1. Der Senat lässt offen, ob die beantragte Gegensprechanlage mit Videofunktion in der beantragten Form mit drei Monitoren erforderlich, geeignet und wirtschaftlich ist.
2. Entscheidend ist, dass es sich vorliegend bei der beantragten Maßnahme um eine einheitliche Maßnahme mit dem einige Jahre vorangegangen Einbau eines Treppenlifts und der dabei erfolgten Ausschöpfung des Höchstzuschusses handelt. Die medizinische Erforderlichkeit der Maßnahme bestand bereits zum Zeitpunkt des Antrags auf einen Zuschuss für den Einbau eines Treppenlifts.
3. Eine Ausdehnung der Vorschrift zur Straf- oder Verzögerungszahlung auf die Regelung zur Gewährung eines Zuschusses für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen scheidet aus.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 5. November 2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Streitig ist die Gewährung eines Zuschusses für die Anschaffung einer Gegensprechanlage mit Videofunktion in Höhe von 1.918,28 EUR (50 Prozent der Gesamtrechnung entsprechend der tariflichen Absicherung bei dem Beklagten - Beihilfeergänzungstarif) als wohnumfeldverbessernde Maßnahme sowie eine Entschädigung nach § 18 Abs. 3 b des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI).
Der 1958 geborene Kläger und Berufungskläger ist bei dem Beklagten und Berufungsbeklagten privat kranken- und pflegeversichert mit einem Tarif zu 50 %; im Übrigen ist er beihilfeberechtigt. Es ist bei ihm Pflegegrad 4 anerkannt; er wird überwiegend von seiner Ehefrau zu Hause gepflegt. Als pflegerelevante Diagnosen bestehen insbesondere ein Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma nach Arbeitsunfall vom 30.05.2006, eine erhebliche Einschränkung der Gehfähigkeit mit Notwendigkeit der Nutzung eines Rollstuhls, ein zentraler Schwindel, ein hirnorganisches Psychosyndrom sowie eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit.
Mit Änderungsbescheid vom 28.07.2015 in der Gestalt des Bescheides vom 13.08.2015 und des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2015 wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 mit einem Einzel-GdB für die beidseitige Schwerhörigkeit von 80 und die Merkzeichen B, G, aG, H, RF und Gl anerkannt. Dem lagen u.a. ein Attest des Allgemeinarztes Dr. R vom 15.05.2014 sowie des HNO-Arztes Dr. W vom 29.04.2014 zugrunde.
Der Beklagte ist mit Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.03.2018 (Az.: S 18 P 26/17) verurteilt worden, einen im Januar 2015 beantragten Zuschuss als wohnumfeldverbessernde Maßnahme für einen Treppenlift vom Erdgeschoss in das Untergeschoss zu gewähren.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 20.12.2017, vertreten durch seine Ehefrau, bei dem Beklagten einen Zuschuss zu einer Gegensprechanlage mit Videofunktion, um eine möglichst selbstständige Lebensführung des hochgradig schwerhörigen, pflegebedürftigen Klägers zu gewährleisten. Beigefügt war dem Antrag ein amtsärztliches Attest von Frau Dr. V vom 21.07.2015, in welchem sie einen behindertengerechten Umbau der Wohnung mit der Sprechanlage und den Türöffnern für dringend erforderlich halte. Ein weiteres amtsärztliches Attest datierte vom 08.12.2017. Folgende Maßnahmen/Hilfsmittel seien aus medizinischer Sicht dringend erforderlich:
- Behindertengerechter Umbau und Ausbau des Wohnhauses
- (...)
- Installation eines Treppenlifts für den Zugang zur Wohnung
- (...)
- Behindertengerechter Umbau der Steckdosen und Schalter, der Sprechanlage und Türöffner, um diese vom Rollstuhl aus zu erreichen
- (...).
Am 12.12.2018 ist ein Beratungseinsatz beim Kläger durchgeführt worden. Der durchführende Pflegedienst regte als Maßnahme eine Video-Türsprechanlage und Überwachungsanlage an. Mit Schreiben vom 20.12.2018 beantragte der Kläger erneut ausdrücklich einen Zuschuss zum Einbau der Gegensprechanlage mit Videofunktion.
Auf ein Schreiben des Beklagten vom 20.12.2018 übersandte der Kläger einen Kostenvoranschlag/ein Angebot der Fa. S vom 28.12.2018 (Gesamtkosten: 3.836,56 EUR). Da der Beklagte ferner mitteilte, dass nur ein Anspruch für eine Gegensprechanlage, nicht dagegen für die Videofunktion geprüft werde, erläuterte der Kläger, dass die Videofunktion für ihn als hochgradig schwerhörige Person zur Identifikation von Besuchern zwingend erforderlich sei. Die begehrte Maßnahme ermögliche ihm eine möglichst selbstständige Lebensführung. Er sei hochgradig schwerhörig, eine Gegensprechanlage ohne Videofunktion könne von ihm daher nicht genutzt werden. Er sei jedoch im Rahmen einer selbstständigen Lebensführung darauf angewiesen, Besucher möglichst zweifelsfrei identifizieren zu können um dann zu entscheiden, ob dem Besucher Einlass gewährt werden könne. Besucher zu empfangen sei ein elementares Grundbedürfnis, welchem er auch ohne Anwesenheit seiner Pflegeperson nachkommen können müsse.
