L 1 AS 101/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 175 AS 3864/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 AS 101/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 07. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.

 

Der Beklagte trägt 4/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Der Kläger wendet sich gegen die Minderung seines Arbeitslosengeld II-Anspruchs in der Zeit vom 01. Januar bis zum 31. März 2016 in Höhe von noch 30 vom Hundert (v.H.) des Regelbedarfs.

 

Der 1991 geborene Kläger stand seit Jahren im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei dem Beklagten. Er bewohnte im streitigen Zeitraum in Bedarfs- bzw. Haushaltsgemeinschaft mit sechs weiteren Personen die unter der im Rubrum bezeichneten Adresse gelegene knapp 104 qm große Wohnung, für welche ab dem 01. Januar 2016 ein Gesamtmietzins i.H.v. 934,99 € (553,00 € Grundmiete zzgl. Vorauszahlungen für Betriebskosten i.H.v. 251,99 € sowie für Heizkosten i.H.v. 130,00 €) fällig war.

 

Mit Bescheid vom 08. Juli 2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 09. Oktober 2015 und 27. Oktober 2015 bewilligte der Beklagte u.a. dem Kläger für die Zeit vom 01. Juli bis zum 31. Oktober 2015 Leistungen nach dem SGB II i.H.v. insgesamt 443,27 € (320,00 € Regelbedarf <RB> zzgl. 123,27 € Bedarfe für Unterkunft und Heizung <BUH>), für November 2015 i.H.v. 184,40 € (nur BUH) sowie für Dezember 2015 i.H.v insgesamt 411,27 € (288,00 € RB zzgl. 123,27 € BUH).

 

Mit bestandskräftigem Sanktionsbescheid vom 24. August 2015 wurde für die Zeit vom 01. September bis zum 30. November 2015 eine Beschränkung des Arbeitslosengeldes II auf die BUH festgestellt und der Bewilligungsbescheid vom 08. Juli 2015 insoweit aufgehoben. Der Kläger habe sich auf die ihm zugesandten und zumutbaren Vermittlungsvorschläge trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht beworben.

 

Nachdem der Kläger zu Einladungen zum 13. August 2015 und 11. September 2015 jeweils ohne Entschuldigung nicht erschienen war, erließ der Beklagte unter dem 11. September 2015 einen Eingliederungsvereinbarung-Verwaltungsakt (EGV-VA), für welchen als Gültigkeitszeitraum – soweit zwischenzeitlich nichts anderes geregelt werde – die Zeit vom 11. September 2015 bis zum 29. Februar 2016 benannt wurde. Ziel des Verwaltungsaktes war die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Helfertätigkeit im ersten Berliner Arbeitsmarkt. Weiter hieß es unter

„1. Unterstützung durch Jobcenter Berlin Lichtenberg

Das Jobcenter unterbreitet Ihnen Vermittlungsvorschläge, soweit geeignete Stellenangebote vorliegen. Das Jobcenter unterstützt Ihre Bewerbungsaktivitäten durch Übernahme von angemessenen nachgewiesenen Kosten für schriftliche Bewerbungen nach Maßgabe des § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB III, sofern Sie diese zuvor beantragt haben. Das Jobcenter veröffentlicht anonym Ihr Bewerberprofil in der JOBBÖRSE der Bundesagentur für Arbeit […].“

sowie unter

„2. Bemühungen von Herrn D K zur Eingliederung in Arbeit:

[…] Sie verpflichten sich, sich intensiv um eine Arbeitsstelle zu bemühen. Sie nutzen für die Stellensuche Initiativbewerbungen, die Tagespresse und das Internet. Sie verpflichten sich zu mindestens zehn Bewerbungen pro Monat in den nächsten sechs Monaten, auch um befristete Stellen, auch bei Zeitarbeitsfirmen. Die entsprechenden Nachweise sind durch Sie bei Vorsprache in der Arbeitsvermittlung unaufgefordert vorzulegen.

Die Eigenbemühungen (Bsp. Telefonliste mit Ansprechpartner, Firma, Tel. usw.) bzw. Bewerbungsschreiben sind unaufgefordert zu jedem Termin (ca. alle 4 Wochen) beim zuständigen Arbeitsvermittler (AV) vorzulegen oder bis spätestens den 15. des Monats per Post einzureichen. Als Nachweise anerkannt werden Kopien Ihrer Bewerbungsanschreiben, Postrückläufe (Einladungen, Absagen von Arbeitgebern). Bei telefonischen Bewerbungen notieren Sie bitte gesondert Namen und Anschrift des Arbeitgebers, die Tätigkeit um welche sie sich wann beworben haben, den konkreten Ansprechpartner, sowie das jeweilige Ergebnis Ihre Bemühungen.

Schriftliche und Email-Bewerbungen sind so zu verfassen, dass der Arbeitgeber sie aufgrund ihres objektiven Inhalts bzw. Form nicht von vornherein als unbeachtlich oder offensichtlich unernst gemeint behandeln kann.

Sie erkundigen sich nach Möglichkeiten eine Erzieher-Ausbildung, alternativ um Möglichkeiten, Ihre vorhandene Ausbildung als Bürokaufmann zu beenden.

[…]

Probearbeiten/Trainingsmaßnahmen sind rechtzeitig vor Beginn beim zust. Arbeitsvermittler zu beantragen.“

In der Rechtsfolgenbelehrung wurde unter anderem ausgeführt:

„Ihr Arbeitslosengeld II wurde bereits einmal aufgrund eines Pflichtverstoßes auf die Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkt (vgl. Bescheid vom ). Jeder weitere Pflichtverstoß (Verstoß gegen eine der Nr. 2 mit Ihnen vereinbaren Bemühungen) wird daher den vollständigen Wegfall des Ihnen zustehenden Arbeitslosengeldes II zur Folge haben. Im Falle eines vollständigen Wegfalls des Arbeitslosengeldes II werden auch keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt. Der Versicherungsschutz bleibt dennoch erhalten, anfallende Beiträge müssen Sie jedoch selbst zahlen. Sind Sie hierzu nicht in der Lage, entstehen Beitragsrückstände, die jedoch für die Dauer der Hilfebedürftigkeit keine negativen Auswirkungen hinsichtlich der Leistungen durch die gesetzliche Kranken-/Pflegeversicherung haben.

