l zu diesem Vertrag geregelt.
§ 7 Anzeigepflicht bei Verhinderung/Vertretung
1. Der Honorararzt verpflichtet sich, von allen Verhinderungen bei der Erbringung seiner ärztlichen Leistungen spätestens eine Woche vorher, bei unvorhergesehener Verhinderung unverzüglich, dem leitenden Arzt der Zentralen Notaufnahme und Rettungsmedizin Mitteilung zu machen.
2. Für die Zeit seiner Verhinderung regelt der Honorararzt seine Vertretung im Einvernehmen mit weiteren Kooperationsärzten bzw. den diensthabenden Ärzten der H K.
§ 8 Haftung
Die H K versichert, dass in der eigenen abgeschlossenen Haftpflichtversicherung der Klinik, sämtliche Leistungen des Honorararztes, welche im Rahmen der Notfallrettung und/oder ambulanten Behandlung (nach § 115 b SGB V) erbracht werden, mit eingeschlossen sind. Der Honorararzt benötigt neben seiner ärztlichen Berufshaftpflichtversicherung keine Zusatzversicherung für die ärztliche Tätigkeit im Rahmen der Notfallrettung und/oder ambulanten Behandlung (nach § 115 b SGB V). Der Versicherungsschutz besteht nur, wenn der Honorararzt durch die H K beauftragt wurde und soweit er im Rahmen seiner Leistung für die H K tätig wird.
§ 9 Verschwiegenheitsklausel
(…)
§ 10 Vertragsdauer und Kündigung
1. Das Vertragsverhältnis beginnt am 01.02.2016 und wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.
2. Der Vertrag kann jederzeit unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen zum Monatsschluss von beiden Seiten gekündigt werden.
3. Arbeitsrechtliche Vorschriften, wie z.B. das Kündigungsschutzgesetz finden keine Anwendung.
4. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt.
§ 11 Besondere Vereinbarungen
1. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit dahingehend, dass vor Tätigkeitsaufnahme ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. l Satz l SGB IV bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung durchgeführt wird. Beide Parteien verpflichten sich insoweit zur ordnungsgemäßen Mitwirkung.
2. (…)
§ 12 Schlussbestimmungen
(…)
§ 13 Salvatorische Klausel
(…)
Die Anlage I zu dem „Honorararztvertrag“ sah u.a. Folgendes vor:
§ 1 Vergütung
1. Der Honorararzt berechnet das Entgelt für seine ärztlichen Leistungen in den Hauptabteilungen der H K gegenüber der H K.
2. Der Honorararzt verwendet im Regelfall Sachmittel des Krankenhauses. Sollte ausnahmsweise die Verwendung eines eigenen Sachmittels des Arztes notwendig sein, hat eine vorherige Abstimmung mit dem Krankenhaus zu erfolgen. Hierfür wird keine Kostenerstattung geleistet.
3. Der Honorararzt erhält im Falle der tatsächlich durch ihn erbrachten Leistungserbringung:
- für geleistete NEF-Dienste an den Rettungsdienst-Standorten B und F oder für geleistete DRF-Dienste ein Pauschalhonorar auf der Basis des Zeiteinsatzes (Stundensatz) in Höhe des Stundensatzes, der für das jeweilige Kalenderjahr mit dem Landkreis Oder-Spree vereinbart wurde (aktuell für 2016: 35,89 € brutto je Einsatzstunde) sowie eine Einsatzpauschale in Höhe von 20,00 € brutto.
Das Eintreten von schuldhaft verursachten Komplikationen und damit ein ggf. höherer Zeiteinsatz führen nicht zu einer besseren Vergütung des Honorararztes. Vergütungsgrundlage ist dann der üblicherweise zu erwartende Zeiteinsatz für die Behandlung.
§ 2 Abrechnung
Die Abrechnung erfolgt monatlich an die H K durch Übermittlung von Dienstzeiten und Einsatznummern.
Die H K verpflichtet sich, die erbrachten Leistungen spätestens innerhalb von 2 Monaten nach Rechnungsstellung dem Honorararzt zu vergüten.
Leistungen, die der Honorararzt nach dieser Vereinbarung erbringt, werden durch die H K vergütet. Sie sind im Rahmen der vertragsärztlichen Tätigkeit gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung bzw. dem jeweiligen Kostenträger nicht abrechnungsfähig.
