L 8 BA 546/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 BA 1756/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 BA 546/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 28.12.2020 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

Der Streitwert wird endgültig auf 2.236,00 € festgesetzt.



Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Nachforderung von Pauschalbeiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Der Kläger war als Steuerberater selbständig tätig. Er beschäftigte ab dem 01.04.2013 den Beigeladenen zu 1)  mit einem Arbeitsentgelt von monatlich 400 € als Hausmeister.

Die Beklagte führte 2017 eine Betriebsprüfung bei dem Kläger durch. Mit Schreiben vom 25.10.2017 hörte sie den Kläger sodann zu einer beabsichtigten Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung an. Sie führte darin u.a. aus, dass für den Beigeladenen zu 1) keine Pauschalbeiträge zur Krankenversicherung entrichtet worden seien. Ein Nachweis über das Vorliegen einer privaten Krankenversicherung sei nicht vorgelegt worden.

Das Lohnbüro des Klägers (Büroservice Z) legte hierauf für den Kläger noch Jahreslohnkonten und Lohnjournale sowie Anträge auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht u.a. für den Beigeladenen zu 1) vor. Weitere Unterlagen seien nicht vorhanden.

Mit Bescheid vom 14.12.2017 stellte die Beklagte eine Nachforderung in Höhe von 2.251,60 € fest. Der Beigeladene zu 1) sei in der Zeit vom 01.04.2013 bis 31.12.2016 im Rahmen einer geringfügig entlohnten Beschäftigung bei dem Kläger tätig geworden. Ein Nachweis über das Vorliegen einer privaten Krankenversicherung sei nicht vorgelegt worden. Daher seien Pauschalbeiträge zur Krankenversicherung zu entrichten. Nach der Anlage zu dem Bescheid wurden für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis 31.08.2014 und für den Zeitraum vom 01.11.2014 bis 31.12.2016 jeweils 400 € monatlich mit einem Beitragssatz von 13% verbeitragt. Insgesamt ergaben sich hieraus Beiträge in Höhe von 2.236 €. Der restliche Betrag von 15,60 € entfiel auf die Beschäftigung einer anderen Mitarbeiterin.

Der Kläger legte hiergegen am 20.12.2017 Widerspruch ein, da die „Besteuerung“ des Beigeladenen zu 1) mit Sozialversicherungsbeiträgen unrichtig bearbeitet worden sei. Er wies hierzu auf den Antrag auf Befreiung des Beigeladenen zu 1) von der Rentenversicherungspflicht hin. Die Art der Prüfung sei auch verwerflich, da man eine Abgabenpflicht viel früher hätte feststellen können.

Mit Bescheid vom 28.12.2017 lehnte die Beklagte die zugleich beantragte Aussetzung der Vollziehung ab.

Der Kläger hielt mit Schreiben vom 20.01.2018 an seinem Widerspruch fest. Die Ausweitung des Sozialversicherungsbeitrages bei dem Beigeladenen zu 1) sei im Kern eine Lohnsummensteuer, da er ein Einkommen über der Rentenversicherungsgrenze beziehe und ihm eine Abgabenpflicht nichts bringe. Deshalb habe er die Befreiung beantragt.

Die Beklagte wies den Kläger noch darauf hin, dass bezüglich des Beigeladenen zu 1) kein Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung nacherhoben worden sei. Vielmehr seien Pauschalbeiträge zur Krankenversicherung nicht abgeführt worden, weil keine Mitgliedschaft in einer privaten Krankenversicherung nachgewiesen worden sei.

Nach telefonischer Auskunft der Techniker-Krankenkasse war der Beigeladene zu 1) dort freiwillig krankenversichert.

