L 19 AS 905/22 B ER, L 19 AS 906/22 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 40 AS 1395/22 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 905/22 B ER, L 19 AS 906/22 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 15.06.2022 werden als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren
L 19 AS 905/22 B ER werden nicht erstattet.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren L 19 AS 905/22 B ER wird abgelehnt.

 

Gründe

Die Beschwerden sind unstatthaft und als unzulässig zu verwerfen (§§ 202 SGG, 572 Abs. 2 S. 2 ZPO). Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren L 19 AS 905/22 B ER wird abgelehnt.

I. Die Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Ablehnung des Erlasses einer Regelungsanordnung richtet sich nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG. Hiernach ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Dies ist hier der Fall. Nach § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 € nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Beide Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Bei einem Antrag auf Gewährung einer Geldleistung richtet sich der Beschwerdewert i.S.v. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG nach dem Geldbetrag, den das erstinstanzliche Gericht versagt hat und der vom Rechtsmittelführer weiterverfolgt wird. Der Antragsteller begehrt im Beschwerdeverfahren die Gewährung eines Darlehens für die Anschaffung eines Herdes und einer Waschmaschine als Wohnungserstausstattung i.S.v. § 24 Abs. 3  S. 1 Nr. 1 SGB II.

Diesen Darlehensanspruch hat der Antragsteller weder im erstinstanzlichen  Verfahren noch auf Nachfrage des Senats konkret beziffert. Er macht lediglich geltend, dass er sich mit dem Darlehen einen Herd und eine Waschmaschine anschaffen will, die energieeffizienter sind als beide Geräte, die der Antragsgegner im Wege einer Sachleistung bewilligt hat.

Bei einem unbezifferten Antrag hat das Beschwerdegericht den Beschwerdewert zu ermitteln. Dabei ist eine überschlägige Berechnung unter Berücksichtigung des  Vorbringens des Antragstellers ausreichend (vgl. BSG, Beschluss vom 13.06.2013 – B 13 R 437/12 B und Urteil vom 14.08.2008 – B 5 R 39/07 R; siehe auch BSG, Beschluss vom 24.02.2011 – B 14 AS 143/10 B) bzw. anhand des wirtschaftlichen Interesses des Antragstellers am Ausgang des Rechtsstreits zu schätzen (§ 202 SGG i.V.m. § 3 ZPO). Gemäß § 202 SGG i.V.m. § 3 ZPO ist der Wert vom Gericht nach freiem Ermessen festzusetzen, das unter Zuhilfenahme aller Anhaltspunkte und Erkenntnisquellen auszuüben ist. Dabei ist auf die Angaben des Beschwerdeführers zumindest dann abzustellen, solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Bezifferung mutmaßlich falsch ist (BSG, Beschluss vom 21.09 2017 – B 8 SO 32/17 B m.w.N. und vom 05.08.2015 – B 4 AS 17/15 B m.w.N.; Keller in: Meyer-Ladewig, 13. Aufl. 2020, SGG § 144 Rn. 15b).

Der erforderliche Wert der Beschwer von mehr als 750,00  €  ist vorliegend nicht erreicht. Im Hinblick darauf, dass ein Leistungsträger als Sonderbedarf  i.S.v. § 24 Abs. 3 S.1 Nr. 1 SGB II eine angemessene Wohnungsausstattung, die der Befriedigung von einfachen und grundlegenden Wohnbedürfnissen genügt und im unteren Segment der Einrichtungsgegenstände liegt, zu leisten hat (BSG, Urteile vom 27.09.2011 – B 4 AS 202/10 R, 13.04.2011 – B 14 AS 53/10 R und 19.08.2010 – B 14 AS 36/09 R) und der Wert der beiden vorhandenen neuwertigen Haushaltsgeräte, die nach der Internetrecherche des Senats die Energieeffizienzklasse A+ haben und damit die höchste Energieeffizienzklasse aufweisen, sich ausweislich des Bescheides vom 07.12.2021 auf insgesamt 599,76 € beläuft, liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Beschwer des Antragstellers auf über 750,00 € beläuft. Nach den Recherchen des Senates werden Waschmaschinen mit der Energieeffizienzklasse A unter 400,00 € (https://produkte-im-test.de/die-3-besten-waschmaschinen-unter-400-euro/) und Herde mit Energieeffizienzklasse A unter 350,00 € (vgl. https://www.otto.de/haushalt/herde/; https://www.kaufland.de/product/324009383/) im Handel angeboten.

Die Statthaftigkeit der Beschwerde folgt auch nicht aus der unzutreffenden Rechts­mittelbelehrung des Sozialgerichts, nach welcher der Beschluss mit der Beschwerde angefochten werden könne. Eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung kann ein Rechts­mittel, das gesetzlich ausgeschlossen ist, nicht eröffnen (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Aufl. 2020, vor § 143 Rn. 14 b; BSG Urteil vom 20.05.2003 – B 1 KR 25/01 R).

2. Die Statthaftigkeit der Beschwerde  gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe richtet sich nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 b) SGG. Hiernach ist die gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe gerichtete Beschwerde ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Dies ist hier der Fall.  Auf die obigen Gründe wird Bezug genommen.