§ 3 Schlussbestimmung
(…)
Auf dieser Grundlage wurde der Beigeladene zu 1. ab dem 6. Februar 2016 in jeweils 24-stündigen Diensten für die Klägerin tätig. Im Zeitraum 28. Mai 2016 bis 8. Januar 2017 leistete er insgesamt 34 Dienste; wegen der Daten wird auf Bl. 254 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Vereinbarungsgemäß stellte die Klägerin zusammen mit dem Beigeladenen zu 1. bei der Beklagten am 25. Februar 2016 einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1. in seiner Tätigkeit als Notarzt im Rettungsdienst für die Klägerin. Der Beigeladene zu 1. gab darin an, auf Abruf der Leitstelle mit Transportmitteln des Rettungsdienstes zu akut vor Ort zu behandelnden Patienten zu gelangen, um diese präklinisch eigenverantwortlich zu versorgen. Er teile der Klägerin seine gewünschten Einsatzzeiten mit. An Dienstbesprechungen oder Schulungsmaßnahmen der Klägerin nehme er nicht teil, leiste keine Teamarbeit und trage eigene Dienstkleidung. Für den Fall seiner Erkrankung erhalte er keine Vergütung. Auf Nachfrage der Beklagten teilte er weiter u.a. mit: Die Dienstpläne erstelle Oberarzt Dr. L als Koordinator. Im Falle seiner Verhinderung kontaktiere er diesen. Er protokolliere seine Notarzteinsätze und übergebe die Protokolle der Zentralen Notaufnahme. Die Regeln der Dokumentation seien von der Klägerin vorgegeben. Sofern der Ärztliche Leiter des Rettungsdienstes des Landkreises dies fordere, nehme er an dortigen Dienstbesprechungen teil.
Am 12. April 2016 erklärte der Beigeladene zu 1. gegenüber der Beklagten, für den Fall der Feststellung von Versicherungspflicht mit einem Beginn der Versicherungspflicht ab Bekanntgabe der Entscheidung der Beklagten einverstanden zu sein.
Mit an die Klägerin und an den Beigeladenen zu 1. gerichteten gleichlautenden Bescheiden vom 25. Mai 2016 stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene zu 1. seine Tätigkeit als Notarzt im Rettungsdienst für die Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. In diesem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung. Die Versicherungspflicht beginne am 1. Februar 2016. In der Renten- und der Arbeitslosenversicherung bestehe aufgrund der Eigenschaft des Beigeladenen zu 1. als Rentner Versicherungsfreiheit. Aufgrund der Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin überwögen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung.
Mit Bescheiden vom 23. Juni 2016 änderte die Beklagte den Beginn der Versicherungspflicht und datierte diesen auf den 28. Mai 2016, den Tag der Bekanntgabe der Bescheide vom 25. Mai 2016.
Gegen die Bescheide vom 25. Mai 2016 in der Fassung der Bescheide vom 23. Juni 2016 legten die Klägerin und der Beigeladene zu 1. Widerspruch ein. Zur Begründung führte die Klägerin an, der Beigeladene zu 1. übe lediglich und auch nur gelegentlich Notarztdienste im Rettungsdienst aus. Diese Tätigkeit erfolge eigenverantwortlich und nur zu den vom Beigeladenen zu 1. benannten Zeitpunkten. Der Beigeladene zu 1. führte an, selbstverständlich unterliege er einem persönlichen Risiko, denn wenn er keinen Dienst versehe, verdiene er auch nichts.
Mit gleichlautenden Bescheiden vom 7. November 2016 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Für die Entscheidung, ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliege, seien die Dauer des Auftragsverhältnisses, der Umfang der ausgeübten Tätigkeit sowie das Lebensalter des Auftragnehmers unerheblich. Auch die Eigenverantwortlichkeit der Arbeitsleistung sei nicht entscheidungserheblich, denn eine solche sei auch bei qualifizierten Arbeitnehmern vorhanden. Aus der Möglichkeit, frei über die Annahme oder die Ablehnung von Aufträgen entscheiden zu können, könne regelmäßig nicht auf eine selbständige Tätigkeit geschlossen werden. Einem Unternehmerrisiko unterliege der Beigeladene zu 1. nicht, denn eigene Betriebsmittel kämen nicht in nennenswertem Umfange zum Einsatz. Die Vergütung richte sich nach der aufgewandten Arbeitszeit. Im Rahmen eines jeden Auftrags setze er seine Arbeitskraft ohne wirtschaftliches Risiko ein.
