Zum fehlenden Ursachenzusammenhang zwischen der ersten bzw. zweiten 6-fach-Impfung und dem Dravet-Syndrom bei einer trunkierenden Mutation des SCN1A-Gens (differenzierend zu LSG Bayern, Urteil vom 15.12.2015, Az. L 15 VJ 4/12).
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Versorgung aufgrund eines Impfschadens.
Der Kläger wurde am 2007 in der 39. Schwangerschaftswoche per geplantem Kaiserschnitt nach Steißlage geboren. Er wog 2930g bei 50 cm Körperlänge. Der APGAR-Wert lag bei 10/10/10. Gemäß den damals geltenden Empfehlungen der Ständigen Impfkommission wurde er nach zwei Monaten erstmals am 21.03.2007 mit der 6fach-Impfung gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Poliomyelitis, Haemophilus influenzae b (Hib) und Hepatitis B mit dem Impfstoff Infanrix hexa sowie gegen Pneumokokken mit dem Impfstoff Prevenar geimpft. Am 19.04.2007 erhielt der Kläger jeweils die zweite Impfung. Am 27.04.2007 wurde der Kläger bei einem Zustand nach einem Krampfanfall in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in B vorgestellt und stationär bis zum 07.05.2007 aufgenommen. Meningokokken wurden ausgeschlossen, jedoch eine fieberhafte bakterielle Meningitis diagnostiziert und behandelt. Am 31.05.2007 erfolgte die dritte 6fach- und Pneumokokkenimpfung. Vom 15. bis 19.06.2007 war der Kläger aufgrund eines erneuten Krampfanfalls in Iserlohn stationär in Behandlung bei gleichzeitig bestehender fieberhafter beidseitiger Mittelohrentzündung. Schließlich war der Kläger vom 13. bis 27.07.2007 erneut nach einem Krampfereignis in stationärer Behandlung in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in A bei Meningitis ohne Keimnachweis und zugleich bestehendem Harnwegsinfekt mit Fieber. Erstmals ohne Infekt und Fieber war der Kläger vom 20. bis 22.09.2007 aufgrund eines Krampfanfalls in stationärer Behandlung in Dortmund. Es folgten weitere Krampfanfälle mit stationären Aufenthalten, bevor im Mai 2008 schließlich nach einer molekulargenetischen Untersuchung eine trunkierende Mutation des SCN1A-Gens festgestellt und das Dravet-Syndrom diagnostiziert wurde.
Seit Dezember 2009 ist bei dem Kläger ein Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen G, H, und B anerkannt. Er erhält seit Januar 2017 Leistungen der Pflegeversicherung nach dem Pflegegrad 4.
Am 29.11.2017 beantragte der Kläger, vertreten durch seine Eltern, bei der Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) aufgrund eines Impfschadens durch die erste und zweite 6fach-Impfung. Die Mutter des Klägers führt hierzu im Wesentlichen aus, dass der Kläger am Nachmittag das 22.03.2007 unter 39 Grad Fieber gelitten habe, was sie mit Nurofen gesenkt habe. Er sei schläfrig gewesen und seine Arme und Beine sehr schlaff, zudem – für ihn untypisch – schwer erweckbar. Monate später, nachdem sie mehrere Krampfanfälle und den Zustand danach erlebt habe, sei ihr klar geworden, dass sie ihn in einem Zustand nach einem Krampfanfall aufgefunden habe. Nach der zweiten 6fach-Impfung seien ihr zwei Situationen erinnerlich, die sie im Nachhinein als einen Zustand nach einem Krampfanfall einordne. Am 27.04.2007 habe sie mittags den ersten Krampfanfall beim Stillen erlebt und nachmittags im Beisein ihres Mannes einen weiteren, weshalb man dann zur Kinderklinik gefahren sei.
Nachdem das Paul-Ehrlich-Institut der Beklagten mit Schreiben vom 17.04.2018 mitteilte, dass es keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der genetisch bedingten Erkrankung des Klägers und den 6fach-Impfungen sehe, lehnte der Beklagte nach Einschaltung seines medizinischen Dienstes den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 11.05.2018 ab und führte aus, dass bei ihm eine genetisch bedingte Erkrankung des Gehirns vorliege, die Ursache des Anfallsleidens und der Gesamtsymptomatik sei. Ein ursächlicher Zusammenhang mit einer schädigenden Einwirkung im Sinne des IfSG sei dagegen nicht wahrscheinlich.