Der Wegfall dauert drei Monate (Sanktionszeitraum) und beginnt mit dem Kalendermonat nach Zugang des Sanktionsbescheides. Während dieser Zeit besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe).

Ein wiederholter Pflichtverstoß liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Sanktionszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt (Ablauf der Jahresfrist am 24.08.2016).

Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn Sie für Ihr Verhalten einen wichtigen Grund darlegen und nachweisen. Folglich tritt keine Leistungsminderung ein. Ein nach Ihrer Auffassung wichtiger Grund, der jedoch nach objektiven Maßstäben nicht als solcher anerkannt werden kann, verhindert nicht den Eintritt der Leistungsminderung.“

Danach hieß es unter anderem unter „Wichtige Hinweise“:

„Bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs können auf Antrag ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden. Diese sind grundsätzlich zu erbringen, wenn minderjährige Kinder im Haushalt leben. Beachten Sie aber, dass Sie vorrangig Ihr Einkommen und verwertbares Vermögen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einsetzen müssen.

Bei einer Gewährung von Sachleistungen oder geldwerten Leistungen werden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung weiterhin erbracht.

Erklären Sie sich nachträglich bereit, Ihren Pflichten nachzukommen, kann die im Briefkopf genannte Stelle unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles Leistungen für Unterkunft und Heizung erbringen.

Im Einzelfall kann die Dauer der Sanktion auf 6 Wochen verkürzt werden.“

Der EGV-VA wurde dem Kläger am 16. September 2015 per Postzustellungsurkunde zugestellt. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

 

Mit Sanktionsbescheid vom 05. Oktober 2015 wurde wegen unentschuldigten Nichterscheinens zu einem Meldetermin am 13. August 2015 für die Zeit vom 01. November 2015 bis zum 31. Januar 2016 eine Minderung des Arbeitslosengeldes II um 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs – 32,00 € monatlich – festgestellt und der vorangegangene Bescheid vom 08. Juli 2015 insoweit für die Zeit vom 01. November 2015 bis 31. Dezember 2015 in Höhe der genannten Minderung aufgehoben. Betroffen seien die BUH. Gutscheine oder geldwerte Leistungen wurden nicht gewährt.

 

Nachdem bei dem Beklagten bis zum 15. Oktober 2015 keine Nachweise über Bewerbungsbemühungen eingegangen waren, hörte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 30. Oktober 2015 mit Fristsetzung zum 16. November 2015 wegen Nichterfüllung der Eingliederungsvereinbarung durch ungenügende Nachweise von Eigenbemühungen an. Im Weiteren hieß es:

„Bitte beachten Sie:

Wenn Sie für Ihr Verhalten keinen wichtigen Grund haben, hat dies die Absenkung oder den Wegfall Ihrer Leistung zur Folge. Die Sanktion dauert grundsätzlich drei Monate und führt in Ihrem Fall voraussichtlich zum vollständigen Wegfall der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), da es sich um eine wiederholte Pflichtverletzung handelt. Bei der Gewährung von Sachleistungen bleibt auch der Kranken- und Pflegeversicherungsschutz erhalten. […] Wird Ihr Leistungsanspruch um mehr als 30 % gemindert oder ergibt sich aus der Summe von verschiedenen Minderungsbeträge eine Kürzung um mehr als 30 % können Ihnen in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen – insbesondere in Form von Lebensmittelgutscheinen – gewährt werden. Diese können nur gewährt werden, wenn Ihnen keine anderweitigen Mittel, wie z.B. anrechnungsfreie Einnahmen und Vermögen innerhalb der Freibetragsgrenzen (Schonvermögen) zur Verfügung stehen. Die Notwendigkeit ergänzender Sachleistungen oder geldwerte Leistungen ist von Ihnen zu begründen. Die entsprechenden gesetzlichen Regelungen finden Sie in der Anlage dieses Schreibens. Bitte beantworten Sie die aufgeführten Fragen ausführlich und reichen Sie ggf. Nachweise ein. Sie können auch Gründe nennen, die nicht in direktem Zusammenhang mit dem erhobenen Vorwurf stehen. Sollte der beigefügte Antwortvordruck für ausführliche Erläuterungen nicht ausreichen, nutzen Sie bitte zusätzlich ein gesondertes Blatt. Reichen Sie den ausgefüllten Antwortvordruck bitte bis 16.11.2015 bei der im Briefkopf genannten Stelle ein. Andernfalls muss nach Aktenlage entschieden wer-den. Dies betrifft auch die Entscheidung über ergänzende Sachleistungen.“

Hierauf erfolgte keinerlei Reaktion des Klägers.

 

Mit Bescheid vom 03. Dezember 2015 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft, zu welcher der Kläger gehörte, Leistungen für den Zeitraum vom 01. Januar bis zum 30. Juni 2016. Dabei wurden dem Kläger u.a. für Januar 2016 Leistungen i.H.v. insgesamt 425,57 € (292,00 € RB zzgl. 133,57 € BUH) sowie für Februar und März 2016 i.H.v. monatlich jeweils insgesamt 457,57 € (324,00 € RB zzgl. 133,57 € BUH) bewilligt. Einkommen war nicht angerechnet worden.

 

Mit Sanktionsbescheid vom 07. Dezember 2015 stellte der Beklagte für den Kläger für die Zeit vom 01. Januar bis zum 31. März 2016 den vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II fest und hob insoweit den Bewilligungsbescheid vom 03. Dezember 2015 auf. Gutscheine oder geldwerte Leistungen wurden nicht gewährt. Der Kläger habe Eigenbemühungen nicht nachgewiesen und auf die Anhörung nicht reagiert. Die vorhandenen Unterlagen ließen keinen wichtigen Grund erkennen. Der Kläger habe sich auch nicht bereit erklärt, zukünftig seinen Pflichten nachzukommen, sodass es nicht gerechtfertigt sei, sein Arbeitslosengeld II auf die BUH zu begrenzen. Eine Verkürzung des Minderungszeitraumes auf sechs Wochen sei nach Abwägung der vorliegenden Umstände mit den Interessen der Allgemeinheit ebenfalls nicht gerechtfertigt, weil keine relevanten Tatsachen für eine Verkürzung festgestellt worden seien. Ergänzende Sachleistungen könnten nicht gewährt werden, „weil im Rahmen der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens festgestellt wurde, dass Sie ein entsprechendes Erfordernis bisher nicht geltend gemacht haben.“

 

Den hiergegen eingelegten, von seinen Bevollmächtigten formulierten, nicht begründeten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2016 zurück.