Hiergegen richtet sich die am 29. November 2016 von der Klägerin erhobene Klage. Der Beigeladene zu 1. sei freiberuflich für sie tätig und benutze keine Betriebsmittel der Klägerin. Maßgeblich zu berücksichtigen seien die spezifischen Regelungen des Brandenburgischen Rettungsdienstgesetzes. „Beschäftigt“ sei der Beigeladene zu 1. allenfalls bei dem Landkreis Oder-Spree gewesen. Die Betriebsprüfungspraxis der Beklagten habe dazu geführt, dass Notärzte nicht mehr bereit seien, ihre Dienste anzubieten. Dies habe schließlich zur Einführung von § 23c Abs. 2 SGB IV mit Wirkung vom 11. April 2017 geführt (keine Beitragspflicht für Einnahmen aus Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt).
Die Beklagte hat ausgeführt, insbesondere die Regelungen des abgeschlossenen Honorararztvertrages ließen auf eine abhängige Beschäftigung schließen. Die Notfallrettung sei Teil des Klinikbetriebs der Klägerin, in den der Beigeladene zu 1. sich eingliedere.
Mit Urteil vom 6. Mai 2020 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit bei der Klägerin im Zeitraum 28. Mai 2016 bis 12. Januar 2017 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung unterliege. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt: Klägerin und Beigeladener zu 1. hätten ausdrücklich kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründen wollen. Dies werde weder durch die weiteren Regelungen des Honorararztvertrages noch durch die faktischen Verhältnisse widerlegt. Soweit der Honorararztvertrag Regelungen enthalte, die auf eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin hindeuteten, sei dies unerheblich, denn es handele sich um ein Vertragsformular, das gleichermaßen auch auf bei der Klägerin angestellte Notärzte Anwendung finde; viele Regelungen liefen in Bezug auf den Beigeladenen zu 1. ins Leere. Eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in den Betrieb der Klägerin sei nicht erkennbar. Die Klägerin sei nicht Betreiberin des Rettungsdienstes. Vielmehr stelle der Landkreis die notwendigen Sachmittel und die Leitstelle zur Verfügung. Diese Strukturen seien der Klägerin nicht zurechenbar. Die Klägerin besitze auch kein Weisungsrecht dem Beigeladenen zu 1. gegenüber, das sie etwa auf den Landkreis übertragen könne.
Hiergegen hat die Beklagte am 29. Mai 2020 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie an: Bereits der abgeschlossene Honorararztvertrag beinhalte eine Vielzahl von Regelungen, die eine weisungsgebundene Eingliederung indizierten. Zum Betriebszweck der Klägerin gehöre auch die Bereitstellung von Notärzten. Bereitgestellt würden auch festangestellte Ärzte. Von diesen unterscheide der Beigeladene zu 1. sich nicht wesentlich. Ein Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen zu 1. zum Träger des Rettungsdienstes bestehe keinesfalls; insoweit sei kein Vertragsverhältnis erkennbar. Soweit die Klägerin sich auf die Neuregelung in § 23c Abs. 2 SGB IV stütze, gehe sie fehl. Die Gesetzesänderung gelte ausdrücklich erst ab 11. April 2017. Zudem setze sie die grundsätzliche Beitrags- und Meldepflicht für notärztliche Tätigkeit gerade voraus und regele nur eine Ausnahme von diesen gesetzlichen Pflichten; hätte der Gesetzgeber angenommen, die notärztliche Tätigkeit erfolge im Rahmen von Selbständigkeit, hätte es der Regelung gar nicht bedurft; sie beinhalte eine gesetzgeberische Interpretationsvorgabe für die Statusbeurteilung von notärztlicher Tätigkeit.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 6. Mai 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie regt die Beiladung des Landkreises Oder-Spree als Träger des Rettungsdienstes an und hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Weisungsfreiheit und fehlende Eingliederung in die Arbeitsabläufe der Klägerin habe das Sozialgerecht sachgerecht erkannt. Die notärztliche Tätigkeit sei mit der Tätigkeit eines Arztes im Klinikum nicht vergleichbar. Die Klägerin habe weder Einfluss auf die Tätigkeit oder die Leistung des Beigeladenen zu 1. noch auf seinen Aufenthaltsort, der allein durch die Rettungsleitstelle bestimmt werde. Die Besonderheit des Falles bzw. der Organisation des Rettungsdienstes im Land Brandenburg bestehe in dem Dreieck, dass der Träger des Rettungsdienstes, das klägerische Klinikum und der Honorararzt bildeten. Insoweit weiche der Sachverhalt auch von denjenigen ab, die den Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 19. Oktober 2021 zugrunde gelegen hätten. Vorliegend sei der Honorararzt nicht in die Abläufe des Klinikums eingebunden und sei nur dem Rettungsdienst gegenüber weisungsgebunden.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