Der Anspruch auf Zahlung der 70,00 EUR je angefangener Woche ergebe sich aus § 18 Abs. 3 b SGB XI. Der Beklagte habe über den Antrag vom 20.12.2017 bis heute nicht entschieden.
Der Kläger hat am 17.04.2019 durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben. Neben der Gewährung eines Zuschusses zum Einbau einer Gegensprechanlage mit Videofunktion als wohnumfeldverbessernde Maßnahme in Höhe von 1.918,28 EUR beantragte er auch, ihm für jede begonnene Woche 70,00 EUR ab Ablauf von 25 (Arbeits-)Tagen nach Eingang des Antrags des Klägers vom 20.12.2017 bei dem Beklagten zu bezahlen.
Der Beklagte ist der Forderung entgegengetreten; er hat angegeben, erstmals mit dem Nachweis über den Beratungseinsatz vom 12.12.2018 Kenntnis davon erhalten zu haben, dass der Kläger eine Gegensprechanlage mit Videofunktion wünsche. Das mit der Klageschrift vorgelegte Schreiben der Ehefrau vom 20.12.2017 habe ihm bislang nicht vorgelegen.
Es sei unverzüglich ein Kostenvoranschlag wie auch eine Schweigepflichtentbindung angefordert worden. Da die Entbindungserklärung nicht zurückgeschickt worden sei, sei es ihm nicht möglich gewesen, den medizinischen Dienst mit einer Prüfung zu beauftragen. Zudem habe er bislang keine Antwort darauf erhalten, wie der Kläger bislang klingelnde Personen an der Türe identifiziert habe. Auch sei nach Prüfung des Kostenvoranschlags darauf hingewiesen worden, dass die geplante Ausstattung mit zwei Videotürstationen und drei Monitoren weit über das Standardmaß hinausgehe. Es sei daher um einen angepassten Kostenvoranschlag gebeten worden. Statt einer Antwort sei Klage erhoben worden. Im Übrigen wäre zu prüfen, ob nicht eine einheitliche Maßnahme zu dem Treppenlift vorliege, für welchen bereits der Höchstzuschuss in Höhe von 2.000,00 EUR gewährt worden sei.
Der zweite Klageantrag sei abzuweisen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlägen.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat noch einen Nachweis der Pflegeberatung vom 05.06.2019 vorgelegt, nach dem die Gegensprechanlage mit Videofunkton und drei Sprechstellen dringend erforderlich sei, um die verordneten Physiotherapien wieder aufnehmen zu können. Er hat weiter die Ansicht vertreten, dass sich die Pflegesituation seit dem Antrag auf Einbau eines Treppenlifts dramatisch verändert habe. Die Schwerhörigkeit habe sich seit dem Antrag auf Zuschuss zum Treppenlift im Herbst 2017 nochmals erheblich verschlechtert, auch der Pflegebedarf habe sich erhöht. Zudem sei nunmehr die Pflegeperson des Klägers, seine Ehefrau, deutlich eingeschränkter, diese leide an chronischen Schmerzen mit somatischen und psychischen Faktoren. Da die Ehefrau nunmehr selber therapiert werden müsse, sei der Kläger in größerem Umfang auf andere Pflegepersonen angewiesen. Um diese in die Wohnung zu lassen, bedürfe es der Videoanlage.
Auch teile der Klageantrag zu 2 nicht notwendig das Schicksal des Klageantrags zu 1. Zum Vorbringen des Beklagten werde mitgeteilt, dass das Schreiben der Ehefrau vom 20.12.2017 am 21.12.2017 persönlich von der Ehefrau in den Briefkasten geworfen worden sei. Die angeforderte Entbindungserklärung sei dem Beklagten mit dem Schreiben vom 06.07.2018 übersandt worden.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 05.11.2019 abgewiesen. Es bestehe zum einen kein Anspruch auf die beantragte Zuschussgewährung gemäß § 192 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in Verbindung mit § 4 Abs. 7 MB/PPV, welcher § 40 Abs. 4 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI) entspreche. Die streitige Gegensprechanlage mit Videofunktion diene entsprechend der Vorgaben des § 4 Abs. 7 MB/PPV weder zur Ermöglichung der Pflege noch erleichtere sie die Pflege erheblich noch diene sie in der beantragten Form der Wiederherstellung einer möglichst selbst-ständigen Lebensführung, da sie das Maß des Erforderlichen überschreite. Die Kammer hat hierbei auch das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG, Urt. vom 28.06.2001 - B 1 P 3/00 R) berücksichtigt. Der Kläger begehre einen Zuschuss zu einer fest installierten Gegensprechanlage mit Videofunktion und drei Monitoren. Selbst wenn der Kläger an verschiedenen Orten auf die Videofunktion zugreifen möchte, sei der Ansatz von drei Monitoren überdimensioniert und unplausibel. Da der Kläger offensichtlich - obgleich er mindestens seit dem Jahr 2015 funktionell taub sei - in diesem Zeitraum auch Türen öffnen konnte und im Alltag zu Recht gekommen sei, sei zu bezweifeln, ob durch die beantragte Maßnahme das Verbleiben in der häuslichen Umgebung tatsächlich gefördert und die Notwendigkeit einer Heimpflege vermieden werde.
