L 9 KR 392/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 15 KR 642/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 392/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 43/22 B
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Potsdam vom 21. September 2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

 

Die Klägerin, eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH), ist Trägerin des K E v B. Das Krankenhaus ist ein kommunales Krankenhaus in der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam. Es ist, der Bettenzahl zufolge, das zweitgrößte Schwerpunktkrankenhaus im Land Brandenburg. Das Krankenhaus war 2014 im Krankenhausplan des Landes Brandenburg u.a. mit der Fachabteilung Innere Medizin/Geriatrie, nicht aber für Herzchirurgie aufgenommen (Dritter Krankenhausplan des Landes Brandenburg, Amtsblatt für Brandenburg vom 9. Juli 2008, S. 1589 ff. in der Fassung der Fortschreibung vom 18. Juni 2013, Amtsblatt für Brandenburg Nr. 34 vom 14. August 2013, S. 2111 ff.).

 

Das Krankenhaus schloss am 1. September 2013 mit dem S-H C einen Kooperationsvertrag für die Erbringung der kathetergestützten transapikalen Aortenklappenintervention bzw. katheterbasierter Aorten-Klappenersatz - TAVI. Bei dieser Leistung wird eine biologische Herzklappenprothese über einen kleinen Zugang mittels eines Katheters implantiert[1]. Im Unterschied zum chirurgischen Vorgehen wird bei einer TAVI die Implantation – am schlagenden Herzen - vorgenommen, ohne beim Patienten eine Herz-Lungen-Maschine anzuschließen (vgl. https://www.swiss-heart-clinic.com/tavi).

 

Das Krankenhaus der Klägerin behandelte in der Zeit vom 30. Juni 2014 bis zum 15. Juli 2014 die 1931 geborene und bei der Beklagten versicherte Frau E P stationär mit der Hauptdiagnose Nichtrheumatische Aortenklappenkrankheiten/Aortenklappenstenose (I.35.0). Das Krankenhaus führte u.a. einen kathetergestützten minimal-invasiven Eingriff an den Herzklappen (TAVI) durch.

 

Die Klägerin stellte der Beklagten für den stationären Aufenthalt insgesamt 32.897,50 Euro in Rechnung. Konkret berechnete sie auf der Grundlage der Fallpauschale (Diagnosis Related Groups 2014 – DRG) die DRG F98Z – endovaskuläre Implantation eines Herzklappenersatzes oder transapikaler Aortenklappenersatz (TAVI). Die Beklagte zahlte einen Betrag in Höhe von  9.044,26 Euro und lehnte im Übrigen, damit hinsichtlich des Restbetrags in Höhe von 23.853,24 Euro, eine Zahlung der Rechnung unter Hinweis auf den fehlenden herzchirurgischen Versorgungsauftrag der Klägerin für die TAVI ab. Eine Beauftragung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (bis zum 30. Juni 2021: MDK) fand nicht statt.

 

Seit dem 1. Juli 2016 erbrachte das Krankenhaus der Klägerin die Leistungen der endovaskulären Implantation eines Herzklappenersatzes oder transapikalen Aortenklappenersatzes (TAVI) nicht mehr.

 

Die Klägerin hat am 22. Dezember 2017 Klage zum Sozialgericht Potsdam erhoben. Die Beklagte stütze ihre Zahlungsverweigerung ausschließlich darauf, dass die Klägerin keinen entsprechenden Versorgungsauftrag für die abgerechnete Leistung habe. Das sei nicht zutreffend, denn die Klägerin verfüge über einen entsprechenden Versorgungsauftrag. Der Versorgungsauftrag eines Krankenhauses ergebe sich aus §  8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) i.V.m. den Bescheiden zu seiner Durchführung. Es sei gerichtsbekannt, dass das K E vB durch Feststellungsbescheid mit dem Fachgebiet Innere Medizin, Subspezialisierung Kardiologie, in den Krankenhausplan des Landes Brandenburg aufgenommen sei. Zum Zeitpunkt der Leistungserbringung habe der Krankenhausplan keine Einschränkungen hinsichtlich der Erbringung der streitgegenständlichen Leistungen enthalten. Auch dem Feststellungsbescheid seien keine solchen Einschränkungen zu entnehmen. Der Krankenhausplan verweise zur Bestimmung des Versorgungsauftrags vielmehr auf die Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Brandenburg. Er orientiere sich einzig und allein am Inhalt der Weiterbildungsordnung zum Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie. Bereits im Jahr 2011 sei durch den Weiterbildungsausschuss der Bundesärztekammer beschlossen worden, dass die endovaskuläre Implantation eines Herzklappenersatzes als gebietskonform für einen Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie angesehen werde.

Darüber hinaus habe die für das Land Brandenburg zuständige Schiedsstelle nach §  18a Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze - Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) durch zwei Beschlüsse die zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Budget- und Entgeltvereinbarungen bestätigt. Dies sei auch Inhalt der zwei Genehmigungsbescheide des Landes Brandenburg für die genannten Budget- und Entgeltvereinbarungen. Die von Krankenkassen gegen die Genehmigungsbescheide des Landes Brandenburg vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Klagen seien zurückgenommen worden. Leistungen, die vom Versorgungsauftrag gemäß § 8 KHEntgG umfasst seien, dürften von den Vertragsparteien der Budget- und Entgeltvereinbarungen nicht von der Abrechnung ausgeschlossen werden. Die Budget- und Entgeltvereinbarungen seien von der Genehmigungswirkung des Feststellungsbescheides erfasst worden.

 

Im Übrigen hätten zum Zeitpunkt der Leistungserbringung keine gesicherten und verbindlichen medizinischen Standards dergestalt bestanden, dass ein Krankenhaus für die Leistung neben der Abteilung für Kardiologie auch eine Abteilung für Herzchirurgie hätte vorhalten müsse. Eine solche Vorgabe sei auch der einschlägigen Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei der Durchführung von minimalinvasiven Herzklappeninterventionen gemäß § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser nicht zu entnehmen (Richtlinie zu minimalinvasiven Herzklappeninterventionen - MHI-RL - in der Fassung vom 22. Januar 2015, veröffentlicht im Bundesanzeiger BAnz AT 24.07.2015 B6 vom 24. Juli 2015, in Kraft getreten am 25. Juli 2015). Diese habe diesbezüglich großzügige Übergangsfristen vorgesehen. Positionspapiere einzelner Fachgesellschaften begründeten keinen rechtsverbindlichen medizinischen Standard für die Allgemeinheit der Leistungserbringer.

