L 6 P 27/21

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 3 P 26/20
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 P 27/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Dem (überörtlichen) Sozialhilfeträger fehlt die Klagebefugnis für eine Klage gegen die Entscheidung über die nach § 82 Abs. 3 SGB XI notwendige Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen durch eine Pflegeeinrichtung gegenüber den Pflegebedürftigen.

I.    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 21. Juni 2021 im Verfahren S 3 P 26/20 wird zurückgewiesen. 

II.    Der Kläger trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens. 

III.    Die Revision wird nicht zugelassen. 

Tatbestand

Der klagende Landeswohlfahrtsverband wendet sich als überörtlicher Sozialhilfeträger gegen die vom beklagten Land erteilte Zustimmung, die es der Beigeladenen als Trägerin einer Pflegeeinrichtung für das Jahr 2018 ermöglicht, gegenüber den Pflegebedürftigen Investitionsaufwendungen gesondert zu berechnen, soweit diese Zustimmung über einen Betrag von 12,43 Euro pro Bewohner und pro Tag hinausgeht.

Die Beigeladene betreibt das Diakonie-Zentrum A. in A-Stadt und versorgt dort Pflegebedürftige, wobei diesen regelmäßig Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung, aber – im Falle der Hilfebedürftigkeit – auch Hilfen zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) erbracht werden. Die Beigeladene beantragte unter dem 29. Oktober 2018 die wegen ihrer Förderung durch öffentliche Mittel nach § 82 Abs. 3 Satz 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) notwendige Zustimmung des beklagten Landes zur gesonderten Berechnung von betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen gegenüber den Pflegebedürftigen für das Jahr 2018, und zwar in Höhe von 26,05 Euro pflegetäglich für die vollstationäre Dauerpflege. 

Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens informierte das beklagte Land den Kläger als überörtlichen Sozialhilfeträger ebenso wie die Stadt Kassel als örtlichen Sozialhilfeträger über den von der Beigeladenen gestellten Antrag und die von ihm beabsichtigte Entscheidung. Der Kläger machte in diesem Rahmen geltend, dass die beabsichtigte Zustimmung dem Umfang nach überhöht sei, namentlich mit Blick auf die Angemessenheit der Investitionsaufwendungen und weil nach seiner Ansicht sämtliche im Rahmen der öffentlichen Förderung nicht zuwendungsfähigen Kosten auch nicht in den gesondert berechenbaren Investitionskostenbeitrag eingerechnet werden könnten.

Das beklagte Land, vertreten durch das Regierungspräsidium Gießen, stimmte durch den angegriffenen, an die Beigeladene adressierten Bescheid vom 31. Januar 2019 [richtig: 31. Januar 2020] der gesonderten Berechnung betriebsnotwendiger Investitionsaufwendungen in Höhe von [nur, aber immerhin] 22,92 Euro pro Bewohner und pro Tag für die vollstationäre Dauerpflege für das Jahr 2018 zu. Zur Begründung führte das beklagte Land unter anderem aus, Rechtsgrundlage für die Zustimmungsentscheidung sei § 82 Abs. 3 SGB XI in Verbindung mit der PflEinrVO (Hessische Verordnung über die Planung und Förderung von Pflegeeinrichtungen, Seniorenbegegnungsstätten, Altenpflegeschulen und Modellprojekten – Pflegeeinrichtungsverordnung –). Nach § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI bedürfe die gesonderte Berechnung der betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen oder der Aufwendungen für Miete, Pacht, Erbbauzins, Nutzung oder Mitbenutzung von Gebäuden oder sonstigen abschreibungsfähigen Anlagegütern der Zustimmung der zuständigen Landesbehörde. Das Regierungspräsidium sei nach § 12 PflEinrVO für die Wahrnehmung dieser Aufgabe zuständig. Es habe den Antrag der Beigeladenen geprüft und dabei, wie im Einzelnen näher ausgeführt ist, einen Investitionskostensatz in Höhe von 22,92 Euro täglich für die vollstationäre Dauerpflege ermittelt. Die Zustimmung erfolge daher nur in dieser Höhe. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 45 ff. der Gerichtsakte – im Folgenden: GA – Bezug genommen.