Nach Ansicht der Kammer sei ein Zuschuss zu der Gegensprechanlage mit Videofunktion unabhängig davon aber auch deshalb ausgeschlossen, weil sie als einheitliche Maßnahme zum Einbau des Treppenlifts zu sehen sei. Vorliegend habe die Amtsärztin im Dezember 2017 bestätigt, dass der Kläger einen Treppenlift wie auch eine Gegensprechanlage benötige. Bereits bei Antragstellung auf Zuschuss zu dem Treppenlift habe der Kläger das Merkzeichen Gl zuerkannt bekommen und sei mithin damals bereits funktionell taub gewesen. Insoweit hätte er bereits zu diesem Zeitpunkt der begehrten Gegensprechanlage mit Videofunktion bedurft. Es sei daher von einer einheitlichen Maßnahme auszugehen, für welcher der Höchstzuschuss von 2.000,00 EUR bereits gewährt worden sei. Der Kläger dringe auch nicht mit dem Vorbringen durch, dass keine Einheitlichkeit der Maßnahme vorliege, weil es mittlerweile der Pflegeperson selber schlechter gehe und daher die Maßnahme noch dringlicher sei. Dies ändere nichts an der Tatsache, dass die Notwendigkeit letztlich einheitlich bereits beim Antrag auf Zuschuss zu dem Treppenlift vorgelegen habe und damit die Einheitlichkeit der Maßnahme vorliege.
Der Klageantrag zu 2) sei bereits unzulässig, da er nicht konkret beziffert sei (vgl. BSG Urteil vom 26.01.2006 - B 3 KR 4/05 R). Lediglich ergänzend werde ausgeführt, dass dem Kläger auch materiell-rechtlich kein Anspruch zustehe. Der Kläger trage vor, den Antrag im Jahr 2017 gestellt zu haben. Für Anträge aus dem Jahr 2017 sei gemäß § 18 Abs. 3 b Satz 5 SGB XI die Anwendung der Sätze 1 bis 3 ausgeschlossen. Insofern könne sogar dahinstehen, ob § 18 Abs. 3 b SGB XI nur für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit oder auch für Anträge auf einen Zuschuss zu einer wohnumfeldverbessernde Maßnahme eingreife. Nach der Gesetzessystematik hat die Vorsitzende im Übrigen die Anwendungsspielraum des § 18 Abs. 3 b SGB XI auf wohnumfeldverbessernde Maßnahmen als nicht eröffnet angesehen.
Gegen den am 13.11.2019 zugegangenen Gerichtsbescheid hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 12.12.2019 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Entscheidung verletze den Kläger in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör. Sie enthalte letztlich völlig unbelegte Mutmaßungen, insbesondere hinsichtlich der Anwesenheit der Ehefrau oder der Erforderlichkeit der Maßnahme. Die Maßnahme diene eindeutig der Wiederherstellung einer möglichst selbstständigen Lebensführung. Dabei werde auch das Maß des Erforderlichen nicht überschritten. Aufgrund der eingeschränkten Mobilität des Klägers seien drei Monitore an den typischen Aufenthaltsorten des Klägers (am Bett, im Wohnbereich, an der Wohnungseingangstür) erforderlich. Auch könnten mobile Monitore vom Kläger aufgrund seiner Mobilitätseinschränkungen nicht sinnvoll mitgeführt werden. Günstigere Angebote seien ihm nicht bekannt. Die Erforderlichkeit werde durch den Beratungseinsatz im Jahr 2017 sowie durch den im Folgejahr zweifelsfrei nachgewiesen. Dies ergebe sich auch aus den amtsärztlichen Gutachten.
Die beantragte Maßnahme sei auch nicht als einheitliche Maßnahme mit dem Treppenlift anzusehen. Der Treppenlift sei bereits 2014 beantragt worden, die Gegensprechanlage erst Ende 2017, nachdem sich eine wesentliche Veränderung der Pflegesituation ergeben habe. Die Änderung sei ab Herbst 2017 aufgrund der Pflegebedürftigkeit des Klägers und hinsichtlich der Unterstützungsmöglichkeiten durch die Ehefrau des Klägers eingetreten und habe sich in der Weihnachtszeit 2018 noch einmal deutlich und dauerhaft intensiviert. Die Fortbewegung im Rollstuhl sei dem Kläger immer schwerer gefallen, aufstehen und zu Bett gehen bereiteten Schwierigkeiten und das Hören und Verstehen sei weiter eingeschränkt gewesen. Die an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit habe sich in diesem Zeitraum derart verschlechtert, dass am 07.11.2017 durch den HNO-Arzt Dr. W eine neue Hörhilfe habe verordnet werden müssen. Ab Herbst 2017 seien auch verstärkt Schmerz- und Schwindelattacken aufgetreten, was zu zahlreichen Stürzen geführt habe. Zu den weiteren Verschlechterungen um die Weihnachtszeit 2018 hat der Kläger auf ein ärztliches Attest des Dr. R vom 11.09.2019 verwiesen.
