Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 7. November 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.06.2018 bis zum 31.05.2019 streitig.
Der im Jahr 1970 geborene Kläger bezieht vom Beklagten seit Jahren Leistungen nach dem SGB II. Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 04.05.2018 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 04.05.2018 dem Kläger unter Zugrundelegung eines monatlichen Regelsatzes in Höhe von 416,00 € und monatlicher Kosten der Unterkunft in Höhe von 442,00 € monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.06.2018 bis zum 31.05.2019 in Höhe von 858,00 €. Hiergegen legte der Kläger am 28.05.2018 Widerspruch ein. Er führte zur Begründung aus, der vom Beklagten zu Grunde gelegte Regelsatz sei zu niedrig. Den Maßstab eines vergleichbaren, unteren beziehungsweise untersten Erwerbseinkommens, namentlich des Mindestlohns, zu Grunde legend ergäbe sich eine Differenz zu seinen Lasten in Höhe von monatlich 294,04 € (8,84 € Mindestbruttostundenlohn x 40 Wochenstunden x 13 Wochen : 3 Monate = 1.532,27 € Mindestbruttomonatslohn; abzüglich 84,00 € Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag + 142,50 € Rentenversicherungsbeitrag + 22,98 € Arbeitslosenversicherungsbeitrag + 128,71 € Krankenversicherungsbeitrag + 19,54 € Pflegeversicherungsbeitrag, zuzüglich 17,50 € Rundfunkabgabebefreiung = 1.152,04 €; Differenz zu 858,00 € Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II = 294,04 €). Mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2018 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Höhe des Regelbedarfs sei gesetzlich in eindeutiger Weise festgelegt beziehungsweise bekannt gemacht. Eine erweiternde Auslegung scheide aus. Die Verwaltung sei an Recht und Gesetz gebunden.
Hiergegen hat der Kläger am 09.07.2018 Klage zum Sozialgericht (SG) Konstanz erhoben. Der Regelsatz sei willkürlich zu niedrig bestimmt. Dort, wo es an Willkür fehlen möge, sei die entsprechende Sozialsubvention als eine Leistung bestimmt, welche einem geringen Einkommen entspreche. Der durchaus noch geringere Superlativ des geringsten Einkommens sei im Mindestlohn als kleinstem rechtlich zulässigen Arbeitsentgelt normiert. Ihm stünden daher um monatlich 294,04 € höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu.
Das SG Konstanz hat mit Gerichtsbescheid vom 07.11.2018 die Klage abgewiesen. Eine unmittelbare Verurteilung zur Zahlung höherer Leistungen wegen eines höheren Regelbedarfs könne der Kläger schon deshalb nicht erreichen, weil die Höhe dieses Regelbedarfs gesetzlich in eindeutiger Weise festgelegt beziehungsweise bekannt gemacht sei, eine erweiternde Auslegung dieser Vorschriften, etwa im Wege verfassungskonformer Auslegung, daher ausscheide und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach Art. 20 Abs. 3 Halbsatz 2 Grundgesetz (GG) an das Gesetz gebunden seien. Leistungen als bedingungsloses Grundeinkommen in Höhe des steuerfreien Existenzminimums nach dem Einkommensteuerrecht könne der Kläger aus dem SGB II nicht ableiten. Es gebe auch sonst keine verfassungsrechtliche Grundlage, aus der sich ein solcher Anspruch ableiten ließe. Insbesondere könne der Kläger auch nicht Leistungen in Höhe des gesetzlichen Mindestlohnes nach § 1 Abs. 1 Mindestlohngesetz (MiloG), wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber habe, für sich beanspruchen. Der Kläger sei nicht Arbeitnehmer und der Beklagte sei nicht Arbeitgeber. Vielmehr erhalte der Kläger Leistungen nach dem SGB II gerade auch deswegen, weil er seinen Lebensunterhalt nicht durch Arbeitseinkommen sicherstellen könne. Denn der Kläger erziele kein Arbeitseinkommen. Aber selbst wenn das MiloG auf den Kläger anwendbar wäre, würde daraus kein Leistungsanspruch in der geltend gemachten Höhe folgen, denn das MiloG lege den Mindestlohn pro Stunde fest, nicht aber einen mindestens dem Arbeitnehmer zu gewährenden Monatslohn. Die dem Kläger gewährte Leistung sei auch nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig angesetzt. Dass die Höhe des Regelsatzes für Alleinerziehende nicht in verfassungswidriger Weise zu gering bemessen worden sei, habe das Bundessozialgericht (BSG) mittlerweile dargelegt. Die gegen diese Rechtsprechung gerichteten Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) seien ohne Erfolg geblieben. Auch die Anpassung der Regelbedarfe, die jeweils zu Beginn eines Jahres nach § 28a Abs. 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), wonach die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen aufgrund der bundesdurchschnittlichen Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen mit einem Anteil von 70 % sowie der bundesdurchschnittlichen Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je beschäftigtem Arbeitnehmer mit einem Anteil von 30 % erfolge, sei nicht zu bestanden. Damit bleibe der Gesetzgeber in vertretbarer Weise im Rahmen des von ihm gewählten Strukturprinzips der statistischen Ermittlungsmethode, die Stand und Entwicklung von Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten berücksichtige. Der vom Gesetzgeber gewählte Mischindex knüpfe an Faktoren an, die das für die Bildung des Regelbedarfs maßgebliche Verbrauchsverhalten unterer Einkommensgruppen bestimmten. Auch höhere Kosten der Unterkunft könne der Kläger nicht beanspruchen. Nach § 22 Abs. 1 SGB II würden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen seien. Das Anfallen höherer Kosten der Unterkunft und Heizung als vom Beklagten bewilligt habe der Kläger nicht vorgetragen.