 

Die Beklagte hat dagegen ausgeführt, die abgerechnete kathetergestützte Aortenklappenintervention sei eine Leistung, die nur in Kliniken mit kardiologischen und herzchirurgischen Fachabteilungen (Herzzentren) durchgeführt werden dürfe. Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin nicht. Dabei ergebe sich der Versorgungsauftrag des jeweiligen Krankenhauses aus den Festlegungen des Krankenhausplans i.V.m. den Durchführungsbescheiden. Der Krankenhausplan selbst könne als Verwaltungsinternum nur ergänzend im Rahmen der Auslegung (der Bescheide) herangezogen werden. Maßgeblich sei der Wille der Behörde, die den jeweiligen Feststellungsbescheid erlassen habe. Fest stehe, dass die TAVI eine Behandlungsmethode sei, die sowohl dem kardiologischen als auch dem kardiochirurgischen Leistungsspektrum zuzuordnen sei. In den Fachgesellschaften bestehe dabei Konsens, dass diese Leistung nur in Kliniken erbracht werden solle, die eine eigene herzchirurgische Fachabteilung hätten. Dies werde in den Gemeinsamen Leitlinien zur Behandlung der vaskulären Herzerkrankung bestätigt. Auch nach dem Kommentar des Deutschen Konventes der kardiologischen und herzchirurgischen Ordinariate zu dem Thema interventionelle Klappentherapie handele es sich bei der TAVI tatsächlich um eine Leistung, die bereits aus medizinischen Gründen nur in Kliniken mit einer kardiologischen und herzchirurgischen Fachabteilung durchgeführt werden dürfe. Im Fall eines medizinischen Notfalls müsse die zeitnahe Möglichkeit der Einleitung einer offenen Herzoperation jederzeit gegeben sein. So seien u.a. die Mitwirkung eines Herzchirurgen und entsprechendem Assistenzpersonal wie auch die entsprechende apparative Ausstattung (der Herzchirurgie) unverzichtbar. Schon die Indikation zur TAVI müsse gemeinsam von einem Kardiologen und Herzchirurgen getroffen werden. Diese herzchirurgische Fachkompetenz weise die Klägerin nicht auf, auch weise der Feststellungsbescheid keine Fachabteilung für Herzchirurgie auf. Damit werde die interdisziplinär zu erbringende Leistung vom Versorgungsauftrag der Klägerin nicht umfasst. Es sei unerheblich, dass die Leistung dem Weiterbildungsinhalt zum Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie zugeordnet werde. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entscheide nicht der G-BA, ob eine Klinik eine Leistung im Rahmen des landesrechtlichen Versorgungsauftrags erbringen dürfe. Hierbei handele es sich um Maßnahmen der Qualitätssicherung auf der Grundlage des § 136 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V. Selbst bei Vorliegen eines Kooperationsvertrags habe die Klägerin die Leistung nicht erbringen dürfen.

 

Mit Gerichtsbescheid vom 21. September 2020 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin den Betrag in Höhe von 23.853,24 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 % über dem Basiszinssatz ab Fälligkeit zu zahlen. Die erbrachte Leistung habe den Versorgungsauftrag der Klägerin nicht überschritten. Der Versorgungsauftrag ergebe sich sowohl aus dem Dritten Krankenhausplan des Landes Brandenburg für das Jahr 2014 als auch aus dem Genehmigungsbescheid des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen vom 13. November 2015. Im Unterschied zum Krankenhaus, welches Gegenstand einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 9. April 2019 gewesen sei (B 1 KR 2/18 R), handele es sich beim Krankenhaus der Klägerin gerade nicht um ein Krankenhaus der Grundversorgung.

 

Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser stehe ein Vergütungsanspruch gegenüber, dessen Höhe auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in den §§  16, 17, 17b KHG festgelegt werde. Grundsätzlich handele es sich bei der kathetergeführten Aortenklappenintervention um einen kardiologischen Eingriff. Nach der Weiterbildungsordnung für Ärzte könne nur der Kardiologe kathetergeführte Untersuchungen und Behandlungen durchführen. Hauptdiagnose für die o.g. Behandlung sei eine Aortenklappenstenose. Die kathetergeführte Aortenklappenintervention werde erst seit 2005 in Deutschland angewendet und sei auf Patienten zu beschränken, deren Risiko eine Aortenklappenoperation zu überleben, mehr als 10 % betrage und die noch eine Lebenserwartung von mindestens einem Jahr hätten. Selbst der Eingriff einer kathetergeführten Aortenklappenintervention stelle für diesen Personenkreis ein hohes Risiko dar.

 

Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG seien allgemeine Krankenhausleistungen solche, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig seien. Die Entgelte dürften mit Ausnahme eines Notfalls nur im Rahmen des Versorgungsauftrags berechnet werden (§ 8 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG). Das SGB V definiere den Begriff des Versorgungsauftrags mittelbar. Bei Krankenhäusern, die in den Krankenhausplan aufgenommen seien, gelte diese Aufnahme nach § 8 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG als Abschluss eines Versorgungsvertrags (§ 109 Abs. 1 Satz 2, Halbsatz 2 SGB V). Bei sog. Plankrankenhäusern ergebe sich der Versorgungsauftrag aus den Festlegungen des Krankenhausplans in Verbindung mit den zu seiner Durchführung ergangenen Bescheiden (§ 6 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG). Der Versorgungsauftrag sei nur bei Notfallbehandlungen nicht maßgeblich (Hinweis auf BSG, B 1 KR 2/18 R).

