S 54 KR 682/20

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
SG Braunschweig (NSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Braunschweig (NSB)
Aktenzeichen
S 54 KR 682/20
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
 

1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3288,03 € nebst Zinsen in Höhe von
2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.11. 2020 zu zahlen.

2) Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3) Der Streitwert wird auf 3288,03 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Vergütung einer im Krankenhaus der Klägerin durchgeführten vollstationären Krankenbehandlung.

Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte, 1968 geborene G. wurde vom 16. Oktober 2020 bis 18. Oktober 2020 im Krankenhaus der Klägerin in H. stationär behandelt. Es wurde ureterorenoskopisch ein Nierenstein entfernt (OPS 5-550.21).

Die Klägerin liquidierte gegenüber der Beklagten mit Rechnung vom 27. Oktober 2020 auf der Basis der Fallpauschale DRG L20B 3288,03 €.

Die Beklagte teilte der Klägerin per Datenträgeraustausch mit, die Rechnung werde beanstandet. Gemäß dem BSG-Urteil B 3 KR 28/12 R vom 21.03.2013 läge keine hinreichende med. Begründung für die stationäre Erbringung dieser ambulant erbringbaren Leistung vor. Weiter heißt es: „Bitte begründen Sie hier die stat. Verweildauer bis zum 18.10.2020. Weshalb musste die Pat. bis zu Ziehen der Ureterschiene stationär bleiben?“

Eine Reaktion der Klägerin erfolgte nicht.

Die Beklagte glich den Rechnungsbetrag daraufhin nicht aus.

Die Klägerin hat am 16. Dezember 2020 Klage vor dem Sozialgericht Braunschweig erhoben. Sie ist der Auffassung, ihr stehe der geltend gemachte Rechnungsbetrag zu, weshalb die Beklagte ihr 3288,03 € nebst Zinsen zu zahlen habe. Das ergebe sich unmittelbar aus § 13 Abs. 6 Satz 1 des Niedersächsischen Krankenhaus-Sicherstellungsvertrags (Nds.SV) und aus § 417 SGB V. Ihre Mitwirkungsverpflichtungen aus § 301 SGB V habe sie erfüllt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3288,03 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. November 2020 zu zahlen

Die Beklagte beantragt,

            die Klage abzuweisen.

Mit Schriftsatz 4. Mai 2021 hat die Beklagte mitgeteilt, die Rechnung sei noch nicht fällig. Die Klägerin habe ihre sich aus § 301 SGB V ergebenden Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt. Die durchgeführten Prozeduren seien alle im AOP-Katalog (“Katalog ambulant durchführbare Operationen und sonstiger stationsersetzender Eingriffe gemäß § 115b SGB V im Krankenhaus“) als Anlage 1 gelistet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (ausgehend von BSG, Urteil vom 21. März 2013, 3 KR 28/12 R) müsse im Datensatz nach § 301 SGB V auch der Grund der Aufnahme mitgeteilt und übermittelt werden. Es müsse für die Mitarbeiter/innen der Krankenkasse aufgrund der Daten nach § 301 SGB V erkennbar sein, warum eine im AOP-Katalog gelistete Leistung vollstationär durchgeführt wurde. Aus den vorliegenden Daten sei nicht erkennbar, dass die vollstationäre Krankenhausbehandlung medizinisch erforderlich war.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung am 7. Mai 2021 gewesen sind, verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Bei einer auf Zahlung von Behandlungskosten von Versicherten gerichteten Klage des Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse geht es um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSG, SozR 4-2500 § 39 Nr. 1 Rdnr. 6 m.w.N.). Ein Vorverfahren ist nicht durchzuführen, eine Klagefrist nicht einzuhalten.

Die Leistungsklage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 3288,03 € für die bei der Versicherten erbrachte Krankenhausbehandlung.

Mit der Rechnung vom 27. Oktober 2020 hat die Klägerin die Fallpauschale DRG L20B ausgewiesen und 3288,03 € gefordert.

§ 13 Abs. 6 Nds.SV regelt in Satz 1 eindeutig, dass die Krankenkasse die Rechnung unverzüglich, spätestens innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungsdatum zu bezahlen hat. Dieser vertraglichen Verpflichtung ist die Beklagte nicht nachgekommen.