Während die Beigeladene den Bescheid akzeptierte, legte der Kläger mit Schreiben vom 17. Februar 2020 Widerspruch gegen diesen ein, da nach seiner Auffassung auch die Zustimmung zu einem abrechnungsfähigen Betrag von 22,92 Euro pflegetäglich überhöht sei. 

Das beklagte Land verwarf den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Gießen vom 12. März 2020 als unzulässig. Zur Begründung führte es unter anderem aus, der Kläger sei als Sozialhilfekostenträger nicht widerspruchsbefugt. Er selbst sei nicht Adressat des Verwaltungsaktes. Aus diesem Grunde sei er auch nicht als Beteiligter im Sinne des § 12 Abs. 1 und Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) anzusehen. Nach § 7 Abs. 4 PflEinrVO sei die Höhe der betriebsnotwendigen Aufwendungen durch das Regierungspräsidium nach Anhörung des örtlich zuständigen Trägers der Sozialhilfe festzustellen; in analoger Anwendung dieser Regelung sei auch der Kläger vorliegend als überörtlicher Sozialhilfeträger angehört worden. Hierdurch werde er jedoch gemäß § 12 Abs. 3 SGB X nicht zum Beteiligten des Sozialverwaltungsverfahrens. Daher sei vorliegend zu prüfen, ob er durch den Zustimmungsbescheid möglicherweise in eigenen Rechten verletzt sein könnte. Da er nicht Adressat des Bescheides sei, hänge die Beantwortung dieser Frage davon ab, ob den Rechtsnormen, die dem Bescheid zugrunde lägen, drittschützende Wirkung zukomme und der Kläger durch die Entscheidung unmittelbar tatsächlich in dieser geschützten Rechtsposition betroffen sei. Ermächtigungsgrundlage für den Bescheid sei § 82 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 SGB XI sowie § 7 Satz 1 Nr. 3 PflegeVGAG (Hessisches Ausführungsgesetz zum Pflege-Versicherungsgesetz) in Verbindung mit der Hessischen Pflegeeinrichtungsverordnung. Diesen Vorschriften komme keine unmittelbar drittschützende Wirkung für den Kläger zu. Die Zustimmungsentscheidung könne sich zwar auf die Rechtssphäre von Heimbewohnenden und Sozialhilfeträgern auswirken, allerdings führe dies nicht notwendig zu deren unmittelbarer Belastung. Im Verhältnis zu den Heimbewohnenden sei die Genehmigung nur eine von mehreren Voraussetzungen, die nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) an die Wirksamkeit entsprechender zivilrechtlicher Vereinbarungen gestellt würden. Ein individueller Schutz des Sozialhilfeträgers als Kostenträger der Heimbewohnenden scheide aus diesem Grund ebenso aus (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – III ZR 279/15 –, juris, Rn. 38; BSG, Urteil vom 8. September 2011 – B 3 P 2/11 R –, juris, Rn.13; Bayerisches LSG, Urteil vom 4. Mai 2011 – L 2 P 20/09 –, juris, Rn.29; Weber, in: Kasseler Kommentar – 107. EL Dez. 2019 – § 82 SGB XI Rn.25; Hübsch, NZS 2004, 462, 464). Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 52 ff. GA Bezug genommen.