 

Ausgehend davon betreibe die Klägerin ein zugelassenes Plankrankenhaus (§ 108 Abs. 1 Nr. 2 SGB V), da ihr Klinikum in den Krankenhausplan des Landes Brandenburg aufgenommen sei. Dies begründe das Recht und die Verpflichtung des Krankenhauses, im Rahmen des festgelegten Versorgungsauftrags Krankenhausleistungen gegenüber gesetzlich versicherten Patienten zu erbringen. Die Klägerin sei als Krankenhaus der Schwerpunktversorgung u.a. mit einer Fachabteilung Innere Medizin aufgenommen. Sie sei im Jahr 2014 (bereits damit) zur Erbringung von internistischen Leistungen berechtigt. Die Weiterbildungsordnung des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Ärzteblatt 10/2005, 15. Jahrgang) definiere das Gebiet der Inneren Medizin und Allgemeinmedizin unter Punkt 12.1 bis 12.10 in zehn Fachgebieten mit verschiedenen Schwerpunktkompetenzen. Unter Punkt 12.7 sei der Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Kardiologie aufgeführt. Die Herzchirurgie sei dagegen in der Weiterbildungsordnung unter dem Bereich Chirurgie aufgenommen, welches sich in acht Facharztbezeichnungen („der Chirurgie“) unterteile. Der Krankenhausplan des Landes Brandenburg orientiere sich zwar grundsätzlich an der Weiterbildungsordnung, setze deren Entwicklungen aber nicht vollständig um. So heiße es unter Punkt 11.1 des Krankenhausplanes, dass die Krankenhausplanung schon in der Vergangenheit nur etwa ein Drittel der in der Weiterbildungsordnung definierten Ausprägungen ärztlicher Kunst zugrunde gelegt habe. Auch der hier maßgebliche Dritte Krankenhausplan habe daran festgehalten, dass die durch die Reform der Weiterbildungsordnung 2005 neu entstandene Problematik die Zuordnung der Herzchirurgie nur noch als Facharztbezeichnung im Fachgebiet der Chirurgie vornehme.

 

Die Innere Medizin sei im Krankenhausplan unter Ziffer 12.6 erfasst. Dazu heiße es:

„Die Weiterbildungsordnung 2005 der Landesärztekammer Brandenburg sieht im Rahmen eines umfassenden Fachgebietes „Innere Medizin und Allgemeinmedizin“ zehn Facharztbezeichnungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten vor. Die Krankenhausplanung differenziert bei ihren Vorgaben bis auf die Ausnahme „Schwerpunkt Geriatrie“ das Fachgebiet nicht in seine Teil-Facharztbereiche…[..]. Darüber hinaus jedoch verbleibt den Krankenhäusern ein ausreichender Spielraum zur Spezialisierung und internen Strukturierung der Fachabteilungen für Innere Medizin, um bedarfsnotwendige und zweckmäßige Leistungsangebote vorzuhalten. Die schon bisher in Ausnutzung dieses Spielraumes entstandenen Besonderheiten auch kleiner Häuser sollen fortgeführt werden. Krankenhäuser und Krankenkassen vereinbaren die spezifischen Leistungsstrukturen“ (Fortschreibung des Dritten Krankenhausplans, Ziffer 12.6).

 

Die Klägerin verfüge mit ihrem Krankenhaus der Schwerpunktversorgung über einen Versorgungsauftrag für das Gebiet der Inneren Medizin, was kardiologische Leistungen einschließe. Im Bereich der Chirurgie seien im Krankenhausplan herzchirurgische Leistungen gesondert ausgeschlossen (Ziffer 12.2.1 des Krankenhausplans), obwohl diese nach der Weiterbildungsordnung 2005 im Rahmen des Gesamt-Fachgebiets „Chirurgie“ ausgewiesen seien. Ausdrücklich heiße es, dass die herzchirurgischen Leistungen weiterhin erkennbar in der seit 1991 im Lande aufgebauten und als bedarfsgerecht eingeschätzten Struktur im Krankenhausplan ausgewiesen werden sollten, diese Leistungen sollten nur an den Herzzentren B und C erbracht werden. Sie seien daher in den Krankenhauseinzelblättern auch ausdrücklich zu erwähnen, was bei der Klägerin nicht der Fall sei.

 

Unter Beachtung dieser Regelungen habe die Klägerin unstreitig einen Versorgungsauftrag für kardiologische Leistungen, dagegen nicht für herzchirurgische Leistungen, obwohl für beide Gebiete, also auch das Gebiet der Chirurgie, im Krankenhauseinzelblatt keine Einschränkungen ausgewiesen seien.

 

Der Krankenhausplan sei allein nicht maßgeblich für den Umfang des Versorgungsauftrags. Eine verbindliche außenwirksame Feststellung enthielten insoweit erst die Feststellungsbescheide über die Aufnahme/Nichtaufnahme eines Krankenhauses in den Krankenhausplan. Auch nach der gebotenen Auslegung des Feststellungsbescheides für das Krankenhaus der Klägerin sei sie zur Erbringung der TAVI-Leistung im Jahr 2014 berechtigt. Nachdem im Land Brandenburg die Erbringung der TAVI-Leistungen durch die Klägerin lange umstritten gewesen sei, sei mit dem Beschluss der Schiedsstelle nach § 18a KHG vom 5. Juni 2012 für das Budgetjahr 2010 festgestellt worden, dass die Klägerin berechtigt sei, TAVI-Leistungen in Kooperation mit ambulanten Herzzentren zu erbringen. Dies sei von der zuständigen Genehmigungsbehörde mit Bescheid vom 13. Dezember 2016 genehmigt worden (§  14 Abs. 1 KHEntgG). Auch für das Jahr 2014 habe die o.g. Schiedsstelle mit einem (am 13. Dezember 2016) genehmigten Beschluss vom 2. März 2016 entschieden, dass die Klägerin die TAVI-Leistungen erbringen dürfe. Die Klage der Krankenkassenverbände gegen die Genehmigungsentscheidungen des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie nach § 14 KHentgG vom 13. Dezember 2016, betreffend die Budget- und Entgeltvereinbarungen 2010 hätten diese zurückgenommen, so dass die Klägerin die Leistung im Jahr 2014 hätte erbringen dürfen.

