Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13.09.2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) von 100 auf 40.
Bei dem 1947 geborenen Kläger hatte das Landratsamt O (LRA) den Grad der Behinderung (GdB) mit Abhilfebescheid vom 16.11.2009 mit 100 seit dem 27.07.2009 festgestellt. Der Bewertung lagen folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:
Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, operiert, Schulter-Arm-Syndrom: Teil-GdB 20,
Teillähmung des rechten Wadenbeinnerven: Teil-GdB 20,
Schwerhörigkeit beidseitig, Ohrgeräusche (Tinnitus): Teil-GdB 30,
Teillähmung des rechtsseitigen Ellennervens: Teil-GdB 10,
Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks: Teil-GdB 10,
Kieferhöhlenerkrankung in Heilungsbewährung: Teil-GdB 80,
(versorgungsärztliche Stellungnahme K vom 09.11.2009).
Am 30.07.2014 wurde nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist eine Nachprüfung von Amts wegen eingeleitet. Das LRA zog medizinische Unterlagen bei dem W und der S bei und holte eine versorgungsärztliche Stellungnahme bei K ein. Der Versorgungsarzt bewertete die bestehenden Funktionsstörungen folgendermaßen:
Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, operiert, Schulter-Arm-Syndrom: Teil-GdB 20,
Teillähmung des rechten Wadenbeinnerven: Teil-GdB 20,
Schwerhörigkeit beidseitig, Ohrgeräusche (Tinnitus): Teil-GdB 30,
Teillähmung des rechtsseitigen Ellennervens: Teil-GdB 10,
Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks: Teil-GdB 10,
(Versorgungsärztliche Stellungnahme vom 04.12.2014).
Hierzu führte K aus, nach Nebenhöhlen-Carzinom bestehe keine Tumorprogression; die Heilungsbewährung sei eingetreten.
Auf das Anhörungsschreiben gemäß § 24 SGB X vom 15.01.2015 äußerte sich der Kläger dahingehend, dass sich die körperlichen Schäden nach seinem Tumorleiden insgesamt wesentlich verschlechtert hätten. Deswegen zog das LRA weitere medizinische Unterlagen bei dem P, bei dem M und bei der S bei und holte eine versorgungsärztliche Stellungnahme bei L ein.
Die Versorgungsärztin beurteilte die Funktionsstörungen des Klägers folgendermaßen:
Schwerhörigkeit beidseitig, Ohrgeräusche (Tinnitus): Teil-GdB 30,
Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, operiert, Schulter-Arm-Syndrom: Teil-GdB 20,
Teillähmung des rechten Wadenbeinnerven: Teil-GdB 20,
Polyneuropathie (durch Chemotherapie): Teil-GdB 10,
Verschluss Tränenwege rechts mit Tränenträufeln: Teil-GdB 10,
Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks: Teil-GdB 10,
Restbeschwerden nach Kieferhöhlen-Operation: Teil-GdB 10,
Teillähmung des rechtsseitigen Ellennervens: Teil-GdB 10,
(Versorgungsärztliche Stellungnahme vom 12.05.2015).
Mit Bescheid vom 20.05.2015 wurde der GdB sodann auf 40 ab dem 25.05.2015 festgesetzt. Wegen der eingetretenen wesentlichen Änderung der Verhältnisse sei der Bescheid vom 16.11.2009 gemäß § 48 SGB X aufzuheben und eine den neuen Verhältnissen entsprechende Feststellung zu treffen.
Hiergegen legte der Kläger am 17.06.2015 Widerspruch ein. Zu dessen Begründung trug er vor, durch die Krebsbehandlungen, Chemotherapie, Bestrahlung sowie Durchführung von Biopsien seien zusätzliche Gesundheitsstörungen aufgetreten, mit denen er nun zu kämpfen habe und die seinen Alltag beeinträchtigen würden. Seine körperlichen Schäden hätten sich immer mehr verschlechtert. Warum die von ihm geltend gemachten Gesundheitsstörungen Sehbehinderung, Kieferhöhlenerkrankung, Schwindel und seelische Störung keine Funktionsbeeinträchtigungen bedingen sollen, könne er nicht nachvollziehen. Diese seien zu berücksichtigen.
Nach Beiziehung weiterer medizinischer Unterlagen bei dem J und den W wurde erneut eine versorgungsärztliche Beurteilung erbeten. Der Z hielt an der bisherigen Bewertung des GdB fest und führte aus, es sei keine Abhilfe möglich. Auch nach ergänzender Aktenlage und erneuter Aktendurchsicht bestehe kein Tumorrezidiv der Kieferhöhlenerkrankung. Der Schwindel sei ohne Behinderung. Eine messbare Sehminderung bestehe nicht. Eine behandlungsbedürftige seelische Störung werde nicht beschrieben. Häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkungen, sowie häufige rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome seien bereits anerkannt. Zusätzlich anerkannt werden könne eine eingepflanzte Kunstlinse rechts mit einem Teil-GdB von 10. Dies führe nur zu einer Tenorerweiterung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2016 wurde der Widerspruch sodann als unbegründet zurückgewiesen.
Deswegen hat der Kläger am 14.03.2016 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Mit seiner Klage wehrte sich der Kläger insbesondere dagegen, dass nach wie vor bestehende Gesundheitsbeeinträchtigungen durch die Folgen der Kieferhöhlen-Karzinom-Operation lediglich mit einem Teil-GdB von 10 bewertet würden. Darüber hinaus habe er erhebliche Beschwerden durch starken Schwindel und durch den Verschluss der Tränenwege rechts.