Der Kläger hat daraufhin am 8. April 2020 Klage zum Sozialgericht Kassel erhoben. Zur Begründung hat er insbesondere ausgeführt, ihm müsse ein eigenes Widerspruchs- und Klagerecht zur Seite stehen. Nach § 75 Abs. 5 Satz 3 SGB Xll in der bis 31. Dezember 2019 gültigen Fassung sei der Träger der Sozialhilfe zur Übernahme gesondert berechneter Investitionskosten nach § 82 Abs. 4 SGB XI nur verpflichtet, wenn hierüber entsprechende Vereinbarungen nach dem Zehnten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch getroffen worden seien. Diese Regelung komme zwar nicht zur Anwendung, wenn es sich (wie hier) um eine landesrechtlich geförderte Pflegeeinrichtung nach § 82 Abs. 3 SGB Xl handele. Auch die dem sozialhilfebedürftigen Heimbewohner gesondert berechneten Investitionskosten nach § 82 Abs. 3 SGB XI seien jedoch vom Sozialhilfeträger (ohne normvertragliche Regelung) zu übernehmen, so dass es sich bei der Zustimmungsentscheidung um einen Verwaltungsakt handele, der auch gegenüber dem Sozialhilfeträger Wirkung entfalte. Dessen Bindung an die Zustimmungsentscheidung gelte auch dann, wenn die zuständige Landesbehörde, die die Zustimmung erteilt habe, (wie hier) nicht mit dem zuständigen Träger der Sozialhilfe identisch sei, weil von einer einheitlichen landesrechtlichen Finanzierungsverantwortung auszugehen sei und die Länder die Gesamtheit der ihnen obliegenden Aufgaben bei Entscheidungen und Regelungen finanzieller Belange beachten müssten. Der Sozialhilfeträger müsse in den Fällen des § 82 Abs. 3 SGB XI daher die Möglichkeit haben, durch Widerspruch und Klage die Zustimmungsentscheidung dahin überprüfen zu lassen, ob diese Kosten in Anwendung der für das Zustimmungsverfahren maßgebenden landesrechtlichen Bestimmungen nach Art, Höhe und Laufzeit richtig festgesetzt worden und angemessen im Sinne des Sozialhilferechts seien. Gestehe man hingegen dem Sozialhilfeträger kein Widerspruchs- und Klagerecht zu und halte er in Abweichung von der Entscheidung der Landesbehörde dennoch geringere Investitionskosten für angemessen, müsste dies zur Folge haben, dass der bedürftige Hilfeempfänger diese Kosten selbst zu tragen habe. Es wäre widersprüchlich, einerseits bezüglich der Zustimmungsentscheidung nach § 82 Abs. 3 SGB XII von einer Kostenübernahmeverpflichtung des Sozialhilfeträgers hinsichtlich der den Heimbewohnern in Rechnung gestellten, nicht durch die öffentliche Förderung gedeckten Investitionskostenanteile auszugehen, andererseits dem Sozialhilfeträger aber keine Möglichkeit der direkten Einflussnahme durch Widerspruch und Klage hinsichtlich der Zustimmungsentscheidung nach § 82 Abs. 3 SGB XII zuzugestehen.

Auch auf Grund der zwischenzeitlich erfolgten ausdrücklichen Regelung einer Pflicht der Sozialhilfeträger zur Übernahme gesondert berechneter Investitionskosten nach Zustimmung der zuständigen Landesbehörde (§ 76a Abs. 3 Fall 1 SGB XII in der ab 1. Januar 2020 geltenden Fassung) sei von einer unmittelbaren Betroffenheit des Sozialhilfeträgers durch die Zustimmungsentscheidung auszugehen. Im Ergebnis sei dem Sozialhilfeträger hinsichtlich der Zustimmungsentscheidung nach § 82 Abs. 3 SGB XI ein Widerspruchs- und Klagerecht zuzugestehen, weil die landesrechtlichen Bestimmungen, in denen gemäß § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI Art, Höhe und Laufzeit der Verteilung der gesondert berechneten Investitionskosten geregelt worden seien, im Regelfall nicht die Einhaltung der Grundsätze des sozialhilferechtlichen Leistungs- und Leistungserbringungsrechts sicherstellten. Anders zu bewerten sei hingegen die Widerspruchs- und Klagebefugnis der Heimbewohner: Das Zustimmungserfordernis schütze lediglich die Gesamtheit der Heimbewohner, nicht jedoch den einzelnen Heimbewohner. Zwar sei die Pflegeeinrichtung im Umfang der von der Landesbehörde erteilten Zustimmung berechtigt, die nicht von einer landesrechtlichen Förderung gedeckten Investitionskosten dem Heimbewohner in Rechnung zu stellen – in diesem Umfang seien die Investitionskosten jedoch vom Sozialhilfeträger zu übernehmen, so dass nicht der Heimbewohner, sondern der Sozialhilfeträger durch die Zustimmungsentscheidung nach § 82 Abs. 3 SGB XI unmittelbar betroffen sei. Ein Heimbewohner könne hingegen auf dem Zivilrechtsweg Rechtsschutz gegen die gesonderte Berechnung durch den Heimträger erlangen und sei durch die Zustimmungsentscheidung lediglich mittelbar beeinflusst. Das Bundessozialgericht verkenne in seiner Entscheidung vom 8. September 2011 – B 3 P 2/11 R –, BSGE 109, 96 diese notwendige Differenzierung zwischen Heimbewohnern und Sozialhilfeträger. 