Auch der Bundesgesetzgeber hat mittlerweile dem Grundsatz der Krankenhausliquiditätsgewährleistung Rechnung getragen. Die unbedingte Zahlungsverpflichtung wurde gesetzlich geregelt. In dem vom 27. März 2020 bis 19. Oktober 2020 geltenden (also für den vorliegenden Behandlungsfall anwendbaren) § 330 SGB V und im ab 20. Oktober 2020 geltenden § 417 SGB V heißt es jeweils in den Sätzen 1, dass die von den Krankenhäusern erbrachten und in Rechnung gestellten Leistungen von den Krankenkassen innerhalb von fünf Tagen nach Rechnungseingang zu bezahlen sind.

Auf die Frage der rechnerischen oder sachlichen Richtigkeit der Rechnung kommt es deshalb hier nicht an.

Die Fälligkeit der Rechnung scheitert auch nicht daran, dass der Datensatz nach § 301 SGB V nicht vollständig gewesen war.

Nach ständiger sozialgerichtlicher Rechtsprechung (insbesondere auch des Bundessozialgerichts), die sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 301 SGB V ergibt, sind die Krankenhäuser verpflichtet, den Krankenkassen bei Krankenhausbehandlung im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern unter anderem auch den Grund der Aufnahme zu übermitteln (§ 301 Abs. 1 Nummer 3 SGB V). Das BSG (Urteil vom 21. März 2013, B 3 KR 28/12 R, Rn. 12) hat dazu ausgeführt: „Erschließen sich aufgrund dessen oder eines landesvertraglich vorgesehenen Kurzberichts die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung oder weitere Abrechnungsvoraussetzungen den medizinisch in der Regel nicht besonders ausgebildeten Mitarbeitern der Krankenkasse nicht selbst, hat diese auf der zweiten Stufe der Sachverhaltserhebung ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nummer 1 SGB V einzuleiten und beim MDK eine gutachtliche Stellungnahme einzuholen.“ Entsprechend dem Grundsatz ambulant vor stationär hat ein Krankenhaus deshalb notwendige Angaben dazu zu machen, warum eine im Regelfall ambulant durchführbare Versorgung im konkreten Einzelfall stationär vorgenommen worden ist. Die Pflicht des Krankenhauses zu ergänzenden Angaben betrifft aber keine gemäß § 301 SGB V unzulässige medizinische Auskunft an die Krankenkasse, sondern lediglich den Grund für das Abweichen vom Standardvorgehen “ambulant vor stationär“. (BSG, aaO, Rn. 16). Vom Krankenhaus wird keinesfalls gefordert, in jedem „AOP-Fall“ eine medizinische Begründung in Textform abzugeben, die aus sich heraus eine medizinische Vollprüfung möglich macht. Es ist für die Fälligkeit der Rechnung lediglich erforderlich, kenntlich zu machen, warum aus Sicht des Krankenhauses die vollstationäre Behandlung erfolgt ist. Das kann auch durch die Angabe von Nebendiagnosen erfolgen (vergleiche BSG, aaO Rn. 17). Ob dieser Grund tatsächlich vorliegt und die durchgeführte stationäre Versorgung wirklich trägt, ist dann eine medizinische Frage, die zu klären allein dem MDK obliegt (BSG, aaO, Rn. 16).

Die gesonderte Begründungspflicht für die Durchführung einer Behandlung als vollstationär gilt aber im Regelfall nicht, wenn es sich nicht um einen „AOP-Fall“ handelt. Wenn eine Operation kodiert wird, die nicht im AOP-Katalog gelistet ist, spricht der erste Anschein für die Notwendigkeit vollstationärer Behandlung. Anders als die Beklagte im Schriftsatz vom 4. Mai 2021 behauptet, gehörten hier nicht alle durchgeführten Prozeduren (wobei von der Beklagten wohl auch Operationen mitgemeint sind) zum AOP-Katalog. Bei der kodierten OPS 5-550.21 handelt es sich um eine Operation (Kapitel 5 des Operationen- und Prozedurenschlüssels), die nicht im AOP-Katalog gelistet ist. Deshalb ist grundsätzlich von stationärer Behandlungsnotwendigkeit auszugehen.

Ob OPS 5-550.21 hier tatsächlich abgerechnet werden durfte und ob deshalb – oder aus anderen Gründen – vollstationäre oder doch nur ambulante Behandlung erforderlich war, muss hier nicht geprüft werden. Für die Rechtsfrage der Fälligkeit der Rechnung (um die es hier einzig geht) ist die inhaltliche medizinische Prüfung unerheblich.

Die Verzinsung ergibt sich aus dem Nds.SV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz.

Rechtskraft
Aus
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