1. Der Senat durfte entscheiden, ohne die Witwe des verstorbenen Beigeladenen zu 1. zum Verfahren beizuladen.
Kraft Gesetzes rückt die Witwe des Beigeladenen zu 1. als Sonder- bzw. Gesamtrechtsnachfolgerin (§ 56 Abs. 1 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I] bzw. § 58 SGB I i.V.m. § 1922 BGB) nicht in die prozessuale Stellung ein, die der Verstorbene bislang innegehabt hat (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 3. April 1990, 10 RKg 23/89, zitiert nach juris, dort Rdnr. 15; Urteil vom 27. Februar 1990, 5 RJ 6/88, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17; Urteil vom 2. November 1988, 8/5a RKn 11/85, zitiert nach juris, dort Rdnr. 15). Der Senat hat vielmehr zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung auch in der Person der Rechtsnachfolgerin vorliegen (Bundessozialgericht, a.a.O. sowie Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, Rdnr. 17e zu § 75; Gall in jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, Rdnr. 161 zu § 75). Dies ist zu verneinen: Nach § 75 Abs. 2 1. Alt. Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind Dritte zum Verfahren notwendig beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist dies zu bejahen, wenn die im Rechtsstreit zu erwartende Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingreift (vgl. Urteil vom 27. Februar 1990, 5 RJ 6/88, zitiert nach juris, dort Rdnr. 16). Eine solche Konstellation liegt hier in der Person der Witwe des Beigeladenen zu 1. nicht vor. Streitgegenständlich ist nämlich (nur) die Versicherungspflicht des Verstorbenen in der Kranken- und in der Pflegeversicherung im Zeitraum 28. Mai 2016 bis 8. Januar 2017. Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag hat der Arbeitgeber zu zahlen (§ 28e Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Die Annahme einer Versicherungspflicht des verstorbenen Beigeladenen zu 1. in der Kranken- und der Pflegeversicherung im streitigen Zeitraum kann unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in die Rechtssphäre der Rechtsnachfolgerin eingreifen. Ebenso wenig ist erkennbar, dass die Entscheidung des Senats berechtigte Interessen der Rechtsnachfolgerin berührt (§ 75 Abs. 1 Satz 1 SGG).
2. Streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2016 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 23. Juni 2016, dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2016, mit dem die Beklagte über den Status und die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin ab 1. Februar 2016 auf der Grundlage des Honorararztvertrags vom 1. Februar 2016 entschieden hat. Dabei hat sie unter erkennbarer Zugrundelegung der Tatsache entschieden, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. nicht im Rahmen einer durchgängigen Beauftragung, sondern nur nach jeweils einzelner Beauftragung ausgeübt wurde (vgl. zur Auslegung von Statusbescheiden zuletzt Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Oktober 2021, B 12 R 10/20 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 27). Sie hat dabei beachtet, dass ein „Auftrag“ im Einzelfall zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. jeweils nur durch eine entsprechende Annahmeerklärung zustande kam, den zugesagten Notarztdienst zu leisten. Damit hat sie erkennbar das Vorliegen einer Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. ausschließlich im Rahmen der jeweiligen Ausführung der Einzelaufträge (dazu Aufstellung Bl. 254 der Gerichtsakte) bejaht und ausdrücklich bestimmt, dass die Versicherungspflicht „mit dem Tag der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses“ beginne, hier also am 28. Mai 2016. Diese rechtliche Bewertung liegt den angefochtenen Bescheiden der Beklagten zugrunde, auch wenn darin die einzelnen Tage der Einsätze der Beigeladenen nicht ausdrücklich benannt sind. Dabei ist eine solche Feststellung im Statusfeststellungsverfahren noch hinreichend bestimmt, wenn sie - wie hier bezogen auf die angenommenen Dienste - ausreichend erkennen lässt, dass sie sich auf die Durchführung von Einzelaufträgen zwischen den Beteiligten - beginnend mit dem ersten Tätigwerden - unter gleichbleibenden Bedingungen bezieht und kein Dauerschuldverhältnis vorliegt (so ausdrücklich: Bundessozialgericht, a.a.O.). Im Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV ist die Versicherungspflicht danach ab Aufnahme der Tätigkeit, d.h. regelmäßig zukunftsgerichtet festzustellen. Die konkreten Tage der Einzeleinsätze werden in der Regel aber nicht für weite Zeiträume im Voraus fest vereinbart. So liegt der Fall hier. Soweit die Beklagte im angefochtenen Bescheid zunächst von dem 1. Februar 2016 als Versicherungsbeginn ausgegangen ist, wurde dies nachträglich durch die Meldung der konkreten Beschäftigungszeiten konkretisiert. Nach übereinstimmender Erklärung im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten den Inhalt des angefochtenen Bescheides zu Recht auch genauso verstanden.