 

Hiergegen hat der Kläger am 14. März 2016 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, der EGV-VA sei rechtswidrig. Hilfsweise würden Ermessensfehler geltend gemacht. Bei der Frage der Verkürzung des Minderungszeitraums sei das Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt worden, jedenfalls aber nicht ausreichend begründet worden. Es genüge nicht, pauschal festzustellen, dass keine Tatsachen für eine Verkürzung festgestellt worden seien. Zudem sei der Sanktionsbescheid rechtswidrig, weil die ergänzenden Sachleistungen abgelehnt worden seien. Die diesbezüglichen Ausführungen im Bescheid seien widersprüchlich.

Der Beklagte hat darauf hingewiesen, der Kläger habe weder vor Erlass des EGV-VA noch im Anschluss an die verhängten Sanktionen Termine in der Arbeitsvermittlung wahrgenommen. Eine erstmalige persönliche Vorsprache durch ihn habe erst wieder am 14. Juli 2016 stattgefunden.

 

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 07. Dezember 2017 abgewiesen. Der Sanktionsbescheid des Beklagten vom 07. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2016 sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen für einen vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II im streitigen Zeitraum seien erfüllt. Der Kläger habe die in dem EGV-VA vom 11. September 2015 festgelegten Bewerbungsbemühungen trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachgewiesen. Die Verpflichtung des Klägers zur Erfüllung der Pflichten aus dem EGV-VA sei ihm gegenüber wirksam. Dieser sei nicht nichtig. Soweit teilweise vertreten werde, dass es nicht darauf ankomme, ob der EGV-VA im Übrigen auch rechtmäßig sei, komme es darauf hier nicht an, da der EGV-VA nicht nur nicht nichtig, sondern auch rechtmäßig sei.

 

Der Kläger sei auch über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung belehrt worden. Die Rechtsfolgenbelehrung in dem EGV-VA sei nicht zu beanstanden, da sie verständlich, richtig und vollständig sei. In dieser sei darauf hingewiesen worden, dass bei Verstößen gegen die festgelegten Pflichten Leistungsminderungen vorgesehen seien. Ausdrücklich sei darauf hingewiesen worden, dass das Arbeitslosengeld II bereits einmal aufgrund eines Pflichtverstoßes auf die Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkt worden sei und jeder weitere Pflichtverstoß den vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II zur Folge haben würde. Aus Sicht der Kammer sei es unschädlich, dass das Erlassdatum des ersten Sanktionsbescheides in der Rechtsfolgenbelehrung fehle. Der vorangegangene Pflichtverstoß sei für den Kläger auch ohne dieses Datum hinreichend erkennbar. Der Schwerpunkt der Rechtsfolgenbelehrung, dass ein weiterer Pflichtverstoß den vollständigen Wegfall der Leistungen zur Folge haben werde, werde dem Kläger dadurch nicht weniger warnend vor Augen geführt. Zu nennen seien in der Rechtsfolgenbelehrung im Übrigen der Beginn, die Dauer der Absenkung und der Ausschluss von ergänzenden Sozialleistung nach dem SGB XII während der Leistungsbeschränkung. Dies sei im vorliegenden Fall geschehen.

 

Der Kläger habe auch keinen wichtigen Grund für sein Verhalten dargelegt und nachgewiesen. Der pauschale Hinweis auf ein traumatisches Ereignis zu einem Zeitpunkt, der nicht konkret benannt werde, und über ein Jahr vor dem relevanten Zeitraum liege, genüge hierfür nicht. Im Übrigen habe der Kläger weder als Antwort auf das Anhörungsschreiben des Beklagten noch im Widerspruch ein traumatisches Ereignis thematisiert. In eine psychotherapeutische Behandlung habe er sich nicht begeben, sodass für die Kammer auch nicht feststellbar sei, ob es sich hierbei nur um eine Schutzbehauptung des Klägers handele.

 

Die Höhe der vom Beklagten verfügten Minderung entspreche der Rechtsfolge des § 31a Abs. 2 S. 2 SGB II bei einer wiederholten Pflichtverletzung für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Bereits zuvor sei mit bestandskräftigem Sanktionsbescheid vom 24. August 2015 eine Minderung festgestellt worden. Bei der Verletzung der Pflichten aus dem EGV-VA handele es sich ferner um eine wiederholte Pflichtverletzung, da der vorangegangene Minderungszeitraum, welcher am 01. September 2015 begonnen habe, bezogen auf den Sanktionsbescheid vom 07. Dezember 2015 nicht länger als ein Jahr zurückgelegen habe. Der Beginn der Minderung des Arbeitslosengeldes II sei mit dem Monat Januar zutreffend bestimmt. Ebenso sei die Dauer der Minderung für drei Monate zutreffend festgestellt worden.

 

Der Sanktionsbescheid sei schließlich nicht ermessensfehlerhaft ergangen. Die Tatsache, dass der Beklagte vergleichsweise pauschal auf die Möglichkeiten zur Abmilderung der Sanktion habe eingehen können, sei darin begründet, dass der Kläger weder im Anhörungs- noch im Widerspruchsverfahren Gründe für die Pflichtverletzung vorgetragen habe. Für die Möglichkeit, die Bedarfe nach § 22 SGB II wieder zu erbringen, wenn sich der Leistungsberechtigte nachträglich bereit erkläre, seinen Pflichten nachzukommen, fehle es bereits an dieser Bereiterklärung des Klägers. Insofern sei für den Beklagten gar kein Ermessen eröffnet gewesen. Die getroffene Ermessensentscheidung im Hinblick auf die nach § 31b Abs. 1 S. 4 SGB II vorgesehene Möglichkeit, die Minderung des Auszahlungsanspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auf sechs Wochen zu verkürzen, begegne ebenfalls keinen Bedenken. Auch hier habe der Beklagte kein Tatsachenmaterial gehabt, aufgrund dessen eine Verkürzung hätte denkbar erscheinen können. Die Entscheidung zur Ablehnung ergänzender Sachleistungen begegne ebenso wenig Bedenken. Da ein entsprechender Antrag des Klägers nicht gestellt worden sei, sei für den Beklagten auch kein Ermessen eröffnet gewesen. Dass der Beklagte dennoch Ermessen im Hinblick auf diese Entscheidung ausgeübt habe, sei unschädlich. Mangels Antragstellung sei die Entscheidung über die Nichtgewährung letztlich zutreffend und daher rechtmäßig.

