L 10 VE 47/20

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
1. Instanz
SG Oldenburg (NSB)
Aktenzeichen
S 13 VJ 16/15
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 10 VE 47/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zu einem geltend gemachten Impfschaden nach dreifacher Impfung mit Hexavac.

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen

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Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 3. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren um die Feststellung von Schädigungsfolgen und die Gewährung von Beschädigtenrente nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG).

Der im I. geborene Kläger ist schwer behindert. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie das Vorliegen der Voraussetzungen für die Feststellung der Merkzeichen G, B, H und aG schwerbehindertenrechtlich nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch (SGB IX) festgestellt (vergleiche zuletzt Bescheid vom 5. August 2005).

Im August 2012 beantragte der Kläger, vertreten durch seine Eltern, die bei ihm vorliegenden Behinderungen als Folgen eines Impfschadens anzuerkennen. Zur Begründung wies er darauf hin, er sei im Januar, Februar und März/April 2004 mit dem Impfstoff Hexavac geimpft worden. Im nahen zeitlichen Zusammenhang mit der dritten Impfung seien bei ihm die ersten Anzeichen seiner nunmehr vorliegenden, neurologischen Erkrankung aufgetreten. Daher sei diese Erkrankung auf die Impfung zurückzuführen und deswegen zu entschädigen.

Das beklagte Land leitete Ermittlungen ein und zog insbesondere einen Bericht des damals impfenden Kinderarztes Dr. J. vom 21. Februar 2013 bei. Weiter wertete das beklagte Land den bei ihm geführten schwerbehindertenrechtlichen Vorgang aus, worin sich zahlreiche Befunde über die Behandlung des Klägers finden. Nach Beteiligung seines versorgungsärztlichen Dienstes lehnte das beklagte Land den Antrag des Klägers mit hier angefochtenem Bescheid vom 8. Mai 2014 ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, bei dem Kläger sei die Diagnose einer unbekannten neurodegenerativen Erkrankung mit progredienter globaler Hirnatrophie gestellt worden. Diese Erkrankung könne nicht auf die Impfungen zurückgeführt werden. Nach Angaben des Kinderarztes seien die Impfungen gut vertragen worden. Der grobe zeitliche Zusammenhang mit den durchgeführten Impfungen bedeute keinen medizinisch tragfähigen Zusammenhang.

Der Kläger legte Widerspruch gegen diese Entscheidung ein. Das Land beteiligte erneut seinen ärztlichen Dienst und ließ sich sodann von dem Neurologen Professor Dr.  K. ein Gutachten nach Aktenlage erstellen. Der Gutachter gelangte in seinem Gutachten vom 20. Februar 2015 zu dem Ergebnis, zwischen den durchgeführten Impfungen und der nunmehr vorliegenden Erkrankung des Klägers bestehe kein Zusammenhang im Sinne des Impfschadensrechts. Zur Begründung führte er nach sorgfältiger Analyse der vorliegenden medizinischen Unterlagen aus, der verwendete Impfstoff Hexavac seit ca. 2 Millionen mal zur Anwendung gekommen. Er habe als ein sehr verträgliches Medikament gegolten. Seinerzeit sei diskutiert worden, ob er in sehr seltenen Fällen für plötzliche Todesfälle bei Säuglingen verantwortlich gewesen sei. Dieser Zusammenhang habe sich aber wissenschaftlich nicht sichern lassen. Gleichwohl sei im Jahre 2005 das Ruhen der Zulassung verfügt worden. Dies habe aber einen anderen Grund gehabt. Es habe sich nämlich herausgestellt, dass der Impfstoff nur einen unzureichenden Impfschutz gegen Hepatitis erreicht habe. Bei Durchsicht der vorliegenden Literatur habe sich kein Hinweis auf eine ähnliche Erkrankung, wie sie nunmehr beim Kläger vorliege, nach Gabe von Hexavac ergeben. Auch abgesehen davon hätten sich hier keine Hinweise auf eine verursachende Erkrankung des Klägers durch den Impfstoff ergeben. Wichtigstes Argument insoweit sei aus seiner Sicht der Verlauf der Erkrankung des Klägers. Diese sei über einen längeren Zeitraum progredient verlaufen. Wenn die Erkrankung durch eine Autoimmunreaktion nach der Gabe des Impfstoffs zustande gekommen wäre, so wäre dies nicht zu erwarten gewesen. Daneben passe das Zeitintervall bis zum Auftreten der Erkrankung nicht zu einer solchen Autoimmunreaktion. Auch die behandelnden Ärzte des Klägers könnten derzeit keine endgültige Diagnose hinsichtlich der Erkrankung stellen. Dies sei in der Neurologie indessen nicht ungewöhnlich, da bei vielen Erkrankungen deren Genese wissenschaftlich noch nicht geklärt sei.