Die Widerspruchs- und Klagebefugnis des Sozialhilfeträgers sei zudem unter dem Gesichtspunkt des kommunalen Selbstverwaltungsrechts (Finanzhoheit) zu bejahen, weil Sozialhilfeträgern wie dem Kläger aufgrund der streitigen Zustimmungsentscheidung finanzielle Folgelasten in erheblichem Umfang entstehen könnten. Das gelte insbesondere deswegen, weil ihm, dem Kläger, aufgrund der Zustimmungsentscheidung nach § 82 Abs. 3 SGB XI gegebenenfalls alljährlich neue Kosten entstünden. Im Übrigen hat sich der Kläger ausführlich mit der nach seiner Auffassung in unzutreffender Höhe erteilten Zustimmung durch das beklagte Land auseinandergesetzt.

Das beklagte Land und der durch Beschluss des Sozialgerichts vom 26. Mai 2021 beigeladene Einrichtungsträger sind dem entgegengetreten. § 82 Abs. 3 SGB XII habe keine drittschützende Wirkung zu Gunsten des Sozialhilfeträgers.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 21. Juni 2021 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) könne durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes begehrt werden. Nach Satz 2 der Vorschrift sei die Klage zulässig, wenn der Kläger behaupte, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes beschwert zu sein. Da der Kläger vorliegend kein Adressat der angefochtenen Entscheidung des beklagten Landes sei, scheide eine direkte rechtliche Betroffenheit aus. Aber auch eine sogenannte Drittbetroffenheit bestehe nicht. Das Gericht weise die Klage aus den zutreffenden Gründen des Widerspruchsbescheides des beklagten Landes vom 12. März 2020 ab und sehe von einer weiteren Darstellung in den Entscheidungsgründen ab (§ 136 Abs. 3 SGG). Ergänzend verweise das Gericht auf die zutreffende Ansicht des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 8. September 2011 – B 3 P 2/11 R –, in dem dieses ausführe, dass sich die Entscheidung des beklagten Landes zwar im weiteren Verlauf auch auf die Rechtssphäre des Sozialhilfeträgers auswirken könne, jedoch nicht ohne Weiteres und notwendig zu dessen unmittelbarer Belastung führe. Vielmehr sei die Zustimmung des Landes schon im Verhältnis zu den Heimbewohnern lediglich eine von mehreren Voraussetzungen, die der zwischen Pflegeeinrichtung und ihnen bestehende privatrechtliche Vertrag an die Erhöhung des Entgeltes wegen betriebsnotwendiger Investitionen knüpfe. Dies gelte umso mehr für den Sozialhilfeträger und die von ihm unter Berücksichtigung weiterer Voraussetzungen zu treffende Entscheidung (BSG, ebd., Rn. 13). Im Übrigen wird auf GA Bl. 264 ff. Bezug genommen.

Der Kläger hat – nach Zustellung des Urteils am 14. Juli 2021 – am 20. Juli 2021 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiterverfolgt. Verneine man die Widerspruchs- und Klagebefugnis, wäre von einer fehlenden Bindung (der Heimbewohner und) des Sozialhilfeträgers an die Zustimmungsentscheidung auszugehen; nur die Widerspruchs- und Klagebefugnis unmittelbar gegen die Zustimmungsentscheidung führe zu einer prozessökonomisch sinnvollen Kontrollmöglichkeit. Diese sei überdies mit Blick auf die erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen der Zustimmungsentscheidung – zu denen er im Einzelnen vorgetragen hat – und die daraus sich ergebende Betroffenheit im Recht auf kommunale Selbstverwaltung, auf die er sich als höherer Kommunalverband berufen könne, notwendig. Zudem leide das erstinstanzliche Urteil aufgrund der späten Beiladung des Einrichtungsträgers an einem Verfahrensmangel.

Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Kassel vom 21. Juni 2021 – S 3 P 26/20 – den Bescheid des Beklagten vom 31. Januar 2019 [richtig: 31. Januar 2020] in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2020 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Investitionsaufwand lediglich in Höhe von 12,43 Euro täglich für die vollstationäre Dauerpflege vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018 zu erteilen, hilfsweise, die Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Investitionsaufwand für die vollstationäre Dauerpflege vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zu verwerfen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und seine Bescheide. Die Berufung sei ebenso wie die Klage mangels Klagebefugnis unzulässig. Der Kläger verkenne die sozialrechtliche Systematik des Zustimmungserfordernisses nach § 82 Abs. 3 SGB XI, die inzwischen auch in § 76a Abs. 3 SGB XII Ausdruck finde. Er könne sich im hiesigen Zusammenhang auch nicht auf das kommunale Selbstverwaltungsrecht berufen; jedenfalls sei dieses nicht verletzt.

Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Weder unmittelbar aus § 82 Abs. 3 SGB XI noch aus den diesen konkretisierenden landesrechtlichen Regelungen lasse sich eine Klagebefugnis der Sozialhilfeträger ableiten; vielmehr seien diese (nur) zu hören. Aus § 76a Abs. 3 Alt. 1 SGB XII ergebe sich inzwischen sogar ausdrücklich, dass der Sozialhilfeträger zur Übernahme gesondert berechneter Investitionskosten verpflichtet sei, soweit die zuständige Landesbehörde ihre Zustimmung nach § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI erteilt habe. Eine Beteiligung des Sozialhilfeträgers an dem Verfahren, die über ein bloßes Anhörungsrecht hinausginge, sei auch in dieser Vorschrift nicht bestimmt. Aus dem Anhörungsrecht selbst folge keine Klagebefugnis. Die entsprechenden Vorschriften seien auch nicht drittschützend, so dass sich auch unter diesem Gesichtspunkt eine Klagebefugnis nicht herleiten lasse.

Auch die Beigeladene hat sich vorsorglich weiter mit der inhaltlichen Richtigkeit der angegriffenen Zustimmungsentscheidung auseinandergesetzt und ist der von Klägerseite geltend gemachten erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung der vermeintlich überhöhten Zustimmungsentscheidung für die Sozialhilfeträger entgegengetreten.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zugestimmt, der Kläger durch Schriftsatz vom 11. Mai 2022, das beklagte Land durch Schriftsatz vom 22. April 2022 und die Beigeladene durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 25. April 2022 [richtig: 25. Mai 2022].

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten des beklagten Landes Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat seine Klage zu Recht wegen mangelnder Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen. 

I. Rechtsschutzziel des klagenden Landeswohlfahrtsverbandes als überörtlichem Sozialhilfeträger ist es, die mit dem Bescheid des beklagten Landes vom 31. Januar 2020 [das auf dem Bescheid angegebene Datum „31.01.2019“ beruht, wie zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig ist, auf einem Versehen] in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2020 ausgesprochene Zustimmung zu der von der Beigeladenen beantragten gesonderten Berechnungsmöglichkeit von Investitionskostenaufwendungen auf der Grundlage von § 82 Abs. 3 SGB XI ihrem Umfange nach teilweise zu beseitigen. Dieses Begehren kann der Kläger mit einer (reinen Teil )Anfechtungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegen den genannten Bescheid, gerichtet auf dessen Teilaufhebung, erreichen (vgl. zum Bescheidcharakter der Zustimmung für viele BSG, Urteil vom 8. September 2011 – B 3 P 6/10 R –, BSGE 109, 86, Rn. 10); (nur) diese ist daher statthaft. An dem zusätzlich gestellten (und im Übrigen dem Wortlaut nach als Leistungsklage formulierten) Verpflichtungs- beziehungsweise dem hilfsweise gestellten Neubescheidungsantrag besteht kein eigenständiges Interesse; vielmehr akzeptiert der Kläger damit nur der Sache nach eine Zustimmung von 11,95 Euro täglich. 
Letztlich könnte die zutreffende Fassung der Klageanträge im Übrigen sogar auf sich beruhen: Unabhängig hiervon könnte der Kläger mit seiner Klage nämlich nur Erfolg haben, wenn ihm die Befugnis zustände, die Zustimmungsentscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen. Das aber ist mit dem Sozialgericht zu verneinen.