Der Kläger führte noch aus, dass der Beigeladene zu 1) bereits seit Jahren als Verfahrensingenieur in der Automobilindustrie über 60.000 € im Jahr verdiene und freiwillig sozialversichert sei. Die Belastung mit weiteren Krankenkassenbeiträgen sei daher eine unzulässige Sonderabgabe. Wäre der Beigeladene zu 1) privat krankenversichert, werde man von der zusätzlichen Krankenkassenlast befreit. Der Kläger hat sodann noch ausgeführt, dass es sich dabei aus seiner Sicht als im Staats-Abgabenrecht promovierter „Abgabentheoretiker“ auch bereits um keinen Beitrag – der mit einer Gegenleistung für den Bürger verbunden sei – handele, sondern um eine Pauschalzusatzsteuer.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.2018 wies der Widerspruchausschuss der Beklagten u.a. den Widerspruch betreffend des Beigeladenen zu 1) zurück. Zur Begründung führte er aus, dass der Beigeladene zu 1) gesetzlich krankenversichert sei. Somit seien unter Anwendung des bestehenden Rechts (§ 249b SGB VI) auf das Arbeitsentgelt aus der geringfügigen Beschäftigung 13% Pauschalbeiträge zur Krankenversicherung zu entrichten.

Der Kläger hat am 06.04.2018 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat sich darin aus grundsätzlichen Erwägungen heraus gegen die Belastung mit den Pauschalbeiträgen für die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) gewandt. Hinsichtlich der verbliebenen Rentenbeiträge für die andere Arbeitnehmerin werde er aus Bagatell-Gründen nichts unternehmen. Er hat ausgeführt, dass es sich bei den Pauschalbeiträgen um die Erhebung allgemeiner Abgaben handele. Anders als bei der Befreiung von der zusätzlichen Last von Rentenversicherungsbeiträgen sei für die Befreiung von den zusätzlichen Krankenkassenbeiträgen kein Formular bereitgestellt worden. Die Erhebung der Krankenkassenbeiträge sei bereits nicht vertretbar, weil der Abgabenschuldner nicht die versicherte Person sei. Zudem liege eine gegen das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes verstoßende Ungleichbehandlung vor, da bei einem privat krankenversicherten Arbeitnehmer keine zusätzlichen Krankenkassenbeiträge zu zahlen seien. Wer wie ein Beamter die Sozialversicherung nicht finanziere, erhalte noch eine weitere Befreiungsklausel bei der Krankenkassenpauschale. Noch unverständlicher sei, dass diese „Beiträge“ auch bei einem freiwillig krankenversicherten Arbeitnehmer anfielen, der bereits höchste Krankenversicherungsbeiträge bezahle. Es handele sich damit neben den Arbeitgeberbeiträgen um eine weitere Lohnsummensteuer für den Arbeitgeber bzw. um eine fiskalisch orientierte Zwecksteuer zur Finanzierung eines aufgeblähten Krankenkassenfonds, der zum Selbstbedienungsladen für zahlreiche Bevölkerungsgruppen geworden sei. Der Zusatzkassenbeitrag könne zudem auch nicht als Sonderausgabe des Abgabepflichtigen berücksichtigt werden. Der Kläger hat sodann noch grundsätzliche Anmerkungen zu einem aus seiner Sicht bestehenden „Fiskalfaschismus“ ausgeführt, in dem die ohne Abzug von Werbungskosten von dem Bruttolohn erhobenen Beiträge zu keiner direkten Äquivalenz zu einem zusätzlichen Nutzen stünden. Auch wenn das BSG die Krankenversicherungsbeiträge für zulässig erklärt habe, so müsse man dies in Anbetracht der Milliardenüberschüsse in den Sozialversicherungskassen und des von den Krankenkassen auch bezahlten „Unfugs“ und der Plünderung der Sozialkassen bezweifeln. Die in § 249b SGB VI vorgenommenen Befreiungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen seien Ausdruck eines Denkens im Ständestaat. Die Mini-Jobber dafür doppelt und dreifach zu Beiträgen heranzuziehen, sei nicht verhältnismäßig. Denn diese arbeiteten fast immer nur wegen einer Einkommens-Notsituation und nicht aus persönlicher Dankbarkeit wie der Beigeladene zu 1).

In einem Exkurs hat der Kläger noch auf eine von ihm als Konzentrat seiner Habilitationsschrift (die nicht akzeptiert worden sei) erstellte Übersicht zum Allgemeinen Abgabensystem und zu den verschiedenen Arten von Beiträgen (Bl. 5/8, 11/17, 52/54 der SG-Akte) und auf seine Kurzabhandlung über eine Entscheidung des BVerfG zu dem Rundfunkbeitrag (Bl. 25/27 und 29/31 der SG-Akte) verwiesen.