 

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Das Sozialgericht verkenne die Bedeutung des § 31a Abs. 3 S. 1 und 2 SGB II. Der Beklagte hätte auch hinsichtlich der Verkürzung des Minderungszeitraums Ermessen ausüben müssen. Zur Ausübung des Ermessens fänden sich jedoch weder in dem angefochtenen Bescheid noch in der Verwaltungsakte des Beklagten Hinweise. Die lediglich formelhafte Wendung im Sanktionsbescheid, dass eine Verkürzung des Minderungszeitraums auf sechs Wochen nach Abwägung der vorliegenden Umstände mit den Interessen der Allgemeinheit nicht gerechtfertigt sei, sei nicht hinreichender Beleg für die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens.

 

Mit Beschluss vom 20. Mai 2019 hat der Senat das Verfahren im Hinblick auf das bei dem Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren 1 BvL 7/16 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

 

Nach Wiederaufnahme des Verfahrens im Gefolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05. November 2019 hat der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 01. April 2020 (Zugang beim Kläger am 03. April 2020) zu möglichen Umständen, die einen wichtigen Grund oder eine außergewöhnliche Härte darstellen könnten, angehört. Darüber hinaus hat er Gelegenheit gegeben, sich nachträglich bereit zu erklären, den Pflichten nachzukommen. Nachdem eine Reaktion des Klägers ausgeblieben war, hat der Beklagte seinen Bescheid vom 07. Dezember 2015 mit Bescheid vom 23. April 2020 teilweise aufgehoben und die Minderung des Arbeitslosengeldes II auf nunmehr 30 % festgesetzt. Aufgrund der gegenwärtigen Weisungslage seien die Übergangsregelungen der Entscheidung (wohl gemeint: des Bundesverfassungsgerichts) auf Leistungsminderungen nach § 31a Abs. 2 SGB II bei Kunden unter 25 Jahren anzuwenden. Die Kürzung der BUH sei ausgeschlossen. Eine Kürzung des Regelbedarfs erfolge nicht über die Höhe von 30 % hinaus. Am 23. April 2020 und 01. Juni 2022 hat der Beklagte Leistungen i.H.v. insgesamt 1.084,71 € für die Monate Januar bis März 2016 zur Zahlung an den Kläger angewiesen (monatlich jeweils 228,00 € RB zzgl. 133,57 € BUH).

 

Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen, verfolgt sein Begehren im Übrigen jedoch weiter. Sofern der Beklagte nunmehr die Ausübung des Ermessens im Berufungsverfahren nachholen wolle, sei es hierfür zu spät. Schließlich könnten zum Vorliegen eines wichtigen Grundes keine Angaben gemacht werden.

 

Der Kläger beantragt sinngemäß,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 07. Dezember 2017 sowie den Bescheid des Beklagten vom 07. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2016 in der Fassung des Bescheides vom 23. April 2020 aufzuheben.

 

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung, soweit es die Frage der Rechtmäßigkeit des EGV-VA sowie die Ausübung von Ermessen im Rahmen des Erlasses des Sanktionsbescheides betreffe, für rechtmäßig.

 

Die Beteiligten haben unter dem 25. Juni 2020 und 26. Juni 2020 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Leistungsakte (1 Band) Bezug genommen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat konnte im schriftlichen Verfahren entscheiden, da alle Beteiligte sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

 

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG), Berufung des Klägers ist unbegründet.

 

Gegenstand des Verfahrens ist neben dem Urteil des Sozialgerichts vom 07. Dezember 2017 der Bescheid des Beklagten vom 07. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2016 in der Fassung des Bescheides vom 23. April 2020. Mit diesem Bescheid hat der Beklagte zum einen den Eintritt einer Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 und einer daran anknüpfenden Minderung im Zeitraum vom 01. Januar bis zum 31. März 2016 festgestellt; der Umfang der Minderung beträgt (nur noch) 30 v.H. des für den Kläger maßgebenden Regelbedarfs, konkret monatlich 97,20 €, nachdem der Beklagte seine ursprünglich weitergehende Entscheidung in dem Bescheid vom 07. Dezember 2015 durch den Bescheid vom 23. April 2020 geändert hat. Tatsächlich nachgezahlt hat der Beklagte höhere Leistungen, nämlich monatlich 361,57 € anstatt von 360,37 €. Gleichzeitig hat der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 07. Dezember 2015 seine Bewilligungsentscheidung vom 03. Dezember 2015 für den Kläger für die Zeit vom 01. Januar bis zum 31. März 2016 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben. Auch diese Entscheidung hat eine Änderung durch den Bescheid vom 23. April 2020 erfahren, indem nunmehr sinngemäß die im Ursprungsbescheid verfügte Aufhebung ebenfalls teilweise zurückgenommen worden ist.

 

Das Sozialgericht hat die Klage, soweit darüber nach der teilweisen Aufhebung des angefochtenen Bescheides noch zu entscheiden ist, zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 07. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2016 in der Fassung des Bescheides vom 23. April 2020 ist rechtmäßig. Der Kläger verletzte seine Pflichten aus dem EGV-VA vom 11. September 2015. Einen wichtigen Grund für sein Verhalten hat er nicht nachgewiesen.

 

I. Der streitige Bescheid ist formell rechtmäßig, insbesondere ist der Kläger vor Erlass des Bescheides vom 07. Dezember 2015 seitens des Klägers ordnungsgemäß nach § 24 Abs. 1 SGB X angehört worden (Schreiben vom 30. Oktober 2015). Auch dem (Änderungs-)Bescheid vom 23. April 2020 ist eine Anhörung (Schreiben des Beklagten vom 01. April 2020) vorangegangen.