II. Die Berufung ist allerdings zulässig; die fehlende Zulässigkeit der Klage steht dem nicht entgegen. Sie ist insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) sowie form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Abs. 1 SGG).

III. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Der klagende Landeswohlfahrtsverband ist zur Anfechtung des vom beklagten Land erlassenen Zustimmungsbescheides über die gesonderte Berechnung von Investitionskosten nicht befugt; eine Verletzung des Klägers in eigenen Rechten durch den angegriffenen Bescheid erscheint nicht als möglich.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst Bezug auf die zutreffende Begründung des erstinstanzlichen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG) und damit – mittelbar – auf die Begründung des angegriffenen Widerspruchsbescheides.
Der Kläger ist – unstreitig und zu Recht – nicht Adressat des streitigen Zustimmungsbescheides. Er ist aber auch als Dritter nicht klagebefugt, weil den maßgeblichen Vorschriften und der vom beklagten Land erteilten Zustimmung kein drittschützender Charakter zukommt (vgl. allg. BSG, Urteil vom 25. November 1986 – 11a RA 18/85 –, BSGE 61, 27; im hiesigen Zusammenhang – bezogen auf die Frage einer notwendigen Beiladung des Sozialhilfeträgers – BSG, Urteil vom 8. September 2011 – B 3 P 2/11 R –, BSGE 109, 96, Rn. 13 und BSG, Urteil vom 8. September 2011 – B 3 P 6/10 R –, BSGE 109, 86, Rn. 11; Keller, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 54 Rn. 9 f. und Rn. 14).
Zur Frage des (fehlenden) drittschützenden Charakters des Zustimmungserfordernisses nach § 82 Abs. 3 SGB XI hinsichtlich der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner sowie der gegebenenfalls für sie eintrittspflichtigen Sozialhilfeträger hat das Bundessozialgericht in den zitierten Entscheidungen vom 8. September 2011 für den Senat überzeugend ausgeführt, zwar könne sich die Zustimmungsentscheidung im weiteren Verlauf auch auf die Rechtssphäre von Heimbewohnern und Sozialhilfeträgern auswirken; jedenfalls im Hinblick auf die Heimbewohner sei das mit dem Zustimmungsantrag sogar ausdrücklich intendiert. Jedoch führe die zu treffende Entscheidung nicht ohne Weiteres und notwendig zu deren unmittelbarer Belastung. Vielmehr sei die Zustimmung des Landes (schon) im Verhältnis zu den Heimbewohnern lediglich eine von mehreren Voraussetzungen, die der zwischen der jeweiligen Pflegeeinrichtung und ihren Bewohnern bestehende privatrechtliche Vertrag an die Erhöhung des Entgelts wegen betriebsnotwendiger Investitionen knüpfe (zur fehlenden privatrechtsgestaltenden Wirkung der Zustimmung Hinweis auf Hübsch NZS 2004, 462; Gürtner, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand September 2007, § 82 SGB XI Rn. 13). Das gelte umso mehr für den Sozialhilfeträger und die von ihm unter Berücksichtigung weiterer Voraussetzungen zu treffende Entscheidung, konkret also die Gewährung von Hilfen zur Pflege.
Die dagegen vom Kläger formulierten Einwände tragen nach Auffassung des Senats nicht. Einem Sozialhilfeträger, der bei Erfüllung der spezifischen sozialhilferechtlichen Voraussetzungen für die den Heimbewohnern entstehenden Kosten aufkommen muss, stehen im Zustimmungsverfahren keine eigenen rechtlich geschützten Interessen zu; seine mittelbare wirtschaftliche Betroffenheit genügt weder, um ihm ein eigenes Klagerecht zuzubilligen, noch um seine Beiladung in einem Rechtsstreit zwischen Einrichtungsträger und Land in einem Zustimmungsrechtsstreit notwendig zu machen (vgl. ebs. neben den bereits zitierten Entscheidungen des Bundessozialgerichts LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. April 2021 – L 30 P 41/17 –, juris, Rn. 19; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23. Oktober 2019 – L 1 P 21/18 –, juris, Rn. 25; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. März 2011 – L 4 P 12/07 –, juris, Rn. 23; Bayerisches LSG, Urteil vom 4. Mai 2011 – L 2 P 20/09 –, juris, Rn. 29; a.A. insb. Lange, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, § 76a Rn. 27).
Bereits die Heimbewohnerinnen und Heimbewohner sind – wie im Übrigen auch der Kläger annimmt – in ihrer Rechtsstellung durch das Zustimmungsverfahren nicht unmittelbar in ihren rechtlichen Interessen betroffen. Die Zustimmung hat keine privatrechtsgestaltende Wirkung; vielmehr ist sie nur eine Voraussetzung für die Möglichkeit, diesen entsprechende Investitionskosten auf der Grundlage des Heimvertrages in Rechnung zu stellen. Das Zustimmungserfordernis schützt insofern allenfalls die Gesamtheit der, nicht aber den einzelnen Heimbewohner (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Dezember 2008 – L 27 P 73/08 –, juris; Krohn in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 76a Rn. 12; eher noch enger Bayerisches LSG, Urteil vom 4. Mai 2011 – L 2 P 20/09 –, juris, Rn. 29).
Umso mehr gilt dies für die Sozialhilfeträger, die regelmäßig und auch im vorliegenden Streitfall nur – bildlich gesprochen – hinter den Heimbewohnern stehen und die diesen entstehenden Aufwendungen zu tragen haben, soweit dies durch eine sozialhilferechtliche Vorschrift geboten ist. Eine vergleichbare mittelbare Betroffenheit der Sozialhilfeträger besteht ganz regelmäßig für Rechtsverhältnisse der Hilfebedürftigen mit Dritten, sofern diese zu einem sozialhilferechtlich relevanten Bedarf führen. Dies hat aber auch sonst keineswegs zur Konsequenz, dass die Sozialhilfeträger wegen ihrer wirtschaftlichen Betroffenheit an entsprechenden Rechtsverhältnissen der Hilfeempfänger mit Dritten zu beteiligen wären und diese beeinflussen könnten.
Nicht überzeugen kann den Senat namentlich die Auffassung des Klägers, wonach nur der Sozialhilfeträger an dem Zustimmungsverfahren zu beteiligen beziehungsweise durch § 82 Abs. 3 SGB XI geschützt sei, nicht aber die Heimbewohnerinnen und Heimbewohner, weil er – bei Annahme seiner Bindung an die Zustimmungsentscheidung – durch die gesonderte Berechnung der Investitionskosten wirtschaftlich (allein beziehungsweise jedenfalls in erster Linie) belastet werde: Für die Gruppe der (vollständigen) Selbstzahler und derer, die die Aufwendungen für den Aufenthalt in der Einrichtung durch Leistungen der Pflegeversicherung (gegebenenfalls ergänzt durch eigene Mittel) aufbringen, trifft dies bereits in wirtschaftlicher Hinsicht nicht zu, wobei auch nicht angenommen werden kann, dass ihre Interessen durch die Sozialhilfeträger wahrgenommen würden. In rechtlicher Hinsicht bleibt es in den Fällen des § 82 Abs. 3 SGB XII dabei, dass die Zustimmung es den Pflegeeinrichtungen ermöglicht, die Investitionsaufwendungen den Pflegebedürftigen in Rechnung zu stellen und der Sozialhilfeträger nur mittelbar „ins Spiel kommt“, wenn ein Pflegebedürftiger nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht in der Lage ist, diese zu tragen (vgl. zum systematischen Zusammenhang Lange, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 76a SGB XII – Stand: 1. September 2021 – Rn. 22). Dieser rechtliche Zusammenhang lässt die Annahme nicht als tragfähig erscheinen, nicht die einzelnen Heimbewohner, wohl aber die Sozialhilfeträger seien förmlich am Verfahren nach § 82 Abs. 3 SGB XI zu beteiligen oder durch diese Vorschrift in ihren rechtlichen Interessen geschützt.
