L 3 AS 3384/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 1405/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 3384/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. Juli 2018 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Streitig zwischen den Beteiligten ist ein Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Die Agentur für Arbeit Heilbronn lehnte mit Bescheid vom 09.10.2006 den Antrag der im Jahr 1961 geborenen Klägerin auf Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), hinsichtlich derer am Wohnort der Klägerin damals noch eine getrennte Trägerschaft bestand, ab. Einen im Dezember 2008 gestellten Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II nahm die Klägerin wieder zurück. Am 14.10.2009 beantragte die Klägerin bei der Agentur für Arbeit Heilbronn „vorübergehend Sozialhilfe auf vollständiger Darlehensbasis“. Diese lehnte mit Bescheid vom 11.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.03.2010 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab. Den diesbezüglichen gerichtlichen Eilantrag (Az. S 5 AS 1143/10 ER) lehnte das Sozialgericht Heilbronn (SG) mit Beschluss vom 02.07.2010 ab, die hiergegen zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhobene, unter dem Az. L 1 AS 3544/10 ER-B geführte Beschwerde wurde mit Beschluss vom 29.09.2010 zurückgewiesen. Auch das hinsichtlich des Bescheids vom 11.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.03.2010 geführte Klage- und anschließende Berufungsverfahren, in dem die Klägerin zuletzt lediglich noch eine Reihe von Feststellungen begehrte, blieben ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des SG vom 15.03.2011 zu Az. S 5 AS 1144/10, Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 26.07.2011 zu Az. L 13 AS 1666/11).

Mit E-Mail vom 31.12.2017 stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen „Überprüfungsantrag auf alle Leistungsbescheide nach dem Sozialrecht, zB SGB II/XII, die für die Zeit seit dem 12.06.1989 ff 1993 ff und respektive seit 1997 ergangen sind und bestandskräftig sind, bis hin zu den Angaben Ihrer ‚Agentur für Arbeit‘ am 04.02.2010 ff in Erzwingung und Aufnoetigung eines Gerichtsverfahrens vor dem SG Heilbronn in 2010, … .“

Der Beklagte lehnte den Antrag auf Überprüfung der Bescheide ab 12.06.1989 gemäß § 44 SGB X mit Bescheid vom 05.01.2018 ab, weil der letzte Bescheid aus dem Rechtskreis des SGB II vom 11.01.2010 datiere und somit der zu überprüfende Zeitraum außerhalb der Jahresfrist nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X liege. Außerdem handle es sich lediglich um einen pauschal gestellten Antrag, so dass dieser ohne Sach- und Rechtsprüfung abgelehnt werden könne.

Mit E-Mail vom 08.02.2018 erhob die Klägerin Widerspruch.

Mit Schreiben vom 08.02.2018 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass ihr Widerspruch nicht formgerecht erhoben worden sei, dass aber innerhalb der Widerspruchsfrist noch die Möglichkeit der formgerechten Einlegung beziehungsweise Bestätigung bestehe und ansonsten der Widerspruch als unzulässig verworfen werden müsse. 

Nachdem am 10.02.2018 lediglich erneut eine E-Mail der Klägerin eingegangen war, in der sie im Wesentlichen erneut ein planmäßiges Vorgehen diverser Personen beziehungsweise Behörden gegen sie anschuldigte, verwarf der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2018, welcher am 27.03.2018 abgesandt wurde, als unzulässig, da der am 08.02.2018 per E-Mail erhobene Widerspruch nicht formgerecht sei und trotz Aufforderung weder in entsprechender Form eingelegt noch schriftlich bestätigt worden sei.

Die hiergegen am 30.04.2018 zum SG erhobene Klage, mit welcher die Klägerin die Durchführung eines Überprüfungsverfahrens zu ihrer Akte und ihren Rechten seit 1989 begehrt hat, hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 30.07.2018 abgewiesen, denn der Beklagte habe den Widerspruch zu Recht als unzulässig verworfen. Der mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Gerichtsbescheid ist der Klägerin am 02.08.2018 zugestellt worden.