 

II. Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass der Kläger, indem er nicht der ihm in dem EGV-VA auferlegten Pflicht zum Nachweis von Eigenbemühungen nachgekommen war, eine Pflichtverletzung im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II begangen hat. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis 1. sich weigern, in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Absatz 1 Satz 6 SGB II festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen. Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen (§ 31 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB II in der Fassung vom 20. Dezember 2011; a.F.).

 

1. Der Kläger war erwerbsfähig. Anhaltspunkte dafür, dass er in seinem Leistungsvermögen eingeschränkt war, liegen nicht vor; auch vom Kläger wird solches nicht geltend gemacht. Der Kläger war auch leistungsberechtigt, insbesondere hatte er das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, war erwerbsfähig und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 4 SGB II). Er war auch hilfebedürftig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II), denn er verfügte weder über (verwertbares) Vermögen noch über Einkommen, um seinen monatlichen Bedarf i.H.v. 425,57 € (324,00 € RB Regelbedarfsstufe 3 zzgl. 133,57 € BUH <934,99 €: 7 Personen>) – vollständig – zu decken.

 

2. Indem der Kläger sich jedoch nach Erlass des EGV-VA vom 11. September 2015 während deren Gültigkeitszeitraum (bis zum 29. Februar 2016) bzw. nach den unbestrittenen Angaben des Beklagten sogar bis zum 14. Juli 2016 weder bei dem Beklagten vorstellte noch schriftlich irgendwelche Nachweise zu Eigenbemühungen i.S.v. Nr. 2 des EGV-VA einreichte, weigerte er sich, die in dem genannten EGV-VA festgelegten Pflichten zu erfüllen (hierzu unter d). Der EGV-VA ist auch wirksam, denn er ist nicht nichtig (hierzu unter a). Er ist darüber hinaus nicht auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, denn er ist bestandskräftig und daher bindend. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dazu (noch) Rechtsbehelfsverfahren anhängig sind (hierzu unter b). Auch ist in dem Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid kein Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 SGB X hinsichtlich des EGV-VA zu sehen (hierzu unter c).

 

a) Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass der EGV-VA vom 11. September 2015 wirksam ist. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit nach § 40 Abs. 1 und 2 SGB X sind nicht ersichtlich.

 

b) Zwar spricht viel dafür, dass der EGV-VA vom 11. September 2015 wegen fehlender Bezeichnung von konkreten Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne der angestrebten „maßgeschneiderten Ausrichtung der Eingliederungsleistungen“, ohne dass dies von hinreichenden Ermessenserwägungen getragen war (Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 42/15 R – juris Rn. 21), rechtswidrig war. Indes ist dies vorliegend nicht zu prüfen, da der EGV-VA vom 11. September 2015 nach § 77 SGG mangels Widerspruchs bestandskräftig und damit für die Beteiligten und das Gericht bindend geworden ist.

 

Die Rechtmäßigkeit eines vorangegangenen Verwaltungsaktes ist als Vorfrage für einen nachfolgenden Verwaltungsakt inzident (nur) zu überprüfen, wenn sich der vorangegangene Verwaltungsakt durch Zeitablauf erledigt hat (vgl. BSG, Urteile vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R – juris Rn. 30 und vom 29. April 2015 – B 14 AS 20/14 R - juris Rn. 26). Da ein Verwaltungsakt nach § 39 Abs. 2 SGB X (nur) wirksam bleibt, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist, entfällt mit seiner Erledigung zugleich jegliche Bindung an seine inhaltliche Regelung. So wie im Falle seiner Aufhebung die Bestandskraft beseitigt wird, tritt im Falle seiner Erledigung vor Eintritt der Bestandskraft diese erst gar nicht ein. Dies ist rechtfertigender Grund für eine inzidente Überprüfung, soweit es auf seine Rechtmäßigkeit in einem nachfolgenden Verfahren ankommt. Tritt eine solche vorherige Erledigung durch Zeitablauf hingegen nicht ein, führt dies bei Unanfechtbarkeit zur Bestandskraft mit der Folge einer hindernden inhaltlichen Überprüfbarkeit dieses Verwaltungsaktes auf Rechtmäßigkeit (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07. Juni 2018 – L 31 AS 671/18 B ER – juris Rn. 21 f.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Oktober 2020 – L 32 AS 2354/15 – juris Rn. 46 ff.; zu letzterer Entscheidung: BSG, Beschluss vom 08. Februar 2022 – B 4 AS 203/21 B - juris).

 

Ausgehend davon hat sich der am 15. September 2015 verfügte EGV-VA gerade nicht durch Zeitablauf erledigt. Zwar endete dessen Gültigkeitsdauer zum Ablauf des 29. Februar 2016. Zu diesem Zeitpunkt erledigte er sich jedoch nicht, da er weiterhin eine Beschwer entfaltete.

 

Zwar wird eine ursprünglich zulässige Anfechtungsklage gegen einen Eingliederungsverwaltungsakt in der Regel durch Zeitablauf unzulässig, wenn der Zeitraum, für den dieser EGV-VA Geltung beansprucht, verstrichen ist. Ein Kläger kann dann nicht mehr geltend machen, durch eine darin getroffene Regelung beschwert zu sein. Damit hat sich dieser EGV-VA insgesamt erledigt und entfaltet keine Rechtswirkung mehr (BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 – B 4 AS 45/15 R - juris Rn. 15). Dies gilt jedoch nicht, wenn dieser EGV-VA – wie hier - Grundlage eines weiteren den Kläger belastenden Verwaltungsaktes ist. Infolge des Zeitablaufes sind zwar die im EGV-VA geregelten beiderseitigen Verpflichtungen nicht (weiter) zu erfüllen, so dass sich der EGV-VA insoweit erledigt hat. Eine Erledigung ist jedoch nicht eingetreten, soweit wegen einer behaupteten Verletzung von Pflichten eines Klägers gestützt auf diesen EGV-VA diesem gegenüber ein belastender Verwaltungsakt erlassen wurde, der (noch) wirksam ist, denn in einem solchen Fall entfaltet der Verwaltungsakt weiterhin rechtsnachteilige Wirkungen zu Lasten des Klägers, so dass deswegen eine Beschwer verbleibt. Die mit der Anfechtungsklage angestrebte Aufhebung des EGV-VA ist erforderlich, um mögliche Sanktionen abzuwehren (so auch BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 195/11 R - juris Rn 13, 10, 5; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Juni 2017 – L 25 AS 1631/16 - juris Rn. 63; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31. August 2017 – L 2 AS 488/17 - juris Rn. 20; Sächsisches LSG, Urteil vom 27. Februar 2014 – L 3 AS 639/10 - juris Rn. 28; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Dezember 2012 – L 3 AS 2192/12 - juris Rn. 22; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. Februar 2008 – L 3 AS 4/08 – juris Rn. 29).