Zudem ist die Beschwerde unbegründet, da das  Begehren des Antragstellers  - Gewährung eines Darlehens zur Anschaffung eines Herdes und einer Waschmaschine als Wohnungserstausstattung – keine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. § 114 ZPO geboten hat. Denn der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Bewilligung des Sonderbedarfs in Form eines Herdes und einer Waschmaschine i.S.v. § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II anstelle der durch Bescheid vom 07.12.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2022 bewilligten Sachleistung.

Der Sonderbedarf nach § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II kann als Sachleistung oder Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden (§ 24 Abs. 3 S. 5 SGB II). Damit räumt § 24 Abs. 3 S. 5 SGB II dem Grundsicherungsträger ein Auswahlermessen dahingehend ein, ob er diese Leistung als Sachleistung oder als Geldleistung erbringt und in welcher Höhe er diesen Anspruch erfüllt (BSG, Urteil vom 23.05.2013 – B 4 AS 79/12 R m.w.N., Urteile des Senats vom 09.05.2019 L 19 AS 211/18 und 18.07.2014 – L 19 AS 1007/14; LSG NRW, Beschlüsse vom 30.08.2017 – L 21 AS 743/17 B und 09.06.2016 – L 19 AS 762/16 NZB). Sein Auswahlermessen hat der Antragsgegner dahingehend ausübt, dass er dem Antragsteller einen Gutschein für die Anschaffung eines Elektrostandardherds Amica SHE 1151 W und einer Waschmaschine Beko WML 16106 N bei der Firma B gewährt hat. Bei der Ausgabe eines Gutscheins zum Bezug von bestimmten Gegenständen bei einem bestimmten Dritten handelt es sich um eine Sachleistung in Form der Sachleistungsverschaffung (siehe Urteile des Senats vom 09.05.2019 - L 19 AS 211/18 und 18.07.2014 – L 19 AS 1007/14; Beschluss des Senats vom 29.04.2019 – L 19 AS 2036/18 NZB; Kemper in Eicher/Luik, SGB II, 5. Aufl. 2021, § 4 Rn. 14 m.w.N.; vgl. auch § 10 Abs. 3 SGB XII). Hinsichtlich der Art der Leistung liegt keine Ermessenreduzierung auf Null zu Gunsten des  Antragstellers dahingehend vor, dass ihm der Sonderbedarf nach § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II als Geldleistung zu gewähren ist. § 24 Abs. 3 S. 5 SGB II sieht als Leistungsarten sowohl Sachleistungen wie auch Geldleistungen vor. Aus der Regelung des § 24 Abs. 3 S. 5 SGB II ergibt sich kein Vorrang der Geldleistung vor einer Sachleistung zur Deckung des Sonderbedarfs (BSG, Urteil vom 19.08.2010 – B 14 AS 10/09 R; Urteile des Senats vom 09.05.2019 - L 19 AS 211/18 und 18.07.2014 – L 19 AS 1007/14: vgl. zur Zulässigkeit der Sicherung des Existenzminimums durch Sachleistungen: BVerfG,  Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 und Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10).

Die Ausgabe eines Gutscheins zum Bezug von bestimmten Gegenständen bei einem Dritten ist eine adäquate Form der Sachleistung, wenn der Grundsicherungsträger auf das Angebot und die Abgabemodalitäten direkten und erheblichen Einfluss hat (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.03.1994 – 6 S 1591/92). Dies ist vorliegend der Fall, da zwischen dem Antragsgegner und der Firma B vertragliche Vereinbarungen über die Abgabemodalitäten, den Umfang der an einen Leistungsberechtigten auszugebenden Elektrogeräte sowie deren Zustand bestehen. Die vertragliche Vereinbarung betreffend den zu gewährleistenden Zustand der Gegenstände – neuwertige Elektrogeräte von bestimmten Herstellern mit einer 2-jährigen Garantie inklusive Anlieferung und Montage an den Hausanschluss - entspricht den Anforderungen des § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II, wonach ein Leistungsträger eine angemessene Wohnungsausstattung, die der Befriedigung von einfachen und grundlegenden Wohnbedürfnissen genügt und im unteren Segment der Einrichtungsgegenstände liegt, zu leisten hat (BSG, Urteile vom 27.09.2011 – B 4 AS 202/10 R, 13.04.2011 – B 14 AS 53/10 R und 19.08.2010 – B 14 AS 36/09 R). Der Elektrostandardherd Amica SHE 1151 W und die Waschmaschine Beko WML 16106 N haben nach den Internet-Recherchen des Senats, gegen deren Ergebnis  die Beteiligten keine Einwände erhoben haben, die Energieeffizienzklasse A+ (höchste Energieeffizienzklasse). Insoweit wird auf die Verfügung des Senats vom 21.07.2022 Bezug genommen.

3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren L 19 AS 905/22 B ER ist unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. § 73a Abs. 1 S.1 SGG, 114 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§§ 73 Abs. 1 S.1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 SGG).

Dieser Beschluss ist nicht mit Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, § 177 SGG.

 

Rechtskraft
Aus
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