Gegen den ihm am 13.11.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17.12.2018 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Es gehe dem Gesetzgeber ausnahmslos immer um den unmittelbaren direkten Bezug des Regelbedarfs zu Einkommen aus Arbeit. Und dieses Arbeitseinkommen, noch dazu in dessen allerunterster Höhe in Gestalt des gesetzlich festgelegten Mindestlohns, sei nun einmal erheblich höher als die offenkundig mehrfach massiv manipulierte Grundlage zur Ermittlung des Regelbedarfs.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 7. November 2018 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 4. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2018 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Juni 2018 bis zum 31. Mai 2019 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich mindestens 294,04 € zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es würden keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte vorgetragen. Seit 01.01.2019 würden dem Kläger aufgrund der Erhöhung des Regelbedarfs monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 866,00 € gewährt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig.
Zwar ist sie nicht fristgerecht erhoben worden. Denn nach § 151 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 105 SGG ist die Berufung bei dem LSG oder bei dem SG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Der Kläger hat diese Frist nicht eingehalten. Der Lauf einer Frist beginnt nach § 64 Abs. 1 SGG, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung. Da die Zustellung ausweislich der zur Prozessakte gelangten Postzustellungsurkunde am 13.11.2018 erfolgte, begann der Lauf der Frist am 14.11.2018. Eine nach Monaten bestimmte Frist endet nach § 64 Abs. 2 Satz 1 SGG mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Da das fristlauslösende Ereignis die am 13.11.2018 erfolgte Zustellung des Gerichtsbescheides war, endete die Frist am 13.12.2018. Da dieser Tag nicht auf einen Sonntag, Sonnabend oder einen gesetzlichen Feiertag fiel, verlängerte sich die Frist nicht gemäß § 64 Abs. 3 SGG. Es kam auch nicht zu einer Verlängerung der Berufungsfrist nach § 66 Abs. 2 SGG, denn die dem Gerichtsbescheid beigefügte Rechtsmittelbehrung war zutreffend und vollständig. Die Berufung des Klägers ging erst am 17.12.2018 beim LSG Baden-Württemberg und damit nicht innerhalb der Berufungsfrist ein. Die Berufung ist daher verfristet.
Dem Kläger war aber auf seinen Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm nach § 67 Abs. 1 SGG auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist nach § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen nach § 67 Abs. 2 Satz 2 SGG glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist nach § 67 Abs. 2 Satz 3 SGG die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Vorliegend hat der Kläger vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Klagefrist gehindert gewesen ist. Denn nach den von ihm vorgelegten Unterlagen hat er die unter dem 10.12.2018 erstellte Berufungsschrift am 12.12.2018 als „Prio H“-Auftrag zur Post gegeben und ist ihm von der Post unter Angabe der zutreffenden Sendungsnummer eine am 13.12.2018 erfolgte Zustellung bestätigt worden. Dass seine Berufungsschrift dann tatsächlich erst am 17.12.2018 beim LSG Baden-Württemberg eingegangen ist, hat der Kläger mithin nicht verschuldet.
Die nach § 151 Abs. 1 SGG auch formgerechte Berufung ist jedoch unbegründet.
Der Senat konnte trotz Abwesenheit des ausweislich der aktenkundigen Postzustellungsurkunde zur mündlichen Verhandlung geladenen Klägers entscheiden. Er hat seine Abwesenheit lediglich damit begründet, es sei „keine Fahrtkostenerstattung vorgesehen“. Weder ist den Akten ein abschlägig beschiedener Antrag des Klägers auf Fahrtkostenerstattung zu entnehmen, noch hat er einen Verlegungsantrag gestellt.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG Konstanz vom 07.11.2018, mit dem die Klage des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 04.05.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2018 abgewiesen worden ist. Der Kläger erstrebt die Abänderung dieses Bescheides sowie des die Erhöhung des Regelsatzes ab 01.01.2019 regelnden und gemäß § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Änderungsbescheides und die Verurteilung des Beklagten, ihm für die Zeit vom 01.06.2018 bis zum 31.05.2019 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich mindestens 294,04 € zu gewähren. Diese prozessualen Ziele verfolgt der Kläger gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Zu Recht hat das SG Konstanz auf die Rechtsprechung des BSG und des BVerfG hingewiesen, wonach die Höhe des Regelbedarfs für Alleinstehende nach dem SGB II nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgesetzt worden ist (BSG, Urteil vom 12.07.2012, B 14 AS 153/11 R; BSG, Urteil vom 12.07.2012, B 14 AS 189/11 R, nachgehend BVerfG, Beschluss vom 27.12.2012, 1 BvR 2471/12; BSG, Urteil vom 28.03.2013, B 4 AS 12/12 R, nachgehend BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014, 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12 und 1 BvR 1691/13; jeweils juris; vergleiche dazu Saitzek in Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage, § 20 Rn. 85). Das SG Konstanz hat daher völlig zu Recht dargelegt, dass der beim Kläger berücksichtigte monatliche Regelbedarf im Sinne des § 20 SGB II für die Zeit vom 01.06.2018 bis zum 31.05.2019 geltendem Recht entspricht. Dasselbe gilt für die in diesem Zeitraum berücksichtigten Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 SGB II. Der Senat folgt den Ausführungen des SG Konstanz und sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 1465/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 4493/18
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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