 

Die zum 25. Juli 2015 in Kraft getretene Qualitätssicherungs-RL des G-BA (MHI-RL), wonach die TAVI nur in Krankenhäusern mit einer Fachabteilung für Herzchirurgie und einer Fachabteilung für Innere Medizin erbracht werden dürfe, habe im Jahr 2014 noch nicht bestanden. Die Übergangsregelung (§ 9 der o.g. RL) lege jedoch fest, dass bis zum 30. Juni 2016 eine kathetergestützte Aortenklappenimplantation auch von Krankenhäusern mit einer Fachabteilung für Innere Medizin und Kardiologie erbracht werden könnte, obwohl keine Fachabteilung für Herzchirurgie bestehe, diese Leistungen jedoch im Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 30. Juni 2014 bereits erbracht hätten. Für die Leistungen der fehlenden Fachabteilungen müssten die Krankenhäuser jedoch Kooperationsvereinbarungen mit externen Fachabteilungen schließen, die die Festlegungen zu den strukturellen und personellen Anforderungen der G-BA-RL beinhalteten. Die Klägerin habe am 1. Dezember 2013 einen Kooperationsvertrag für die Erbringung der TAVI-Leistungen mit dem herzchirurgischen Team des S-H C geschlossen. Wenngleich diese RL im Fall der Klägerin noch nicht anzuwenden sei, erfülle die Klägerin jedoch – mit Ausnahme der Fachabteilung für Herzchirurgie – deren Voraussetzungen. Es sei gerichtsbekannt, dass bei der Klägerin die technischen Voraussetzungen wie der Hybrid-Operationssaal, eine Herz-Lungen-Maschine und ein Herzkatheterlabor mit den notwendigen Bildgebungsverfahren vorhanden seien.

 

Die Beklagte hat gegen den ihr am 28. September 2020 zugestellten Gerichtsbescheid am 8. Oktober 2020 Berufung eingelegt. Die DRG F98Z könne nur durchgeführt und abgerechnet werden, wenn eine Klinik eine kardiologische und herzchirurgische Fachabteilung (Herzzentrum) aufweise. Der Vergütungsanspruch bestehe nur für Behandlungen, die vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses gedeckt seien. Die mit der Zulassung eines Krankenhauses nach § 108 SGB V erlangte Befugnis zur Teilnahme an der Versorgung gesetzlich Versicherter werde erst durch den Versorgungsauftrag konkretisiert und begrenzt. § 107 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bestimme, dass jedes Krankenhaus über ausreichende, seinem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen müsse. Es sei bereits rechtsfehlerhaft, wenn das Sozialgericht davon ausgehe, dass es sich bei der TAVI um einen kardiologischen Eingriff handele. Die Weiterbildungsordnung für Berlin-Brandenburg enthalte für den betroffenen Behandlungszeitraum keine ausdrückliche Regelung für die TAVI. Die Methode werde weder in den Weiterbildungsordnungen zum Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie noch zum Facharzt für Herzchirurgie ausdrücklich erwähnt. Die Zuordnung habe somit im Rahmen einer Gesamtschau der Fachpublikation zu erfolgen. Danach bestehe Einigkeit, dass die TAVI in Kliniken mit eigener herzchirurgischer Fachabteilung zu erbringen sei. Gemäß den 2012 erstellten Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) zur Behandlung der valvulären Herzerkrankung werde empfohlen, dass die TAVI nur in Krankenhäusern mit einer herzchirurgischen Abteilung unter Beteiligung sog. heart teams durchgeführt werden solle. Die damit erfolgte Aktualisierung der zuvor 2007 erstellten Leitlinien sei im Wesentlichen mit der Bedeutung des Zusammenwirkens zwischen Kardiologen und Herzchirurgen im sog. „heart team“ begründet worden. Diese Vorgabe entspreche den Empfehlungen des Deutschen Konvents der Kardiologischen und Herzchirurgischen Ordinarien. Danach dürfe die Leistung bereits aus medizinischen Gründen nur in Kliniken mit kardiologischen und herzchirurgischen Abteilungen erbracht werden. Diese Vorgaben entsprächen auch der im Juni 2015 erlassenen und in Kraft getretenen Richtlinie zur minimalinvasiven Herzklappenintervention/MHI-RL des G-BA. Eine andere Beurteilung sei insoweit auch nicht durch die Übergangsregelung des § 9 MHI-RL veranlasst, die eine Leistungserbringung noch bis zum 30. Juni 2016 abweichend von den Vorgaben zulasse. Denn der G-BA entscheide nicht darüber, ob eine Klinik eine Leistung im Rahmen ihres Versorgungsauftrags erbringen dürfe. Die RL diene allein der Qualitätssicherung. Sie setze den landesrechtlichen Versorgungsauftrag voraus und definiere die Struktur- und Prozessqualität der Leistung. § 9 der MHI-RL entfalte keine Rückwirkung auf den hier vorliegenden Behandlungsfall aus dem Jahr 2014.

 

Das BSG habe zudem in seiner Entscheidung vom 16. August 2021  (B 1 KR 18/20 R) ausgeführt, dass die Leistung dem allgemeinen Qualitätsgebot unterliege. Diesem werde die von der Klägerin erbrachte TAVI nicht gerecht. Soweit und solange es an einer Konkretisierung durch Vorgaben des G-BA fehle, richteten sich die Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Gebe es insoweit noch keinen allgemeinen wissenschaftlichen Konsens, geböten es das Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot, den Weg des gesicherten Nutzens zu gehen. Bei der Erbringung von Leistungen, deren Wirksamkeit und Unbedenklichkeit noch nicht hinreichend belegt sei, gelten gesteigerte Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität. Dies gelte auch, wenn der Nutzen einer Methode im Grundsatz zwar anerkannt sei, es hinsichtlich der Einzelheiten der Leistungserbringung aber noch an verbindlichen rechtlichen Vorgaben und einem allgemeinen Konsens fehle. Im August 2013 habe die Durchführung einer TAVI in einem Krankenhaus ohne eine herzchirurgische Fachabteilung nach Auffassung des BSG nicht dem Qualitätsgebot entsprochen. Die erst am 25. Juli 2015 in Kraft getretene MHI-RL des G-BA habe – so explizit das BSG – keine rückwirkende Geltung, dies betreffe insbesondere den § 9 MHI-RL. Die Beratungen zur MHI-RL hätten bereits 2013 begonnen und seien 2015 in die o.g. RL gemündet, wonach die Leistung nur in Fachkrankenhäusern mit einer herzchirurgischen Abteilung erbracht werden dürfe. 2014 habe demgemäß kein wissenschaftlicher Konsens bestanden, dass auch Krankenhäuser, die nur über eine kardiologische Abteilung verfügten, die TAVI durchführen könnten.