Die Beklagte ist der Klage unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 25.01.2006 (B 12 KR 27/04 R) entgegengetreten. Das BSG habe dort erklärt, dass die Erhebung des pauschalen Krankenversicherungsbeitrages für geringfügig entlohnte Arbeitnehmer mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Das Gesetzesrecht sei in dem angefochtenen Bescheid zutreffend angewendet worden. Die Beklagte hat zudem ausgeführt, dass die Schlechterstellung von Arbeitgebern, die keinen Pauschalbeitrag zu leisten hätten, durch sachliche Gründe gerechtfertigt sei. Damit sei sichergestellt, dass Arbeitgeber Pauschalbeiträge nur für solche Arbeitnehmer zu zahlen hätten, die bereits in den Schutz der GKV einbezogen seien. Dass aus dem beitragspflichtigen geringfügigen Beschäftigungsverhältnis keine leistungsbegründende Mitgliedschaft erwachsen und damit zu erbringende Leistungen der Krankenversicherung im engeren Sinne nicht als Gegenleistung für den Pauschalbeitrag erschienen, gebiete keine Gleichbehandlung mit Nichtversicherten. Im Hinblick auf die durch Sachleistungen geprägte Struktur der GKV bestünden gegen die Beitragsbelastung des Arbeitgebers ohne anwartschaftsbegründende Wirkung keine Bedenken. Denn ein Versicherter erhalte auch bei mehreren mehr als nur geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen stets denselben Krankenversicherungsschutz, so dass er für die von ihm und seinem Arbeitgeber zu tragenden Beiträgen für das zweite und jedes weitere Beschäftigungsverhältnis keinen weitergehenden Anspruch erhalte. Die möglicherweise fehlende Äquivalenz zwischen Beiträgen und Leistungen sei auch dadurch entschärft, dass die Beiträge hier alleine von dem Arbeitgeber zu tragen seien. Für die Erhebung des Pauschalbeitrags gebe es auch sachliche Gründe. Es sei aus Gründen der Beitragsgerechtigkeit angemessen, Arbeitgeber geringfügig Beschäftigter an den Kosten des Gesundheitsschutzes ihrer versicherten Arbeitnehmer zu beteiligen, der bisher ausschließlich von dem Arbeitgeber der Hauptbeschäftigung bzw. von dem Versicherten selbst finanziert worden sei. Auf diese Weise würden schließlich Wettbewerbsverzerrungen vermieden, weil die Nutzung der Möglichkeit, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse einzugehen, für Arbeitgeber dieser Beschäftigungen nicht mehr zu weiteren Vorteilen führe.

Mit Beschluss vom 10.10.2018 hat das SG den betroffenen Arbeitnehmer sowie die DRV Knappschaft-Bahn-See als Krankenkasse beigeladen.

Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 28.12.2020 abgewiesen. Die Beklagte habe § 249b SGB VI zutreffend angewandt, da der Beigeladene zu 1) in dem beanstandeten Zeitraum bei einem Arbeitsentgelt von 400 € monatlich eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt habe. In seiner Hauptbeschäftigung sei der Beigeladene freiwillig krankenversichert gewesen. Eine Mitgliedschaft bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen habe nicht vorgelegen. Die Kammer teile die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen die pauschale Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen im Rahmen von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen nicht. Die Kammer schließe sich insoweit den – in dem Gerichtsbescheid auszugsweise wiedergegebenen – Ausführungen des Bundessozialgerichts in dem Urteil vom 25.01.2006 – B 12 KR 27/04 R) an. Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 20.01.2021 zugestellt worden.

Der Kläger hat am 12.02.2021 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.