Das SG hat Beweis erhoben und die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverstän-dige Zeugen vernommen. Der W teilte am 26.07.2016 mit, auf seinem Fachgebiet könne er wenig ergänzen. Der Kläger scheine momentan am meisten unter der Wadenveränderung rechts (Postnukleotomiesyndrom) zu leiden. Nach den VMG könne hier durchaus ein GdB von 20-30 angenommen werden. Die HWS-Beschwerden seien nur lückenhaft dokumentiert, aktuelle orthopädische Befunde würden nicht vorliegen. Die Funktionen des Schultergürtels scheinen jedoch nicht nachhaltig gestört zu sein. Bei Teileinsteifung des Schultergelenks links betrage der GdB 10-20. Die S berichtetet am 03.08.2016 von einem Cataract des rechten Auges sowie einer Motilitätsstörung des rechten Auges mit Einschränkung der Auswärtsdrehung sowie Tieferstand des rechten Auges. Durch die Motilitätsstörung könne es zu einem unterschiedlichen Ausmaß an Wahrnehmung von Doppelbildern kommen. Der Ausgleich der Doppelbildwahrnehmung könne mittels einer speziellen Prismenbrille nur im Geradeausblick erreicht werden. Durch die Doppelbildwahrnehmung könne verstärkt Schwindel auftreten. Eine Terminvereinbarung zu einer empfohlenen Kontrolluntersuchung mit Messung der Motilitätseinschränkung sei nicht wahrgenommen worden. Eine gutachterliche Äußerung zum GdB auf augenärztlichem Fachgebiet könne nicht abgegeben werden, da die hierzu erforderlichen Befunde nicht nach DIN Standards für Gutachten erhoben worden seien. Der W1 äußerte sich am 30.07.2016 dahingehend, dass der Kläger bei ihm zuletzt am 07.12.2015 wegen einer sensomotorischen Wurzelschädigung L5 rechts bei Z.n. zweimaliger Bandscheiben-OP behandelt worden sei. In diesem Zusammenhang würden anhaltende lumboischialgieforme Beschwerden, eine Fußheberparese rechts Kraftgrad 3-4/5, sowie eine Glutealinsuffizienz bestehen. Daneben sei eine distale Neuropathie diagnostiziert worden. Er habe sich auch wiederholt wegen intermittierender Drehschwindelattacken vorgestellt. Bei V.a. Vestibularisparoxysmie erhalte er eine Behandlung mit Gabapentin, darunter seien die Beschwerden partiell rückläufig. Der Kläger leide unter einer Gangstörung bei sensibler Ataxie im Rahmen der distalen Neuropathie sowie der zusätzlichen Einschränkung durch die Schwindelattacken bei V.a. Vestibularisparoxysmie. Das freie Gehen sei auf ca. 100 m eingeschränkt, weiteres Gehen sei mit einer Gehhilfe möglich. Die Fußheberparese, die als Teillähmung des rechten Wadenbeinnervens eingestuft worden sei, bedinge kombiniert mit einer Glutealinsuffizienz einen GdB von 30. Der GdB für die Polyneuropathie betrage 10. Die rezidivierenden Drehschwindelattacken seien sehr stark belastend, hier werde der GdB mit 10 eingeschätzt. Der P berichtete am 10.08.2016, dass bezüglich des Kieferhöhlenkarzinoms ein Resttumor vorgelegen habe, der jedoch in der Kernspintomographie vom 01.09.2014 nicht mehr eindeutig abgrenzbar gewesen sei. Beeinträchtigt sei der Kläger insbesondere durch die Hypästhesie beider Füße als Folge der vorhergehenden Chemotherapie. Er habe von gelegentlichen Schmerzen im Bereich der rechten Kieferhöhle sowie von wiederholtem Nasenbluten berichtet. Die chemotherapiebedingte Polyneuropathie sei mit einem GdB von 10 bereits erfasst. Diese erscheine als eher am unteren Rande angesetzt, hier sei eine weitere Untersuchung zu erwägen. Der M teilte dem SG am 01.08.2016 mit, der Kläger sei bei ihm wegen eines Tinnitus aurium beidseits, einem Zustand nach Epistaxis links, einem Zustand nach Kieferhöhlen-Carcinom rechts und Ausschluss einer Vestibularorgan-Läsion in Behandlung gewesen. Im Wesentlichen hätte die Nachsorge bei Zustand nach NNH-Carcinom im Vordergrund gestanden. In Bezug hierauf sei nach der Radio-Chemotherapie von trockenen Schleimhäuten auszugehen im Sinne einer chronischen NNH-Entzündung. Der GdB sei mit 10 einzuschätzen. Bei unauffälligem Befund im Rahmen der Gleichgewichtsuntersuchung werde kein GdB in Bezug auf das Gleichgewichtsorgan gesehen.
Unter dem 14.11.2016 nahm für den Beklagten G versorgungsmedizinisch Stellung. Er führte aus, der bisher angesetzte GdB von 30 für die Schwerhörigkeit mit Ohrgeräusch sei aufgrund der Aktenlage nicht nachvollziehbar. Das Sprachaudiogramm vom 02.11.2002 ergebe einen GdB von 15. Eine höhere Bewertung sei nach Auskunft von M nicht begründet. Bei derzeitiger Sachlage sei maximal unter der Annahme geringer psychischer Begleiterscheinungen eine GdB von 10 für die Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen zu begründen. Nach Auswertung der Auskunft von W1, könne zusätzlich zu der Fußheberparese rechts die Polyneuropathie mit sensibler Ataxie und elektrophysiologischen Veränderungen und die Glutealinsuffizienz berücksichtigt werden und ein zusammenfassender GdB von 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Gliedmaßen vorgeschlagen werden. Die S habe in ihrer Auskunft keine GdB-Einschätzung vorgenommen. Die Kunstlinsenversorgung rechts mit postoperativem Visus von 0,6 bedinge einen GdB von 10. Die übrigen Auskünfte würden keine neuen Gesichtspunkte ergeben. Es verbleibe bei einem Gesamt-GdB von 40.