 

Die Genehmigung des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie vom 13. Dezember 2016 führe deshalb zu keiner anderen Betrachtung, weil das Budget- und Leistungsrecht strikt voneinander zu trennen seien. Vereinbarungen über das Erlösbudget stellten keine verbindliche Konkretisierung des Versorgungsauftrags dar. Der Gegenstand der Budgetvereinbarung sei in § 11 KHEntgG abschließend festgelegt. Der Versorgungsauftrag ergebe sich dagegen bei einem Plankrankenhaus aus den Festlegungen des Krankenhausplans in Verbindung mit den Bescheiden zu seiner Durchführung sowie einer ergänzenden Vereinbarung nach § 109 Abs. 1 Satz 4 SGB V.

 

Die Beklagte beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Potsdam vom 21. September 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Das Land Brandenburg habe der Klägerin explizit den Versorgungsauftrag für die erbrachte Leistung erteilt und in mehreren Genehmigungsverfahren bestätigt, dass es eines zusätzlichen Versorgungsauftrages für das Gebiet Herzchirurgie/Chirurgie nicht bedürfe. Auf die Entscheidung des Bundessozialgericht in dem Revisionsverfahren B 1 KR 18/20 R gegen eine Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts komme es mit Blick auf die spezifische Rechtslage in Brandenburg nicht an. Außerdem habe die Leistungserbringung aufgrund der Kooperation mit dem H Czum Zeitpunkt der Erbringung dem medizinischen Standard entsprochen. Sie beantragt, dazu ein Sachverständigengutachten einzuholen. Schließlich könne sich die Klägerin auf § 9 MHI-RL stützen.

 

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

 

Entscheidungsgründe

 

I. Der Senat hat über die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Besetzung durch die Berichterstatterin und den ehrenamtlichen Richtern entschieden, weil das Sozialgericht über die Klage durch Gerichtsbescheid entschieden und der Senat durch Beschluss vom 15. März 2021 die Berufung der Berichterstatterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen hat.

 

II. Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hätte der Klage nicht stattgeben dürfen.

 

1. Die auf Zahlung der Krankenhausvergütung gerichtete echte Leistungsklage ist in dem bestehenden Gleichordnungsverhältnis zwischen Krankenkasse und Krankenhaus zulässig (§ 54 Abs. 5 SGG).

 

2. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen (weiteren) Anspruch auf Vergütung für die in der Zeit vom 30. Juni 2014 bis zum 15. Juli 2014 durchgeführte TAVI-Behandlung der bei der Beklagten Versicherten.

 

Die Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs nach § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V in der 2014 maßgeblichen seither unveränderten Fassung vom 26. März 2007) i.V.m. § 7 Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen  (KHEntgG) und § 17b Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (KHG) sind nicht erfüllt.

 

Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und die Versorgung i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist. An der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit fehlt es vorliegend, weil die Durchführung der TAVI in einer Klinik, die wie diejenige der Klägerin nicht über eine eigene herzchirurgische Abteilung verfügte, im Jahr 2014 nicht dem anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprach. Auf den Versorgungsauftrag kommt es demzufolge nicht an (a.). Die Klägerin kann sich nicht auf die Übergangsregelung in § 9 Satz 1 MHI-RL oder auf die Entgeltvereinbarungen berufen (b.).

 

a. Die Krankenhausbehandlung ist i.S. von § 39 SGB V grundsätzlich nur dann erforderlich, wenn die konkrete Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und notwendig ist. Die stationäre Krankenhausbehandlung muss dem Qualitätsgebot entsprechen und gemäß dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend sein, um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4, § 12 Abs. 1 SGB V). Danach muss auch die stationäre Behandlung in einem Krankenhaus nicht nur dem Grunde nach, sondern auch der Art und ihrem Umfang nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 16. August 2021 – B 1 KR 18/20 R Rdnr. 8/9).

 

Gemäß dem Qualitätsgebot (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) muss über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens bestehen, d.h., die große Mehrheit der einschlägigen Fachärzte, Wissenschaftler, Fachgesellschaften muss die Behandlungsmethode befürworten, einzelne Gegenstimmen fallen dagegen nicht ins Gewicht. Über Qualität und Wirksamkeit der zur Anwendung gebrachten Therapie und Behandlung in ihrer Gesamtheit müssen zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Das bedingt, dass sich der Erfolg anhand wissenschaftlich fundierter Studien betreffend Zahl und Wirksamkeit der Methode ablesen lässt (BSG, aaO, Rdnr. 10).

 

Ausgehend davon  lässt der Senat dahingestellt, ob die TAVI als Behandlungsmethode 2014 schon allgemein anerkannt war. Jedenfalls entsprach ihre Durchführung in einer Klinik, die nicht über eine eigene herzchirurgische Abteilung verfügte, im Jahr 2014 nicht dem Stand der medizinischen Erkenntnisse. Das Qualitätsgebot stellt Anforderungen an die strukturellen und prozeduralen Voraussetzung der Leistungserbringung. So lange es an einer Konkretisierung dieser Anforderungen durch den an erster Stelle dazu berufenen Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) fehlt, richten sich die Anforderungen der Struktur- und Prozessqualität nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse.

 

aa) Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität sind Ausdruck des Qualitätsgebots (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Das ergibt sich u.a. aus § 135a Abs. 1 Satz 2 SGB V. Die Regelung bestimmt, dass nicht nur die Leistungen als solche dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen müssen, sondern sie müssen auch in der fachlich gebotenen Qualität erbracht werden. Dazu gehören auch strukturelle Anforderungen, etwa an die fachliche Qualifikation der die Behandlung durchführenden Personen oder die für die Durchführung erforderliche sachliche Ausstattung.

