Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 06. November 2020 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht ein Prüfbescheid der Beklagten, mit dem Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2015 nachgefordert werden.
Die Klägerin ist ein Familienunternehmen, dass die Herstellung von computergestützten Leiterplattenentwürfen und reprographischen Fertigungsanlagen (Filmen), die Entwicklung von Hard- und Software sowie den Vertrieb von Leiterplatten zum Gegenstand hat.
Nachdem der Beigeladene zu 1 ebenso wie seine Schwester C W noch im November 2007 12,17 % (6.450,00 € von 53.000,00 €) und seine Mutter B G 75,66 % der Gesellschaftsanteile innegehabt hatte, hielt er ab 19. Dezember 2007 22,42 % der Geschäftsanteile (13.450,00 € von 60.000,00 €), seine Mutter 66,83 % und seine Schwester 10,75 % (6.450,00 € von 60.000,00 €). Am 25. April 2014 übertrug C W mit notariellem Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag vorübergehend ihre Anteile an die Klägerin.
Laut Gesellschaftsvertrag der Klägerin vom 02. November 1990 wurden Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung im Grundsatz mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht das Gesetz zwingend eine andere Mehrheit vorschreiben. Beschlüsse, die über Verfügungen von Geschäftsanteilen, Einziehung von Geschäftsanteilen und Kapitalerhöhung zu fassen sind, bedurften zur Wirksamkeit einer ¾-Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Abgestimmt wurde nach Geschäftsanteilen. Je DM 100,00 eines Geschäftsanteils gewährten eine Stimme.
Am 01. November 2005 schlossen die Gesellschafter der Klägerin einen Stimmbindungsvertrag („Pool“), in dem sie sich zur Vorbeschlussfassung und einheitlichen Ausübung des Stimmrechtes in der Gesellschafterversammlung der Klägerin verpflichteten. Danach sollten vor jeder Abstimmung in der Gesellschaft die Poolmitglieder vorab in der Mitgliederversammlung des Pools (Poolversammlung) über die Ausübung des Stimmrechts bei den Abstimmungen in der Gesellschaft beschließen. Je 10 € eines Geschäftsanteils der Beteiligung an der GmbH gewährten dem jeweiligen Gesellschafter in der Poolversammlung eine Stimme. Beschlüsse in der Poolversammlung wurden mit einer Mehrheit von 90 v.H. der Stimmen gefasst. Der Vertrag war für jedes Mitglied mit einer Frist von 12 Monaten zum Ende des Geschäftsjahres der Gesellschaft kündbar.
Am 02. Januar 2008 schloss die Klägerin mit dem Beigeladenen zu 1 einen unbefristeten Geschäftsführervertrag, mit dem dieser ab dem 01. Januar 2008 zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt wurde. Er wurde von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und auch bei Bestellung mehrerer Geschäftsführer einzeln zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigt (§ 1 Abs. 1 des Vertrags). In dem Vertrag verzichteten die Gesellschafter auf ihr Recht, dem Geschäftsführer Weisungen – insbesondere in Bezug auf die Ausführung seiner Tätigkeiten – zu erteilen und sich in die laufende Geschäftsführung einzuschalten. Darüber hinaus sollte der Geschäftsführer hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Umfang seiner Leistungserbringung frei sein und keinen Weisungen der Gesellschafter unterliegen (§ 1 Abs. 3 des Vertrags). Einschränkungen der Tätigkeit des Geschäftsführers und Zustimmungsvorbehalte für wichtige Maßnahmen sollten durch Gesellschafterbeschluss oder in der Satzung erfolgen (§ 1 Abs. 7). Die vereinbarte monatliche Vergütung belief sich auf 5.500,00 € zzgl. einer Gewinnbeteiligung (Tantieme; § 4 Abs. 1 des Vertrags). In § 5 des Geschäftsführervertrags war eine Fortzahlung des Grundgehalts – unter Anrechnung etwaiger Zahlungen der Krankenkasse/Krankenversicherung für längstens 6 Monate vereinbart. Der jährliche Urlaubsanspruch war mit 30 Arbeitstagen festgesetzt (§ 7 Abs. 1). Weitere Geschäftsführerin war bis August 2013 die Mutter des Beigeladenen zu 1 B G.
Ein im März 2009 eingeleitetes Statusfeststellungsverfahren hinsichtlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 für die Klägerin wurde mit Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 2009 mangels Mitwirkung des Beigeladenen zu 1 eingestellt.