Zur weitere Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat das SG von Amts wegen ein Gutachten bei dem C in Auftrag gegeben. C gelangte in seinem Gutachten vom 06.02.2017 aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers am selben Tag zu dem Ergebnis, dass der Kläger an folgenden Gesundheitsstörungen leide:
- Residuale sensomotorische Wurzelläsion L5 rechts und intermittierende Lumboischialgie bei Zustand nach zweimalig operierten Bandscheibenläsionen der LWS
- Leichtgradige Polyneuropathie der unteren Extremitäten
- Rezidivierende Drehschwindelattacken bei Vestibularisparoxysmie.
Zusammenfassend führte der Gutachter aus, die genannten Gesundheitsstörungen würden zu einer eingeschränkten Gehfähigkeit führen, im Freien sei die Benutzung eines Rollators erforderlich, ortsübliche Wegstrecken könnten damit zurückgelegt werden. Die Vestibularisparoxysmie führe zeitweise zu Schwindelattacken. Der geistige und seelische Zustand des Klägers sei nicht relevant beeinträchtigt. Die Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit operiertem Bandscheibenschaden seien unter Berücksichtigung der anhaltenden leichtgradigen Fuß- und Zehenheberschwäche mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten, wobei dann die zusätzliche Anerkennung einer Teillähmung des rechten Wadenbeinnerven entfalle. Die Polyneuropathie sei leichtgradig und mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Eine Teillähmung des rechtsseitigen Ellennerven könne nicht festgestellt werden, entsprechend entfalle hierauf kein GdB. Nicht bewertet worden sei bislang die Vestibularisparoxysmie mit zeitweise auftretenden Schwindelattacken, entsprechend den objektivierbaren Befunden im Sinne von Gleichgewichtsstörungen mit leichten Folgen zu qualifizieren und mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Unter Berücksichtigung der fachfremden Erkrankungen sei der Gesamt-GdB mit 40 anzusetzen.
Das SG holte des Weiteren von Amts wegen ein Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet bei S ein. In seinem Gutachten vom 27.04.2017 aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 19.04.2017 gelangte der Gutachter zu folgenden Diagnosen:
- Lumbalsyndrom nach operiertem Bandscheibenvorfall L4/5 mit residueller Fußheberschwäche rechts
- Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks, Arthrose des Akromioklavikulargelenks.
Zusammenfassend führte S aus, im Vordergrund der Beschwerden stehe eine ausgeprägte Gangunsicherheit mit Sturzneigung, welche die Benutzung eines Rollators erforderlich mache. Die oben beschriebenen orthopädischen Erkrankungen würden diese ausgeprägte Gangunsicherheit nur zu einem geringen Teil erklären. Hauptverantwortlich sei offensichtlich der seit Jahren bestehende Schwindel des Klägers. Von orthopädischer Seite würden mäßiggradige degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit residueller Schädigung der L5-Wurzel rechts bestehen, welche mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten seien. Durch die Bewegungseinschränkung der linken Schulter bestehe eine deutliche Einschränkung für Überkopfarbeiten sowie die Handhabe von schweren Gegenständen. Dies bedinge einen Teil-GdB von 10.
Schließlich wurde durch das SG von Amts wegen eine Begutachtung auf dem HNO-Fachgebiet bei D veranlasst (Gutachten vom 28.07.2017). Im Rahmen seiner gutachterlichen Untersuchung am 18.07.2017 gelangte D zu dem Ergebnis, dass der Teil-GdB für die beidseitige Hörminderung mit 10 zu bewerten sei. Die beidseitige Ohrgeräuschempfindung bewertete er unter Berücksichtigung des audiologischen Befundes und den Angaben des Klägers, dass keinerlei psychovegetative Symptome bestehen würden, mit einem Teil-GdB von weniger als 10. Bezüglich des Zustandes nach Kieferhöhlen-Karzinom auf der rechten Seite hätten sich keine Anhaltspunkte für ein Tumorrezidiv ergeben, sodass von einer vollständigen Remission ausgegangen werden könne. Insofern sei die Einordnung mit einem Teil-GdB von 10 wegen der Restbeschwerden angemessen. Bezüglich der Schwindelbeschwerden sei unter Berücksichtigung der Tabelle nach Walter und Brusis (2012), welche insbesondere den Attackenschwindel zum Gegenstand habe, ein Teil-GdB von 10 zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung sämtlicher Teil-GdB-Werte erscheine daher die Einordnung des Gesamt-GdB mit 40 als zutreffend und angemessen.
Unter dem 26.10.2017 nahm W2 für den Beklagten versorgungsmedizinisch Stellung und führte aus, im Gutachten von C seien die Funktionsbehinderungen des rechten Beins zusammen mit den Wirbelsäulenleiden mit einem Teil-GdB von 30 bewertet worden, wobei die Polyneuropathie allenfalls leichtgradig beschrieben worden sei. Eine Teillähmung des rechten Ellennervs könne laut dem Gutachten aus dem Tenor gestrichen werden. Auch im fachorthopädischen Gutachten sei das Wirbelsäulenleiden zusammen mit der Funktionsbehinderung des rechten Beins (Fußheberschwäche rechts) mit einem Teil-GdB von 30 bewertet worden. Damit könne die bisherige Bewertung beibehalten werden. Für die Schwindelerscheinungen werde im nervenärztlichen Gutachten ein Teil-GdB von 20 angegeben, im HNO-ärztlichen Gutachten dagegen nur ein Teil-GdB von 10. Es könne vertreten werden, sich rein formell auf einen Teil-GdB von 20 festzulegen, wobei dann dieser GdB als nicht voll ausgefüllt anzusehen sei. Insgesamt verbleibe es bei einem Gesamt-GdB von 40.