Am 17.08.2017 hat die Klägerin gegenüber dem SG aufgrund der erfolgten Entscheidung durch Gerichtsbescheid eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs gerügt und „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, vor dem Erlass ihres Gerichtsbescheides“ beantragt.

Mit E-Mail vom 04.09.2018 wandte sich die Klägerin an das SG und teilte unter anderem mit, dass sie am Vorabend „ab 23:45 und fristgerecht zum 03.09.18“ versucht habe, ein Fax mit der Berufung zu senden. Da „es keinerlei Faxverbindungszeichen gab, das Gerät klingelte durch“, hat die Klägerin „wiederholte Wiedereinsetzung“ beantragt.

Mit am 14.09.2018 beim SG eingegangenen Schreiben, welches sodann dem LSG Baden-Württemberg vorgelegt worden ist, hat die Klägerin die vorliegende Berufung eingelegt. Sie bekräftigt ihre bisherigen Ausführungen, wonach sie ihrer Meinung nach „seit Jahrzehnten in kollusive Interessenkonflikte verwickelt“ worden sei. In Bezug auf ihre E-Mail vom 04.09.2018 hat sie ergänzt, sie sei, da sie es nach circa 25 Minuten aufgegeben habe, doch noch eine Faxverbindung zustande zu bringen, davon ausgegangen, innerhalb von 14 Tagen nach Wegfall des Hindernisses einen Wiederaufnahmeantrag stellen zu können. Sie hat ferner ausgeführt, der Gerichtsbescheid sei „im gelben Umschlag im Briefkasten am Fr., 03.08.18“ erfolgt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. Juli 2018 sowie den Bescheid des Beklagten vom 5. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ein Überprüfungsverfahren zu ihren Rechten seit 1989 durchzuführen.

Der Beklagte schließt sich den Ausführungen in dem angefochtenen Gerichtsbescheid des SG an und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Klägerin unter dem 28.01.2019 darauf hingewiesen, dass die Berufung verfristet sei, und ihr Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu äußern und Gründe für eine Wiedereinsetzung geltend zu machen. Die Klägerin hat sich hierzu nicht geäußert.

Auf fernmündliche Nachfrage am 21.02.2019 bei dem Verwaltungsleiter des SG, ob eine Störung des dortigen Faxgeräts vom 03.09.2018 auf den 04.09.2018 dokumentiert sei, hat dieser das Empfangsjournal hinsichtlich des in Rede stehenden Zeitraumes übersandt und erklärt, ihm sei nicht bekannt, dass es irgendwelche Empfangsprobleme gegeben habe. 

In ihrem Schreiben vom 27.02.2019 hat die Klägerin ausgeführt, sie habe „am 03.08.18 um 11:47 Uhr über 3,5 Minuten mit der SG-Mitarbeiterin Frau Z anfragen gesprochen“ und ihr gesagt, „dass bis gestern aber noch nichts in meinem Briefkasten war“, und vorgetragen, „als ich gegen 12:30 Uhr in den Briefkasten schaute, lag eine Zustellung drin, somit war die Zustellung ausdrücklich am 03.08.18“. Sie könne sich nicht erklären, „warum in meinem Tel.-Verbindungsnachweis der 3.09.18 nicht ausgeführt ist. Jedenfalls lägen ihr „zwei FAX-Versuchs-Ausdrucke v. 03.09.18 (in vorgehender FAX-Uhr-Einstellung) dieses Tages vor“. Sie hat zwei Auszüge von Einzelverbindungsnachweisen der Telekom Deutschland GmbH vorgelegt, in dem unter anderem eine Telefonverbindung für den 03.08.2018 bestätigt wird. Sie hat ferner zwei Ausdrucke ihres Schreibens vom 03.09.2018 vorgelegt, auf dem „Start Time 04-09 00:04“ und „Result Stop Pressed“ sowie „Start Time 04-09 00:07“ und „Result Stop Pressed“ vermerkt sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und zur Darstellung des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