In der Zeit vom 19. September 2016 bis zum 09. Januar 2017 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) betreffend den Prüfzeitraum vom 01. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2015 durch. Mit Bescheid vom 16. Januar 2017 forderte sie nach vorangegangener Anhörung von der Klägerin Beiträge zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung i.H.v. 52.870,44 € für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 als Gesellschafter-Geschäftsführer nach. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 27. Januar 2017 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01. August 2017 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 04. September 2017 Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig. Im streitgegenständlichen Zeitraum habe der Beigeladene zu 1 die Klägerin alleine geführt. Weder seine Mutter noch seine Schwester seien in das Tagesgeschäft involviert gewesen. Wenn Beschlüsse der Gesellschaft zu treffen gewesen seien, habe der Beigeladene zu 1 den Beschluss vorgeschlagen und seine Mutter sowie seine Schwester seien aufgrund der familiären Verbundenheit diesem Vorschlag gefolgt. Im Sinne der sogenannten „Kopf und Seele“-Rechtsprechung des BSG habe der Beigeladene zu 1 somit die Gesellschaft alleine geführt. Dass dies zur Sozialversicherungsfreiheit seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer führte, habe die Beklagte der Klägerin in einer von ihr für den Zeitraum bis 31. Dezember 2011 durchgeführten Betriebsprüfung bestätigt. Im nachfolgenden Zeitraum sei die Klägerin bis zur Durchführung der Erstberatung durch die jetzigen Bevollmächtigten im Januar 2017 davon ausgegangen, dass der Beigeladene zu 1 als Gesellschafter-Geschäftsführer eines Familienunternehmens weiterhin nicht als Beschäftigter im Sinne des § 7 SGB IV anzusehen sei. Die Klägerin genieße im Prüfzeitraum Vertrauensschutz, da erst mit den Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. August 2012 bzw. vom 11. November 2015 die zuvor eindeutige Rechtsprechung zu den Familiengesellschaften sowie zu Stimmrechtsvereinbarungen aufgegeben worden sei.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 06. November 2020 abgewiesen. Ausgehend von den gesetzlichen Maßgaben und der ständigen Rechtsprechung des BSG sei der Beigeladene zu 1 im Prüfzeitraum bei der Klägerin abhängig und damit in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Er sei zwar Gesellschafter-Geschäftsführer gewesen, als Minderheitsgesellschafter mit 22,42 % der Geschäftsanteile aber nicht in der Lage gewesen, seine minderheitsbedingte Weisungsgebundenheit aufzuheben oder abzuschwächen. Durch die vorübergehende Übertragung der Anteile von C W an die Klägerin hätten sich zwar die Mehrheitsverhältnisse dergestalt geändert, dass der Beigeladene zu 1 nun über eine Sperrminorität verfügt und damit Beschlüsse nach § 6 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages habe verhindern können. Eine solche unechte Sperrminorität, die sich lediglich auf bestimmte Bereiche erstrecke, sei indes nach der Rechtsprechung des BSG nicht ausreichend, die Annahme von Selbstständigkeit des Geschäftsführers zu begründen. Hierfür sei nur eine umfassende Sperrminorität, die alle den Geschäftsführer selbst betreffenden Angelegenheit umfasse, geeignet, an der es vorliegend jedoch fehle. Mithin habe der Beigeladene zu 1 weder die Rechtsmacht zur maßgebenden Einflussnahme auf die gesamte Unternehmenstätigkeit gehabt, noch hätte er jegliche Weisungen an ihn durch die Mehrheitsgesellschafter verhindern können. Die lediglich schuldrechtlich getroffene Vereinbarung der Gesellschafter, in der sich diese zur einheitlichen Ausübung des Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung verpflichteten, ändere an der Einordnung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 als abhängige Beschäftigung nichts. Denn dieser außerhalb des Gesellschaftsvertrags getroffene Stimmbindungsvertrag sei nicht geeignet, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben, weil der Stimmbindungsvertrag von jedem Gesellschafter habe gekündigt werden können. Dies wäre mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren. Eine „Schönwetter-Selbstständigkeit“ lediglich in harmonischen Zeiten, während im Falle eines Zerwürfnisses die rechtlich bestehende Weisungsgebundenheit zum Tragen käme, sei nicht anzuerkennen. Die Klägerin könne auch keinen Vertrauensschutz aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) aufgrund einer geänderten Rechtsprechung beanspruchen. Es fehle an der verfassungsrechtlich relevanten Abkehr von früheren Rechtsprechungsmaßstäben zur Versicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern in Familiengesellschaften. Denn es liege keine frühere höchstrichterliche Rechtsprechung vor, auf welche die Klägerin die berechtigte Annahme des Nichtvorliegens einer sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1 hätte stützen