L 27 AS 608/22 B ER

Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 8 AS 2327/22 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 AS 608/22 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juni 2022 aufgehoben.

 

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, den Antragstellern vorläufig mit Wirkung vom 6. Mai 2022 bis zum 31. August 2022, längstens jedoch bis zum bestands- oder rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache, monatlich weitere 472,05 € als Grundsicherungsleistungen zu zahlen.

 

Der Antragsgegner hat den Antragstellern die notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.

 

Den Antragstellern wird für das Verfahren erster Instanz mit Wirkung vom 6. Mai 2022 und für das Beschwerdeverfahren mit Wirkung vom 29. Juni 2022 jeweils Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Sch gewährt. Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen sind nicht zu leisten.

 

Gründe

 

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie ist in der Sache auch begründet. Der angefochtene Beschluss war aufheben, es war die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen.

 

Die Antragsteller haben sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund gemäß § 86b SGG glaubhaft gemacht.

 

Der monatliche Gesamtbedarf der Antragsteller gemäß §§ 19 ff  Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II) beläuft sich auf   2.312,68 €. Hiervon werden jedenfalls bereits 1.351,63 € durch anzurechnendes Erwerbseinkommen des Ehemannes der Antragstellerin zu 1), ferner 270,00 € durch Elterngeld sowie 219,00 € durch Kindergeld bezüglich des Antragstellers zu 2) abgedeckt, so dass sich ein vorläufig verbleibender Bedarf von insgesamt 472,05 € monatlich errechnet.

 

Diesem Anordnungsanspruch kann der Antragsgegner auch nicht mit Erfolg entgegen halten, dass die Antragsteller durch späte Beantragung von Sozialleistungen (Elterngeld sowie Kindergeld bezüglich des Antragstellers zu 2) oder durch ein mangelndes Betreiben dieser Beantragungen ihren Mitwirkungsobliegenheiten nicht genügt und hiermit die Nichtaufklärbarkeit des Sachverhalts zu ihrem Nachteil herbeigeführt hätten.

 

Auf eine solche Nichtaufklärbarkeit des Sachverhalts dürfte sich der Antragsgegner allenfalls dann berufen, wenn er alle ihm möglichen Schritte zur Sachverhaltsaufklärung unternommen und sodann die Antragsteller in eindeutiger Weise auf die Rechtsfolge der mangelnden Sachverhaltsaufklärung bei unterbliebener Mitwirkung der Antragsteller hingewiesen hätte. An beiden Voraussetzungen fehlt es indessen im vorliegenden Fall.

 

Hingegen hat der Antragsgegner zwar die Antragsteller formularmäßig auf die Folgen einer unterbliebenen Mitwirkung gemäß §§ 60 ff Sozialgesetzbuch/Erstes Buch (SGB I) hingewiesen, hat jedoch nicht das Verfahren nach den §§ 60 ff SGB I durchgeführt und sich auch nicht auf die dortige Rechtsfolge – nämlich die vorläufige Zurückbehaltung der Leistungen – bezogen. Vielmehr hat der Antragsgegner, was nach den Regelungen der §§ 60 ff SGB I nicht vorgesehen ist, die Leistungen in der Sache selbst abgelehnt.

 

Weitere Gesichtspunkte, die der Antragsgegner dem Anordnungsanspruch entgegenhalten könnte, sind nicht geltend gemacht und auch sonst nicht ersichtlich. Der Anordnungsgrund nach § 86b SGG besteht wegen der anhaltenden Dringlichkeit der Rechtsschutzgewährung.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

 

Antragsgemäß war den Antragsteller auch Prozesskostenhilfe für beide Instanzen unter Beiordnung von Rechtsanwalt Schönbohm und ohne Ansatz von Monatsraten oder Beträgen aus dem Vermögen zu gewähren.

 

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.

 

Dr. Lemke                                         Diefenbach                                          Dr. Kärcher

Rechtskraft
Aus
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