Damit beschränkt sich der streitgegenständige Zeitraum auf die Zeit von 28. Mai 2016 bis einschließlich 8. Januar 2017, darin enthalten 34 einzelne Dienste. Entsprechend haben die Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung den Streitgegenstand zeitlich und inhaltlich ausdrücklich begrenzt.
3. Die insoweit konkretisierte Berufung der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2016 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 23. Juni 2016, dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2016, aufgehoben und das Nichtvorliegen von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung festgestellt. Zur Überzeugung des Senats übte der Beigeladene zu 1. im Zeitraum 28. Mai 2016 bis 8. Januar 2017 seine Tätigkeit als Notarzt einzelfallbezogen in Erfüllung vertraglicher Pflichten gegenüber der Klägerin nicht als Selbständiger, sondern im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aus. Eine Ausnahme von der Versicherungspflicht ergibt sich nicht.
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bzw. § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung bzw. der Sozialen Pflegeversicherung.
Der Beigeladene zu 1. war entgegen der Annahme des Sozialgerichts als Notarzt im Rettungsdienst bei der Klägerin abhängig beschäftigt im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV. Beschäftigung ist danach die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis; Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Die Klägerin hat als Krankenhausträgerin die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. nicht lediglich als Arbeits- oder Personalvermittlung an den Eigenbetrieb-Rettungsdienst vermittelt, sondern erfüllte mit dem Einsatz des Beigeladenen zu 1. beim Eigenbetrieb „Rettungsdienst“ eigene vertragliche Verpflichtungen; insoweit fungierte der Beigeladene zu 1. als Erfüllungsgehilfe der Klägerin. Demgegenüber liegen für eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. bzw. – wie von der Klägerin behauptet – für eine abhängige Beschäftigung allein beim Träger des örtlichen Rettungsdienstes keine überzeugenden und gewichtigen Indizien vor.
Ausgangspunkt dieser sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung ist der im „Honorararztvertrag“ vom 1. Februar 2016 zum Ausdruck gekommene Wille der Parteien.
Der Vertrag enthält widersprüchliche Regelungen. So haben die Klägerin und der Beigeladene zu 1. zwar vereinbart, dass der Beigeladene zu 1. weder in einem Angestelltenverhältnis noch in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis zur Klägerin stehe (§ 2 Nr. 3 des Vertrages). Gleichzeitig enthält der Vertrag aber insbesondere unter § 3 („Besondere Pflichten des Arztes“) Regelungen, die deutlich in Richtung einer Weisungsabhängigkeit sowie einer Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in den Betrieb der Klägerin deuten und damit für eine abhängige Beschäftigung sprechen: So unterlag der Beigeladene zu 1. etwa einer besonderen Dokumentationspflicht und hatte für eine wirtschaftliche Verordnungsweise zu sorgen. Zugleich war der Beigeladene zu 1. verpflichtet, mit den Akteuren auf Seiten der Klägerin zusammenzuarbeiten (§ 4 Nr. 1 des Vertrages), zudem unterlag er einer Pflicht, die Nutzung medizinisch-technischer Einrichtungen mit dem Chefarzt zu koordinieren (§ 4 Nr. 2 des Vertrages). Seine Vergütung war vertraglich nach Art eines Stundenlohnes und einer Einsatzpauschale festgelegt (§ 6 des Vertrages i.V.m. Anlage I zum „Honorararztvertrag“).