können. Zutreffend habe das BSG in seinem Urteil vom 19. September 2019 (B 12 R 25/18 R) im Hinblick auf die Abkehr von seiner „Kopf und Seele“-Rechtsprechung ausgeführt, dass frühere Entscheidungen der Senate des BSG, die für das Unfallversicherungs- und Arbeitsförderungsrecht zuständig seien, kein Vertrauen hätten begründen können. Auch hinsichtlich der statusrechtlichen Relevanz des zwischen den Gesellschaftern abgeschlossenen schuldrechtlichen Stimmbindungsvertrags habe sich die Klägerin nicht auf eine Rechtsprechung des BSG berufen können. Eine solche habe vor den Entscheidungen vom 18. November 2015 gerade nicht existiert. Die Problematik sei vielmehr höchstrichterlich ungeklärt und in der Instanzrechtsprechung zuletzt umstritten gewesen. Die Berechnung der von der Klägerin geforderten Sozialversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1 sei rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
Gegen dieses zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren fortführt. Zwar sei unstreitig, dass mittlerweile die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 im streitgegenständlichen Zeitraum zweifelsfrei als Beschäftigung im Sinne des § 7 SGB IV und damit als sozialversicherungspflichtige Tätigkeit zu bewerten sei. Dies habe die Klägerin jedoch nicht erkennen können. Jedenfalls stehe ihr nach Art. 20 Abs. 3 GG bzw. § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegenüber der von der Beklagten erhobenen Nachforderung Vertrauensschutz zu. Das SG verkenne in seinem Urteil, dass es für die Anwendung der Vertrauensschutzregelungen nicht darauf ankommen könne, ob sich einzelne Senate des BSG hinsichtlich der sogenannten „Kopf und Seele“-Rechtsprechung uneins gewesen seien. Vielmehr könne nur maßgeblich sein, wie die im streitgegenständlichen Zeitraum relevante Rechtsprechung von den Betroffenen und deren rechtlichen Beratern (Empfängerhorizont) wahrgenommen worden sei. Bis zum Jahr 2015 sei die überwiegende Mehrheit der Berater davon ausgegangen, dass zumindest die Kombination der sogenannten „Kopf und Seele“-Rechtsprechung mit einem schuldrechtlichen Stimmbindungsvertrag dazu führe, dass ein familiär und mit schuldrechtlichem Stimmbindungsvertrag gebundener Gesellschafter-Geschäftsführer als selbstständig Tätiger zu beurteilen sei. Jedenfalls hinsichtlich der Stimmbindungsvereinbarung sei die Wende in der Rechtsprechung erst mit dem Urteil des BSG vom 11. November 2015 zum Aktenzeichen B 12 KR 13/14 R vollzogen worden. Auch in seinem Urteil vom 19. September 2019 zum Aktenzeichen B 12 R 25/18 R habe das BSG einem Vertrauensschutz keine generelle Absage erteilt. Vielmehr habe das BSG darin hervorgehoben, dass es regelmäßig auf eine Einzelfallprüfung ankomme. Das BSG habe namentlich nicht geprüft, ob in einer Konstellation wie vorliegend, nämlich einer Kombination von familiärer Verbundenheit, einfacher Sperrminorität und Stimmbindungsvereinbarung eine sozialgerichtliche Rechtsprechung vorgelegen habe, die geeignet gewesen sei, bei dem betroffenen Vertrauen zu begründen. Es spreche einiges dafür, dass die Fälle, in denen sich die Rechtsmacht eines Gesellschafter-Geschäftsführers ausschließlich aus der familiären Verbundenheit begründe, anders zu beurteilen seien als die Fälle, in denen sich die Rechtsmacht des Gesellschafter-Geschäftsführers (auch) aus Stimmrechtsbindung sowie einfacher Sperrminorität ergebe. Während die nur durch eine familiäre Verbundenheit begründete Rechtsmacht einfach veränderbar sei und letztlich im Belieben der Familienangehörigen stehe, könnten zwischen den Familienmitgliedern vertraglich vereinbarte Stimmbindung und einfache Sperrminorität nur durch vertragliche Vereinbarung wieder geändert werden und seien daher wesentlich weniger beliebig. Daher könne die Rechtsprechung des BSG zum (fehlenden) Vertrauensschutz in Familien-GmbHs, in denen sich die Rechtsmacht des Gesellschafter-Geschäftsführers ausschließlich auf die familiäre Verbundenheit stütze, nicht auf Fälle wie den vorliegenden übertragen werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 06. November 2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. August 2017 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Das SG habe sich in den Entscheidungsgründen des Urteils mit dem Argument des vermeintlichen Vertrauensschutzes aufgrund der Rechtsprechung des BSG zu schuldrechtlichen Stimmbindungsvereinbarungen auseinandergesetzt und zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Problematik höchstrichterlich ungeklärt und in der Instanzrechtsprechung zuletzt umstritten gewesen sei. Eine generalisierende Regel dahingehend, dass schuldrechtliche Stimmbindungsvereinbarungen für die Statusbeurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern sozialversicherungsrechtlich beachtlich sei, habe das BSG vor seiner Entscheidung vom 11. November 2015 (B 12 KR 13/14 R) gerade nicht aufgestellt, sodass es an einer Vertrauensgrundlage fehle.