Der Kläger ist den Gutachten mit Schreiben vom 13.10.2017 entgegengetreten. Die Untersuchung durch C sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, weswegen das Gutachten nicht zu verwerten sei. Die Schwindelsymptomatik sei entgegen von D höher als mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten, was in der Gesamtschau zu einem GdB von mindestens 50 führen müsse. Hier seien insbesondere die Wechselwirkungen zwischen den Schwindelattacken und den Gehbeschwerden zu berücksichtigen.
Mit Schreiben vom 13.11.2017 hat das SG angekündigt, durch Gerichtsbescheid gemäß §105 SGG zu entscheiden. Der Beklagte zeigte sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden, der Kläger ist dieser Vorgehensweise mit Schreiben vom 11.12.2017 entgegengetreten und hat dies damit begründet, dass Bedenken hinsichtlich der Begutachtung durch C bestehen würden. Dieser müsse ergänzend dazu Stellung nehmen, inwiefern tatsächlich eine persönliche Begutachtung stattgefunden habe. Eine mündliche Verhandlung sei vorliegend wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes des Gerichts geboten. Weiterhin fehle eine gutachterliche Stellungnahme zu der erheblichen Schwindelsymptomatik.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.09.2019 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, ein GdB von mehr als 40 ließe sich beim Kläger für die Zeit ab dem 25.05.2015 nicht mehr feststellen. Die Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule in Verbindung mit einer Fuß- und Zehenheberschwäche rechts seien mit einem GdB von 30 hinreichend gewürdigt worden. Beim Kläger würden schwergradige Auswirkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule vorliegen. Neben deutlichen Bewegungseinschränkungen seien nach zwei Operationen an der Wirbelsäule eine leichte Fußheberschwäche rechts und eine Sensibilitätsstörung im L5-Areal rechts verblieben. Die Kammer stütze diese Überzeugung auf die Gutachten des C und des S1. Beide Gutachten hätten bestätigt, dass der Kläger unter einem Lumbalsyndrom nach operierten Bandscheibenschaden mit einer residualen sensomotorischen Wurzelläsion leide. Die Gutachten seien auch bezüglich der Diagnosen und der angenommenen GdB anhand der erhobenen Befunde schlüssig und nachvollziehbar. Auch aus den weiteren vorliegenden medizinischen Unterlagen würden sich keine Anhaltspunkte für eine weitergehende Funktionseinschränkung ergeben. Das Gericht verkenne dabei den Einwand des Klägers hinsichtlich des Gutachtens von C nicht. Dem Gutachten würden sich aber die wesentlichen Angaben zur Vorgeschichte und zur sozialen und beruflichen Situation des Klägers ebenso entnehmen, wie die wesentlichen Untersuchungsschritte und Befunde. Die beim Kläger vorliegenden Gleichgewichtsstörungen seien mit einem Teil-GdB von 20 hinreichend gewürdigt. Denn nach den VMG Teil B, Nr. 5.3 sei bei Gleichgewichtsstörungen mit leichten Folgen ein GdB von 20 vorgesehen. Aus den Gutachten von D und C würden sich zwar dauerhaft leichte Folgen der Gleichgewichtsstörungen, jedoch keine mittelschweren Folgen entnehmen lassen. Im Romberg-Stehversuch habe sich ein ungerichtetes Schwanken gezeigt, von einer Fallneigung sei jedoch nicht berichtet worden. Die beidseitige Schwerhörigkeit und die vorhandenen Ohrgeräusche seien mit einem GdB von 10 hinreichend gewürdigt. Unter Berücksichtigung der Tabelle nach Boenninghaus und Röser (1973) zur Ermittlung des prozentualen Hörverlustes aus den Werten der sprachaudiometrischen Untersuchung habe sich ein Wert für das rechte Ohr von 30% und für das linke Ohr von 20% ergeben. Hieraus ergebe sich der berücksichtigte Teil-GdB von 10. Hinsichtlich der Ohrgeräusche hätten sich aus den vorliegenden Unterlagen keine Anhaltspunkte für erhebliche psychovegetative Begleiterscheinungen ergeben. Die weiteren Behinderungen, der Verschluss der Tränenwege rechts mit Tränenträufeln, die Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks, die Restbeschwerden nach Kieferhöhlen-Operation und die Kunstlinse rechts seien jeweils nicht mit einem Teil-GdB von mehr als 10 zu berücksichtigen. Weitere GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigungen seien nicht ersichtlich. Aus den genannten Teil-GdBs sei ein Gesamt-GdB von 40 seit dem 25.05.2015 zu bilden.
