L 37 SF 216/20 EK AS

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungsklage bei überlanger Verfahrensdauer
Abteilung
37
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 37 SF 216/20 EK AS
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

§§ 198 ff. GVG i.d.F. des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV)

 

Das Verfahren zur Herbeiführung der Kostengrundentscheidung stellt ein selbständiges Verfahren i.S.d. § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG dar.

 

Eine Anhörungsrüge setzt kein selbständiges Verfahren i.S.d. § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG in Gang (Anschluss an BSG, Urteil vom 10.07.2014 – B 10 ÜG 8/13 R – Rn. 14).

 

Für ein Verfahren zur Herbeiführung der Kostengrundentscheidung steht den Gerichten eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit im Umfang von drei Monaten zu.

 

Für ein Anhörungsrügeverfahren ist den Gerichten eine zusätzliche Vorbereitungs- und Bedenkzeit von in der Regel drei Monaten zuzubilligen und dies unabhängig davon, auf was für eine gerichtliche Entscheidung sich die Anhörungsrüge bezieht.

 

Eine Verzögerungsrüge kann erstmals zulässigerweise erhoben werden, wenn aus der ex-ante-Perspektive eines vernünftigen Dritten in der Person des Klägers/der Klägerin die konkrete Möglichkeit einer Verzögerung besteht. Eine vor diesem Zeitpunkt verfrüht erhobene Rüge ist wirkungslos und geht ins Leere. Eine verfrüht erhobene Rüge wird auch nicht nachträglich wirksam, wenn im Nachgang die konkrete Möglichkeit einer Verzögerung besteht (Anschluss an Bayerisches LSG, Urteil vom 06.12.2018 – L 8 SF 185/17 EK – Rn. 64 ff.).

 

 

Die Klage wird abgewiesen.

 

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Der – als Rechtsanwalt zugelassene und sich sowohl im streitgegenständlichen als auch im Entschädigungsverfahren selbst vertretende – Kläger begehrt eine Entschädigung in Höhe von 1.200,00 € wegen überlanger Dauer des Verfahrens zur Herbeiführung der Kostengrundentscheidung in dem vor dem Sozialgericht B unter dem Aktenzeichen S 171 AS 9934/17 anhängig gewesenen Rechtsstreit und des sich anschließenden Anhörungsrügeverfahrens (S 171 AS 11783/18 RG) sowie eine Entschädigung für die mit der außergerichtlichen Geltendmachung verbundenen Rechtsanwaltskosten.

 

Dem abgeschlossenen Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Der seinerzeit ergänzende Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehende Kläger erhob Ende Juli 2017 vor dem Sozialgericht B Klage gegen einen Bescheid das Jobcenters Charlottenburg-Wilmersdorf und begehrte die Gewährung höherer Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch für die Monate März bis August 2017 unter Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Warmwasseraufbereitung und unter Nichtanrechnung einer Umsatzsteuererstattung als Einkommen. In dem unter dem Aktenzeichen S 171 AS 9934/17 registrierten Klageverfahren kam es in den Folgemonaten zu einem regen Schriftwechsel. Im Oktober 2017 erweiterte der Kläger die Klage (Nichtanrechnung einer Nachzahlung von Arbeitslosengeld I) und erklärte dieses Begehren im November 2017 teilweise wieder für erledigt. Das Jobcenter bewilligte ihm sodann tatsächlich unter Nichtanrechnung des Arbeitslosengeldes I für April bis August 2017 höhere Leistungen, woraufhin der Kläger das Verfahren im Januar 2018 für teilweise erledigt erklärte, indes noch die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs sowie von Bankzinsen (als Betriebsausgaben) forderte. Nachdem er sodann im Februar 2018 eine umfangreiche Klageerweiterung angekündigt hatte, erklärte er mit am 04. April 2018 bei Gericht eingehendem Schriftsatz vom selben Tage den Rechtsstreit für erledigt und beantragte, das Jobcenter mit den Verfahrenskosten zu belasten.

 

Das Sozialgericht trug den Rechtsstreit daraufhin als erledigt aus, informierte den Kläger entsprechend und forderte das Jobcenter mit am 11. April 2018 abgesandtem Schreiben zur Stellungnahme bzgl. des Kostenantrags binnen fünf Wochen auf.

 

Mit am 24. April 2018 eingehendem Schriftsatz nahm der Kläger "die mit Schriftsatz vom 04. April 2018 erklärte Erledigung des Rechtsstreits zurück", begehrte die Fortsetzung des Verfahrens und führte aus, dass in Abhängigkeit zum Ausgang eines weiteren vor dem Sozialgericht geführten Verfahrens die Klage ggfs. erweitert werden müsse. Nachdem bis dahin keine weitere Nachricht des Klägers eingegangen war, nahm das Gericht das Verfahren Anfang Juli 2018 wieder auf (neues Aktenzeichen: S 171 AS 7377/18 WA) und informierte die Beteiligten entsprechend.

 

Am 20. Juli 2018 erhob der Kläger daraufhin unter Angabe des Aktenzeichens S 171 AS 9934/17 Verzögerungsrüge.