Die Beteiligten haben unter dem 25. Januar 2022, 26. Januar 2022, 27. Januar 2022 und 02. Februar 2022 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts – und Verwaltungsakten Bezug genommen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte im schriftlichen Verfahren entscheiden, da alle Beteiligten sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. August 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte fordert mit Recht von der Klägerin anlässlich einer Betriebsprüfung Beiträge zur Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1 in dem Zeitraum vom 01. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2015 nach. Eine Versicherungspflicht auch in der Kranken- und Pflegeversicherung ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens, da die Beklagte Beiträge für diese Versicherungszweige nicht erhoben hat.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen ihrer Prüftätigkeit (§ 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV) Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Zurecht ist die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid von einer Versicherungspflicht für den Beigeladenen zu 1 ausgegangen. Nach § 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Die danach für den Eintritt von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie für die Umlagepflicht erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV definiert. Beschäftigung ist danach die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Arbeitgeberin unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die hierzu für die Statusbeurteilung vom BSG entwickelten Abgrenzungsmaßstäbe (vgl. etwa BSG, Urteil vom 04.06.2019 - B 12 R 11/18 R – juris Rn. 14 f. <Honorararzt>) gelten grundsätzlich auch für die Geschäftsführer einer GmbH (ständige Rspr. des BSG: vgl. Urteile vom 01. Februar 2022 - B 12 KR 37/19 R – juris Rn. 12; vom 29.06.2021 - B 12 R 8/19 R - juris Rn. 12; vom 23.02.2021 - B 12 R 18/18 R - juris Rn. 14; vom 07.07.2020 - B 12 R 17/18 R – juris Rn. 16; vom 12.05.2020 - B 12 KR 30/19 R – juris Rn. 15).
Ist ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft das wesentliche Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der zumindest 50 v.H. der Anteile am Stammkapital hält. Ein Minderheitsgeschäftsführer wie der Kläger ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn ihm nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss in der Lage sein, einen maßgeblichen Einfluss auf alle Gesellschafterbeschlüsse auszuüben und dadurch die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens umfassend mitbestimmen zu können. Ohne diese Mitbestimmungsmöglichkeit ist der Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer nicht im "eigenen" Unternehmen tätig, sondern in weisungsgebundener (vgl. § 37 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung <GmbHG>), funktionsgerecht dienender Weise in die GmbH als seine Arbeitgeberin eingegliedert. Deshalb ist eine "unechte", nur auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln (ständige Rspr. des BSG: vgl. z.B. Urteile vom 08.07.2020 - B 12 R 26/18 R – juris Rn. 13 und - B 12 R 4/19 R – juris Rn. 14).
Ausgehend von diesen Maßstäben lag im Prüfzeitraum eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1 und damit Versicherungspflicht nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und der Arbeitsförderung vor. Der Beigeladene zu 1 hatte nicht die notwendige gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht, um die Geschicke der GmbH maßgeblich zu gestalten oder ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern. Er war damit in einen fremden Betrieb eingegliedert und führte kein eigenes Unternehmen.