Das Gutachten ist vom versorgungsärztlichen Dienst des beklagten Landes für überzeugend gehalten worden (Neurologe Bochnig unter dem 6. März 2015). Das beklagte Land wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juni 2015 zurück. Zur Begründung wies es u.a. darauf hin, aus der Auswertung des Gutachtens von Professor Dr. K. ergebe sich kein wahrscheinlicher Zusammenhang der angeschuldigten Impfungen mit der Erkrankung des Klägers im Sinne des sozialen Entschädigungsrechts.

Am 2. Juli 2015 ist Klage erhoben worden.

Zu deren Begründung hat der Kläger geltend gemacht, unmittelbar nach der dritten Impfung am 25. März 2004 hätten sich bei ihm gesundheitliche Symptome bemerkbar gemacht. Es sei zu diversen Störungen gekommen – nämlich hohem Fieber, Koliken, kaltem Schweiß, permanentem Schreien und Weinen und Strecken des Körpers. Die vom beklagten Land ausgewertete Dokumentation von Dr. J. sei falsch gewesen. Zur Unterstützung der Klage hat der Kläger eine Ausarbeitung des Schutzverbandes für Impfgeschädigte vorgelegt.

Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat sich zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an den damals impfenden Arzt Dr. J. gewandt. Dieser hat eine Abschrift seiner handschriftlichen Patientenkarte übersandt. Hieraus ergibt sich als Datum der dritten Impfung mit Hexavac der 25. März 2004. Dies hat Dr. J. auch ausdrücklich bestätigt. Danach sei der Kläger am 23. April 2004 erneut vorgestellt worden. In der Karte war notiert worden der Kläger schlafe durch (10 Stunden). Auch bei einer weiteren Konsultation am 7. Mai 2004 ist ein guter Befund notiert. Bei einer wiederum weiteren Konsultation am 7. Juni 2004 hatte Dr. J. vermerkt, der Kläger weine viel und bekomme zur Zeit Zähne. Er habe kein Fieber. Für den 25. April 2004 ist in der Patientenkarte kein Patientenkontakt notiert. Sodann hat das SG die vom Kläger als Zeugin benannte Dr. L. kontaktiert. Diese hat schriftlich unter dem 14. September 2018 mitgeteilt, sie habe keine Unterlagen mehr über den Kläger. Ihre Erinnerungen seien diffus ungewiss und vage.

Am 25. September 2018 hat das SG einen Erörterungstermin mit Beweisaufnahme durchgeführt. Hierin ist zunächst die Mutter des Klägers vernommen worden. Diese hat unter anderem ausgeführt, die dritte Impfung sei am 25. April 2004 gewesen. Direkt am nächsten Tag sei es losgegangen. Nach den ersten beiden Impfungen sei der Kläger unauffällig gewesen. Der sodann vernommene Vater des Klägers hat unter anderem ausgeführt, er wisse nicht mehr genau wann die Impfung gewesen sei. Am Tag der dritten Impfung habe der Kläger Fieber gehabt. Die sodann vom SG gehörte Großmutter des Klägers hat ausgeführt, die dritte Impfung sei im März gewesen. Der Kläger habe noch am selben Tag Fieber gehabt. Sie sei in der Folge häufig zu ihrer Tochter gefahren, um ihr mit dem kranken Kind zu helfen.