Der Kläger hat am 24.10.2019 gegen den am 25.09.2019 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, vorliegend hätte eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht ergehen dürfen, da er sich hiermit nicht einverstanden erklärt habe, sondern die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt habe. Innerhalb der mündlichen Verhandlung hätten insbesondere die widersprüchlichen Bewertungen der beiden Sachverständigen C und D in deren Gutachten diskutiert werden müssen. Auch materiell-rechtlich sei die Entscheidung rechtswidrig. Die vorliegenden Gutachten würden jeweils an dem Mangel leiden, dass sie die beim Kläger vorherrschenden Gesamtbeschwerden nur unzureichend berücksichtigen würden. Das SG habe es versäumt, eine gebotene weitere Aufklärung im Hinblick auf die vorgenannten Mängel der gegenständlichen Gutachten durchzuführen. Insbesondere im Hinblick auf das Gutachten von C hätte sich das SG gedrängt fühlen müssen, sich weitergehend mit dem Einwand des Klägers auseinanderzusetzen, dass eine medizinische Untersuchung des Klägers bei der stattgefundenen Begutachtung nur oberflächlich bzw. zu einem Teil gar nicht stattgefunden habe. Das SG habe sich auch nicht ausreichend mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass beim Kläger eine Gefäßschlinge links festgestellt worden sei, welche einen Nervenkontakt im inneren Gehörgang verursache. Hier habe der Kläger weitere Aufklärung des Sachverhalts durch Einholung eines Neurologisch-HNO-ärztliches Gutachten beantragt. Das SG sei den Beweisanträgen des Klägers nicht nachgegangen. Schließlich sei aus dem Gerichtsbescheid nicht ersichtlich, wie das SG zu dem angenommenen Gesamt-GdB von 40 gekommen sei. Im Berufungsverfahren sei eine weitere Aufklärung des medizinischen Sachverhalts notwendig.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13.09.2019 sowie den Bescheid vom 20.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung i.H.v. mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat von Amts wegen ein HNO-fachärztliches Gutachten bei H in Auftrag gegeben. In seinem Gutachten vom 16.07.2020 aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers am selben Tag gelangte H zu dem Ergebnis, dass beim Kläger auf HNO-ärztlichem Fachgebiet eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit im Hochtonbereich beiderseits, ein hochfrequentes Ohrgeräusch, eine intermittierende Schwindelsymptomatik sowie ein Zustand nach Kieferhöhlen- und Siebbeinausräumung mit Entfernung der Nasenmuschel rechts aufgrund eines Kieferhöhlen-Carcinoms, Stadium T4 mit leichter Schleimhauttrockenheit und Dysphagie bestehe. Ohrgeräusch und Schwerhörigkeit seien Funktionsbeeinträchtigungen, die sich überschneiden und integrativ zu werten seien. Es handele sich um eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit, eine leichtgradige Schwindelsymptomatik, eine leichte Rhino-Pharyngitis sicca sowie eine leichtgradige Dysphagie. Aus der Schwerhörigkeit beidseits mit Ohrgeräuschen resultiere ein GdB von 20, die Kieferhöhlenerkrankung bedinge nach Abschluss der Heilungsbewährung einen GdB von 10. Neu hinzugekommen sei seit dem Abhilfebescheid vom 16.11.2009 eine Schwindelsymptomatik, die unter Berücksichtigung der VMG einen GdB von 20 rechtfertige. Unter Berücksichtigung der außerhalb des HNO-Fachgebiets anerkannten Funktionsbehinderungen bzw. Gesundheitsstörungen sei der integrative Gesamt-GdB auf 50 einzuschätzen.
Unter dem 13.08.2020 hat W2 für den Beklagten versorgungsmedizinisch Stellung genommen. Der von H angegebene Teil-GdB von 20 für die Schwerhörigkeit und den Tinnitus könne übernommen werden. Der bisherige Teil-GdB von 20 für den Schwindel sei bestätigt worden, allerdings sei auch weiterhin daran festzuhalten, dass dieser nicht voll ausgefüllt sei. Im Rahmen der aktuellen Untersuchung des Klägers sei kein sicheres hinweisendes pathologisches Korrelat auf HNO-Fachgebiet gefunden worden. Hier sei für die Bewertung des Schwindels auf die subjektiven Angaben des Klägers abgestellt worden. Der Gesamt-GdB sei weiterhin mit 40 zu bewerten.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid vom 20.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat den GdB zu Recht auf 40 herabgesetzt. Der Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
1. Insbesondere begegnet die Vorgehensweise des SG, durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG zu entscheiden, keinen rechtlichen Bedenken. Gemäß § 105 Abs. 1 SGG kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören.
Tatsächliche Schwierigkeiten vermag der Senat im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu erkennen, insbesondere hat das SG seiner Amtsermittlungspflicht im Sinne von § 103 SGG genüge getan.
Ein Sachverhalt ist grundsätzlich nur dann als geklärt anzusehen, wenn ein verständiger Prozessbeteiligter in Kenntnis des gesamten Prozessstoffes keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des vom Gericht zugrunde gelegten entscheidungserheblichen Sachverhaltes haben wird (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Oktober 2017, L 13 SB 40/17, Rn. 20, juris). Das SG hat alle entscheidungserheblichen Tatsachen ermittelt, indem es sachverständige Zeugenauskünfte bei den behandelnden Ärzten des Klägers eingeholt hat und darüber hinaus von Amts wegen ein Gutachten sowohl auf neurologischem Fachgebiet (C) als auch auf orthopädischem Fachgebiet (S1) in Auftrag gegeben hat. Schließlich hat es ein weiteres Gutachten von Amts wegen auf dem HNO-Fachgebiet (D) in Auftrag gegeben und hat damit insbesondere die vom Kläger angegebene Schwindelsymptomatik auf allen in Betracht kommenden medizinischen Fachrichtungen eingehend ermittelt. Von einer defizitären Vorgehensweise des SG kann nicht die Rede sein. Tatsächliche Schwierigkeiten lagen mithin im Sinne von § 105 Abs. 1 SGG nicht vor. Auch der Kläger selbst bemängelt nicht etwa die ungenügende Sachaufklärung durch medizinische Ermittlungen, sondern stellt in seiner Begründung maßgeblich darauf ab, dass die Gutachter zu widersprüchlichen Ergebnissen gekommen seien, die durch das SG weiter hätten aufgeklärt werden müssen. Dies ist aber eine Frage der Beweiswürdigung und obliegt dem Gericht (§ 128 Abs. 1 SGG).