Als Geschäftsführer unterlag er nach § 6 Abs. 3, § 37 Abs. 1, § 38 Abs. 1, § 46 Nr. 5 und 6 GmbHG dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung (vgl. zum Weisungsrecht Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl. 2019, § 37 Rn. 3; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 20. Aufl. 2020, § 37 Rn. 1; Stephan/Tieves, MüKo GmbHG, 3. Aufl. 2019, § 37 Rn. 107). Er verfügte als Minderheitsgesellschafter mit einer Beteiligung von 22,42 % auch nicht über eine „echte“ Sperrminorität. Die Tätigkeit eines Geschäftsführers ist nur dann unternehmerisch, wenn er auf alle wesentlichen Grundlagenentscheidungen Einfluss nehmen kann. Der Gesellschafter-Geschäftsführer muss daher Gewinnchancen und Unternehmensrisiken mitbestimmen und damit auf die gesamte Unternehmenstätigkeit einwirken können. Dazu gehört insbesondere die dem Unternehmenszweck Rechnung tragende Bilanz-, Finanz-, Wirtschafts- sowie Personalpolitik. Daher reicht es für die erforderliche Rechtsmacht nicht aus, wenn eine Sperrminorität nur für bestimmte, im Einzelnen im Gesellschaftsvertrag aufgeführte Angelegenheiten besteht, auch wenn diese (fast) die gesamte Unternehmenstätigkeit ausmachen sollten. Dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände (ständige Rspr. des BSG; vgl. z.B. Urteil vom 07.07.2020 - B 12 R 17/18 R – juris Rn. 24) ist nur Rechnung getragen, wenn klar erkennbar ist, dass dem Gesellschafter-Geschäftsführer bei allen Beschlüssen der Gesellschafterversammlung eine Sperrminorität eingeräumt ist. Daran fehlt es hier. In der Gesellschafterversammlung der Klägerin bedürfen nur Beschlüsse in bestimmten, in § 6 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags gesondert aufgezählten Angelegenheiten einer Dreiviertel-Mehrheit. Ansonsten werden die Beschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit und ohne ein im Gesellschaftsvertrag verankertes Vetorecht des Beigeladenen zu 1 gefasst.
Der in § 1 Abs. 3 des Geschäftsführer-Vertrags erklärte Verzicht der Gesellschafter der Klägerin, ihr Recht, dem Beigeladenen zu 1 Weisungen – insbesondere in Bezug auf die Ausführung seiner Tätigkeiten – zu erteilen und sich in die laufende Geschäftsführung einzuschalten, ändert die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nicht. Das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung der GmbH gegenüber einem Geschäftsführer ist nur durch entsprechende Satzungsregelungen einschränkbar (§ 45 Abs. 1 GmbHG). Eine Einschränkung aufgrund eines lediglich im Geschäftsführervertrag und – wie hier - gerade nicht im Gesellschaftsvertrag (mit anderen Worten: Satzung der GmbH) erklärten Verzichts auf Weisungen im Bereich der gewöhnlichen Geschäftsführung entspricht lediglich einer "unechten", nur auf bestimmte Gegenstände begrenzten Sperrminorität, die zur Annahme einer die abhängige Beschäftigung ausschließenden Rechtsmacht nicht ausreicht (vgl. zur Einschränkung der Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung im Bereich der gewöhnlichen Geschäftsführung durch Einräumung eines Sonderrechts im Gesellschaftsvertrag: BSG, Urteil vom 01. Februar 2022 – B 12 KR 37/19 R – juris Rn. 17 ff.).
Soweit in der Rechtsprechung des BSG (vgl. etwa Urteil vom 14.03.2018 - B 12 R 5/16 R - juris Rn. 16 f) ausgeführt wird, ein selbstständiger Gesellschafter-Geschäftsführer müsse "zumindest" ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können, ist mit dieser Formulierung die erforderliche Rechtsmacht weder auf die ablehnende Haltung des Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers nur gegenüber Weisungsbeschlüssen der Gesellschafterversammlung reduziert noch auf dessen gewöhnliche Geschäftsführung eingeengt worden. Als wesentliches Betätigungsfeld des Geschäftsführers muss die gewöhnliche Geschäftsführung zwar von der Sperrminorität "insbesondere" (vgl. BSG, Urteil vom 31.07.1974 - 12 RK 26/72 - juris Rn. 17 f.) im Sinn von "jedenfalls" umfasst sein, um eine abhängige Beschäftigung auszuschließen. Die Rechtsmacht, in der Gesellschafterversammlung allein Einfluss auf die gewöhnliche Geschäftsführung nehmen (oder diesen verhindern) zu können, reicht jedoch nicht, um die Geschicke des Unternehmens mitzubestimmen, und ändert nichts daran, dass Selbstständigkeit eine umfassende Gestaltungsmöglichkeit erfordert. Alle über den gewöhnlichen Umfang des Geschäftsbetriebs der GmbH hinausgehenden Handlungen der Geschäftsführung bedurften jedoch der vorherigen Zustimmung der Gesellschafter, so insbesondere die in § 5 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags benannten Geschäfte wie der Erwerb oder die Verfügung über Grundstücke und Grundstücksrechte, die Errichtung / Aufhebung von Zweigniederlassungen, der Erwerbs und die Veräußerung von Beteiligungen, die Übernahme von Bürgschaften ab einer bestimmten Höhe sowie Rechtsgeschäfte einschließlich Kreditaufnahme und Kreditgewährung ab einem bestimmten Gegenstandswert. Der Verzicht vermittelte dem Beigeladenen zu 1 insoweit weder eine besondere Einflussmöglichkeit noch verdrängte er den Zustimmungsvorbehalt (vgl. auch § 1 Abs. 7 des Geschäftsführervertrags). Wird die Zustimmung zu den vom Beigeladenen zu 1 beabsichtigten "ungewöhnlichen" Handlungen durch Mehrheitsbeschluss verweigert, hat er sie zu unterlassen; nur wenn die Zustimmung mit der einfachen Mehrheit der Stimmen erteilt wird, darf er solche Handlungen vornehmen.