Hiergegen erhob der Kläger am 11.06.2018 Widerspruch und führte im Wesentlichen aus, dass die Impfung für das Auftreten des Dravet-Syndroms eine gleichwertige Mitursache sei, denn ohne diese wäre der Gesundheitsschaden nicht eingetreten. Seitdem leide der Kläger unter dem Anfallsleiden. Es gebe keine weitere Ursache, Erkrankung oder sonstigen mitursächlichen Zustand. Auf die vorhandene Genmutation sei die Impfung erfolgt, was zu dem ersten Krampfgeschehen geführt und wodurch sich das Leiden des Klägers manifestiert habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2018 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ein Impfschaden liege nicht vor. Ausweislich der eingeholten ärztlichen Stellungnahme sei der erste Krampfanfall am 27.04.2007 nachgewiesen. Bei diesem und den weiteren Krampfanfällen habe der Kläger auch unter fieberhaften Infekten gelitten. Damit seien die Infekte und nicht die acht Tage zuvor erfolgte Impfung Auslöser der Krampfanfälle.
Am 24.09.2018 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt im Wesentlichen vor, dass das erste Krampfgeschehen am Nachmittag des 22.03.2007 beobachtet worden sei. Damit bestehe hinreichend wahrscheinlich ein ursächlicher Zusammenhang. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei es zu einer Impfkomplikation als Primärschaden gekommen. Bis zur ersten 6fach-Impfung sei er nicht krank gewesen – weder in Form von Infekten mit oder ohne Fieber, noch in Form von Krampfanfällen. Bis heute trete bei jedem Fieber ein Krampfanfall auf. Ein epileptischer Anfall zeige sich von einzelnen leichten Zuckungen bis zum Verdrehen nur der Augen. Dies zu erkennen sei für einen erfahrenen Neurologen schwierig, geschweige denn für eine unerfahrene Mutter. Es sei typisch, dass Eltern unsicher seien, wann der erste eindeutige Anfall beobachtet worden und was ein Anfall überhaupt sei. So würden die ersten Anfälle als harmloses Erschrecken oder heftiges Aufstoßen gedeutet oder gar nicht bemerkt. In seinem Fall sei die Impfung als gleichwertige Mitursache zu werten, wie dies das LSG Bayern in seinem Urteil vom 15.12.2015 (Az. L 15 VJ 4/12) ausgeführt habe. Seine Erkrankung sei eine impfbedingte Manifestationsprovokation eines genetisch determinierten Anfallsleidens. Es mangele an wissenschaftlichen Erkenntnissen dazu, wie die Erkrankung ohne Impfung verlaufen wäre. Die Impfung könne eine Spontanmutation ausgelöst haben, ggf. seien auch die Aluminiumsalze im Impfstoff verantwortlich. Jedenfalls sei ein Krampfleiden auch eine beschriebene Nebenwirkung des Impfstoffs.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11.05.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2018 zu verurteilen, ihm aufgrund eines Impfschadens nach den Impfungen im März und April 2007 eine Beschädigtenrente ab Antragstellung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf seine Ausführungen im Vorverfahren und die Stellungnahme seines ärztlichen Dienstes, der auf die Zeitschrift für Epileptologie (Ausgabe 3/2015) verweist, wonach der erste Anfall beim Dravet-Syndrom meist beim ersten Fieber auftrete, den ein Kind durchmache, was wiederum häufig von der ersten Impfung verursacht werde. Die Impfung bestimme somit oft den Zeitpunkt des ersten sichtbaren Symptoms, sei aber nicht die Ursache der Krankheit selbst. Die Krankheit verlaufe bei ungeimpften Kindern genauso schwer wie bei geimpften Kindern. Nach Auffassung des ärztlichen Dienstes des Beklagten sei die Impfung lediglich eine Gelegenheitsursache und nicht als annähernd gleichwertige Ursache zu werten.