 

Nachdem das Gericht ihn unter dem 26. Juli 2018 darauf hingewiesen hatte, dass das benannte Verfahren erledigt sein dürfte, gingen am 08. August 2018 zwei Schreiben des Klägers ein. Zum einen zog er sein Wiederaufnahmeverlangen zurück. Zum anderen erläuterte er, dass sich die Verzögerungsrüge auf die Kostengrundentscheidung habe beziehen sollen, und trug umfangreich dazu vor, warum dem Jobcenter die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen seien. Tags darauf trug das Sozialgericht das Wiederaufnahmeverfahren als erledigt aus, forderte das Jobcenter zur Stellungnahme binnen vier Wochen auf und informierte den Kläger hierüber. Anfang September 2018 trug der Kläger erneut in der Sache vor, was dem Jobcenter zur Kenntnis gegeben wurde. Mit Beschluss vom 22. Oktober 2018 legte das Sozialgericht dem Jobcenter ein Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auf.

 

Nachdem dem Kläger dieser Beschluss am 27. Oktober 2018 zugestellt worden war, lehnte er mit am 29. Oktober 2018 eingehendem neunseitigen und mit Anlagen versehenen Schriftsatz vom selben Tag den Kammervorsitzenden wegen der Besorgnis der Befangenheit ab und erhob Anhörungsrüge. Tags darauf gab der Richter eine dienstliche Stellungnahme ab. Am 31. Oktober 2018 wurde ein Anhörungsrügeverfahren unter dem Aktenzeichen S 171 AS 11783/18 RG, am 02. November 2018 das Befangenheitsgesuch unter dem Aktenzeichen S 153 SF 166/18 AB registriert.

 

In dem Befangenheitsverfahren bestätigte das Gericht am 09. November 2018 den Eingang und benachrichtigte den Kläger über die dienstliche Stellungnahme. Von der ihm eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme hierzu machte der Kläger noch am selben Tag Gebrauch. Am 16. November 2018 wurde seine Stellungnahme dem Jobcenter zur Kenntnis zugeleitet. Mit dem Kläger am 12. Februar 2019 zugestelltem Beschluss vom 05. Februar 2019 wies das Sozialgericht das Ablehnungsgesuch zurück.

 

Nachdem die Akten von der Bearbeitung des Befangenheitsgesuchs am 13. Februar 2019 zur 171. Kammer zurückgelangt waren, wurde der Vorgang am Folgetag mit dem Hinweis "Anhörungsrüge?" um vier Wochen und am 11. April 2019 um weitere vier Wochen verfristet.

 

Am 02. Mai 2019 ging eine Verzögerungsrüge des Klägers ein, die das Gericht noch am selben Tage an das Jobcenter zur freigestellten Stellungnahme weiterleitete. Am 04. Juli 2019 übersandte das Gericht sodann dem Jobcenter die Anhörungsrüge zur freigestellten Stellungnahme. Am 24. Januar 2020 forderte es dieses zur Stellungnahme binnen vier Wochen auf. Am 06. März 2020 verfristete es den Vorgang schließlich um vier Wochen und notierte sich "Stellungnahme des Beklagten?" Mit - dem Kläger am 18. Juni 2020 zugestelltem - Beschluss vom 16. Juni 2020 wies das Sozialgericht die Anhörungsrüge zurück.

 

Nachdem der Kläger bereits mit Schreiben vom 01. Juni 2020 beim Beklagten unter Fristsetzung von zwei Wochen außergerichtlich die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 1.200,00 € gefordert hatte, hat er am 27. August 2020 Entschädigungsklage erhoben, die sich ausweislich seiner Ausführungen auf die Dauer des Verfahrens zur Herbeiführung der Kostengrundentscheidung in dem beim Sozialgericht B unter dem Aktenzeichen S 171 AS 9934/17 geführten Verfahren und des sich anschließenden Anhörungsrügeverfahrens bezieht.

 

Er meint, dass das Anhörungsrügeverfahren entschädigungsrechtlich kein gesondertes Verfahren darstelle und keine Umstände vorlägen, die eine Verfahrensdauer von mehr als zwölf Monaten ab Erledigungserklärung rechtfertigen könnten. Weiter hätte er bei ordnungsgemäßer Sachbehandlung mit einer Entscheidung über seine Anhörungsrüge innerhalb von drei Monaten ab Bescheidung des Ablehnungsgesuchs am 05. Februar 2019 rechnen dürfen, sodass die Verzögerungsrüge am 02. Mai 2019 nicht verfrüht gewesen sei. Es sei eine unangemessene Verfahrensdauer im Umfang von mindestens zwölf Monaten gegeben. Eine Entschädigung durch Feststellung der Verfahrensüberlänge komme nicht in Betracht. Schließlich habe der Beklagte die Kosten für die außergerichtliche Geltendmachung zu erstatten.

 

Der Kläger beantragt,

 

den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen überlanger Dauer des Verfahrens zur Herbeiführung einer Kostengrundentscheidung in dem beim Sozialgericht B unter dem Aktenzeichen S 171 AS 9934/17 registrierten Rechtsstreit samt des sich anschließenden, unter dem Aktenzeichen S 171 AS 11783/18 RG geführten Anhörungsrügeverfahrens eine Entschädigung in Höhe von 1.200,00 € zzgl. 201,71 € vorgerichtliche Kosten jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Juni 2020 zu zahlen.