Die Annahme von Beschäftigung aufgrund der Rechtsmachtverhältnisse wird durch die Ausgestaltung des Geschäftsführer-Vertrags bestätigt. Dieser enthält neben der Verpflichtung des Beigeladenen zu 1, seine Arbeitskraft gegen ein festes Gehalt zur Verfügung zu stellen, auch weitere für eine abhängige Beschäftigung typische Regelungen. Er erhielt eine Festvergütung und hatte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen je Kalenderjahr sowie auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Der Gewährung erfolgsabhängiger Tantiemen kommt zwar als Anknüpfungspunkt für ein wirtschaftliches Eigeninteresse Bedeutung zu, dieses ist aber nicht allein entscheidend (vgl. BSG, Urteil vom 19.09.2019 - B 12 R 25/18 R – juris Rn. 17). Auch bei Arbeitnehmern sind leistungsorientierte Vergütungsbestandteile verbreitet (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R – juris Rn. 28). Dem Kläger waren für die Erfüllung seiner Aufgaben erhebliche Freiheiten eingeräumt. Er war nicht an feste Arbeitszeiten gebunden (§ 1 Abs. 3 des Vertrags) und unterlag keinen fachlichen Weisungen. Fachliche Freiräume sind jedoch für viele Beschäftigte gegeben, die höhere Dienste leisten und von denen erwartet wird, dass sie ihre Aufgaben im Rahmen funktionsgerechter, dienender Teilhabe am Arbeitsprozess erfüllen (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2019 - B 12 R 11/18 R – juris Rn. 29 <Honorararzt>).
Einen die abhängige Beschäftigung ausschließenden beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft vermittelt auch nicht die Stimmbindungsvereinbarung („Pool“) vom 01. November 2005, mit der sich die damaligen Gesellschafter - mithin der Beigeladene zu 1 sowie seine Mutter und seine Schwester - verpflichtet haben, ihr Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung der Klägerin einheitlich auszuüben.
Bei dem Stimmrechtspool handelt es sich um eine schuldrechtliche Vereinbarung, die den Beigeladenen zu 1 sowie seine Mutter und Schwester band. Abreden außerhalb des Gesellschaftsvertrags vermitteln aber - auch wenn sie tatsächlich praktiziert werden - nicht die erforderliche Rechtsmacht. Die für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit notwendige Rechtsmacht muss vielmehr gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) eingeräumte schuldrechtliche Stimmbindungsabreden oder Veto-Rechte zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH vermögen die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben (BSG, Urteile vom 10.12.2019 - B 12 KR 9/18 R – juris Rn. 19 sowie vom 07.07.2020 – B 12 R 17/18 R – juris Rn. 22).
Eine (zusätzlich) im Gesellschaftsvertrag verankerte Verpflichtung/Berechtigung zur einheitlichen Stimmabgabe lag hier nicht vor. Grundsätzlich können zwar im Gesellschaftsvertrag oder der Satzung auch Mehrstimmrechte oder eine obligatorische Gruppenvertretung vorgesehen werden. Die vorliegende Stimmbindungsvereinbarung hat das satzungsgemäß eingeräumte Stimmrecht bzw. die Stimmrechtsverhältnisse jedoch im Grundsatz unberührt gelassen (anstatt 1 Stimme je 100,00 DM des Geschäftsanteils: 1 Stimme je 10,00 € des Geschäftsanteils).