Entscheidungsgründe

Der Senat konnte unter Mitwirkung des – mit den früheren unter den Aktenzeichen S 5 AS 1143/10 ER und S 5 AS 1144/10 geführten Verfahren vorbefassten – Richters am SG L entscheiden. Denn der Umstand der Vorbefassung vermag für sich genommen die Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen. Das geltende Verfahrensrecht ist von dem Gedanken geprägt, dass ein Richter grundsätzlich auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer Sache herantritt, wenn er bereits früher mit der Sache befasst war. Ausnahmen hiervon hat der Gesetzgeber in § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 41 Nr. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) abschließend normiert. Mit der gesetzlichen Wertung des abschließenden Charakters dieses Ausschlussgrundes wäre es nicht vereinbar, wenn der bloße Umstand der Vorbefassung eines Richters mit der Sache geeignet wäre, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Vielmehr müssten besondere zusätzliche Umstände hinzutreten, um in den Fällen der Vorbefassung die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (Bundessozialgericht <BSG>, Beschluss vom 19.01.2010, B 11 AL 13/09 C, juris). Besondere Umstände, die hier zur Vorbefassung hinzutreten und die Besorgnis der Befangenheit begründen könnten, sind vor dem Hintergrund des Klagebegehrens nicht ersichtlich.

Die Berufung der Klägerin ist unzulässig.

Gemäß § 151 Abs. 1 SGG in der ab 01.01.2018 gültigen Fassung vom 05.07.2018 ist die Berufung bei dem LSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Nach § 151 Abs. 2 Satz 1 SGG ist die Berufungsfrist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem SG schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Diese Vorschriften gelten nach § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG entsprechend bei einer Entscheidung – wie hier – durch Gerichtsbescheid.

Die Berufungsfrist ist vorliegend versäumt.

Die Zustellung des angefochtenen, mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehenen Gerichtsbescheids ist bei der Klägerin ausweislich der vorliegenden Postzustellungsurkunde durch Einlegung in den Briefkasten am 02.08.2018 – und nicht wie die Klägerin vorträgt, erst am 03.08.2018 – erfolgt. Der Tag der Zustellung des Gerichtsbescheids ist aufgrund der aktenkundigen Postzustellungsurkunde nachgewiesen. Denn nach § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO gilt für die Postzustellungsurkunde § 418 Abs. 1 ZPO. Das heißt, dass es sich um eine öffentliche Urkunde handelt, die den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen begründet – im vorliegenden Fall die fehlende Möglichkeit der Übergabe des Gerichtsbescheids und die Einlegung in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche geeignete Vorrichtung (Voraussetzungen der Ersatzzustellung gemäß § 180 ZPO) am 02.08.2018. Zwar kann gemäß § 418 Abs. 2 ZPO der Beweis der Unrichtigkeit geführt werden. Dafür genügt es jedoch nicht, wenn – wie hier die Klägerin – die Adressatin der Zustellung schlicht behauptet, das Schriftstück einen Tag später erhalten zu haben. Dies folgt schon allein daraus, dass es für die Wirksamkeit der Zustellung nicht darauf ankommt, ob und wann sie das Dokument ihrer Empfangsvorrichtung entnommen hat. Der Beweis der Unrichtigkeit der in der Postzustellungsurkunde bezeugten Tatsachen erfordert vielmehr den vollen Beweis eines anderen als des beurkundeten Geschehens, der damit ein Fehlverhalten des Zustellers und eine objektive Falschbeurkundung belegt. Notwendig ist der volle Beweis in der Weise, dass die Beweiswirkung der Postzustellungsurkunde vollständig entkräftet und jede Möglichkeit der Richtigkeit der in ihr niedergelegten Tatsachen ausgeschlossen ist (Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.11.2005, III ZR 104/05, juris). Die Klägerin hat insoweit nichts vorgebracht, was auch nur ansatzweise diesen Anforderungen genügen könnte. Dies gilt insbesondere für ihren Vortrag, erst als sie am 03.08.2018 gegen 12:30 Uhr in den Briefkasten geschaut habe, sei „eine Zustellung drin“ gewesen. Damit hat sie nicht nachgewiesen, dass eine Zustellung nicht bereits am 02.08.2018 erfolgt ist.