Im Gesamtbild lässt der Vertrag danach keine abschließende Schlussfolgerung zu, wenngleich die Regelungen in ihrer Gesamtheit zur Überzeugung des Senats schon in Richtung einer abhängigen Beschäftigung weisen.
Letztlich entscheidend ist damit, wie die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin sich tatsächlich gestaltet hat, denn bei verbleibenden Divergenzen zwischen der Vertragsdurchführung und der getroffenen Vereinbarung geht die gelebte Praxis der formellen Vereinbarung grundsätzlich vor (st. Rspr., vgl. nur Bundessozialgericht , Urteil vom 4. Juni 2019, B 12 R 11/18 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 24). Dabei stehen die in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV genannten Anhaltspunkte der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung weder in einem Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen. Insbesondere bei Hochqualifizierten oder Spezialisten („Dienste höherer Art“) – wie der Tätigkeit als Notarzt - kann das Weisungsrecht aufs Stärkste eingeschränkt sein. Dennoch kann die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird. Die Weisungsgebundenheit verfeinert sich in solchen Fällen „zur funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“; eine Eingliederung in den Betrieb geht nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht des Krankenhauses einher (Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 29).
So liegt der Fall hier: Maßgebend für das Vorliegen von abhängiger Beschäftigung ist die Gewichtung der einzelnen Indizien, die hier eindeutig für eine abhängige Beschäftigung im Verhältnis des Beigeladenen zu 1. zur Klägerin sprechen. Der Beigeladene zu 1. unterlag in seiner Tätigkeit als Notarzt u.a. den o.g. engen vertraglichen Regularien und war in prägender Weise in dem Betriebsablauf der Klägerin eingegliedert. Der Beigeladene zu 1. hat sich aufgrund des Honorararztvertrages vom 1. Februar 2016 gegenüber der Klägerin verpflichtet, für diese tätig zu werden, und zwar zur Erfüllung von vertraglichen Verpflichtungen, die die Klägerin gegenüber dem Eigenbetrieb „Rettungsdienst“ eingegangen war.
Dabei waren entgegen § 2 Nr. 4 Satz 1 des „Honorararztvertrages“ nach vorheriger Einzelvereinbarung mit der Klägerin sein Arbeitsort und seine Arbeitszeit fest vorgegeben. Er war nach Abschluss einer solchen Einzelvereinbarung wie bei der Klägerin fest angestellte Ärztinnen und Ärzte im Rahmen eines Bereitschaftsdienstes in zeitlicher und organisatorischer Hinsicht fest eingebunden. Mit der von der Klägerin angenommenen Zusage, einen konkreten Notarztdienst zu übernehmen, war er nach § 2 Nr. 2 des „Honorararztvertrages“ verpflichtet, seine Leistungen persönlich im Rahmen der Vorgaben der Klägerin zu erbringen und unterlag im Falle einer Verhinderung genau wie abhängig beschäftigte Ärztinnen und Ärzte der Klägerin klar definierten Nebenpflichten. Mit Aufnahme seines Dienstes erstreckte sich das Weisungsrecht der Klägerin darauf, dass der Beigeladene zu 1. für die Zeitdauer seines Dienstes zur Arbeitsleistung im Rettungsdienst verpflichtet war (wie hier: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Mai 2021, L 14 BA 11/19, nicht veröffentlicht).
Aufgrund der Besonderheiten des BbgRettG übte der Beigeladene zu 1. seine Tätigkeit als Notarzt im Rettungsdienst vertragsgemäß zur Erfüllung eigener (gesetzlicher und vertraglicher) Verpflichtungen der Klägerin (Pflicht zur Personalgestellung) aus. Die Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in den Betrieb der Klägerin war dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin ihn entsprechend den bei ihr fest angestellten Ärztinnen und Ärzten zum Rettungsdienst entsandte. Die Hauptleistungspflichten bestanden im Verhältnis der Klägerin zum Rettungsdienst; in diesem Rahmen wurde der Beigeladene zu 1. als Erfüllungsgehilfe der Klägerin eingesetzt (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Mai 2021, Seite 13; dazu auch BSG, Urteil vom 4. Juni 2019, B 12 KR 14/18 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 18f.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. November 2020, L 5 BA 2304/18, zitiert nach juris, dort Rdnr. 71f.; nachgehend: Bundessozialgericht, Beschluss vom 13. August 2021, B 12 R 8/21 B, bei juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 2022, L 4 KR 581/20, zitiert nach juris, dort Rdnr. 103). Dabei bestand, was das SG zutreffend erkannt, in seiner rechtlichen Prüfung jedoch nicht ausreichend berücksichtigt hat, keine vertragliche Beziehung zwischen dem Beigeladenen zu 1. und dem Eigenbetrieb „Rettungsdienst“.