 

Zwar werden Mindestanforderungen an die Struktur- und Prozessqualität in erster Linie durch den G-BA bestimmt (§ 137 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der Fassung vom 26. März 2007 – heute § 136 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Danach bestimmt jener für die vertragsärztliche Versorgung, aber auch die zugelassenen Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V u.a. die Mindestanforderungen an die Struktur- und Prozess- und Ergebnisqualität der Leistungen. Es soll damit sichergestellt werden, dass Leistungserbringer nicht aus ökonomischen Gründen Leistungen erbringen, obwohl sie nicht die erforderliche technische und personelle Ausstattung haben, mit dann negativen Auswirkungen für die Qualität. Der G-BA hat am 22. Januar 2015 die Richtlinie zu minimalinvasiven Herzklappeninterventionen beschlossen (BAnz AT vom 24. Juli 2015 B 6 – MHI-RL). Diese umfasst Vorgaben für die TAVI. Die Richtlinie ist allerdings erst am 25. Juli 2015 in Kraft getreten und kann deshalb für den Behandlungsfall des Jahres 2014 keine inhaltlichen Vorgaben treffen (BSG, aaO, Rdrn. 14 zu einem Behandlungsfall 2013).

 

Daraus folgt aber nicht, dass bei der Durchführung der TAVI vor Inkrafttreten der Richtlinie (RL) keine strukturellen und prozeduralen Qualitätsanforderungen zu beachten waren. Denn die RL begründet lediglich Mindeststandards. Die Qualität der Leistung hat jeweils dem aktuellen, allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen (vgl. nur Roters in Kasseler Kommentar, SGB V, § 135a Rdnr. 3, Stand September 2016). Daraus folgt, dass das behandelnde Krankenhaus strukturelle und/oder prozedurale Mindestanforderungen an die Behandlung beachten muss, die von der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute aufgrund des Standes der medizinischen Erkenntnisse befürwortet werden, weil es sich andernfalls um eine ungeeignete und damit i.S. des §§ 2, 12 SGB V nicht „erforderliche“ Versorgung der Patienten handelt (BSG, aaO, Rdnr. 15).

 

Bei der Erbringung von Leistungen, deren Wirksamkeit und Unbedenklichkeit noch nicht hinreichend belegt ist, sind an die Prozess- und Strukturqualität gesteigerte Anforderungen zu stellen. Aus Schutzgründen ist es erforderlich, dem bestehenden Defizit an wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlung durch Einhaltung möglichst hoher Qualitätsstandards im Rahmen der Leistungserbringung Rechnung zu tragen („geschütztes Setting“, BSG, aaO, Rdrn. 16). Das gilt auch, wenn der Nutzen einer Methode im Grundsatz zwar anerkannt ist, es hinsichtlich der Einzelheiten der Leistungserbringung aber noch an verbindlichen rechtlichen Vorgaben und einem allgemeinen Konsens fehlt. Das Qualitätsgebot erfordert es, die Gesundheitsgefahren für Versicherte soweit wie möglich auszuschließen. Deshalb kann es zur Risikominimierung geboten sein, komplexe und risikoreiche Eingriffe nur von besonders qualifiziertem Personal und unter Vorhaltung einer besonderen Ausstattung zu erbringen (BSG, aaO, Rdnr. 19).

 

bb) Gemessen daran entsprach die Durchführung der TAVI 2014 im Krankenhaus der Klägerin nicht dem Qualitätsgebot. Zwar existierten keine rechtlich verbindlichen Vorgaben des G-BA, weil diese erst 2015 in Kraft traten (dazu oben). Auch der für 2014 einschlägige OPS 5-35a (Minimalinvasive Operationen an Herzklappen), der nur Vergütungsvoraussetzungen definiert, regelte keine strukturellen Voraussetzungen für die Abrechnung der Leistung, das heißt aber nicht, dass keine solchen gelten.

 

Nach dem 2014 maßgebenden allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse wurde die TAVI in einem Krankenhaus ohne eigene herzchirurgische Abteilung jedenfalls nicht befürwortet. Der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse wird gekennzeichnet durch die Gesamtheit aller international zugänglichen Studien. Es entspricht allgemeinem Wissenschaftsverständnis, dass die Wissenschaftlichkeit einer Studie weder vom Ort ihrer Entstehung noch von der Stelle ihrer Publikation abhängt. Im Ausgangspunkt sind daher nicht nur inländische Fachleute einzubeziehen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005 - B 1 KR 21/04 R – Rdnr. 29). Besondere Bedeutung kommt den Stellungnahmen der einschlägigen Fachgesellschaften zu, insbesondere, wenn sich diese bereits in ärztlichen Leitlinien und Empfehlungen niedergeschlagen haben und auf diese Weise geeignet sind, medizinische "Standards" zu definieren (näher BSG, Urteil vom 16. August 2021 – B 1 KR 18/20 R – Rdnr. 25).

 

Ausweislich der tragenden Gründe zum Beschluss des G-BA zur MHI-RL vom 22. Januar 2015 (zu dieser RL siehe bereits oben) wurden damals internationale Publikationen ausgewertet. Diese betrafen interdisziplinäre Leitlinien und Positionspapiere der führenden kardiologischen und herzchirurgischen Fachgesellschaften aus Europa, Nordamerika und Australien. Es zeigte sich, dass sich ein umfassender Konsens gebildet hatte, wonach für die Durchführung einer TAVI neben einer Fachabteilung für Innere Medizin und Kardiologie auch eine Fachabteilung für Herzchirurgie notwendig war. Zumindest hatte sich aber kein entsprechender Konsens gebildet, wonach es gerade nicht notwendig war, beide Fachabteilungen zu haben. Der G-BA hatte sich überwiegend auf Publikationen aus dem Jahr 2012 gestützt und sich auch mit der (abweichenden) Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DKG) und anderer Fachmediziner-/innen v.a. aus Deutschland auseinandergesetzt, nach denen nicht beide Fachabteilungen erforderlich sein sollten. Maßgebend war für diese Gegenansicht die Interpretation von möglichen Komplikationsraten nach TAVI. Der G-BA hat in seinem Beschluss ausgeführt, dass die empirischen Grundlagen zu der Frage wegen des fehlenden Vergleichs und der fehlenden Vergleichbarkeit der Gruppen jedoch kritisch zu betrachten seien. Mit diesem Argument seien die Autoren der europäischen Leitlinien der (deutschen) Auffassung entgegen getreten und hätten an ihren Leitlinien explizit festgehalten. Vor diesem Hintergrund könne aus der Studienlage ersehen werden, dass international ein fachlicher Konsens bestehe, wonach eine unmittelbare Zusammenarbeit zwischen Kardiologen und Herzchirurgen notwendig sei. Diese müsse durch ein interdisziplinäres Herzteam (Heart team) und das Vorhandensein beider Fachabteilungen in einem Krankenhaus gewährleistet sein (vgl. Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA vom 22.1.2015 zu der MHI-RL, S. 9 ff.).