Besondere rechtliche Schwierigkeiten im Sinne von § 105 Abs. 1 SGG liegen vor, wenn der Fall komplizierte Rechtsfragen aufwirft, die höchstrichterlich noch nicht entschieden sind (vgl. Schmidt in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 13. Auflage 2020, § 105, Rn. 6 ff.). Besondere rechtliche Schwierigkeiten liegen auch dann vor, wenn es um die Auslegung und Anwendung vom bisherigen Rechtszustand abweichender neuer Rechtsnormen geht, die höchstrichterlich nicht geklärt sind, ferner, wenn das SG von einer Entscheidung des LSG, des BSG oder des Gemeinsamen Senates abweichen will (Schmidt, a.a.O., Rn. 6b). Insoweit ist auf den entscheidungserheblichen Sachverhalt abzustellen. Besondere rechtliche Schwierigkeiten vermag der Senat im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu erkennen, solche wurden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
Wenn die Voraussetzungen des § 105 SGG vorliegen, entscheidet das Gericht nach Ermessen, ob es einen Gerichtsbescheid erlassen oder mündlich verhandeln will (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage, § 105 Rdnr. 9). Die Ermessensentscheidung des Sozialgerichts kann im Berufungsverfahren nur eingeschränkt überprüft werden (vgl. Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 105 SGG (Stand: 21.12.2020), Rn. 36). Ermessensfehler vermag der Senat keine zu erkennen. Dabei ist zu beachten, dass der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten wurde. Auch hat das SG seiner Fürsorgepflicht durch die rechtzeitige vorherige Anhörung der Beteiligten Genüge getan. Das Einverständnis der Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid muss nicht vorliegen (vgl. Burkiczak, a.a.O., Rdnr. 40).
2. Rechtsgrundlage für die Herabsetzung des GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 ff.). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Einzel- oder Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss damit durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Rechtsgrundlage für die Feststellung des GdB ist § 2 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der für die Zeit bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung durch das Gesetz vom 09.06.2001 (BGBl. I S. 1046) und in der für die Zeit ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung durch Art. 1 des Gesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. S. 3234) in Verbindung mit § 69 SGB IX in der für die Zeit bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung durch das Gesetz vom 07.01.2015 (BGBl. II S. 15) und in der für die Zeit vom 30.12.2016 bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung durch Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) beziehungsweise in Verbindung mit § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX in der für die Zeit ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung durch Art. 1 des Gesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. S. 3234). Im Hinblick auf die den vorliegend zu beurteilenden Zeitraum betreffenden unterschiedlichen Gesetzesfassungen sind diese - da Übergangsregelungen fehlen - nach dem Grundsatz, dass sich die Entstehung und der Fortbestand des sozialrechtlichen Anspruchs auf Leistungen nach dem Recht zu beurteilen ist, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat (BSG, Urteil vom 04.09.2013, B 10 EG 6/12 R, juris; vergleiche Stölting/Greiser in SGb 2015, 135-143), für die jeweiligen Zeiträume, für die sie galten beziehungsweise gelten, anzuwenden.
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können, wobei eine Beeinträchtigung in diesem Sinne vorliegt, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der vom 30.12.2016 bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt ergänzend, dass der GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung festgestellt wird. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung, nach § 69 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der vom 30.12.2016 bis zum 31.12.2017 beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung hierbei nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.
Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der vom 30.12.2016 bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 153 Abs. 2 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt diese Ermächtigung für die allgemeine - also nicht nur für die medizinische - Bewertung des GdB und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen sowie auch für die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden. Indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise § 241 Abs. 5 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung, dass - soweit eine solche Verordnung nicht erlassen ist - die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 2904), 14.07.2010 (BGBl. I S. 928), 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), 28.10.2011 (BGBl. I S. 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris). Nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. c ist bei der Bildung des Gesamt-GdB in der Regel von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und sodann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. d, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es danach vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Außerdem sind nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind.
Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).
2. Nach diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf einen GdB von weiterhin 100. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der im gerichtlichen Verfahren durchgeführten Beweiserhebung, insbesondere aufgrund des vom Senat eingeholten Gutachtens des Facharztes für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde H vom 16.07.2020 sowie der bereits durch das SG eingeholten Gutachten auf neurologischem Fachgebiet von C vom 06.02.2017, auf orthopädischem Fachgebiet von S1 vom 27.04.2017 sowie auf HNO-ärztlichem Fachgebiet von D vom 28.07.2017 fest.
a. Beim Kläger im Vordergrund stehen die Funktionsbeeinträchtigungen auf dem HNO-ärztlichen Fachgebiet. Hier besteht eine beiderseitige Schwerhörigkeit einhergehend mit einem Tinnitus aurium (Ohrgeräusch). Der Senat entnimmt dem Gutachten von H einen prozentualen Hörverlust im Rahmen der durchgeführten Tonaudiometrie von 45 % rechts und 45 % links. Die ebenfalls bei der Begutachtung des Klägers durch H durchgeführte Sprachaudiometrie ergab ein gewichtetes Gesamtwortverstehen von 40 % rechts und 40 % links. Unter Berücksichtigung dieser von ihm erhobenen Messwerte ist dem Gutachter H darin zu folgen, dass die beiderseitige Schwerhörigkeit mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten ist.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass zur Bewertung des Hörverlustes nach anerkannter Wissenschaft insbesondere das Sprachaudiogramm anhand des Freiburger Tests heranzuziehen ist. Nach der Tabelle von Boenninghaus/ Röser (1973) besteht im Falle des Klägers nach den von H erhobenen Daten ein Gesamtwortverstehen von beidseits 40 %. Unter Berücksichtigung der Tabelle zur Ermittlung des GdB aus den Schwerhörigkeitsgraden für beide Ohren in den VMG, Teil B Nr. 5.2.4 erwächst hieraus ein Teil-GdB für die beiderseitige Hörminderung von 20.