Der vom Beklagten beauftragte Prof. Dr. med. AA vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der Universität C kam in einer ärztlichen Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass das Dravet-Syndrom ein frühkindliches Epilepsiesyndrom sei. Der häufigste nachweisbare Auslöser seien in absteigender Reihenfolge: fieberhafte Erkrankungen, Impfungen und Bäder in warmem Wasser. Im Fall des Klägers sei es mangels objektivierbarer klinischer Daten unmöglich zu sagen, ob direkt nach der ersten oder zweiten Impfserie tatsächlich ein Krampfgeschehen vorgelegen habe. Der Vorfall vom 27.04.2007 habe höchstwahrscheinlich als Auslöser das Fieber im Rahmen der bakteriellen Meningitis und nicht die Impfung, da diese nicht binnen 24 bis maximal 72 Stunden nach der zweiten Impfserie aufgetreten sei. Das Dravet-Syndrom sei eine genetische Erkrankung, bei der exogene Triggerfaktoren Einfluss auf den Zeitpunkt der Erstmanifestation zu haben scheinen. Ob eine Impfung Verlauf und Prognose beeinflussen könne, sei nicht abschließend beurteilbar. Im Fall des Klägers lasse sich nicht sicher klären, ob die Erkrankung im Rahmen einer Impfung oder einer fieberhaften Infektion das erste Mal klinisch apparent wurde. Sollte das Gericht die Erstmanifestation zeitlich im Zuge der Impfung einordnen können, wäre sie jedoch ein kausaler Kofaktor des Dravet-Syndroms.
Das Gericht hat von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichtes der behandelnden Kinderärztin des Klägers. Zudem hat das Gericht von Amts wegen ein Sachverständigengutachten des Arztes für Kinder- und Jugendmedizin Prof. Dr. med. BB eingeholt, der als Kinder-Neurologe und Epileptologe als Direktor der Klinik für Neuropädiatrie des Universitätsklinikums D sowie als Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität E bis zum Eintritt in den Ruhestand im April 2020 tätig war. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten nach Aktenlage am 10.01.2021 zu dem Ergebnis gelangt, dass das benannte Urteil des LSG Bayern im hiesigen Verfahren nicht von Relevanz sei, da es nicht nach Mutationstypen unterscheide, ebenso gehe Herr Prof. Dr. AA nicht auf die verschiedenen Mutationstypen und deren Penetranz ein, also deren Erkennbarwerden der Mutation durch Krankheitssymptome. Es gebe bei SCN1A-Mutationen diesbezüglich große Unterschiede: einige Mutationstypen (z.B. „missense“- und „splice site“-Mutationen) weisen eine große „Spannbreite von klinischen Manifestationen“ innerhalb einer Familie mit ein und demselben Mutationstyp auf, nämlich von völlig gesunden bis zu schwer kranken Familienmitgliedern. Soweit bekannt, sei bei diesen Mutationen die Funktion des kodierten Proteins nicht völlig unwirksam und eine Protein-Restfunktion erhalten. Die Wissenschaft habe diese Mechanismen noch nicht restlos aufgeklärt. Die Penetranz solcher Mutationen liege eindeutig nicht bei 100 %. Auf der anderen Seite gebe es SCN1A-Genmutationen mit der Konsequenz eines trunkierten und damit komplett unwirksamen (Ionen-)Kanalproteins für den Natriumkanal. Diese werde „trunkierende“ Mutation genannt. Unter dieser Mutation leide der Kläger. Ihre Penetranz liege bei 100 %, was bedeute, dass sich diese genetische Veränderung in jedem Fall mit vielen epileptischen Anfällen manifestiere, fast immer mit einem Dravet-Syndrom, unabhängig von weiteren Genveränderungen und weiteren Einflüssen wie Impfungen, Infektionen oder anderen exogenen Einflüssen. Ein Mensch mit einer trunkierenden SCN1A-Mutation ohne Epilepsie (bzw. zumindest Fieberkrämpfen) sei nicht beschrieben. Der Befund der „trunkierenden“ Mutation sei nach derzeitiger wissenschaftlicher Bewertung krankheitsentscheidend.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten betreffend den Sach- und Streitstand wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten. Die Akten waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Kammer konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgrund des erklärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die gemäß § 54 Abs. 1 und 4 SGG erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 11.05.2018 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 17.08.2018 nicht beschwert, weil dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Dabei legt das Gericht den erhobenen Anspruch im wohlverstandenen Interesse des Klägers gem. § 123 SGG dahingehend aus, dass er die Gewährung einer monatlich Beschädigtenrente seit Antragstellung im November 2017 begehrt, unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen unter denen er als Folge der Impfungen im März und April 2007 leidet. Das so ermittelte Begehren des Klägers ist hinreichend bestimmt i.S.d. Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 27.09.2018, B 9 V 2/17 R – juris, Rn. 15; Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 3/12 R – juris, Rn. 24). Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf eine Beschädigtenrente, da er die Voraussetzungen nicht erfüllt.