 

Die Klägerin hat keine Stimmen aus der Fachwelt benannt, die konkret für das Jahr 2014, einen demgegenüber abweichenden Konsens i.S. eines Überwiegens der (deutschen) Gegenauffassung belegen. Dabei hat der G-BA die Wissenschaftlichen Grundlagen aus den Jahren 2012 – 2015 herangezogen (vgl. S. 8 f. seiner Tragenden Gründe zu seinem Beschluss). Vor diesem Hintergrund hat – wie auch 2013 –  im Jahr 2014 mit Blick auf die unterschiedlichen Auffassungen zur Überzeugung des Senats gerade kein breiter wissenschaftlicher Konsens darüber bestanden, dass die TAVI-Leistungen auch in Krankenhäusern ohne eine Fachabteilung für Herzchirurgie erbracht werden konnte. Demgemäß entsprach die Leistungserbringung in Form eines Kooperationsmodells, bestehend aus einem Dienstleistungsvertrag zwischen der Klägerin und einem Herzzentrum mit der verpflichtenden Teilnahme von Mitarbeiterinnen des letztgenannten Zentrums, auch nicht einem breiten wissenschaftlichen Konsens. Zu berücksichtigen ist, dass es sich bei der TAVI auch 2014 noch um eine relativ neue und hochkomplexe Behandlungsmethode handelte, für die in Publikationen besondere Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität gestellt wurden.

 

Wörtlich führt der G-BA dazu aus:

„TAVI wird zwar als „minimalinvasiver“ Eingriff bezeichnet. Dies trifft bezüglich des Zugangs grundsätzlich zu, beschreibt aber nicht die tatsächliche Komplexität der Intervention und die erforderliche Infrastruktur. In einer aktuellen interdisziplinären Leitlinie der amerikanischen Gesellschaft für Kardiologie (ACCF) und Herzchirurgie (STS) wird TAVI als ein Eingriff beschrieben, der von seiner Komplexität und bezüglich der erforderlichen Ressourcen mit einer Herztransplantation zu vergleichen ist.“

(Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA vom 22.1.2015 zu der MHI-RL, S. 3, 6).

 

Der Senat war nicht gehalten, zu der Frage des 2014 bestehenden wissenschaftlichen Konsenses ein Sachverständigengutachten einzuholen. Er kann sich zur Beantwortung der Frage auf die Übersicht  des G-BA zu den wissenschaftlichen Studien aus dem Verfahren zum Erlass der MHI-RL stützen. Der G-BA hat ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, dass und welche Studien im Jahr 2015, zum Zeitpunkt des Erlasses der RL, vorlagen und nach diesen nicht von einem weitgehenden wissenschaftlichen Konsens hinsichtlich der Qualität der Behandlungsmethode in einem Krankenhaus mit nur einer der beiden Fachabteilungen auszugehen war. Demgegenüber hat die Klägerin auch im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht dargelegt, dass und warum im Jahr 2014, dem Jahr der streitgegenständlichen Behandlung, ein davon abweichender Konsens bestanden hat. Näher liegt es bei dieser Sachlage, davon auszugehen, dass bis 2015 eine Verengung der wissenschaftlichen Erkenntnis dergestalt stattgefunden hat, dass sich aus der Vielzahl der Stimmen mehr und mehr eine überwiegende Meinung herausgebildet hat. Diese hielt es für zwingend, dass das ausführende Krankenhaus über beide Fachabteilungen verfügt. Andere Anhaltspunkte hat die Klägerin – speziell für das Jahr 2014 – nicht dargelegt. Die dem Senat mit dem Beweisantrag angetragenen Ermittlungen wären damit solche ins Blaue.

 

Ausgehend von der Feststellung, dass die TAVI 2014, die in einem Krankenhaus ohne herzchirurgische Fachabteilung erbracht wurde, nicht dem Qualitätsgebot nach §§ 39, 12, 2 SGB V entsprach, handelte es sich bei der Leistung der Klägerin nicht um eine „im Einzelfall“ zweckmäßige Versorgung.

 

Eine Krankenhausbehandlung, die nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt und deshalb für den Patienten Schadensersatzansprüche sowie für den Krankenhausarzt strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht, muss nicht von den Krankenkassen bezahlt werden (grundlegend BSG, Urteil vom 28. Juli 2008 –  B 1 KR 5/08 R – Rdnr. 52; jüngst, BSG, Urteil vom 26. April 2022 – B 1 KR 26/21 R – Leistung durch einen nicht approbierten Krankenhausarzt, Pressmitteilung). Nach alldem war der Vergütungsausschluss für die TAVI unvermeidlich, um die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhalten (Kronenberger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, G-BA, 1. Aufl., § 1 MHI-RL [Stand: 23.08.2019] Rdnr. 27).

 

b) Die Klägerin kann sich für den Vergütungsanspruch weder auf die Übergangsregelung in § 9 Satz 1 MHI-RL noch auf die 2014 geltenden Entgeltvereinbarungen (oder deren behördliche Genehmigung) berufen.

 

aa) Gemäß § 9 Satz 1 MHI-RL konnten TAVI-Leistungen bis zum 30. Juni 2016 auch von Krankenhäusern mit einer Fachabteilung für Innere Medizin und Kardiologie erbracht werden, die keine Fachabteilung für Herzchirurgie aufwiesen, diese Leistungen jedoch im Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 30. Juni 2014 bereits erbracht hatten.