Das in den §§ 75 ff. SGB XII gesondert geregelte Vertragsrecht für die rechtlichen Beziehungen der Sozialhilfeträger mit den Leistungserbringern führt insoweit nicht zu einer anderen Beurteilung. Einen unmittelbaren Einfluss auf die Berechnungsfähigkeit von Investitionskosten hatten und haben die Sozialhilfeträger nur im Falle des § 82 Abs. 4 SGB XI, also bei nicht nach Landesrecht geförderten Einrichtungen (vgl. hierzu heute § 76a Abs. 3 Alt. 2 SGB XI). Im Falle des § 82 Abs. 3 SGB III, also bei geförderten Einrichtungen, sind die Interessen der verschiedenen Träger der öffentlichen Hand dagegen einheitlich im Rahmen des Zustimmungsverfahrens zu wahren, ohne dass die verschiedenen Träger dadurch zu Beteiligten dieses Verfahrens würden: Selbst beziehungsweise gerade wenn man insoweit von einer Verpflichtung des beklagten Landes, die Interessen der Sozialhilfeträger treuhänderisch wahrzunehmen, ausgeht, macht dies deren Beiladung entbehrlich (vgl. zu ähnlichen Überlegungen BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 – B 3 P 19/00 R –, BSGE 87, 199, Rn. 17; zur Tatbestandswirkung der Zustimmung für den Sozialhilfeträger und der aus diesem Grunde nicht gebotenen Beteiligung vgl. Weber, in: Kasseler Kommentar, § 82 – Stand: Mai 2021 – Rn. 19).
Auch das Recht auf kommunale Selbstverwaltung führt wegen der fehlenden (unmittelbaren) Betroffenheit der Sozialhilfeträger durch die Zustimmungsentscheidung nicht zu einer anderen Bewertung (vgl. so auch Hübsch NZS 2004, 462, 464 und – insoweit – auch Lange, in: Schlegel/Voelzke, juris-PK SGB XII, 3. Aufl., § 76a – Stand: 1. September 2021 – Rn. 39). Es kann daher offenbleiben, inwieweit sich der Kläger als überörtlicher Sozialhilfeträger im hiesigen Zusammenhang auf dieses Recht berufen kann.
Die Neuregelung des § 76a Abs. 3 SGB XII durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) ist auf Grund seines Inkrafttretens (erst) am 1. Januar 2020 (vgl. Art. 26 Abs. 4 BTHG) für das hiesige Verfahren noch nicht von Bedeutung. Im Übrigen enthält jedenfalls die Vorschrift selbst keine verfahrensrechtlichen Vorgaben, die sich für die Argumentation des Klägers fruchtbar machen ließen.
Schließlich vermag auch der vom Kläger behauptete erstinstanzliche Verfahrensfehler einer (zu) späten Beiladung der Einrichtungsträgerin seiner Berufung nicht zum Erfolg verhelfen: Zum einen dürfte ein entsprechender Fehler – sein Vorliegen unterstellt – nur von der Beigeladenen rügefähig sein, da nur ihre prozessualen Rechte dadurch verkürzt sein könnten. Zum anderen käme eine Zurückverweisung an das Sozialgericht wegen eines erstinstanzlichen Verfahrensfehlers nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG nur in Betracht, wenn deswegen zweitinstanzlich eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig wäre; das aber ist vorliegend nicht der Fall. 

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 3 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

V. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe vorliegt. Namentlich ist die streitentscheidende Rechtsfrage höchstrichterlich geklärt (BSG, Urteil vom 8. September 2011 – B 3 P 2/11 R –, BSGE 109, 96 und BSG, Urteil vom 8. September 2011 – B 3 P 6/10 R –, BSGE 109, 86, Rn. 11).
 

Rechtskraft
Aus
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