Demgegenüber bedingt das beiderseitige Ohrgeräusch nach den VMG, Teil B Nr. 5.3 keinen eigenständigen Teil-GdB von wenigstens 10. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen H ergibt sich weder aus den von ihm erhobenen Befunde noch aus der vorliegenden Aktenlage ein relevanter Belästigungsgrad. Im Rahmen der von H durchgeführten Anamnese ist das Ohrgeräusch vom Kläger erst nachgeordnet erwähnt worden. Schlafstörungen wurden nicht berichtet, ebenso wenig psychovegetative Begleiterscheinungen oder sonstige Einschränkungen der Lebensqualität. Dies deckt sich auch mit den von D dargelegten Einlassungen des Klägers in seinem Gutachten vom 28.07.2017 sowie der durch das SG eingeholten sachverständigen Zeugenauskunft des HNO-Arztes M vom 01.08.2016.
b. Die Folgen der Tumor-Behandlung bedingen nach den überzeugenden Ausführungen von H, denen sich der Senat anschließt, lediglich einen Teil-GdB von 10. Bei der gutachterlichen Untersuchung stellte H trockene und leicht gerötete Nasen- und Rachenschleimhäute bei Zustand nach ausgedehnter Kieferhöhlen- und Siebbein-Operation mit Entfernung der Nasenmuschel aufgrund eines Plattenepithel-Carcinoms in der rechten Kieferhöhle fest. Zwar bedingt nach H die trockene und verborkte Nasenschleimhaut eine regelmäßige Pflege, das nach dem Vorbringen des Klägers vermehrt auftretende Nasenbluten mit regelmäßiger Verödung der Blutungsquelle lässt sich jedoch der umfangreichen Aktenlage nicht entnehmen, vielmehr lässt sich dieser entnehmen, dass das Nasenbluten jeweils suffizient mit konservativen Maßnahmen behandelt werden konnte. Geruchsstörungen wurden vom Kläger bei der Untersuchung durch H keine angegeben. Aus der Aktenlage lässt sich auch keine vermehrt auftretende Entzündung der Nase/Nasennebenhöhlen entnehmen. Lediglich die Flüssigkeitsaufnahme ist leicht gestört, da nach der Tumor-Therapie der Rachenschluss beim Schluckakt laut H nicht mehr vollständig möglich ist. Zusammenfassend stellt der Senat fest, dass die jetzt noch nach der Heilungsbewährung vorliegenden feststellbaren Funktionsstörungen nach der Therapie des Kieferhöhlen-Carcinoms im Stadium T4 nach den VMG einen Teil-GdB von 10 bedingen aufgrund der bestehenden Schluckstörungen (VMG, Teil B Nr. 7.7).
c. Für die vom Kläger angegebene Schwindelsymptomatik folgt der Senat ebenfalls den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen H, der hier zu einem Teil-GdB von 20 gelangt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Schwindelsymptomatik im Rahmen der breit angelegten Testbatterie im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung keinem sicheren pathologischen Korrelat auf dem HNO-Fachgebiet zugeordnet werden konnte. Dies deckt sich auch mit der Untersuchung durch D in seinem vom SG erstinstanzlich in Auftrag gegebenen Gutachten. Auch der behandelnde M konnte die Symptomatik nicht zuordnen. Die Beschwerdeschilderung des Klägers einerseits und die von H erhobenen objektiven Befunde weisen eine Diskrepanz auf. Die durchgeführten vestibulo-cochleären Untersuchungen zeigten allesamt Befunde im Normbereich ohne Hinweis auf eine Störung im peripheren Vestibular-Apparat. Auch der vom SG beauftragte Gutachter auf neurologischem Fachgebiet C wies auf eine wesentliche Abweichung demonstrierter Auffälligkeiten in der körperlichen Untersuchung von den objektivierbaren Defiziten hin. Gleichwohl bestehen keine Zweifel an den vom Kläger berichteten Schwindelerscheinungen. Die Aktenlage zeigt eindeutig, dass diese Symptomatik seit der Kieferhöhlen-Carcinom-Behandlung immer wieder Gegenstand ärztlicher Untersuchungen war. So begab sich der Kläger in die Behandlung von Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen und suchte auch die Praxis von S2 auf, der die Schwindelsymptomatik auf eine Gefäßschlinge links mit möglichem Kontakt zum N. statoacusticus zurückführte. Da im Bereich des Schwerbehindertenrechts die Kausalitätsfrage nicht zu stellen ist und es letztlich auf die tatsächlich bestehenden Funktionsstörungen ankommt, kann die Ursache der Schwindelsymptomatik dahingestellt bleiben.
Nach den VMG, Teil B Nr. 5.3 sind Gleichgewichtsstörungen mit leichten Folgen (leichte Unsicherheit, geringe Schwindelerscheinungen wie Schwanken, Stolpern, Ausfallschritte bei alltäglichen Belastungen, stärkere Unsicherheit und Schwindelerscheinungen bei höheren Belastungen, leichte Abweichungen bei den Geh- und Stehversuchen erst auf höherer Belastungsstufe) mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Ein GdB von 30 kommt erst bei mittelgradigen Folgen (stärkere Unsicherheit, Schwindelerscheinungen mit Fallneigung bereits bei alltäglichen Belastungen, heftiger Schwindel mit vegetativen Erscheinungen, gelegentlich Übelkeit, Erbrechen bei höheren und außergewöhnlichen Belastungen, deutliche Abweichungen bei den Geh- und Stehversuchen bereits auf niedriger Belastungsstufe) in Betracht.