Die Monatsfrist zur Einlegung der Berufung hat gemäß § 64 Abs. 1 SGG am 03.08.2018 begonnen. Sie hat nach § 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGG am Montag, den 03.09.2018, um 24:00 Uhr geendet. Letzteres wäre übrigens auch der Fall, wenn der Vortrag der Klägerin, der Gerichtsbescheid sei ihr erst am 03.08.2018 zugegangen, zuträfe. Innerhalb dieser Berufungsfrist hat die Klägerin keine Berufung eingelegt. Die Berufung muss innerhalb der Berufungsfrist beim zuständigen LSG bzw. SG eingelegt sein, d.h. zu Protokoll erklärt oder bei Gericht eingegangen, also in den Machtbereich oder die Verfügungsgewalt des Gerichts gelangt sein, wobei der Berufungsführer die materielle Beweislast für den rechtzeitigen Eingang der Berufung trägt (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, Kommentar, 12. Auflage 2017, § 151 Rn. 10). Die Klägerin hat sich zwar bereits am 17.08.2018 per Telefax an das SG gewandt, jedoch wird in diesem Schreiben nur die Verletzung ihres rechtlichen Gehörs gerügt und „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor dem Erlass Ihres Gerichtsbescheides“ beantragt. Hierbei handelt es sich nicht um eine Berufung. Zwar ist es unschädlich, dass sich darin der Begriff „Berufung“ nicht findet, denn es ist auch bei Prozesshandlungen die Auslegungsregel des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu beachten, wonach bei der Auslegung von Erklärungen nicht am Wortlaut zu haften, sondern der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen ist (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.2002, B 11 AL 23/02 R, juris). Diese Auslegung ergibt hinsichtlich des Schreibens der Klägerin vom 17.08.2018 gerade nicht, dass sie damit eine Berufung einlegen wollte. Denn sie hat ihr Schreiben an das SG adressiert und dorthin per Telefax übertragen. Darüber hinaus kommt an keiner Stelle zum Ausdruck, dass sie zum damaligen Zeitpunkt eine Überprüfung des in Rede stehenden Gerichtsbescheids durch eine höhere Instanz begehrt hat (vgl. zu diesem Aspekt BSG, Beschluss vom 08.12.2005, B 13 RJ 289/04 B, juris). Vielmehr bringt sie darin zum Ausdruck, dass sie eine erneute Entscheidung über ihr Begehren durch das SG selbst unter Berücksichtigung ihres Vorbringens begehrt. Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass die durchaus prozesserfahrene Klägerin, die schon mehrere Berufungsverfahren geführt hat, es ausdrücklich zum Ausdruck gebracht hätte, wenn sie bereits mit ihrem Schreiben vom 17.08.2018 eine Berufung hätte einlegen wollen. Soweit sich in der E-Mail der Klägerin vom 04.09.2018 an das SG explizit der Begriff „Berufung“ findet, war – abgesehen davon, dass eine Berufungseinlegung mit einfacher E-Mail schon nicht formgerecht ist (vgl. Leitherer, a.a.O., Rn. 3f, sowie die Hinweise in der Rechtsmittelbelehrung des Gerichtsbescheids) – zu diesem Zeitpunkt auch die Berufungsfrist, wie oben dargelegt, verstrichen. Erst recht ist die Berufungsfrist mit der (formgerechten) Berufungsschrift vom 14.09.2018 nicht gewahrt.

Der Klägerin ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.     

Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, wobei gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 SGG die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft gemacht werden sollen. Nach § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG ist der Antrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3 SGG ist die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann nach § 67 Abs. 2 Satz 4 SGG die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

Eine Wiedereinsetzung muss im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen und der Nachholung der versäumten Rechtshandlung in der Regel sogar erfolgen (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 67 Rn. 10). Im Hinblick darauf lässt der Senat offen, ob es sich bei der vom SG ausgedruckten und zur Akte genommen einfachen E-Mail der Klägerin vom 04.09.2018 (in der sie Wiedereinsetzung beantragt hat, weil sie am Vorabend „ab 23:45“ Uhr versucht habe, per Telefax Berufung einzulegen, es jedoch „keinerlei Faxverbindungszeichen“ gegeben und das Gerät „durchgeklingelt“ habe) überhaupt um einen formgerechten Wiedereinsetzungsantrag handelt. Denn unabhängig davon liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht vor. Die von der Klägerin behauptete nicht zustande gekommene Faxverbindung hat sie nicht glaubhaft gemacht. Im Übrigen ist nach der Erklärung des Verwaltungsleiters des SG über dortige Empfangsprobleme in der in Rede stehenden Zeit nichts bekannt. Dem von ihm zur Verfügung gestellten Empfangsjournal lässt sich auch nichts entnehmen, was den Vortrag der Klägerin stützt. Die objektive Beweislast des Vorliegens der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen trägt derjenige, der die Frist versäumt hat (vgl. Keller, a.a.O., Rn. 10d), vorliegend also die Klägerin. Daher geht der Senat schon nicht vom Vorliegen irgendwelcher technischer Probleme im Rahmen der behaupteten Übermittlung der Berufungsschrift am Abend des 03.09.2018 aus. Auch lässt sich dies den von der Klägerin vorgelegten zwei Ausdrucken ihres Schreibens vom 03.09.2018, auf denen „Start Time 04-09 00:04“ und „Result Stop Pressed“ sowie „Start Time 04-09 00:07“ und „Result Stop Pressed“ vermerkt sind, nicht entnehmen. Insoweit ist auch eine Fehlbedienung des Faxgerätes durch die Klägerin denkbar. Überdies ist es auch wenig nachvollziehbar, dass die angeblich bereits am 03.09.2018 fertigstellte Berufungsschrift von der – ebenfalls in H wohnenden – Klägerin dann erst am 14.09.2018 beim SG eingereicht worden ist. Schließlich bliebe dem Antrag auf Widereinsetzung der Erfolg selbst dann versagt, wenn die von der Klägerin behauptete technische Störung bei der Übermittlung des Telefaxes vorgelegen hätte. Denn auch dann hätte sie die erforderliche Sorgfalt eines umsichtigen Prozessbeteiligten außer Acht gelassen. D
er Nutzer eines Faxgeräts leistet das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung, wenn er ein anerkanntes Übermittlungsmedium wählt und ein funktionsfähiges Sendegerät richtig nutzt. Dabei muss er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnen, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis 24:00 Uhr zu rechnen ist. Dafür ist – zusätzlich zu der absehbaren Übermittlungsdauer des zu faxenden Schriftsatzes samt Anlagen – in jedem Fall ein zeitlicher Sicherheitszuschlag von 20 Minuten einzuhalten (BSG, Beschluss vom 15.03.2018, B 10 ÜG 30/17 C, unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 23.12.2016, 1 BvR 3511/13, beide in juris). Nachdem die Klägerin nach ihren eigenen Angaben am 03.09.2018 – also am letzten Tag der Rechtsmittelfrist – erst „ab 23:45“ die Übermittlung des Telefaxes versucht haben soll, hätte sie bei Zugrundelegung ihres eigenen Vortrags nicht rechtzeitig mit der Übermittlung ihrer Berufungsschrift begonnen. 

Nach alledem war die verfristete Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.

Rechtskraft
Aus
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