 

Der Beklagte, dem die Klage am 03. März 2021 zugestellt worden ist, beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Er meint, für die Kostengrundentscheidung stehe eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von sechs Monaten zur Verfügung. Diese verlängere sich durch ein Nebenverfahren um drei Monate, wobei hier offen bleiben könne, ob für zwei parallele, unselbständige Nebenverfahren jeweils drei Monate gerechtfertigt seien. Vorliegend seien jedenfalls vier zusätzliche Monate anzusetzen, da über die Anhörungsrüge erst nach Zustellung der Entscheidung über die Richterablehnung hätte entschieden werden können. Die Liegezeiten überschritten die damit zulässigen zehn Monate nicht. Zudem sei auch eine Verlängerung der Vorbereitungs- und Bedenkzeit infolge der pandemiebedingten Einschränkungen des Gerichtsbetriebes seit März 2020 gerechtfertigt. Jedenfalls bis Mai 2020 sei der Betrieb auf das Notwendigste beschränkt gewesen. Das richterliche Ermessen, die Entscheidung aufzuschieben, sei insbesondere vor dem Hintergrund, dass lediglich die Rüge gegen die Kostengrundentscheidung offen gewesen sei, nicht zu beanstanden. Abgesehen davon scheide ein materieller Ersatz für ein überlanges Kostenverfahren grundsätzlich aus, wenn ein Kläger - wie hier als sich selbst vertretender Rechtsanwalt – keiner drängenden Forderung eines Dritten ausgesetzt war. Schließlich habe der Präsident des Sozialgerichts B anlässlich der vorgerichtlichen Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs mit Schreiben vom 10. Juni 2020 ausdrücklich die Länge des Anhörungsrügeverfahrens bedauert, sodass eine Klageänderung in eine Feststellungsklage mangels Feststellungsinteresse unstatthaft oder jedenfalls unbegründet sei. 

 

Auf Aufforderung des Senats hat der Beklagte das Schreiben des Präsidenten des Sozialgerichts B vom 10. Juni 2020 vorgelegt. In diesem wird ausgeführt, dass der Entschädigungsanspruch mit Blick auf die Feststellung der Überlänge für begründet erachtet werde, ein Anspruch auf eine Entschädigung hingegen nicht bestehe. Abschließend heißt es: „Ich erkläre hiermit ausdrücklich mein Bedauern über das bereits überlang dauernde Rügeverfahren gegen die Kostengrundentscheidung im Beschluss vom 22. Oktober 2018 zum Verfahren S 171 AS 9934/17.“

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Der nach § 201 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sowie § 202 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), jeweils in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554) für die Entscheidung über die Entschädigungsklage zuständige Senat konnte über diese nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. §§ 202 Satz 2, 110 Abs. 1 Satz 2, 126 SGG entscheiden, obwohl weder der Kläger noch der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vertreten waren, da mit der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war.

 

Die auf Gewährung einer Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Verfahrens zur Herbeiführung der Kostengrundentscheidung in dem vor dem Sozialgericht B unter dem Aktenzeichen S 171 AS 9934/17 anhängig gewesenen Rechtsstreit und des sich anschließenden Anhörungsrügeverfahrens (S 171 AS 11783/18 RG) gerichtete, als allgemeine Leistungsklage statthafte Klage kann keinen Erfolg haben. Sie ist zwar zulässig, nicht jedoch begründet.

 

A.     Die Klage ist zulässig. Insbesondere bestehen weder an der Wahrung der gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebenen Schriftform noch an der Einhaltung der nach § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG zu wahrenden Klagefrist von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens Zweifel. Denn nachdem das streitgegenständliche Ausgangsverfahren durch - dem Kläger am 18. Juni 2020 zugestellten - Beschluss vom 16. Juni 2020 beendet worden war, hat der Kläger am 27. August 2020 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Entschädigungsklage erhoben.

 

B.     Die Entschädigungsklage ist jedoch unbegründet.

 

Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung indes nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 Satz 2 GVG). Eine Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur dann, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG).

 

Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Gewährung einer finanziellen Entschädigung (hierzu im Folgenden zu I.) noch auch nur auf gerichtliche Feststellung der Unangemessenheit des streitgegenständlichen Verfahrens (hierzu unter II.) zu.

 

I.    Die Voraussetzungen für die Gewährung einer finanziellen Entschädigung sind nicht gegeben. Zwar weist das streitgegenständliche Verfahren eine unangemessene Dauer auf (hierzu zu 1.). Der in Bezug auf den geltend gemachten Entschädigungsanspruch aktivlegitimierte Kläger hat indes keine ordnungsgemäße Verzögerungsrüge erhoben (hierzu zu 2.).