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG erhält derjenige, der durch eine Schutzimpfung, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, eine gesundheitliche Schädigung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 IfSG erlitten hat, auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), soweit das IfSG nichts Abweichendes bestimmt. Nach § 2 Nr. 11 IfSG ist ein Impfschaden u.a. die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung. Gemäß § 31 Abs. 1 BVG erhalten Beschädigte eine monatliche Grundrente ab einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 30. Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 und 2 BVG ist der GdS nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen, wobei ein bis zu fünf Grad geringerer GdS vom höheren Zehnergrad mit umfasst wird. Der Gesetzgeber hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in § 30 Abs. 16 BVG u.a. ermächtigt, die Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung maßgebenden Grundsätze in einer Rechtsverordnung zu regeln. Dieser Ermächtigung kam das Bundesministerium nach und erließ die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) mit ihrer Anlage, den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VmG).
Für eine Versorgung aufgrund eines Impfschadens müssen als anspruchsbegründende Tatsachen zunächst die schädigende Einwirkung (die Impfung), die gesundheitliche Schädigung (unübliche Impfreaktion) und die Schädigungsfolge (Dauerleiden) nachgewiesen sein. Der insoweit verlangte Vollbeweis setzt voraus, dass die Tatbestandsmerkmale mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bzw. mit einem so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können, dass kein vernünftiger Mensch noch Zweifel hat. Für den Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der (Primär-)Schädigung sowie zwischen dieser und den Schädigungsfolgen genügt es jedoch, wenn die Kausalität wahrscheinlich gemacht ist (vgl. § 61 Satz 1 IfSG). Wahrscheinlich in diesem Sinne ist die Kausalität nur dann, wenn nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Es reicht für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, dass dieser nur möglich ist. Haben konkurrierende Ursachen zur primären Gesundheitsstörung beigetragen und kommt einem Ereignis gegenüber der Gesamtheit der anderen Ursachen eine mindestens gleichwertige Bedeutung zu, ist alleine jenes Ereignis schädigendes Ereignis und wesentliche Ursache im entschädigungsrechtlichen Sinn. (vgl. VersMedV Teil C Nr. 3.4).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger schon eine gesundheitliche Schädigung aufgrund der Impfungen im März und April 2007 nicht nachgewiesen. Zwar leidet er – im Mai 2008 durch einen molekulargenetischen Test nachgewiesen – unter einer trunkierenden Mutation des SCN1A-Gens und damit einhergehend dem Dravet-Syndrom mit wiederkehrenden zum Teil schweren epileptischen Anfällen. Jedoch spricht nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang zu den beiden genannten Impfungen – auch nicht in Form einer konkurrierenden Ursache.