Angesichts der im Tatbestand dargestellten Regelungen des BbgRettG liegt darin gerade kein Fall einer (rechtswidrigen) Arbeitnehmerüberlassung, sondern die gewollte Personalgestellung im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses zur Klägerin (dazu auch LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 29. April 2022, L 4 KR 581/20, zitiert nach juris, dort Rdnr. 103, sowie vom 25. November 2020, L 5 BA 2304/18, zitiert nach juris, dort Rdnr. 74). Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. war der Klägerin damit als eigene Aufgabenerfüllung zuzurechnen. Dass die in § 7 Abs. 1 SGB IV genannten Anhaltspunkte der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung in den Betrieb weder in einem Rangverhältnis stehen noch kumulativ vorliegen müssen, gilt erst Recht im Rahmen einer Personalgestellung für hochspezialisierte Aufgaben wie hier. Der Beigeladene zu 1. erbrachte diese Leistungen, genau wie die im Rettungsdienst ebenfalls tätigen und bei der Klägerin fest angestellten Ärztinnen und Ärzte, insbesondere aufgrund seiner Eingliederung in den gesetzlich und vertraglich definierten Aufgabenbereich der Klägerin im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung. Genau dies meint auch § 6 Abs. 4 der Vereinbarung der Klägerin mit dem Rettungsdienst, wonach die zwischen der Klägerin und den Notärztinnen und Notärzten bestehenden tarifrechtlichen oder arbeitsrechtlichen Regelungen durch die Vereinbarung ausdrücklich nicht berührt werden sollen (dazu auch BSG, Beschluss vom 13. August 2021, B 12 R 8/21 B, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11 f.).
Demgegenüber liegen keine für eine Selbständigkeit des Beigeladenen zu 1. sprechenden Anhaltspunkte vor, die ein derartiges Gewicht hätten, dass sie die Weisungsgebundenheit und insbesondere Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in den Betrieb der Klägerin auch nur annähernd hätten auf- oder überwiegen können. So war der Beigeladene zu 1. keinem nennenswerten Unternehmerrisiko ausgesetzt; er erhielt von der Klägerin einen festen Lohn für geleistete Stunden und hatte keine Chance, durch unternehmerisches Geschick seine Arbeit so effektiv zu gestalten, dass er das Verhältnis von Auftrag und Ertrag hätte beeinflussen können. Sein einzig in Betracht kommendes Risiko, trotz der mit dem „Honorararztvertrag“ vereinbarten Rahmenvereinbarung keine Folgeaufträge mehr zu bekommen, ist für die statusrechtliche Bedeutung der durchgeführten Einzelaufträge nicht relevant.
Zu einer anderen Statusbeurteilung zwingt auch nicht die zum 11. April 2017 eingeführte Vorschrift des § 23c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB IV (i.d.F. des Gesetzes vom 4. April 2017, BGBl. I, S. 778). Danach sind Einnahmen aus Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst nicht beitragspflichtig, wenn diese Tätigkeiten neben einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes ausgeübt werden. Regelungsgegenstand dieser Bestimmung ist ausdrücklich die Beitragspflicht, nicht die Versicherungspflicht aufgrund von Beschäftigung. Demzufolge entfällt weder das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage noch ist der streitige Statusfeststellungsbescheid erledigt.
Aus der abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. folgt damit die Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung sowie in der Sozialen Pflegeversicherung. Der Beigeladene zu 1. war auch nicht aufgrund anderer Vorschriften von der Versicherungspflicht ausgenommen. Die zwischen ihm und der Klägerin im Honorararztvertrag vom 1. Februar 2016 getroffene Rahmenvereinbarung sah jährlich vorausschauend keine zeitlich begrenzten Einzeldienste vor. Es handelte sich daher weder um eine versicherungsfreie entgeltlich- noch zeitgeringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB IV.
Angesichts dieser Umstände bestand entgegen dem Vorbringen der Klägerin keine Veranlassung zur Beiladung des Trägers des Eigenbetriebs „Rettungsdienst“ (§§ 153 Abs. 1, 75 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe zur Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.