 

1.   Das streitgegenständliche Verfahren weist eine unangemessene Dauer auf.

 

a)   Anknüpfungspunkt für die Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer sind hier nicht isoliert zum einen das Verfahren zur Herbeiführung der Kostengrundentscheidung im Rechtsstreit S 171 AS 9934/17 und zum anderen das unter dem Aktenzeichen S 171 AS 11783/18 RG geführte Anhörungsrügeverfahren. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich bei beiden Verfahren entschädigungsrechtlich betrachtet um ein einheitliches Verfahren handelt. Das Bundessozialgericht hat bereits in seinem Urteil vom 10. Juli 2014 (B 10 ÜG 8/13 R, juris, Rn. 14) ausgeführt, dass eine Anhörungsrüge kein selbstständiges Verfahren in Gang setzt. Es hat sich diesbezüglich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angeschlossen und insbesondere bzgl. der Konsequenzen auf dessen Ausführungen verwiesen (so auch für ein Prozesskostenhilfeverfahren BFH, Urteil vom 20.03.2019 – X K 4/18 –, juris, Rn. 35 – 36 sowie für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.09.2018 – L 11 SF 105/18 EK AS –, juris, Rn. 7). Der Bundesgerichtshof hatte in seinem Urteil vom 21. Mai 2014 (III ZR 355/13 –, juris, Rn. 10 – 13 m.w.N.) ausgeführt, dass das Anhörungsrügeverfahren und das vorangegangene Hauptsacheverfahren entschädigungsrechtlich ein einheitliches Gerichtsverfahren darstellten. Die Gehörsrüge ziele darauf ab, eine neue Entscheidung in der Sache herbeizuführen und die Rechtskraft des angegriffenen Beschlusses zu beseitigen. Sie leite damit kein selbständiges Verfahren ein; vielmehr sei das Rügeverfahren dem durch den angegriffenen Beschluss zunächst beendeten Verfahren als Annex angegliedert. Die Anhörungsrüge sei kein Rechtsmittel; sie weise weder einen Suspensiv- noch einen Devolutiveffekt auf. Das Anhörungsrügeverfahren sei nach alledem kein selbständiges Verfahren. Es werde dem Hauptsacheverfahren hinzugerechnet und sei somit Teil eines einheitlichen Gerichtsverfahrens im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG. Komme es (erstmals) im Anhörungsrügeverfahren zu einer sachlich nicht mehr gerechtfertigten Verzögerung, entstehe kein isolierter Entschädigungsanspruch (anders Guckelberger, DÖV 2012, 289, 294; Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 54). Vielmehr müsse die Bearbeitungsdauer für die Gehörsrüge in die abschließende Betrachtung der Gesamtverfahrensdauer einbezogen werden. Denn Verzögerungen, die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten seien, bewirkten nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer. Erforderlich sei vielmehr eine abschließende Gesamtabwägung. Dem schließt der Senat sich an.

 

b)   Zur Überzeugung des Senats ist das streitgegenständliche Verfahren als im Umfang von zwölf Kalendermonaten überlang anzusehen.

 

Ob die Verfahrensdauer angemessen ist oder nicht, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritten (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Über die in § 198 GVG ausdrücklich genannten Kriterien zur Bestimmung der Angemessenheit der Verfahrensdauer hinaus hängt die Unangemessenheit der Verfahrensdauer wesentlich davon ab, ob dem Staat zurechenbare Verhaltensweisen des Gerichts zur Überlänge des Verfahrens geführt haben. Maßgeblich sind Verzögerungen, also sachlich nicht gerechtfertigte Zeiten des Verfahrens, insbesondere aufgrund von Untätigkeit des Gerichts (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R – Rn. 34 und – B 10 ÜG 12/13 R – Rn. 41, vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 7/14 R – Rn. 35 sowie vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R - Rn. 38, alle zitiert nach juris). Für die Entscheidung, ob eine überlange Verfahrensdauer vorliegt, sind daher aktive und inaktive Zeiten der Bearbeitung gegenüberzustellen (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R – juris, Rn. 40 ff., 50), wobei kleinste relevante Zeiteinheit stets der Kalendermonat ist (BSG, Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R – 2. Leitsatz und Rn. 34, vgl. auch Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R –, Rn. 29, - B 10 ÜG 9/13 R – Rn. 25, - B 10 ÜG 2/13 – Rn. 24, jeweils zitiert nach juris).

 

aa) Dass dem Ausgangsverfahren – bei der insoweit gebotenen objektiven Betrachtung (BSG, Urteil vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R - juris, Rn. 35) - eine auch nur durchschnittliche Bedeutung oder Schwierigkeit zugekommen sein dürfte, ist nicht ersichtlich. In der Sache ging es nicht mehr um Grundsicherungs- oder sonstige Entgeltersatzleistungen, sondern allein um die Frage, in welchem prozentualen Umfang das Jobcenter dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten hat. Dies ist für ihn zweifelsohne nicht gänzlich ohne Bedeutung gewesen, weil letztlich der Umfang seines Vergütungsanspruchs als Rechtsanwalt an diese Frage geknüpft war. Weder drohte hier jedoch durch den Zeitablauf ein Rechtsverlust noch wirkte sich dies für den – ergänzende Grundsicherungsleistungen beziehenden – Kläger unmittelbar wirtschaftlich aus. Für die Allgemeinheit war die Angelegenheit ohne jede Bedeutung. Umgekehrt wies die Sache aber auch eine unterdurchschnittliche Schwierigkeit auf. Weder waren Ermittlungen erforderlich noch schwierige Rechtsfragen zu klären. Allerdings hatte das Gericht bei seiner Entscheidung die wiederholten Klageerweiterungen und Erledigterklärungen zu würdigen.