 

Die Voraussetzung der weiteren Beschwer des Klägers liegt vor, denn der (Sanktions- )Bescheid vom 07. Dezember 2015 beruht auf dem am 11. September 2015 erlassenen EGV-VA, der zu diesem Zeitpunkt aufgrund des Ablaufs der einmonatigen Widerspruchsfrist bereits bestandskräftig war, aber noch nicht durch Zeitablauf erledigt. Damit unterscheidet sich diese Konstellation auch von den Fällen, in denen eine Sanktion nach einer Meldeaufforderung ergeht. Dabei erledigt sich die Meldeaufforderung unmittelbar nach Ablauf des Meldetermins, sodass bereits vor dem Eintritt von Bestandskraft der als Verwaltungsakt einzustufenden Meldeaufforderung (und auch vor Erlass des Sanktionsbescheides) Erledigung kraft Zeitablaufs eintritt. In diesen Fällen geht das BSG davon aus, dass die Rechtmäßigkeit der erledigten Meldeaufforderung inzident bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides zu prüfen ist (vgl. u.s. BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 20/14 R - juris), da ansonsten ein wirksamer Rechtsschutz gegen rechtswidrige Meldeaufforderungen nicht möglich wäre.

 

c) Soweit in Rechtsprechung und Literatur zum Teil vertreten wird, in einem solchen Fall sei in dem Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid ein Antrag auf Überprüfung des EGV-VA nach § 44 Abs. 1 SGB X zu sehen (so u.a. LSG Berlin-Brandenburg, urteil vom 23. Juni 2021 – L 18 AS 998/18 WA – juris Rn. 29; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, Stand Februar 2021, Rn. 29 zu § 31 SGB II m.w.N.; Herbst in Estelmann, SGB II Stand September 2020, Rn. 125 zu § 31), folgt hieraus im konkreten Fall keine Änderung der Beurteilung. Denn anders als etwa in dem vom 18. Senat des LSG entschiedenen Fall (L 18 AS 998/18 WA) oder in dem vom BSG in seinem Beschluss vom 08. Februar 2022 – B 4 AS 203/21 B – unter Rn. 6 in Bezug genommenen Fall lässt sich vorliegend dem kurzen Widerspruchsschreiben der Klägerbevollmächtigten vom 07. Januar 2016 keinerlei Bezug zu dem EGV-VA vom 11. September 2015 entnehmen. Auch unter Heranziehung der Grundsätze zur Auslegung von Willenserklärungen (insbesondere § 133 Bürgerliches Gesetzbuch; hierzu u.a. BSG, Urteile vom 24. April 2015 – B 4 AS 22/14 R – juris Rn. 18 f. sowie vom 17. September 2020 – B 4 AS 13/20 R – juris Rn. 23) lässt sich die Formulierung „Gegen den o.g. Bescheid [gemeint: Minderungsbescheid vom 07.12.2015] lege ich namens und in Vollmacht meiner Mandantschaft Widerspruch ein.“ weder unter Berücksichtigung des Wortlautes noch der Begleitumstände als Antrag auf Rücknahme des EGV-VA vom 11. September 2015 auslegen. Zusätzlich ist hierbei zu berücksichtigen, dass der Widerspruch von den rechtskundigen Bevollmächtigten des Klägers formuliert worden ist.

 

d) Angesichts der Bestandskraft des EGV-VA vom 11. September 2015 ist der Senat somit darauf beschränkt zu prüfen, ob der Kläger die ihm mit diesem Verwaltungsakt auferlegten Pflichten verletzte oder nicht.

 

Eine solche Pflichtverletzung liegt hier – wie bereits erwähnt - vor. Nach dem EGV-VA vom 11. September 2015 zur Nr. 2 war der Kläger zur unaufgeforderten Vorlage zu jedem Termin beim Arbeitsvermittler ca. alle 4 Wochen, alternativ Übersendung von Nachweisen bis spätestens 15. des Monats per Post zu seinen Eigenbemühungen (etwa in Gestalt einer Telefonliste mit Ansprechpartner, Firma, Tel., konkreter Tätigkeit usw. bzw. von Kopien von Bewerbungsschreiben, Einladungen, Absagen) verpflichtet. Dieses vom Kläger abverlangte Verhalten war – entgegen seiner Ansicht - nach Art, Umfang und Zeit so hinreichend konkretisiert, dass für ihn ersichtlich war, was von ihm erwartet wurde. Der Kläger weigerte sich, dieser Verpflichtung nachzukommen.

 

Das Merkmal „weigert“ bedeutet die vorsätzliche ausdrückliche oder stillschweigende, schriftlich, mündlich oder in anderer Weise zum Ausdruck gebrachte fehlende Bereitschaft, die in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem sie ersetzenden Verwaltungsakt festgelegten Pflichten zu erfüllen. Sie kann auch in einem konkludenten Verhalten liegen (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, Stand April 2022, § 31 Rn. 65 f.). Die Weigerung bedeutet im Rahmen des Sanktionstatbestandes des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II a. F. die vorsätzliche Nichtübersendung der geforderten Auflistungen / Nachweise.