Im Herbst 2017 sei dann auch die Ehefrau des Klägers mit körperlichen und psychischen Beschwerden erkrankt. An der Pflege wirkten seitdem verstärkt externe Pflegepersonen, Ärzte und Therapeuten mit, die eingelassen werden müssten.
Der Klageantrag zu 2) sei zulässig, insbesondere bezifferbar. Eine abschließende Bezifferung könne erst zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erfolgen; der Beklagte habe den Antrag bis heute nicht beschieden. Abgestellt werde nun auf den Antrag vom 20.12.2018. Der Anspruch bestehe nach § 18 Abs. 3 b S. 5 SGB XI.
Der Beklagte ist der Berufung mit Schriftsatz vom 05.02.2020 entgegengetreten. Insbesondere sei die beim Kläger bestehende, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit unstreitig; mit dieser werde die Erforderlichkeit der Maßnahme begründet. Diese Schwerhörigkeit bestehe bereits seit 2015, so dass Ermittlungen im Hinblick auf eine geänderte Pflegesituation nicht notwendig seien.
Ferner liege eine einheitliche Maßnahme zu dem im Jahr 2015 beantragten Einbau des Treppenlifts vor. Bereits im Jahr 2015 sei - auch nach dem damaligen eigenen Vortrag des Klägers - der Umbau der Sprechanlage und der Türöffner durch ein ärztliches Attest befürwortet worden. Der Umbau der Gegensprechanlage sei damals bereits im Zeitpunkt der Antragstellung auf Bezuschussung des Treppenlifts objektiv erforderlich gewesen.
Zum Klageantrag zu 2) ist die Ansicht vertreten worden, dass sich § 18 Abs. 3 b SGB XI nach dem eindeutigen Wortlaut nur auf das Verlangen zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit beziehe, nicht jedoch auf andere Anträge auf Leistungen der Pflegeversicherung. Im Übrigen hat der Beklagte auf § 2 Abs. 2 a S. 4 MB/PPV verwiesen. Aufgrund noch bis heute fehlender Unterlagen habe der Beklagte somit keine Gelegenheit zur Prüfung des klägerischen Antrags (durch den medizinischen Dienst) gehabt.
Der Senat hat einen Befundbericht des Allgemeinarztes Dr. R vom 03.02.2020 eingeholt, der eine erhebliche Veränderung im Gesundheitszustand im Herbst 2017 und in der Weihnachtszeit 2018 bestätigt hat. Der Beklagte hat hierzu geäußert, dass selbst wenn es zu einer erheblichen Verschlechterung der Befunde 2017 und 2018 gekommen sei, dies nichts an der Tatsache ändere, dass der Umbau der Gegensprechanlage aufgrund der damals bereits bestehenden funktionellen Taubheit des Klägers im Zeitpunkt der Antragstellung auf Bezuschussung des Treppenlifts im Jahr 2015 ebenfalls schon objektiv erforderlich gewesen sei. Im Übrigen hat der Beklagte auf ein Medicproof-Gutachten vom 20.05.2015 verwiesen. Hieraus ergebe sich, dass beim Kläger bereits damals eine hochgradige zentrale Schwerhörigkeit vorgelegen habe und ein Gespräch nur mit einem Sprachdolmetscher geführt werden konnte. Der Kläger habe schon damals von den Lippen abgelesen und es sei Gebärdensprache erforderlich gewesen. Eine erhebliche Verschlechterung in der Zeit danach sei somit nicht ersichtlich.
Im Übrigen hat der Beklagte auf ein Schreiben der Ehefrau des Klägers vom 13.12.2014 und auf ein Attest des HNO-Arztes Dr. W vom 29.04.2014 (Diagnose: zentrale Schwerhörigkeit wechselnder Ausprägung) hingewiesen; demnach habe bereits zu diesem Zeitpunkt eine zentrale Schwerhörigkeit vorgelegen; die Notwendigkeit eines LBG-Dolmetschers oder eines Schriftsprachdolmetschers sei bestätigt. Eine erhebliche Verschlechterung des Hörvermögens sei daher weiter nicht ersichtlich.
Nach klägerischer Ansicht sei bei der Erstellung des Medicproof-Gutachtens vom 20.05.2015 ein Gebärdensprachdolmetscher gerade nicht anwesend gewesen, sondern ein Schriftsprachdolmetscher. Eine funktionelle Taubheit habe damals noch nicht bestanden. Die Kommunikation habe noch durch Lautsprache und mit Einsatz von technischen Hilfsmitteln erfolgen können. Lautsprachbegleitende Gebärden seien ggf. unterstützend eingesetzt worden. Damals sei es deshalb noch möglich gewesen mit ihm ein Telefonat zu führen (vgl. Telefonat vom 04.05.2015). Die nunmehr bestehende funktionelle Taubheit habe erst 2017 eingesetzt. Dr. R habe in seinem Befundbericht eine Befundverschlechterung bestätigt.