 

bb)     Während es bis zum Erlass der Kostengrundentscheidung am 22. Oktober 2018 in einem Monat zu gerichtlicher Inaktivität gekommen ist, weist das Anhörungsrügeverfahren im Umfang von elf Kalendermonaten Verzögerungszeiten auf.

 

(1)      Das Verfahren zur Herbeiführung der Kostengrundentscheidung im Verfahren S 171 AS 9934/17 hat vom Eingang des klägerischen Antrages am 04. April 2018 bis zum Erlass des Beschlusses am 22. Oktober 2018 zwar gut ein halbes Jahr gedauert. In dieser Zeit ist indes allein im Juni 2018 von gerichtlicher Untätigkeit auszugehen. Denn nach Eingang des Kostenantrages am 04. April 2018 wurde dieser am 11. April 2018 an das Jobcenter zur Stellungnahme binnen fünf Wochen weitergeleitet, sodass der Mai 2018 abgedeckt ist. Abgesehen davon hat der Kläger Ende April seine vorangegangene Erledigungserklärung vom 04. April 2018 auch noch zurückgenommen und eine Erweiterung des Verfahrens in Aussicht gestellt, was beim Gericht eine Überlegungs- und damit Bearbeitungszeit von einem Monat ausgelöst hat. Denn eingereichte Schriftsätze, die einen gewissen Umfang haben und sich inhaltlich mit Fragen des Verfahrens befassen, bewirken generell eine Überlegungs- und Bearbeitungszeit beim Gericht, die mit einem Monat zu Buche schlägt (BSG, Urteil vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 12/13 R - juris, Rn. 57). Im Juni 2018 hatte das Gericht dann zwar angesichts der prozessual unklaren Lage keinen Grund, das Jobcenter an die Stellungnahme zum Kostenantrag zu erinnern. Wohl aber hätte es das Verfahren wiederaufnehmen und/oder den Kläger zur Klarstellung, was er nun begehrt, auffordern müssen. Anfang Juli 2018 wurde das Hauptsacheverfahren sodann wieder aufgenommen. Im Folgenden kam es zu umfangreichem Schriftwechsel mit dem Kläger, der sein Wiederaufnahmeverlangen im August 2018 wieder zurückzog und erneut umfangreich zu seinem Kostenbegehren vortrug. Das Gericht musste dem Jobcenter daraufhin (erneut) rechtliches Gehör gewähren, was es umgehend getan hat. Die dem Jobcenter eingeräumte vierwöchige Stellungnahmefrist reichte bis in den Monat September hinein, in dem im Übrigen noch ein weiterer Schriftsatz des Klägers einging und dem Jobcenter zugeleitet wurde. Im Oktober 2018 erging dann die Kostenentscheidung.

 

(2)      Das Anhörungsrügeverfahren wurde mit Eingang des Schriftsatzes des Klägers am 29. Oktober 2018 in Gang gesetzt. Zunächst konnte dieses sodann allerdings nicht betrieben werden, weil der Kläger zugleich den zuständigen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hatte. Die Monate bis einschließlich Februar 2019 stellen sich damit nicht als dem Beklagten anzulastende Verzögerungszeit dar. Denn etwaige im Laufe des Befangenheitsverfahrens aufgetretene Phasen der gerichtlichen Inaktivität (möglicherweise schon Dezember 2018, zumindest aber Januar 2019) summieren sich jedenfalls nicht auf mehr als drei. Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung des Senats, dass ein Kläger durch ein Befangenheitsgesuch verursachte Phasen der Nichtbearbeitung des Verfahrens hinzunehmen hat, jedenfalls soweit es in dem Befangenheitsverfahren seinerseits nicht zu mehr als drei Monaten der gerichtlichen Inaktivität kommt. Denn auch der für die Bearbeitung des Befangenheitsgesuchs zuständigen Kammer, die sich erst neu in den Vorgang einarbeiten muss, muss in diesem Verfahrensstadium eine gewisse Vorbereitungs- und Bedenkzeit eingeräumt werden, während der die für das Hauptsacheverfahren zuständige Kammer das Verfahren nicht fördern kann (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.11.2016 – L 37 SF 288/13 EK SO –, Rn. 63, juris).