 

Der Beklagte hat auch zutreffend über die Rechtsfolgen bei Verstoß gegen die in dem EGV-VA festgelegten Pflichten belehrt. So heißt es in dem Bescheid unter anderem:

Ihr Arbeitslosengeld II wurde bereits einmal aufgrund eines Pflichtverstoßes auf die Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkt (vgl. Bescheid vom ). Jeder weitere Pflichtverstoß (Verstoß gegen eine der Nr. 2 mit Ihnen vereinbaren Bemühungen) wird daher den vollständigen Wegfall des Ihnen zustehenden Arbeitslosengeldes II zur Folge haben. Im Falle eines vollständigen Wegfalls des Arbeitslosengeldes II werden auch keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt. Der Versicherungsschutz bleibt dennoch erhalten, anfallende Beiträge müssen Sie jedoch selbst zahlen. Sind Sie hierzu nicht in der Lage, entstehen Beitragsrückstände, die jedoch für die Dauer der Hilfebedürftigkeit keine negativen Auswirkungen hinsichtlich der Leistungen durch die gesetzliche Kranken-/Pflegeversicherung haben. Der Wegfall dauert drei Monate (Sanktionszeitraum) und beginnt mit dem Kalendermonat nach Zugang des Sanktionsbescheides. Während dieser Zeit besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe). Ein wiederholter Pflichtverstoß liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Sanktionszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt (Ablauf der Jahresfrist am 24.08.2016). Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn Sie für Ihr Verhalten einen wichtigen Grund darlegen und nachweisen. Folglich tritt keine Leistungsminderung ein. Ein nach Ihrer Auffassung wichtiger Grund, der jedoch nach objektiven Maßstäben nicht als solcher anerkannt werden kann, verhindert nicht den Eintritt der Leistungsminderung.

 

Die Belehrung hat nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, welcher der Senat folgt, konkret, richtig, vollständig und verständlich zu sein; dem Hilfebedürftigen ist zeitnah im Zusammenhang mit der in Rede stehenden Pflicht zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch ein Pflichtverstoß ohne wichtigen Grund haben kann (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010 – B 14 AS 92/09 R – juris, Rn. 24; Hahn in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 7. Aufl. 2021, § 31 SGB II Rn. 23). Diesen Maßgaben wird die Rechtsfolgenbelehrung in dem EGV-VA vom 11. September 2015 gerecht. Namentlich ist darin auch die in § 31a Abs. 1 Satz 4 SGB II für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, dass der Träger die Minderung des Auszahlungsanspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles auf sechs Wochen verkürzen kann, wenn auch nur kurz unter „Wichtige Hinweise“, erwähnt. Auch der regelmäßig zur Verdeutlichung der einschneidenden Folgen der Sanktion notwendige Hinweis, dass nicht die Möglichkeit besteht, statt der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende Sozialhilfe zu beantragen, ist in der Belehrung enthalten.

 

Die Belehrung ist auch nicht bereits deshalb fehlerhaft, weil sie nicht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 05. November 2019 (1 BvL 7/16) zu § 31a Abs. 1 SGB II und deren Umsetzung in den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit auch zu 31a Abs. 2 SGB II (Stand 03. Dezember 2019) berücksichtigt. Dies schon deshalb nicht, weil die Entscheidung des BVerfG zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vorlag und sich im Übrigen auch nicht auf die in § 31a Abs. 2 SGB II spezifisch geregelten Sanktionsfolgen bei Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bezog. Es liegt zwar zweifellos sehr nahe, dass auch diese Regelungen, soweit sie eine Minderung vorsehen, die über 30 v.H. des für den jeweils Betroffenen maßgebenden Regelbedarfs hinausgehen, verfassungsrechtlich keinen Bestand haben können. Eine Korrektur mit Gesetzeskraft ist indes bislang nicht erfolgt, so dass schon aus diesem Grund eine auf die geltende gesetzliche Lage abgestimmte Belehrung schwerlich als unrichtig angesehen werden kann (vgl. zur Problematik Hahn a.a.O., § 31a Rn. 14).

 

Soweit in der Rechtsfolgenbelehrung des EGV-VA (aus Versehen) das Datum des ersten Sanktionsbescheides vom 24. August 2015 fehlt, ist dies – wie schon das Sozialgericht ausgeführt hat – unschädlich. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Darüber hinaus ergibt sich das Datum des ersten Sanktionsbescheides mittelbar aus dem Satz „Ein wiederholter Pflichtverstoß liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Sanktionszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt (Ablauf der Jahresfrist am 24.08.2016).“

 

3. Einen wichtigen Grund für die Nichtübersendung von Listen/Nachweisen seiner Bewerbungsbemühungen i.s.d. § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II hat der Kläger weder im Widerspruchsverfahren noch im Berufungsverfahren dargelegt. Soweit der Kläger offensichtlich im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 07. Dezember 2017 Ausführungen zu einem länger zurückliegenden traumatischen Ereignis (Vorfall, bei dem ein Angehöriger angeschossen wurde) gemacht hat, ohne dass dies im Protokoll seinen Niederschlag gefunden hat, sind daraus für den Kläger selbst resultierende konkrete gesundheitliche Folgen / Einschränkungen weder dargelegt noch auch nur glaubhaft gemacht worden. Schließlich konnte auch auf ausdrückliche gerichtliche Nachfrage seitens der Klägerbevollmächtigten hierzu im Berufungsverfahren nichts vorgetragen werden.

 

4. Als Rechtsfolge einer Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 SGB II sieht § 31a Abs. 2 Satz 1 SGB II vor, dass das Arbeitslosengeld II auf die für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu erbringenden Leistungen beschränkt wird, wenn es sich um eine erste Pflichtverletzung handelt und der Leistungsberechtigte das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Bei einer wiederholten Pflichtverletzung – wie hier (vorherige Sanktion mit bestandskräftigem Bescheid vom 24. August 2015: § 31a Abs. 2 Satz 3 SGB II i.V.m. Abs. 1 Satz 5) - entfällt nach § 31a Abs. 2 Satz 2 SGB II das Arbeitslosengeld II vollständig. Da der Beklagte mit Bescheid vom 23. April 2020 von sich aus zugunsten des Klägers den Umfang der Leistungseinschränkung für den gesamten Minderungszeitraum auf eine Minderung um 30 v.H. des für den Kläger maßgebenden Regelbedarfs beschränkt hat, muss der Senat nicht entscheiden, ob die Fachgerichte eine entsprechende Korrektur der gesetzlichen Regelung in § 31a Abs. 2 SGB II ohne Weiteres aussprechen dürfen, obwohl der Wortlaut der Vorschrift (weiterhin) unverändert ist und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05. November 2019 sich ausschließlich auf § 31a Abs. 1 SGB II bezieht.