Auf klägerischen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein Gutachten des Allgemeinarztes Dr. R vom 07.12.2020 nach Hausbesuch eingeholt. Der Sachverständige hat u.a. schwerste Mobilitätseinschränkungen, schwerste Einschränkungen der Selbstversorgung und der kognitiven Fähigkeiten, schwerste chronische Schmerzen, eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit, schwere psychische und psychosomatische Erkrankungen, einen de-kompensierten Tinnitus aurium und einen starken Schwindel diagnostiziert. Die Gegensprechanlage mit zwei Haustürstationen und drei Video-Monitoren sei zur Wiederherstellung einer möglichst selbstständigen Lebensführung erforderlich. Die streitige Gegensprechanlage sei aber aufgrund des objektiven Pflegebedarfs noch nicht zum Zeitpunkt des Antrags auf Zuschussgewährung für einen Treppenlift im Januar 2015 erforderlich gewesen. Der Treppenlift sei aufgrund bautechnischer Probleme bis heute noch nicht eingebaut. An Verschlechterungen seien es im Herbst 2017 und vor dem Weihnachtsfest 2018 zu weiteren schwersten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten im Bereich Mobilität, de kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten, der Verhaltensweisen und psychischen Problemlagen, bei der Selbstversorgung, bei der Bewältigung von und selbständigem Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen und zu weiteren schweren Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit bei der Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte gekommen. Objektive und relevante Veränderungen in der Pflegesituation seien ab Herbst 2017 zusätzlich wegen der Erkrankungen der maßgeblichen Pflegeperson, der Ehefrau, eingetreten.
Der Beklagte hat daran festgehalten, dass es sich bei der streitgegenständlichen Gegensprechanlage mit Video um eine einheitliche Maßnahme mit dem Treppenlift handle. Es habe bereits 2014/2015 eine hochgradige zentrale Schwerhörigkeit vorgelegen. Hinsichtlich der behaupteten Veränderung der Pflegesituation wegen Erkrankung der Ehefrau des Klägers hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass bereits im Medicproof-Zweitgutachten vom 20.05.2015 die Überforderung der Ehefrau als Pflegeperson dokumentiert sei und eine vollstationäre Pflege als erforderlich beschrieben und auch erwogen worden sei.
Für die Frage der Bewertung, ob eine einheitliche Maßnahme vorliege, komme es allein auf den Zeitpunkt der pflegerischen Notwendigkeit der Maßnahme an.
Die Notwendigkeit von drei Monitoren sei auch nach den Ausführungen des Dr. R nicht nachvollziehbar. Zudem bestünden erhebliche Zweifel, ob der Kläger kognitiv in der Lage sei, die auf der Bildübertragung gezeigte Person zu identifizieren und zu entscheiden, ob diese eingelassen werden dürfe, da nach Angaben des Hausarztes erhebliche Gedächtnis und Merkfähigkeitsstörungen vorlägen, die die sichere Anwendung einer Türöffnungsanlage in Frage stellten.
Der Beklagte hat zu dem Gutachten ferner eine Stellungnahme der Medicproof vom 09.04.2021 eingeholt und vorgelegt. Danach seien die Ausführungen des Sachverständigen nicht nachvollziehbar. Die gewünschte Gegensprechanlage mit Video in der beantragten Ausführung sei nicht notwendig und vom Kläger höchstwahrscheinlich nicht sicher zu bedienen. Im Übrigen wäre sie als eine einheitliche Maßnahme mit dem bereits bewilligten Treppenlift zu bewerten.
Eine Anfrage des Senats zur Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers aufgrund des Arbeitsunfalls vom 30.05.2006 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 14.05.2021 mitgeteilt, dass der Kläger als Pfarrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern stehe und daher in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherungsfrei sei (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch - SGB VII). Es bestünden aus dem Unfall keine Ansprüche gegen den Dienstherrn, was auch der Bayer. Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 24.02.2014 bestätigt habe (BayVGH, Az.: 3 ZB 12.2437 und 3 ZB 12.2439).
Im Übrigen sind für den Kläger umfangreiche Einwendungen gegen die Medicproof-Stellungnahme vom 09.04.2021 vorgebracht worden. U.a. hat der Prozessbevollmächtigte dargelegt, dass eine Gegensprechanlage mit Videofunktion zwar schon zum damaligen Zeitpunkt 2015 wie für jeden Menschen grundsätzlich eine Erleichterung dargestellt hätte, diese aber zum damaligen Zeitpunkt noch nicht erforderlich und notwendig gewesen sei. Insoweit hat er auf das Gutachten des Dr. R verwiesen. Dies werde durch den Umstand gestützt, dass in den Medicproof-Begutachtungen eine solche Gegensprechanlage mit Videofunktion gerade nicht als wohnumfeldverbessernde Maßnahme vorgeschlagen worden sei - auch in früheren Beratungseinsätzen nicht. Zwar habe im Januar 2015 bereits eine zentrale Schwerhörigkeit bestanden, aufgrund der bestehenden Pflegesituation und der zu diesem Zeitpunkt noch angemessen nutzbaren Hörgeräte und insbesondere, da der Kläger noch mobiler und selbstständiger gewesen sei, seien die bestehenden Einrichtungen im Haus des Klägers ausreichend gewesen. Im Übrigen habe sich auch nach Antragstellung zum Treppenlift im Januar 2015 auch der Pflegegrad geändert. Ab 30.07.2015 sei ihm die Pflegestufe II mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz (nunmehr Pflegegrad 4) durch Urteil des Senats (Urteil vom 13.10.2020, Az.: L 4 P 12/19) zuerkannt worden, mittlerweile werde von Dr. R in seinem Gutachten überzeugend das Vorliegen der Voraussetzungen von Pflegegrad 5 ab 20.12.2017 bis 20.12.2018 dargelegt. Allein dies belege eine Ausweitung des Pflegebedarfs und damit eine wesentliche Änderung der Pflegesituation zwischen Januar 2015 und der nun erfolgten Antragstellung am 20.12.2017 und 20.12.2018.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers angegeben, dass die beantragte Gegensprechanlage mit Videofunktion bislang noch nicht eingebaut worden sei. Nach Angaben des Beklagten wurde der Zuschuss für den Treppenlift noch nicht abgerufen. Im Übrigen ist zwischen den Beteiligten vor allem die Frage erörtert worden, ob eine einheitliche Maßnahme zu dem gewährten Zuschuss für den Treppenlift, beantragt im Januar 2015, zu sehen ist. Auf die Niederschrift der Sitzung wird verwiesen.