Allerdings ist das nach Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs und Rücklauf der Akten Mitte Februar 2019 wieder zu betreibende Verfahren sodann bis Juni 2019 nicht gefördert worden, sodass es in vier Kalendermonaten (März bis Juni 2019) zu Inaktivität gekommen ist. Anderes kann insoweit auch nicht mit Blick darauf gelten, dass das Sozialgericht die am 02. Mai 2019 eingegangene Verzögerungsrüge dem Jobcenter zur freigestellten Stellungnahme zugeleitet hat. Es ist nicht ansatzweise ersichtlich, warum sich das Jobcenter hierzu hätte äußern sollen. Im Juli 2019 ist das Gericht dann allerdings wieder aktiv geworden, indem es nunmehr dem Jobcenter die Anhörungsrüge zur freigestellten Stellungnahme übersandt hat. Dies deckt auch den Monat August 2019 ab. Denn die Übersendung eines Schriftsatzes an die Beteiligten zur Kenntnis beinhaltet stets die Möglichkeit zur Stellungnahme. Die Entscheidung des Gerichts, im Hinblick auf eine mögliche Stellungnahme zunächst nicht weitere Maßnahmen zur Verfahrensförderung zu ergreifen, unterliegt grundsätzlich noch seiner Entscheidungsprärogative und ist - mit Ausnahme unvertretbarer oder schlechthin unverständlicher Wartezeiten - durch das Entschädigungsgericht nicht als Verfahrensverzögerung zu bewerten (BSG, Urteil vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R - juris, Rn. 43). Nichts anderes kann dann gelten, wenn dem Beteiligten ausdrücklich die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wird.

 

Während sodann für die Monate September bis Dezember 2019 (vier Kalendermonate) nicht von gerichtlicher Aktivität auszugehen ist, ist das Gericht im Januar 2020 wieder tätig geworden, indem es das Jobcenter nunmehr unter Fristsetzung von vier Wochen zur Stellungnahme aufgefordert hat. Während der Februar 2020 damit noch abgedeckt ist, ist es von März bis einschließlich Mai 2020 (Monat vor Zurückweisung der Anhörungsrüge) wieder zu einer Phase der gerichtlichen Inaktivität gekommen (drei Kalendermonate). Insgesamt sind damit in diesem Verfahrensabschnitt elf und insgesamt zwölf Verzögerungsmonate aufgetreten. 

 

cc) Dies heißt jedoch nicht, dass in entsprechendem Umfang von einer unangemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist. Denn erst die wertende Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstände ergibt, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt hat (BSG, Urteil vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 1/16 R - juris, Rn. 33). Dabei ist zu beachten, dass den Gerichten – über die Phasen der aktiven Verfahrensförderung hinaus - Vorbereitungs- und Bedenkzeiten von in der Regel zwölf Monaten je Instanz als angemessen zuzugestehen sind, falls sich nicht aus dem Vortrag des Klägers oder aus den Akten besondere Umstände ergeben, die vor allem mit Blick auf die Kriterien des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG im Einzelfall zu einer anderen Bewertung führen (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R – Rn. 48, – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 49 und - B 10 ÜG 12/13 R - Rn. 56, jeweils zitiert nach juris). Weiter ist zu berücksichtigen, dass Zeiten fehlender Verfahrensförderung durch das Gericht in bestimmten Verfahrensabschnitten in davor oder danach liegenden Verfahrensabschnitten ausgeglichen werden können (BSG, Urteile vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 2/13 - Rn. 43, - B 10 ÜG 9/13 R - Rn. 43, - B 10 ÜG 12/13 R - Rn. 51, - B 10 ÜG 2/14 R- Rn. 44, zitiert jeweils nach juris). Bezogen auf das hier streitgegenständliche Ausgangsverfahren bedeutet dies:

 

(1)      Soweit es um die Dauer des Verfahrens bis zur Kostengrundentscheidung geht, hat der Senat bereits mit Urteil vom 30. Oktober 2019 (L 37 SF 38/19 EK AS –, Rn. 34, juris) – und dies unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 24.11. 2016 - L 37 SF 247/14 EK KR -, juris, Rn. 61 f.) - entschieden, dass mit Blick auf das Verfahren zur Herbeiführung einer Kostengrundentscheidung nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG Besonderheiten vorliegen, die bei der Gesamtbewertung zu einer Verkürzung der regelmäßig als angemessen anzusehenden Vorbereitungs- und Bedenkzeit von zwölf Monaten auf drei Monate führen. Denn zwar erfordern Verfahren dieser Art, bei denen das Klage- bzw. einstweilige Rechtsschutzverfahren bereits abgeschlossen ist und damit das in der Sache verfolgte Rechtsschutzbegehren seine Erledigung gefunden hat, keine bevorzugte Erledigung. Vielmehr ist die Bedeutung der Kostengrundentscheidung für die Beteiligten in der Regel deutlich geringer als das vorangegangene Verfahren. Allerdings weisen entsprechende Verfahren in aller Regel auch eine im Verhältnis zu einem Klageverfahren unterdurchschnittliche Komplexität und Schwierigkeit in der Bearbeitung auf, weil zum einen der Sachverhalt aus dem vorangegangenen Verfahren bereits bekannt ist, zum anderen keine Ermittlungen durchzuführen sind und schließlich nur eine summarische Prüfung zu erfolgen hat.