Nach diesen Maßstäben ist der Teil-GdB von 20 für die Schwindelsymptomatik mit regelmäßig auftretenden, intermittierenden Schwindelattacken angemessen und sachgerecht. Mittelgradige Beschwerden kann der Senat aufgrund der vorliegenden medizinischen Gutachten nicht feststellen.
d. Im Funktionssystem Rumpf, zu dem auch die Wirbelsäule gehört, stellt der Senat in Anschauung der vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere des Gutachtens auf neurologischem Fachgebiet von C und des Gutachtens auf orthopädischem Fachgebiet von Seinen Teil-GdB von 20 fest.
Nach Teil B 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.
Unter Berücksichtigung der von C in seinem Gutachten vom 06.02.2017 und der von S1 in seinem Gutachten vom 27.04.2017 mitgeteilten Diagnosen und Befunde vermag der Senat die Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule allenfalls mit einem GdB von 20 zu bewerten. Bei Zustand nach einer zweimaligen Bandscheiben-Operation bestehen eine residuale sensomotorische Wurzelläsion L5 rechts mit leichtgradiger Fuß- und Zehenheberschwäche sowie intermittierende Lumboischialgien. Dies führt nach den oben genannten Gutachten zu einer leichten Gangunsicherheit, wobei sowohl C als auch Sausgeführt haben, dass die Gangunsicherheit nur teilweise durch die orthopädischen/ neurologischen Erkrankungen im Bereich der Lendenwirbelsäule zu erklären ist und vielmehr die Gangunsicherheit auf die Schwindelsymptomatik zurückzuführen ist. Da die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule aufgrund der operierten Bandscheibenschädigungen für sich betrachtet nur leichtgradig sind, ist der Teil-GdB von 20 hier ausreichend und auch im Hinblick der VMG sachgerecht.
e. Ausgehend von den vorliegenden medizinischen Unterlagen stellt der Senat darüber hinaus beim Kläger im Funktionssystem der unteren Extremitäten einen Teil-GdB von 10 fest. Dieser resultiert aus einer Teillähmung des rechten Wadenbeinnervs (Polyneuropathie) mit einer damit einhergehenden Gebrauchseinschränkung des rechten Beines. C hat die Polyneuropathie ursächlich auf die Chemotherapie des Kieferhöhlen-Carcinoms zurückgeführt und im Hinblick auf die von ihm bei der klinischen Untersuchung des Klägers erhobenen Befunde als leichtgradig klassifiziert. Dabei wies C darauf hin, dass bei der körperlichen Untersuchung demonstrierte Auffälligkeiten bestanden, die nicht objektivierbar waren. Die angegebene Sensibilitätsstörung am gesamten rechten Bein, die wechselnde Innervation der Muskulatur am rechten Bein sowie das sofortige Fallenlassen der Extremitäten im Halteversuch konnten morphologisch nicht begründet werden. Damit vereinbar konnte keine Atrophie der Muskulatur festgestellt werden, wie sie bei höhergradigen persistierenden muskulären Lähmungen üblich ist.
Der bisher angenommene Teil-GdB von 30 für die Teillähmung des rechten Wadenbeinnervs (Polyneuropathie) mit einhergehender Gebrauchseinschränkung des rechten Beins ist nach Ansicht des Senats vor dem Hintergrund der nur leichtgradigen Funktionseinschränkung überhöht. Die Polyneuropathie bedingt für sich betrachtet lediglich einen Teil-GdB von 10. Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass die Fuß- und Zehenheberschwäche bereits in dem Teil-GdB von 20 für das Funktionssystem Rumpf mitberücksichtigt ist und hier laut C eine erhebliche funktionelle Überlagerung besteht.
f. Die übrigen beim Kläger vorliegenden Funktionsstörungen (Verschluss der Tränenwege rechts mit Tränenträufeln, eingepflanzte Kunstlinse rechts, Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks) sind nach Aktenlage jeweils mit einem Teil-GdB von 10 auch im Hinblick auf die VMG sachgerecht bewertet. Anhaltspunkte, die zu einer Abweichung der bisherigen Bewertung führen sind nicht ersichtlich.
Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere die bereits vom SG eingeholte Gutachten von C, S1 und D sowie das vom Senat eingeholte Gutachten von H haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 30, 40 oder 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich des Gehörs, 20 für die Schwindelsymptomatik sowie von 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen, die nach der Heilungsbewährung des Kieferhöhlen-Carcinoms als Restbeschwerden verblieben sind. Darüber hinaus besteht jeweils ein Teil-GdB von 10 für die Polyneuropathie, den Verschluss der Tränenwege, die eingepflanzte Kunstlinse rechts und die Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks. Damit konnte der Senat nicht feststellen, dass die beim Kläger nach Eintritt der Heilungsbewährung vorliegenden Funktionsstörungen einen höheren Gesamt-GdB als 40 rechtfertigen. Dass der Gesamt-GdB des Klägers zutreffend mit 40 einzuschätzen ist, ergibt sich auch daraus, dass bei der Bemessung des Gesamt-GdB ein Vergleich mit anderen schwerwiegenden Erkrankungsbildern anzustellen ist. Denn nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b sind bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind. So ist ein GdB von 50 beispielsweise nach den VG, Teil B, Nr. 18.14 bei Verlust eines Beines im Unterschenkel bei genügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke anzunehmen. Hinter einer solchen gravierenden Funktionsbehinderung bleiben die beim Kläger dokumentierten Einschränkungen zurück (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. Februar 2017, L 3 SB 2093/16, Rn. 42, juris). Im Übrigen ist es auch bei Vorliegen mehrerer Teil-GdB-Werte von 20 nicht automatisch gerechtfertigt, auf einen Gesamt-GdB von 50 zu schließen. Eine solche Wertigkeit kommt den vom Verordnungsgeber als leichte Behinderungen eingestuften Funktionseinschränkungen in der Regel nicht zu (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Januar 2014, L 8 SB 211/13, Rn. 34, juris).
Die Berufung war daher in vollem Umfang zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.