Der Kläger beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.11.2019 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Zuschuss zum Einbau einer Gegensprechanlage mit Videofunktion als wohnumfeldverbessernde Maßnahme in Höhe von 1.918,28 EUR zu bezahlen;
2. den Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für jede begonnene Woche 70,00 € ab Ablauf von 25 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags des Klägers vom 20.12.2018 bei der Beklagten zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf die Unterlagen der Beklagten, den Inhalt der beigezogenen Akte des ZBFS Bayern (ab 2014), der Gerichtsakten des Bayer. Landessozialgerichts (L 4 P 42/18; L 4 P 12/19) und der Klage- und Berufungsakte verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), jedoch unbegründet.
1.
Es besteht zum einen kein Anspruch auf die beantragte Zuschussgewährung gemäß § 192 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 4 Abs. 7 MB/PPV (inhaltlich gleichlautend: § 40 Abs. 4 SGB XI). Danach können für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes der versicherten Person, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, gemäß Nr. 4.3 des Tarifs PV (mit Tarifstufen PVN und PVB) subsidiär finanzielle Zuschüsse gezahlt werden, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung der versicherten Person wiederhergestellt wird (siehe entsprechend: § 40 Abs. 4 S. 1 SGB XI). Die Höhe des Zuschusses ist jedoch je Maßnahme begrenzt auf 4.000.- EUR, § 4 Abs. 7 MB/PPV in Verbindung mit 4.3. des Tarifs PV bzw. § 40 Abs. 4 S. 2 SGB XI. Als Maßnahme ist die gesamte pflegegerechte Umgestaltung der Wohnung anzusehen. Alle Maßnahmen, die zum Zeitpunkt der Zuschussgewährung bzw. auf der Grundlage des zu diesem Zeitpunkt bestehenden Hilfebedarfs zur Wohnumfeldverbesserung erforderlich sind, sind als eine Verbesserungsmaßnahme im Sinne der o.g. Regelungen zu werten.
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat zum Vorliegen einer einheitlichen Maßnahme zunächst auf die Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Gerichtsbescheid, § 153 Abs. 2 SGG. Dabei konnte das Sozialgericht gemäß § 105 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden; ein Einverständnis der Beteiligten ist hierfür nicht erforderlich. Die Beteiligten wurden zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid vom Sozialgericht gehört.
Unter Berücksichtigung des Berufungsverfahrens ist Folgendes ergänzend auszuführen:
Der Anspruch auf Zuschussgewährung nach § 4 Abs. 7 MB/PPV ist wie bei § 40 Abs. 4 SGB XI subsidiär ausgestaltet; aufgrund der Subsidiarität kommt ein Anspruch auf wohn-umfeldverbessernde Maßnahmen nur in Betracht, wenn kein anderer Leistungsträger, insbesondere die Krankenkasse, vorrangig einzutreten hat (BSG, Urteil vom 12.06.2008, B 3 P 6/07 R). Vorliegend kommt ein vorrangiger Anspruch gegen einen Unfallversicherungsträger aufgrund einer Folge des Arbeitsunfalls vom 30.05.2006 aber nicht in Betracht, da der Kläger als Pfarrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern steht und in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherungsfrei ist (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII; siehe hierzu auch das Urteil des Bayer. Verwaltungsgerichtshof vom 24.02.2014 betreffend den Kläger (BayVGH, a.a.O.).
Der Senat lässt offen, ob die Gegensprechanlage mit Videofunktion in der beantragten Form mit drei Monitoren erforderlich, geeignet und wirtschaftlich ist. Damit kann auch offen bleiben, ob eine Anlage mit mobilem Monitor die für den Kläger geeignetere Variante darstellt und ob der Kläger noch gemäß seinen kognitiven Fähigkeiten die Gegensprechanlage bedienen und nutzen kann.
Entscheidend ist für den Senat allein, dass, wie auch das Sozialgericht angenommen hat, es sich bei der beantragten Maßnahme um eine einheitliche Maßnahme mit dem 2014/2015 bzw. im Januar 2015 beantragten Einbau eines Treppenlifts handelt. Bereits hierbei hat der Kläger den Zuschuss in Höhe von 2.000.- EUR zugesprochen erhalten
- der Höchstzuschuss gemäß § 4 Abs. 7 MB/PPV in Verbindung mit 4.3. des Tarifs PV wurde bei einem Tarif von 50 % somit bereits ausgeschöpft.