 

(2)      Für ein Anhörungsrügeverfahren ist den Gerichten zur Überzeugung des Senats zusätzlich eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit im Umfang von in der Regel drei Kalendermonaten zuzubilligen und dies unabhängig davon, auf was für eine gerichtliche Entscheidung sich die Anhörungsrüge bezieht. Denn bei der Anhörungsrüge geht es stets (allein) um die Frage, ob es zu einem Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs gekommen sein könnte bzw. ist. Ob dies in einem Klage-, einstweiligen Rechtsschutz- oder – wie hier – auf eine Kostengrundentscheidung ausgerichteten Verfahren geltend gemacht wird, wirkt sich auf den Bearbeitungsaufwand nicht aus. Da ferner für die Entscheidung über die Anhörungsrüge weder eine erneute Vollprüfung noch gar Ermittlungen erforderlich sind und sich – anders als im Falle der Nichtzulassungsbeschwerde, für die der Senat regelmäßig von einer Vorbereitungs- und Bedenkzeit von sechs Monaten ausgeht (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.02.2016 – L 37 SF 128/14 EK AL –, Rn. 59, juris) - kein neuer Richter in die Sache einarbeiten muss, vielmehr derjenige entscheidet, der auch zuvor mit der Sache befasst war, hält der Senat insoweit eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von drei Monaten für angemessen.

 

(3)      Soweit der Beklagte meint, dem Sozialgericht sei im Hinblick auf die - angesichts der Corona-Pandemie zumindest in den Monaten März bis Mai 2020 eingetretenen – Einschränkungen bei der Arbeit eine weitere Vorbereitungs- und Bedenkzeit einzuräumen, sieht der Senat dies durchaus als erwägenswert an. Allerdings bedarf dies hier weder weitergehender Erörterungen noch gar einer abschließenden Entscheidung. Denn es hat vorliegend – wie die folgenden Erwägungen zeigen werden - für den Ausgang des Verfahrens keine Bedeutung. Nach vorstehenden Ausführungen stehen zwölf Verzögerungsmonaten sechs Monate Vorbereitungs- und Bedenkzeiten gegenüber, die hier – angesichts der (erst) im März 2020 aufgetretenen Corona-Pandemie und mit Blick auf den Verfahrensabschluss im Juni 2020 - allenfalls um drei auf neun Monate erhöht werden könnten. Es verbliebe damit jedoch bei einer unangemessenen Verfahrensdauer. Ob hier aber von einer unangemessenen Verfahrensdauer im Umfang von sechs oder nur drei Monaten auszugehen ist, ist unerheblich, da sich dies vorliegend nicht einmal auf die Kostenentscheidung auswirken kann.

 

2.       Trotz unangemessener Verfahrensdauer kommt die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung einer Entschädigung nicht in Betracht, da es an einer ordnungsgemäßen Verzögerungsrüge fehlt. Beide vom Kläger im Laufe des streitgegenständlichen Verfahrens erhobenen Verzögerungsrügen waren vielmehr offensichtlich verfrüht.

 

Nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG erhält eine Verfahrensbeteiligter eine Entschädigung nur dann, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat. Gemäß § 198 Abs. 3 Satz 2 1. Hs. GVG kann die Verzögerungsrüge erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen sein wird. Die Vorschrift stellt damit für den frühestmöglichen Termin auf die Wahrscheinlichkeit ab, mit der eine Überlänge des Verfahrens eintreten wird, und erfordert damit eine Prognose. Es genügt, wenn der Betroffene erstmals objektive Anhaltspunkte dafür hat, das Verfahren nehme keinen angemessen zügigen Fortgang und der Verfahrensabschluss werde sich deshalb verzögern. Maßgeblich ist die konkrete Möglichkeit einer Verzögerung aus der ex-ante-Perspektive eines vernünftigen Dritten in der Person des Klägers. Eine vor diesem Zeitpunkt verfrüht erhobene Rüge ist wirkungslos und geht ins Leere. Eine verfrühte Rüge wird auch nicht nachträglich wirksam, wenn im Nachgang die konkrete Möglichkeit einer Verzögerung entsteht. Dies widerspräche der vom Gesetz gewollten Warnfunktion der Rüge (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 06.12.2018 – L 8 SF 185/17 EK –, Rn. 64 ff., juris).

 

Vorliegend hat der Kläger die Kostengrundentscheidung am 04. April 2018 beantragt und bereits am 20. Juli 2018 eine erste Verzögerungsrüge erhoben. Eine zweite Verzögerungsrüge hat er am 02. Mai 2019 an das Gericht herangetragen, nachdem die Kostengrundentscheidung mit - ihm am 27. Oktober 2018 zugestelltem - Beschluss vom 22. Oktober 2018 ergangen war, er am 29. Oktober 2018 zusammen mit der Anhörungsrüge ein Befangenheitsgesuch erhoben hatte und ihm der zurückweisende Befangenheitsantrag am 12. Februar 2019 zugestellt worden war.