Die Stimmbindungsvereinbarung erfüllt insbesondere auch nicht die formalen Anforderungen an eine Satzungsänderung. Ein den Gesellschaftsvertrag einer GmbH abändernder Beschluss bedarf nicht nur einer Mehrheit von drei Vierteilen der abgegebenen Stimmen (§ 53 Abs. 1 und 2 Satz 1 GmbHG), sondern zusätzlich der Eintragung in das Handelsregister (§ 54 GmbHG). Nur dadurch wird auch dem bei der Statuszuordnung zu beachtenden Grundsatz der Klarheit und Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände Genüge getan (BSG, Urteile vom 10.12.2019 - B 12 KR 9/18 R – juris Rn. 19 sowie vom 07.07.2020 – B 12 R 17/18 R – juris Rn.24).
Ungeachtet der Form vermag die schuldrechtliche Stimmbindungsvereinbarung auch inhaltlich keine vorhersehbare Rechtsmacht zu begründen. Denn vor einer einheitlichen Ausübung des Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung musste regelmäßig ein Beschluss der Poolmitglieder hierüber gefasst werden (§ 2 Abs. 1 der Vereinbarung). Der Beigeladene zu 1 sollte daher seinen Willen gerade nicht alleine oder gegen seine Mutter und seine Schwester durchsetzen können. Das Vorliegen enger familiärer Bindungen rechtfertigt jedenfalls nicht die Annahme, die Betroffenen würden sich unter allen Umständen gleichgesinnt verhalten (vgl. bereits BSG Urteil vom 23.06.1994 - 12 RK 72/92 - juris Rn. 18). Ein rein faktisches, nicht rechtlich gebundenes und daher jederzeit änderbares Verhalten der Beteiligten ist nicht maßgeblich. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit" lediglich in harmonischen Zeiten ist – wie schon das SG ausgeführt hat - mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren (ständige Rspr. des BSG: vgl. etwa BSG, Urteil vom 19.09.2019 - B 12 KR 25/18 R – juris Rn. 15).
Zutreffend ist das SG schließlich davon ausgegangen, dass die Klägerin sich nicht auf Vertrauensschutz in den Fortbestand höchstrichterlicher Rechtsprechung auf der Grundlage von Art. 20 Abs. 3 GG bzw. § 242 BGB berufen kann. Höchstrichterliche Rechtsprechung schafft kein Gesetzesrecht und erzeugt keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Eine Rechtsprechungsänderung ist unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält. Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen kann nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung entstehen. Eine rückwirkende Änderung ist ausgeschlossen, wenn im konkreten Einzelfall nach einer Gesamtwürdigung besondere Umstände für ein über die allgemeinen Grundsätze hinausgehendes besonderes Vertrauen bestehen, wobei Dispositionen in Erwartung einer bestimmten richterlichen Entscheidung für sich gesehen grundsätzlich nicht ausreichend sind (Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Nichtannahmebeschluss vom 05.11.2015 - 1 BvR 1667/15 - juris Rn. 12, 25 m.w.N.; BSG, Urteil vom 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R – juris Rn. 30 ff.; BSG, Urteil vom 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R – juris Rn. 20).
Das BSG hat bereits entschieden, dass im Hinblick auf Familiengesellschaften kein Vertrauensschutz in die so genannte „Kopf und Seele“-Rechtsprechung besteht (BSG, Urteile vom 19.09.2019 B 12 R 25/18 R – juris Rn. 19 ff., – B 12 KR 21/19 R – juris Rn. 21 ff., - B 12 R 7/19 R – juris Rn. 20 ff. und B 12 R 9/19 R – juris Rn. 20 ff.; Beschluss vom 12.02.2020 - B 12 KR 39/19 B – juris Rn. 14).
Eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung hinsichtlich der statusrechtlichen Relevanz von schuldrechtlichen Stimmbindungsvereinbarungen, auf welche sich ein Vertrauen der Klägerin hätte gründen können, lag – wie das SG zutreffend herausgearbeitet hat - vor der Entscheidung des BSG vom 11. November 2015 zu dem Az. B 12 KR 13/14 R gerade nicht vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit auf die Darlegungen des SG in den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Soweit die Klägerin meint, das BSG habe nicht geprüft, ob sich in einer Konstellation wie der vorliegenden, in welcher Familien-GmbH, Stimmbindungsvereinbarung und unechte Sperrminorität zusammenkämen, Vertrauensschutz geltend gemacht werden könne, geht dies an der Sache vorbei. Die Klägerin könnte sich nur dann auf einen Vertrauensschutz in den Fortbestand einer höchstrichterlichen Rechtsprechung berufen, wenn es eine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung zur statusrechtlichen Bewertung der genannten Konstellation im Prüfzeitraum gegeben hätte. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall. Insbesondere zeigt auch die Klägerin die Existenz einer derartigen gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung gerade nicht auf.