Er hat hierzu sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Die pauschalierten Abgaben an die Sozialkassen dienten ebenso wie die pauschalierten Steuerabgaben an erster Stelle dem Zweck, klassische Einnahmen zu erzielen. Gutschriften oder Gegenleistungen seien damit nicht verbunden. Zudem müsse der sogenannte Minimax-Grundsatz gelten. Denn wenn ein Arbeitnehmer sich aufgrund seiner Einkommensverhältnisse von der GKV befreien lassen könne, müsse dies ihm auch in Teilbereichen möglich sein. Dass die Äquivalenz zwischen Beiträgen und Leistungen nach Auffassung der BSG bzw. der Beklagten „möglicherweise“ nicht bestehe, zeige, dass dort etwas nicht passe. Das Geldvolumen, das für einen Minijobber bereitgestellt werde, wolle dieser lieber bei sich sehen als in einer undurchsichtigen Kasseneinrichtung. Der Grundsatz des „do-ut-des“ werde dadurch beeinträchtigt, dass man einen Dritten zum Abgabenschuldner erkläre. Es handele sich um eine Lohnsummensteuer, da der Arbeitgeber nicht auf sein Einkommen, sondern auf einen Aufwand mit Lohnqualität zahle. Eine solche Steuer sei aber mit der Finanzverfassung im Grundgesetz nicht vereinbar. Die Beitragserhebung geschehe hier zudem im Übermaß. Die Belastung sei mit anderen Befreiungen von Belastungen nicht vereinbar und verstoße daher gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Daher seien die Befreiungsmöglichkeiten für die Rentenversicherungsbeiträge analog anzuwenden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei hier ebenso wie in einem Steuerstreitfall zu berücksichtigen. Der Kläger hat ferner auf eine Ausarbeitung zu Freibeträgen bei Veräußerungsgewinnen nach § 16 Abs. 4 EStG (Bl. 34/39 der Senatsakte), eine Ausarbeitung zur Typisierung verschiedener Zusatzabgaben (Bl. 40/42 der Senatsakte) und einen Schriftsatz vom 21.01.1997 in einem vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg geführten Verfahren um die Steuerpflicht von Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall (Bl. 43/50 der Senatsakte) verwiesen. Der Kläger hat sodann noch ausgeführt, dass ihm klar sei, dass die Erhebung von Krankenkassenbeiträgen auch auf das Einkommen geringfügig entlohnter Arbeitnehmer nach ständiger Rechtsprechung Bestand habe, wie dies das BSG mit Urteil vom 25.01.2006 entschieden habe. Er wolle aber im Einzelfall eine zumutbare Entscheidung bekommen, ob nach den Grundsätzen des Sozialversicherungsrechts dann, wenn eine gewisse Höchstgrenze der Bemessungsgrundlage bei einem Arbeitnehmer erreicht sei, sich diese Abgabengrenze auf alle Einkommensquellen des Arbeitnehmers beziehe. Der Gesetzgeber habe bei der Wohnungsbauprämie für 2021 erneut festgelegt, dass die Einkommensgrenze für Beamte geringer sei als für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Hieraus sei der elementare Grundsatz abzuleiten, dass man Beamte bei den allgemeinen Steuerlasten, wozu auch Wohnungsbauprämien rechneten, nicht begünstigen dürfe. Umgekehrt müsse daraus abgeleitet werden, dass man Steuerbürger bzw. Sozialversicherungs-Beitragszahler, die sowieso schon an der obersten Grenze der Abgabenlasten angekommen seien, nicht überfordern dürfe. Der Kläger hat auch darauf hingewiesen, dass der Beigeladene bei ihm gearbeitet habe, weil er (der Kläger) Herz- und Lungenprobleme habe und oft bis zu 16 Stunden am Tag im Bett oder auf dem Sofa liege. Er könne nicht mehr ohne Zwischenstopp seine Wohnung im 2. OG erreichen. Er verfüge über ein Einkommen von rund 1.000 € im Monat und müsse zugleich Höchstbeiträge zur GKV zahlen. Der Kläger hat zuletzt auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Besteuerung von Renten hingewiesen. Die mangelhafte Behandlung der (Beiträge zur) „Sozialen Rentenversicherung“, bei der es sich real um eine Zwangsanleihe handele, durch den BFH habe auch Bedeutung für den hier geführten Rechtsstreit, da es sich bei den Krankenversicherungsbeiträgen um eine Abgabe handele.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid vom 28.12.2020 aufzuheben sowie den Bescheid vom 14.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2019 insoweit aufzuheben, als darin wegen der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) ein Betrag von 2.236,00 € gefordert wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid, auf ihr Vorbringen im Klageverfahren sowie auf den Gerichtsbescheid.