 

Es kann dahingestellt bleiben, ob die MHI-RL die Leistungserbringung erst ab Eintritt ihrer Geltung regelt, damit ab dem 25. Juli 2015, oder zumindest mit § 9 MHI-RL bzw. ihrem Sinn und Zweck nach eine rückwirkende Geltung hat. Denn die Klägerin hat ihre Leistung schon nicht bis zum 30. Juni 2014 erbracht, vielmehr begann der stationäre Aufenthalt erst an diesem Tag. Selbst wenn aber zugrunde gelegt wird, dass der noch am 30. Juni 2014 begonnene Aufenthalt einheitlich betrachtet werden könnte (einheitlicher Behandlungsfall), so sollen durch die Anknüpfung an die genannten Zeiträume der Leistungserbringung zwischen dem 1. Januar 2013 und dem 30. Juni 2014 bereits nach dem Wortlaut von § 9 MHI-RL nicht gerade diese Leistungen selbst legitimiert werden. Die genannten Bedingungen sind vielmehr Voraussetzung für die Anwendung der Übergangsregelung ab Inkrafttreten der RL ab Juli 2015. Das bestätigt sich neben dem Wortlaut durch Sinn und Zweck der Regelung. Der Wortlaut unterscheidet zwischen den TAVI, die „erbracht werden können“ und solchen, die die genannten Krankenhäuser in der Vergangenheit bereits „erbracht haben“. Nur für die ersteren schafft § 9 MHI-RL eine Übergangsregelung. Mit dieser sollte Krankenhäusern, die in dem vorgenannten Zeitraum TAVI-Leistungen auch ohne Vorhandensein einer herzchirurgischen Fachabteilung erbracht haben, Gelegenheit gegeben werden, die erforderlichen organisatorischen Umstrukturierungen (ab Juli 2015) noch bis zum 30. Juni 2016 vorzunehmen. In dem genannten Zeitraum bestand dagegen weder eine Routine der Leistungserbringung (TAVI) noch ein Schutzbedürfnis für die Kliniken, denn es fehlte gerade ein breiter fachlicher Konsens dergestalt, dass es keiner herzchirurgischen Abteilung bedurfte (dazu oben, vgl. auch BSG, Urteil vom 16. August 2021 – B 1 KR 18/20 R – Rdnr. 35). Letztlich zeigte sich die mangelnde Ausstattung der Klägerin daran, dass sie zum 1. Juli 2016, damit unmittelbar nach dem Ende des Übergangszeitraums des § 9 MHI-RL, die Erbringung von TAVI gänzlich eingestellt hat.

 

bb) Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass die Schiedsstelle nach § 13 KHEntgG i.V.m. § 18a KHG den Schiedsspruch über die Entgeltvereinbarung für das Jahr 2014 genehmigt hat. Es kann offen bleiben, ob die maßgebende Entgeltvereinbarung für die Klägerin „festgestellt hat, dass sie berechtigt ist, in Kooperation mit ambulanten Herzzentren TAVI-Leistungen zu erbringen“ (so das Sozialgericht). Selbst wenn das so wäre, folgt daraus kein Vergütungsanspruch für die hier streitgegenständliche Leistung. Die Vereinbarung über das Erlösbudget und die sonstigen Entgelte nach §§ 6, 7 KHEntgG regelt die Vergütung und die Vergütungsvoraussetzungen der voll- und teilstationären Krankenhausleistungen (vgl. § 7 Abs. 1 KHEntgG). Selbst wenn die Vertragsparteien für die TAVI-Leistungen davon ausgegangen sind, dass die Klägerin diese erbringen wird, wurde damit keine Abkehr oder Modifizierung des Qualitätsgebotes für diese Leistungen vereinbart. Denn dazu sind die Partner der Entgeltvereinbarungen schon nicht befugt und demgemäß ginge eine solche Vereinbarung „ultra vires“ ins Leere. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG sind allgemeine Krankenhausleistungen solche, „die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind.“ Eine dem Qualitätsgebot entsprechende und damit grundsätzlich zu vergütende Leistung wird damit für die Vergütung vorausgesetzt. Die Klägerin konnte daher nicht darauf vertrauen, allein durch die 2016 im Wege des Schiedsspruchs im Ergebnis rückwirkend begründete Entgeltvereinbarung, auch soweit diese für die TAVI-Leistungen Entgelttatbestände vorsah, einen Anspruch für die nicht qualitätsgerechte Leistung zu erwerben. Denn die Schiedsstelle ist nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG bei ihrer Entscheidung an die für die Vertragsparteien geltenden Rechtsvorschriften gebunden. Auch die landesbehördliche Genehmigung des Schiedsspruchs änderte daran nichts. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 KHentgG  ist auch die für die Genehmigung zuständige Landesbehörde an die für die Vertragsparteien bezüglich der Vereinbarung geltenden Rechtsvorschriften, mithin auch das Qualitätsgebot der SGB V, gebunden. Ein davon abweichender, nur entgeltmäßiger Dispens ist daher nicht möglich. Mit Blick darauf genießt die Klägerin auch keinen Vertrauensschutz auf eine Vergütung der nicht qualitätsgerecht erbrachten Leistungen, zumal die Schiedsentscheidung 2016 für das Jahr 2014 erst rückwirkend erfolgte.

 

Es kann nach alldem offen bleiben, ob die streitige TAVI-Leistung 2014 zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses der Klägerin gehörte.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt das Obsiegen der Beklagten.

 

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

 

 

[1] „transapikales Verfahren = Zugangsweg, der durch die Herzspitze (Apex cordis) führt. Dieser Zugangsweg wird teilweise auch im Rahmen der Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) angewendet. Meistens wird die verengte, körpereigene Aortenklappe mit einem Ballon aufgedehnt. Anschließend wird eine Gerüstprothese mit integrierter biologischer Herzklappe über einen Katheter eingebracht und auf Höhe der erkrankten Aortenklappe entfaltet (Implantation der Herzklappenprothese).

Rechtskraft
Aus
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