 

Ein vernünftiger Dritter in der Position des Klägers hatte indes weder im Juli 2018 noch Anfang Mai 2019 objektive Anhaltspunkte dafür, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit zum Abschluss gebracht würde. Dem Kläger musste zumindest als Rechtsanwalt bekannt sein, dass das Gericht dem Verfahrensgegner sowohl auf seinen Kostenantrag sowie seine ergänzenden Schriftsätze hin als auch mit Blick auf die Anhörungsrüge jeweils rechtliches Gehör gewähren musste, was eine gewisse Zeit erfordert. Weiter musste er wissen, dass das Gericht die Anhörungsrüge nicht bearbeiten durfte, solange über das Befangenheitsgesuch nicht entschieden war. Ferner musste er berücksichtigen, dass nicht jedwede Verzögerung bereits entschädigungsrelevant ist, den Gerichten vom Bundessozialgericht vielmehr gewisse Vorbereitungs- und Bedenkzeiten eingeräumt werden. Hinzu kam hier schließlich mit Blick auf das Verfahren zur Herbeiführung der Kostengrundentscheidung, dass der Kläger seine – mit dem Kostenantrag verbundene - Erledigungserklärung vom 04. April 2018 knapp drei Wochen später wieder zurückgenommen hatte, sodass nicht einmal klar war, ob das Verfahren überhaupt als erledigt anzusehen war und damit eine Kostenentscheidung ergehen konnte oder nicht. Er selbst ist in diesem Verfahrensabschnitt überhaupt erstmals wieder – und dies sofort mit der Verzögerungsrüge - tätig geworden, nachdem das Gericht das Verfahren wieder aufgenommen hatte. Im Anhörungsrügeverfahren waren schließlich zwischen der Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs – und erst recht der Zustellung des diesbezüglichen Beschlusses – bis zum Eingang der Verzögerungsrüge noch keine drei Monate vergangen. Dies deckt noch nicht einmal die dem Gericht zustehende Vorbereitungs- und Bedenkzeit ab, geschweige denn etwaige Bearbeitungszeiten.

 

Es kommt damit hier eine finanzielle Entschädigung weder mit Blick auf den in § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG angesichts der unangemessenen Verfahrensdauer vermuteten immateriellen Nachteil in Betracht noch im Hinblick auf einen Vermögensnachteil. Soweit der Kläger einen Vermögensnachteil in Form der Rechtsanwaltskosten für das vorgerichtliche Verfahren geltend gemacht hat, entspricht es im Übrigen inzwischen der Rechtsprechung des Senats, einen solchen in aller Regel nicht anzuerkennen, auch wenn die für die vorprozessuale Verfolgung des Entschädigungsanspruchs angefallenen Anwaltskosten grundsätzlich eine Vermögenseinbuße und damit einen materiellen Nachteil im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG darstellen können. Denn zum einen ist in Fällen, in denen ein Kläger sich – so wie hier – als Rechtsanwalt selbst im vorgerichtlichen Verfahren vertritt, bereits fraglich, ob überhaupt eine Vermögenseinbuße bzw. ein Schaden vorliegt. Zum anderen sind Rechtsanwaltskosten als Vermögensschaden nur dann ersetzbar, wenn sie auch tatsächlich notwendig waren, was in aller Regel nicht der Fall ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 17. Februar 2021 – L 37 SF 123/20 EK AS –, Rn. 39 – 40 sowie – L 37 SF 55/20 EK AS –, Rn. 40 – 41, jeweils zitiert nach juris) und hier sicher nicht anders zu bewerten wäre.

 

II.       Weiter scheidet vorliegend auch die Feststellung der unangemessenen Verfahrensdauer aus. Zwar kann diese nach § 198 Abs. 4 Satz 3 2. Halbsatz GVG ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind, mithin namentlich keine wirksame Verzögerungsrüge vorliegt. Vorliegend besteht jedoch keinerlei Veranlassung für eine entsprechende Feststellung.

 

Abgesehen davon, dass hier zwar eine unangemessene Verfahrensdauer vorliegt, diese jedoch – unabhängig davon, ob sie im Umfang von sechs oder gar nur drei Monaten angenommen wird - nicht gravierend ist, ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der – den Beklagten im vorprozessualen Verfahren vertretende - Präsident des Sozialgerichts B auf den an ihn vor Einleitung des Klageverfahrens herangetragenen Entschädigungsanspruch hin bereits mit Schreiben an den Kläger vom 10. Juni 2020 ausdrücklich eine überlange Dauer des Rügeverfahrens gegen die Kostengrundentscheidung anerkannt und hierüber sein Bedauern zum Ausdruck gebracht hat. Eine gerichtliche Feststellung kommt daneben nicht in Betracht. Im Gegenteil geht der Senat – selbst im Falle des Vorliegens ordnungsgemäßer Verzögerungsrügen - namentlich in von Rechtsanwälten verfolgten Kostenangelegenheiten regelmäßig davon aus, dass im Falle der Unangemessenheit der Verfahrensdauer eine Wiedergutmachung auf andere Weise nach § 198 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 GVG ausreichend ist, dieser so genannte kleine Entschädigungsanspruch (vgl. BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 R – Rn. 57 und vom 15.12.2015 – B 10 ÜG 1/15 R – Rn. 15 f., zitiert jeweils nach juris) indes bereits erfüllt ist, wenn seitens des Beklagten in irgendeiner Form eine Anerkennung der Verfahrensüberlänge erfolgte und das Bedauern hierüber zum Ausdruck gebracht wurde. Dass anderes gelten könnte, wenn es auch noch an einer wirksamen Verzögerungsrüge fehlt, ist nicht ersichtlich.

 

III.    Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

 

IV.    Anlass, die Revision nach §§ 160, 202 Satz 2 SGG, 201 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzulassen, bestand nicht.

 

 

Rechtskraft
Aus
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