Die Beigeladenen haben keine Sachanträge gestellt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie des erstinstanzlichen Verfahrens und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, ist gemäß §§ 143, 144 SGG auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 14.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2019 ist in dem hier angefochtenen Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 28.12.2020 ist daher nicht zu beanstanden.

Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zu Recht Beiträge in Höhe von 13% des Arbeitsentgeltes des Beigeladenen zu 1) aus seiner geringfügigen Beschäftigung bei dem Kläger erhoben. Der nach Betriebsprüfung und der erforderlichen Anhörung ergangene Bescheid beruht auf § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Im Rahmen der Betriebsprüfung war die Beklagte danach befugt, über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe durch Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger zu entscheiden.

Nach § 249b Satz 1 SGB V hat der Arbeitgeber einer Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buches für Versicherte, die in dieser Beschäftigung versicherungsfrei oder nicht versicherungspflichtig sind, einen Beitrag in Höhe von 13 vom Hundert des Arbeitsentgelts dieser Beschäftigung zu tragen. Für Beschäftigte in Privathaushalten nach § 8a Satz 1 des Vierten Buches, die in dieser Beschäftigung versicherungsfrei oder nicht versicherungspflichtig sind, hat der Arbeitgeber einen Beitrag in Höhe von 5 vom Hundert des Arbeitsentgelts dieser Beschäftigung zu tragen (Satz 2). Für den Beitrag des Arbeitgebers gelten der Dritte Abschnitt des Vierten Buches sowie § 111 Abs. 1 Nr. 2 bis 4, 8 und Abs. 2 und 4 des Vierten Buches entsprechend (Satz 3).

Der Beigeladene zu 1) war in dem Zeitraum vom 01.04.2013 bis 31.08.2014 und in dem Zeitraum vom 01.11.2014 bis 31.12.2016 für jeweils 400 € monatlich bei dem Kläger beschäftigt. Damit lag eine nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V in der GKV versicherungsfreie entgeltgeringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV vor. Eine Zusammenrechnung der geringfügigen Beschäftigung mit der nicht geringfügigen Hauptbeschäftigung des Beigeladenen zu 1) war hier nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV nicht vorzunehmen, da insoweit eine Ausnahme für eine bzw. die erste geringfügige Beschäftigung geregelt ist (Knospe in: Hauck/Noftz, SGB, § 8 SGB IV Rn. 62). Die Zusammenrechnung hatte darüber hinaus bezogen auf das SGB V auch deswegen nicht zu geschehen, weil eine Zusammenrechnung mit einer geringfügigen Beschäftigung danach nur erfolgt, wenn diese Versicherungspflicht begründet (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB V). In der Hauptbeschäftigung war der Beigeladene in der GKV wiederum zwar grundsätzlich versicherungspflichtig (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Er war aber versicherungsfrei, da sein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltsgrenze überstieg (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 SGB V). Die Versicherungsfreiheit in der geringfügigen Beschäftigung ergab sich daneben auch bereits aus § 6 Abs. 3 SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2006 – B 12 KR 27/04 R; Knospe, a.a.O. Rn. 58). Der Beigeladene war jedoch unstreitig nach § 9 SGB V in der GKV freiwillig versichert.

Bedenken gegen die konkrete Berechnung der Beiträge sind hier nicht vorgetragen worden oder anderweitig ersichtlich. Es lag auch keine Tätigkeit vor, die ausschließlich in einem Privathaushalt ausgeübt und die sonst gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts erledigt wurde (§ 8a SGB IV). Dagegen spricht bereits, dass die Lohnunterlagen für die Beschäftigung im Betrieb des Klägers geführt wurden und kein Haushaltsscheckverfahren nach § 28a Abs. 7, 8 SGB IV erfolgte. Die Unterlagen waren vielmehr Gegenstand der Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV. Der Kläger hat insoweit auch nichts geltend gemacht.

Die nach § 249b Satz 1 SGB V bestehende Beitragspflicht begegnet nach Auffassung des Senats keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Erhebung des pauschalen Krankenversicherungsbeitrags für geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer ist nach der Rechtsprechung des BSG mit dem Grundgesetz vereinbar (BSG, Urteil vom 25.01.2006 – B 12 KR 27/04 R –, in juris). Dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.