Beim Kläger liegen unstreitig erhebliche körperliche und psychische Beeinträchtigungen vor wie insbesondere eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit und erhebliche Einschränkungen der Mobilität. Allerdings ist bereits im Jahr 2015 u.a. durch die vorliegenden Medicproof-Gutachten von Januar und Mai 2015 belegt, dass eine hochgradige zentrale Schwerhörigkeit vorlag. Nach dem Gutachten vom 20.05.2015 konnte beispielsweise bei der Begutachtung ein Gespräch nur mit einem Sprachdolmetscher geführt werden. Im Erstgutachten der Medicproof vom 08.01.2015 wurden u.a. bereits eine schwergradige zentrale Schwerhörigkeit und ein beidseitiger Tinnitus als pflegebegründende Diagnosen genannt, nach dem Zweitgutachten vom 20.05.2015 eine hochgradige zentrale Schwerhörigkeit und ein Tinnitus aurium, die die Kommunikation beeinträchtigen.
Auch aus der mit der Klageschrift vorgelegten Anlage K 1 (Schreiben der Ehefrau an den Beklagten vom 20.12.2017) ergibt sich, dass der "behindertengerechte Umbau der Sprechanlage mit Video und Türöffner" bereits mit ärztlichem Attest vom 21.07.2015 verordnet wurde. Ferner ergibt sich dies auch aus der Klageschrift in dem Verfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg (Az.: S 18 P 26/17, Seite 2 der Klageschrift). Auch hier findet sich der Hinweis darauf, dass bereits im Jahre 2015 der Umbau der Sprechanlage und der Türöffner durch ein ärztliches Attest bestätigt wurde.
Schließlich lag seit 26.06.2015 das Merkzeichen Gl vor (Änderungsbescheid des ZBFS vom 13.08.2015). Aus der beigezogenen Schwerbehindertenakte ergibt sich, dass bereits im und vor dem Januar 2015 die hochgradige zentrale Schwerhörigkeit und ein stark belastender beidseitiger Tinnitus vorgelegen hat. Objektiviert wird dies durch die ärztlichen Atteste des Dr. R vom 15.05.2014 und des HNO-Arztes Dr. W vom 29.04.2014. Auch letzterer bescheinigte, dass der Kläger bereits im April 2014 wegen großer Unsicherheiten beim Verstehen bei Gesprächen mit mehreren Personen einen LBG-Dolmetscher oder einen Schriftsprachdolmetscher benötigte.
Es mag zwar zutreffen, dass sich u.a. die Schwerhörigkeit seitdem weiter verschlechtert hat, wie auch der Gutachter Dr. R glaubhaft darlegte. Auch kann als zutreffend unterstellt werden, dass sich aufgrund einer Veränderung des Gesundheitszustandes der bislang überwiegend in die Pflege eingebundenen Ehefrau seit Herbst 2017 die Pflegesituation zugespitzt hat und eventuell eine Erhöhung des Pflegebedarfs beim Kläger eingetreten ist - dies ist jedoch ohne Einwirkung auf die auch vom Senat angenommene Ansicht, dass die konkret beantragte Maßnahme als einheitliche Maßnahme bereits nach den Gegebenheiten im Januar 2015 anzusehen ist. Hierfür ist nicht entscheidend, ob zum damaligen Zeitpunkt noch ein gewisses Resthörvermögen vorhanden war - hiervon sind auch die Gutachter der Medicproof im Jahre 2015 ausgegangen, da noch, wenn auch sehr eingeschränkt und mit Schwierigkeiten, eine Kommunikation über das gesprochene Wort möglich war. Der Sachverständigen schilderte z.B. ein Telefonat mit dem Kläger vom 04.05.2015; der Kläger konnte noch Hörhilfen verwenden, die von schwerhörigen Personen benutzt werden, nicht aber von Menschen, die an Taubheit grenzend schwerhörig sind. Es finden sich im Übrigen keine Aussagen darüber, ob und inwieweit der Kläger damals noch mit der Hörhilfe Typ mino von BS zurecht gekommen ist. Jedenfalls war der Kläger aber, wie dargelegt, hochgradig schwerhörig, die Kommunikation war bereits 2015 erheblich eingeschränkt, erforderlich für ein Gespräch war in der Regel ein LBG- oder Schriftsprachdolmetscher bzw. der Kläger las von den Lippen ab. Insgesamt wird die Kommunikation mit ihm "oft schwierig, langwierig und mühsam" (Seite 4 des Medicproof-Gutachtens vom 20.05.2015) dargestellt. Voraussetzung für eine medizinische Erforderlichkeit einer Gegensprechanlage mit Video ist aber nicht, dass bereits eine funktionale Taubheit vorliegt; ausreichend ist auch eine hochgradige Schwerhörigkeit. Dies ist im Einzelfall zu prüfen. Insoweit geht die Argumentation des Klägers und des Sachverständigen Dr. R zur weiteren Verschlechterung und zur Änderung der Pflegesituation ins Leere.