Auch besteht kein Vertrauensschutz aufgrund einer vermeintlich geänderten Verwaltungspraxis der Beklagten (vgl. hierzu etwa BSG, Urteile vom 19.09.2019 – B 12 KR 21/19 R – juris Rn. 29 f; - B 12 R 7/19 R – juris Rn. 26 f., - B 12 R 25/18 R – juris Rn. 27 f.). Die Beitragspflichtigen dürfen zwar nicht für eine zurückliegende Zeit mit einer Beitragsnachforderung überrascht werden, die in Widerspruch steht zu dem vorangegangenen Verhalten der Verwaltung, auf deren Rechtmäßigkeit sie vertraut haben und vertrauen durften (vgl. BSG, Urteil vom 27.09.1983 - 12 RK 10/82 - BSGE 55, 297 = SozR 5375 § 2 Nr. 1). Eine vertrauensstiftende gesicherte Rechtspraxis liegt aber gerade nicht vor, wenn - wie hier im Prüfzeitraum - eine Rechtsfrage nicht abschließend geklärt ist. Auch erweckten die Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger nie den Anschein, bei Familiengesellschaften griffe automatisch die "Kopf und Seele"-Rechtsprechung, sondern sie wiesen auf die Notwendigkeit individueller Prüfung hin. Nach Anlage 3 des Rundschreibens über die Statusfeststellung von Erwerbstätigen vom 13.04.2010 war, wenn dem Geschäftsführer gesellschaftsvertraglich kein maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft eingeräumt war, "in allen anderen Fällen" jeweils individuell zu prüfen, ob ein abhängiges und damit sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliege. Eine regelmäßige Verwaltungspraxis der Beklagten dergestalt, dass sie bei einem zusammentreffen von Familien-GmbH, einfacher Sperrminorität und Stimmbindungsvereinbarung regelmäßig von einer selbstständigen Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers ausgegangen wäre, hat die Klägerin letztlich nicht behauptet, sondern es für klärungsbedürftig gehalten, ob eine solche existiert habe. Ist die Praxis der Klägerin jedoch nicht bekannt gewesen, kann sie sich kaum auf Vertrauensschutz berufen.
Eine Selbstbindung aufgrund einer früheren Verwaltungspraxis kann im Übrigen nur im Rahmen eines der Verwaltung eingeräumten Beurteilungsspielraums oder Ermessens eintreten. § 7 Abs. 1 SGB IV räumt den Behörden aber bereits keinen derartigen Spielraum bei der Beurteilung der Frage ein, ob eine Beschäftigung vorliegt oder nicht. Im Widerspruch zu zwingenden gesetzlichen Vorgaben kann keine Selbstbindung der Verwaltung entstehen; einen aus Art 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Anspruch auf "Gleichbehandlung im Unrecht" gibt es nicht (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 09.10.2000 - 1 BvR 1627/95 - juris Rn. 52; Bundesfinanzhof <BFH>, Beschluss vom 26.09.2007 - V B 8/06 - BFHE 219, 245).
Die Klägerin kann sich schließlich nicht auf Bestands- oder Vertrauensschutz aufgrund vorangegangener Betriebsprüfungen berufen. Das BSG hat wiederholt ausgeführt, dass sich eine materielle Bindungswirkung lediglich insoweit ergeben könnte, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht (und Beitragshöhe) in der Vergangenheit im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden. Dass dies hier der Fall gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Eine "beanstandungsfrei" verlaufene Betriebsprüfung vermittelt keinen Bestandsschutz gegenüber einer späteren Beitragsforderung, selbst wenn sie auf Stichproben beschränkt war (BSG, Urteil vom 04.09.2018 - B 12 R 4/17 R - juris; vgl. auch BSG, Urteile vom 18.11.2015 - B 12 R 7/14 R – juris und 30.10.2013 - B 12 AL 2/11 R – juris; zur neueren Rechtslage: BSG, Urteil vom 19.09.2019 – B 12 R 7/19 R – juris Rn. 29 ff.). Ein Statusfeststellungsverfahren betreffend die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 wurde aufgrund fehlender Mitwirkung des Beigeladenen zu 1 beendet.
Fehler hinsichtlich der Berechnung von Beiträgen sind nicht ersichtlich und nicht geltend gemacht. Die an den Beigeladenen zu 1 gezahlten Entgelte sind durch die bei der Betriebsprüfung vorgefundenen Unterlagen belegt. Damit hat die Beklagte die streitige Nachforderung mit Recht erhoben.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 155 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.