Das BSG hat dort unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG ausgeführt, dass es sich um eine Regelung des Beitragsrechts der GKV handelt, die sich nach § 249b Satz 1 SGB V sachlich-gegenständlich im Kompetenzbereich „Sozialversicherung“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) bewegt. Im Gesetzgebungsverfahren war die Erhebung des Pauschalbeitrags in diesem Zusammenhang von „Beschäftigten“ auf „Versicherte“ begrenzt worden. Hintergrund waren die im Gesetzgebungsverfahren vorgetragenen Bedenken, wonach es verfassungsrechtlich problematisch sei, Beiträge für Personen zu erheben, die keinen Anspruch auf die Sachleistungen der GKV haben (so etwa Sodan, NZS 1999, 105; vgl. Knospe in: Hauck/Noftz, SGB, § 8 SGB IV Rn. 62 unter Hinweis auf BT-Drucks. 14/441 S. 10, 34, 38). Mit der Änderung im Gesetzgebungsverfahren ist dem Einwand, es handele sich bei der Beitragsverpflichtung um außerhalb der Materie der Sozialversicherung stehende Sonderlasten ganz eigener Art, welche zu den herkömmlichen Finanzierungsformen der Sozialversicherung nicht passten (vgl. Sodan, NZS 1999, 105, 111), die Grundlage entzogen worden. Im Hinblick auf die bereits damals geäußerten Zweifel an einem kompetenzgerechten Verhalten des Bundesgesetzgebers hat das BSG zudem auch auf die Verwendung der Beiträge zur Finanzierung der GKV – damals noch für den Risikostrukturfonds – hingewiesen (BSG, Urteil vom 25.01.2006 – a.a.O.). § 28k Abs. 2 Satz 1 SGB IV (in der ab 01.01.2009 geltenden Fassung) ordnet nunmehr die Weiterleitung der Beiträge durch die Beigeladene zu 2) als zuständiger Einzugsstelle an den Gesundheitsfonds (§ 271 SGB V in den ab 01.01.2009 geltenden Fassungen, hier § 271 Abs. 1 Nr. 3 SGB V) an, so dass sich hieran im Ergebnis nichts geändert hat.

Dass die Beitragspflicht nur bei Beschäftigung von bereits in der GKV versicherten Personen besteht, ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Dadurch wird sichergestellt, dass Arbeitgeber Pauschalbeiträge nur für solche versicherungsfreien geringfügig Beschäftigten tragen, die bereits in den Schutz der GKV einbezogen sind und damit bei Krankheit grundsätzlich Leistungsansprüche haben. Da das Leistungsrecht der GKV von Sach- und Dienstleistungen geprägt ist (§§ 2 Abs. 2, 13 Abs. 1 SGB V), ergibt sich kein höherer Leistungsanspruch. Eine fehlende Äquivalenz zwischen Beiträgen und Leistungen ist im Hinblick auf die sachleistungsgeprägte Struktur der GKV und die Beitragstragung alleine durch den Arbeitgeber entschärft (BSG, Urteil vom 25.01.2006 – a.a.O.). Das BSG hat auch darauf hingewiesen, dass die Beteiligung des Arbeitgebers an den Kosten des Gesundheitsschutzes des versicherten Arbeitnehmers auch aus Gründen der Beitragsgerechtigkeit angemessen ist, da diese Kosten bisher ausschließlich von dem Arbeitgeber der Hauptbeschäftigung und/oder dem Versicherten selbst - oder dem Ehepartner und dessen Arbeitgeber - finanziert wurde. Auf diese Weise werden schließlich Wettbewerbsverzerrungen vermieden, weil die Nutzung der Möglichkeit, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse einzugehen, für Arbeitgeber dieser Beschäftigungen nicht mehr zu Vorteilen führt (BSG, Urteil vom 25.01.2006 – a.a.O.; ebenso etwa Propp in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 249b SGB V Rn. 46). Die Beseitigung der früheren Beitragsfreiheit wurde daher vom Gesetzgeber aus arbeitsmarktpolitischen Gründen und aus Gründen der Wettbewerbsneutralität als erforderlich angesehen (vgl. BT-Drucks. 14/280 S. 10). Eine mögliche Wettbewerbsverzerrung zugunsten der Beschäftigung von nicht versicherten Personen (etwa Beamten) wurde von dem BSG durchaus gesehen, im Hinblick auf den verschwindend geringen Personenkreis aber nicht für durchgreifend gehalten (BSG, Urteil vom 25.01.2006 – a.a.O.).