Im Übrigen hat auch der Sachverständige Dr. R in seinem Gutachten erwähnt, dass er mit ärztlichem Attest vom 21.07.2015 bereits u.a. einen behindertengerechten Umbau der Sprechanlage für erforderlich gehalten hat (Seite 5 des Gutachtens). Soweit für den Kläger im Berufungsverfahren vorgebracht wurde, dass die Erforderlichkeit erst ab Sommer 2015 und noch nicht bei Antragstellung auf Zuschussgewährung für einen Treppenlift im Januar 2015 belegt sei, ist dies nicht zutreffend. Objektive Belege für die Erforderlichkeit bereits 2014 und im Januar 2015 finden sich nämlich, wie dargelegt, im Medicproof-Gutachten vom 08.01.2015 und vor allem in der beigezogenen Schwerbehindertenakte. Zu verweisen ist insoweit auf die obigen Ausführungen zum ärztlichen Attest der Dres. R/M vom 15.05.2014, zum Attest des Dr. W vom 29.04.2015, zu den Bescheiden zur Zuerkennung des Merkzeichen Gl sowie eines GdB von 100 mit Änderungsbescheid vom 28.07.2015 in der Gestalt des Bescheides vom 13.08.2015 und des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2015 bei einem Einzel-GdB für die beidseitige Schwerhörigkeit von 80.
Somit ergibt sich auch nichts anderes aus dem Gutachten des Dr. R. Soweit dort vor allem die Notwendigkeit einer Gegensprechanlage mit drei Monitoren bestätigt wird, kann sich der Senat dieser Einschätzung anschließen - auch, dass eine weitere Verschlechterung u.a. beim Resthörvermögen eingetreten ist. Für das Vorliegen eines Anspruchs auf einen weiteren Zuschuss ist jedoch wie dargelegt entscheidend, ob die medizinische Erforderlichkeit bereits zum Zeitpunkt des Antrags auf einen Zuschuss für einen Treppenlift bestand. Dies ist, wie ebenfalls dargelegt, zu bejahen und wurde im Jahre 2015 offensichtlich auch von Dr. R so gesehen.
Ein Gutachten von Amts wegen nach § 106 SGG wird nicht für erforderlich gehalten. Maßgebend sind vorliegend die Gegebenheiten im Zeitpunkt 2014/2015; wie dargelegt ist nicht entscheidend, ob eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder eine wesentliche Veränderung der Pflegesituation seitdem eingetreten ist. Insoweit kann sich der Senat auf die umfassenden und für überzeugend gehaltenen Gutachten und Stellungnahmen der Medicproof GmbH beziehen. Im Übrigen ergibt sich, wie dargelegt, auch aus dem nach § 109 SGG eingeholten Gutachten des Dr. R gerade, dass bereits 2014/2015 eine hochgradige Schwerhörigkeit und erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen bestanden.
Auch auf die weiteren im Verfahren streitigen Gesichtspunkte wie des Zugangs des Schreibens vom 27.02.2019 oder die Rücksendung einer Schweigerechtsentbindung kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
2.
Unbegründet ist zum anderen die Berufung unter Ziff. 2 des Berufungsantrags. Auch insoweit verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen des Sozialgerichts in dem Gerichtsbescheid. Nach § 142 Abs. 2 Satz 1 SGB XI in der hier anzuwendenden Fassung des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) war allerdings die Frist nach § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB XI vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2017 unbeachtlich - die Frist war daher im Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung des Klägers am 20.12.2017 unbeachtlich, sie konnte in der Zeit der gesetzlich geregelten Aussetzung am 20.12.2017 also nicht zu laufen beginnen (s. hierzu auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 11.12.2020, L 4 P 48/20 - juris Rn. 40). Soweit sich der Kläger nun ausdrücklich auf seinen (wiederholenden) Antrag vom 20.12.2018 bezieht, vermeidet er zwar den Ausschluss des Anspruchs nach § 18 Abs. 3 b S. 5 SGB XI. Eine Straf- oder Verzögerungszahlung kann dabei auch private Pflegekassen treffen, § 18 Abs. 3 b S. 3 SGB XI. Der Senat teilt aber die Auffassung, wie sie auch die Kammervorsitzende in der Begründung des Gerichtsbescheides vertreten hat, dass sich § 18 Abs. 3 b SGB XI bereits aufgrund seines Gesamtzusammenhangs zum "Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit" und im Zweiten Kapitel "Leistungsberechtigter Personenkreis" des SGB XI nur auf das in §§ 14 ff SGB XI (entsprechend bei privaten Pflegeversicherungen die tariflichen Regelungen) genannte Verfahren zur Pflegebedürftigkeit bzw. auf Pflegeleistungen gemäß einem bestimmten Pflegegrad bezieht (bei der sozialen Pflegeversicherung: §§ 14, 15 SGB XI). Eine Ausdehnung wie hier auf Verfahren zur Zuschussgewährung für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen (geregelt bei der sozialen Pflegeversicherung in § 40 SGB XI im Vierten Kapitel, Dritter Abschnitt "Leistungen") ist danach nicht möglich. Der systematische Zusammenhang des § 40 SGB XI besteht dabei zu den "Leistungen der häuslichen Pflege" (Erster Titel).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.