 

Den Beginn der Minderung hat der Beklagte zutreffend festgesetzt: Die Minderung setzt mit dem Beginn des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt (§ 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II), hier also angesichts der Bescheidung am 07. Dezember 2015 am 01. Januar 2016.

 

Die regelmäßige Dauer des Minderungszeitraums beträgt nach § 31b Abs. 1 Satz 3 SGB II drei Monate.

 

Da der Kläger weder im damaligen Anhörungs- noch im Widerspruchsverfahren und auch nicht im Rahmen des Anhörungsverfahrens zu dem Bescheid vom 23. April 2020 nachträglich erklärt hat, er sei nunmehr bereit, seinen Pflichten nachzukommen, kommt die Gewährung der vollständigen Leistungen vor Ablauf des Minderungszeitraums nicht in Betracht. Der Senat hat insoweit auch mit Blick auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu den Fällen des § 31 Abs. 1 SGB II keine Bedenken, denn der Kläger hat sich schlichtweg gar nicht zu einer nachträglichen Erfüllung seiner Pflichten (§ 31a Abs. 2 Satz 4 SGB II) geäußert.

 

Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kann der Träger nach § 31b Abs. 1 Satz 4 SGB II die Minderung des Auszahlungsanspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles auf sechs Wochen verkürzen. Dabei steht der Anwendung der Regelung nach Auffassung des Senats nicht entgegen, dass sie sich ihrem Wortlaut nach allein auf die gesetzlich weiter vorgesehene Rechtsfolge einer ersten Pflichtverletzung eines unter 25-jährigen Leistungsbeziehers nach § 31a Abs. 2 Satz 1 SGB II, also die Minderung des Auszahlungsanspruchs in Höhe der Bedarfe nach § 20 und § 21 SGB II, bezieht, während der Beklagte ausgehend von erwähnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05. November 2019 die Minderung von sich aus und trotz der formell unveränderten gesetzlichen Situation auf 30 v.H. des für den Kläger maßgeblichen Regelbedarfs beschränkt hat. Der durch § 31b Abs. 1 Satz 4 SGB II begründete Anspruch auf die Ausübung fehlerfreien Ermessens hinsichtlich einer Verkürzung kann dadurch nicht entfallen.

 

Der Beklagte hatte daher ausgehend von den gesamten Umständen des Einzelfalles eine Ermessensentscheidung über eine Verkürzung zu treffen, die den diesbezüglichen gesetzlichen Anforderungen genügt (vgl. hierzu § 39 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – <SGB I> und § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Die Behörde muss dazu (unter anderem) alle maßgebenden Ermessensgesichtspunkte in die Entscheidung einbeziehen und die abzuwägenden Gesichtspunkte zutreffend gewichten, andernfalls ist von einem so genannten Ermessensfehlgebrauch auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 09. November 2010 – B 2 U 10/10 R – juris Rn. 15). Dass dies geschehen ist, muss sich grundsätzlich aus der (gegebenenfalls ergänzten) Begründung des Verwaltungsaktes ergeben; diese muss also die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Verwaltung ausgegangen ist (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X und dazu Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rn. 28a).

 

Ausgehend von diesen Maßstäben genügt der streitige Bescheid den an eine Ermessensentscheidung zu stellenden Anforderungen noch. Zwar führt der Ausgangsbescheid recht formelhaft aus, eine Verkürzung des Minderungszeitraumes auf sechs Wochen sei nach Abwägung der im Falle des Klägers vorliegenden Umstände mit den Interessen der Allgemeinheit nicht gerechtfertigt, weil keine relevanten Tatsachen für eine Verkürzung hätten festgestellt werden können. Welche Umstände und welche Interessen damit konkret gemeint sein könnten, wird dabei nicht dargelegt. Allerdings konnte der Beklagte auch kaum über das regelmäßig vorliegende Interesse der Allgemeinheit an einem Vollzug der Gesetze und das ebenfalls regelmäßig anzunehmende persönliche Interesse des Hilfebedürftigen am Empfang von bedarfsdeckenden Leistungen hinausgehende Interessen gegeneinander abwägen, da der Kläger selbst sich zu seinen Interessen oder besonderen Umständen niemals eingelassen hat. Dem Senat ist es nicht gelungen, irgendwelche Umstände festzustellen, die der Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung noch hätte berücksichtigen müssen. Auch hat der Kläger nicht nachträglich solche geltend gemacht oder gar nachgewiesen.

 

Soweit der Kläger schließlich die Auffassung vertritt, der Ausgangsbescheid vom 07. Dezember 2017 sei schon deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte ohne Antrag und ohne Ermessensausübung bereits eine ablehnende Entscheidung über die Erbringung von ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten Leistungen nach § 31a Abs. 3 Satz 1 SGB II getroffen habe, ist dieses Argument mit Erlass des Änderungsbescheides vom 23. April 2020, der nur noch eine Minderung des Arbeitslosengeldes II i.H.v. 30 v.H. des Regelbedarfs feststellt, obsolet geworden. 

 

5. Der Senat ist vor dem Hintergrund, dass das BVerfG im Rahmen seiner Entscheidung zu § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II eine Leistungsminderung i.H.v. 30 v.H. des maßgebenden Regelbedarfs grundsätzlich für verfassungsgemäß erachtet hat (Rn. 159 der Entscheidung), auch nicht davon überzeugt, dass für unter 25-jährige Leistungsberechtigte – anders als für Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben - jegliche Leistungsminderung verfassungswidrig wäre.

 

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Beklagte den Ausgangsbescheid größtenteils aufgehoben hat (Sanktion tatsächlich nunmehr nur noch i.H.v. 288,00 € <3 x 96,00 €> im Gegensatz zu rund 1.340,00 € <3 x 457,57 €>).

 

IV. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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