Der Senat schließt sich wie bereits das SG dieser Rechtsprechung des BSG nach eigener Prüfung an. Die umfangreichen Ausführungen des Klägers betreffen weitgehend Aspekte, die bereits im Gesetzgebungsverfahren gesehen und von dem Gesetzgeber und sodann von dem BSG in seinem Urteil berücksichtigt wurden. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich insbesondere um einen Beitrag zur GKV und nicht um eine irgendwie geartete Steuer. Einer abgabentheoretischen bzw. steuerrechtlichen Argumentation, wie sie hier der Kläger geltend macht, ist damit die Grundlage entzogen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 16.10.1962 – 2 BvL 27/60 –, BVerfGE 14, 312-320, – in juris Rn. 21). Die gerügte fehlende Äquivalenz zwischen dem Pauschalbeitrag und den Leistungen der GKV ist ebenso wie die Beitragstragung durch den Arbeitgeber bereits berücksichtigt worden. Die von dem Kläger zuletzt im Hinblick auf das Urteil des BSG aufgeworfene Frage, ob nach den Grundsätzen des Sozialversicherungsrechts dann, wenn eine gewisse Höchstgrenze der Bemessungsgrundlage bei einem Arbeitnehmer erreicht sei, sich diese Abgabengrenze auf alle Einkommensquellen des Arbeitnehmers beziehe, ist von dem BSG dort ebenfalls bereits beantwortet worden. Der dortigen Entscheidung lag im Übrigen ebenfalls ein Sachverhalt zu Grunde, in dem der Beschäftigte bereits aufgrund Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltsgrenze nicht versicherungspflichtig, aber in der GKV freiwillig versichert war (BSG, Urteil vom 25.01.2006 – a.a.O. Rn. 2). Soweit der Kläger Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit im Hinblick auf eine geänderte Finanzlage der GKV und hier den Umfang der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds (§ 271 Abs. 2 SGB V) geäußert hat, hat das BSG die Regelung des § 249b SGB V auch in späteren Entscheidungen ohne Beanstandungen seiner Rechtsprechung zu Grunde gelegt (etwa BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 R 4/10 R; nachgehend Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 22.09.2015 - 1 BvR 138/13, n.v.; BSG, Urteil vom 05.12.2017 – B 12 KR 16/15 R –, in juris). Im Übrigen ist die Ausgestaltung der Finanzierung der GKV grundsätzlich dem Gesetzgeber vorbehalten, dem hierbei ein großer Spielraum zusteht (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 28.02.2008 – 1 BvR 2137/06 –, in juris Rn. 30 m.w.N.). Selbst ein hoher Überschuss bzw. eine hohe Liquiditätsreserve muss daher nicht verfassungsrechtlich zwingend zu einer Verringerung von Beiträgen – und hierbei erst recht nicht zu einer Verringerung genau der Beiträge nach § 249b SGB VI – führen. Der Gesetzgeber hat hierzu in § 271 Abs. 2 SGB V vielmehr einen Mechanismus gewählt, der sich dämpfend auf die Höhe der von den Krankenkassen zu erhebenden Zusatzbeiträge nach § 242 SGB V auswirken soll (vgl. BeckOK SozR/Männle, SGB V § 271 Rn. 19 unter Hinweis auf BT-Drs. 19/4454, 30).

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladenen tragen gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Kosten aus Billigkeit dem unterliegenden Beteiligten aufzuerlegen, weil die Beigeladenen keinen Antrag gestellt haben (vgl. MKLS/B. Schmidt SGG, 13. Aufl. 2020, § 197a Rn. 29).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3, 47 GKG endgültig festgesetzt. Die Höhe des Streitwerts entspricht hier dem streitigen Betrag von 2.263 €.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG). 

Rechtskraft
Aus
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