Hiervon war das erkennende Gericht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere nach dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Herrn Prof. Dr. med. BB, aber auch nach den Ausführungen des Herrn Prof. Dr. med. AA, überzeugt. Diese verfügen als Arzt für Kinder- und Jugendmedizin bzw. für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie über die für die Bewertung erforderliche Sachkunde. Ihre Gutachten sind in sich schlüssig und widerspruchsfrei und aus Sicht des Gerichts überzeugend. Das Gericht schließt sich ihren Ausführungen nach eigener Prüfung an. Soweit Herr Dr. med. AA in seinem Gutachten eine Mitursächlichkeit der Erstimpfung von März 2007 für möglich erachtet, wenn die Erstmanifestation des Dravet-Syndroms zeitlich im Zuge der Impfung eingeordnet würde, hält das erkennende Gericht dies nicht für gegeben. Zwar gibt die Mutter des Klägers an, dass sie im Rückblick betrachtet den Kläger in einem Zustand nach einem Krampfanfall am Tag nach der Erstimpfung aufgefunden habe, jedoch ist hierbei schon nicht klar, ob tatsächlich ein solcher Zustand vorlag, ob nicht ggf. schon Tage oder Wochen zuvor ein solcher – von den Eltern des Klägers unbemerkter – Krampfanfall aufgetreten war oder ob die Mutter des Klägers diesen im Nachhinein imaginiert hat, zumal sie nicht angegeben hat, wann ihr diese Erkenntnis kam und wieviel Zeit seitdem vergangen war. Jedenfalls gibt es keinerlei ärztliche Aufzeichnungen über einen Krampfanfall des Klägers vor dem stationären Aufenthalt vom 27.04. bis 07.05.2007, auch nicht im Sinne eines ärztlicherseits festgehaltenen, zeitnahen Berichtes der Eltern über frühere Beobachtungen. Wie bereits der Kläger und seine Eltern ausführen, können epileptische Anfälle auch dergestalt ausfallen, das insbesondere unerfahrene Personen gar nicht mitbekommen, dass ein solcher Anfall gerade stattfindet. Da sich das Dravet-Syndrom nach Aussage von Prof. Dr. med. AA auch bei einem warmen Bad oder anderen leichtgradigen Überhitzungssituationen manifestieren kann, könnte es also auch bereits vor der Erstimpfung hierzu und zu einem Anfall gekommen sein, der unbemerkt blieb. Da der Kläger darüber hinaus unter einer trunkierenden Mutation des SCN1A-Gens leidet, gilt dies umso mehr, denn wie Prof. Dr. med. BB ausführt, manifestiert sich diese Mutation in jedem Fall mit epileptischen Anfällen, also unabhängig davon, ob eine Impfung erfolgt. Die Penetranz liegt bei diesem Mutationstpy bei 100 Prozent.
Nach alledem ist nicht nachgewiesen, dass auf die Erstimpfung im März 2007 eine unübliche Impfreaktion folgte.
Dabei war zur Überzeugung des Gerichts die weitere Vernehmung der Mutter des Klägers nicht erforderlich. Sie hat sich als Vertreterin des Klägers und in eigener Person mehrmals zu ihren Beobachtungen und gezogenen Schlüssen schriftlich geäußert. Dieser Vortrag wurde hier zugrunde gelegt, führt jedoch zu keiner abweichenden Einschätzung. Selbst bei Wahrunterstellung ihrer Beobachtungen vom 22.03.2007 und ihren rückblickend gezogenen Schlüssen kann mit Blick auf den Mutationstyp des SCN1A-Gens beim Kläger nicht mehr als eine Gelegenheitsursache bei der Impfung vorliegen. Dies gilt zur Überzeugung des Gerichts selbst dann, wenn es erstmals im Rahmen dieser Impfung zur Erstmanifestation gekommen sein sollte, denn auch bei Annahme der Nichtvornahme der Impfungen wäre beim Kläger aufgrund des Mutationstyps die Manifestation spätestens Ende April 2007 im Rahmen des fieberhaften Infekts erfolgt. Hiervon ist das Gericht mit Blick auf die Ausführungen des Prof. Dr. med. BB überzeugt. Auch die Zweitimpfung im April 2007 führte nicht zu erkennbaren unüblichen Impfreaktionen.
Auch hier fehlt es bis zum 27.04.2007 und damit acht Tage nach der Impfung an ärztlichen Aufzeichnungen. Wie bereits Prof. Dr. med. AA darlegte, dürfte dieser Vorfall als Auslöser eher die fieberhafte bakterielle Meningitis haben, da Impfreaktionen i.d.R. binnen 24 Stunden, maximal bis 72 Stunden, nach der Impfung auftreten. Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und trägt dem Unterliegen des Klägers Rechnung.
Die Berufung gegen dieses Urteil ist gem. § 143 SGG zulässig. Ein Fall des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG liegt nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Dortmund, Ruhrallee 1-3, 44139 Dortmund
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird. Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.
Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Dortmund schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen. Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war. Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zu Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).