Der Kläger hat ergänzend ein Gutachten des Pädiaters und Neuropädiaters Dr. M. vom 9. April 2019 für den medizinischen Dienst der Krankenkassen vorgelegt, welches mit der Fragestellung erstellt worden war, ob Dr. J. Fehler bei der Behandlung des Klägers begangen habe. Dr. M. hat unter anderem darauf hingewiesen, die Impfung sei entsprechend den Vorgaben der ständigen Impfungskommission (StIKO) erfolgt. Im Hinblick auf die Behandlung des Klägers hat Dr. M. vielfache Widersprüche im Vortrag der Eltern des Klägers und in den Angaben von Dr. J. gesehen.

Das SG hat die Klage im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 3. Juni 2020 abgewiesen. Zur Begründung hat es unter ausführlicher Auswertung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Impfschadensrecht zunächst ausgeführt, im Fall des Klägers sei schon eine außergewöhnliche Impfreaktion nicht bewiesen. Die Erinnerung der Mutter des Klägers an den dritten Impftermin sei für das Gericht nicht überzeugend, da dies vielfachen Angaben in den vorliegenden Unterlagen widerspreche. Im Ergebnis hat sich das SG auch den Ausführungen des Gutachters Professor Dr. K. angeschlossen. Danach sei insbesondere die Progredienz der Erkrankung des Klägers ein Indiz gegen einen Ursachenzusammenhang mit der Impfung. Soweit die Vertreter des Klägers behaupteten, in der Erkrankung des Klägers sei kein progredienter Verlauf zu erkennen, treffe dies nicht zu. Insbesondere die behandelnden Ärzte des Klägers hätten in ihrer vielfachen Berichterstattung immer wieder auf die Progredienz der Erkrankung insbesondere im Gehirn des Klägers hingewiesen.

Gegen das ihm am 11. Juni 2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. Juni 2020 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er unter anderem ausführen lassen, eine außergewöhnliche Immunreaktion habe bei ihm sehr wohl vorgelegen. Die dem unter Umständen entgegenstehende Dokumentation von Dr. J. könne dem nicht entgegengehalten werden, weil es immer zunächst zu telefonischen Kontakten mit der kinderärztlichen Praxis gekommen sei, bevor diese aufgesucht worden sei. Im Hinblick auf die Immunreaktion seien auch die Zeugenaussagen der Mutter und der Großmutter des Klägers zu berücksichtigen, die beide ausgesagt hätten, unmittelbar nach der Impfung seien erste Krankheitssymptome aufgetreten. Allein die Tatsache der Herausnahme des Impfstoffs aus dem Markt sei ein starkes Indiz für die Verursachung eines Impfschadens. Seitdem sei er von keinem weiteren Arzt geimpft worden, was ebenfalls für die Verursachung der bei ihm vorliegenden Erkrankung durch die Impfung spreche. Bei den bisher durchgeführten molekulargenetischen Untersuchungen habe sich keine genetische Ursache für seine Erkrankung finden lassen. Auch dies spreche für eine Verursachung durch die Impfung. Der Kläger sei bis zur Impfung ein gesundes Kind gewesen, als Ursache für seine nunmehr vorliegende Erkrankung komme also nur die Impfung in Betracht. Das Gutachten von Professor Dr. K. sei mangelhaft. Die Erkrankung des Klägers sei nicht progredient gewesen, sondern monophasisch. Zur Unterstützung seiner Berufung hat der Kläger einen Auszug des Gutachtens des Facharztes für Humangenetik Privatdozent Dr. N. vom 2. August 2013 vorgelegt. Hieraus ergebe sich, dass seine Erkrankung nicht genetisch verursacht sei.

 

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

  1. das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 3. Juni 2020 und den Bescheid des beklagten Landes vom 8. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juni 2015 aufzuheben,
  2. das beklagte Land zu verurteilen, bei dem Kläger Schädigungsfolgen festzustellen und ihm Beschädigtenrente nach dem Infektionsschutzgesetz zu gewähren.

 

Das beklagte Land beantragt schriftsätzlich,

 

          die Berufung zurückzuweisen.

 

Zur Begründung bezieht es sich auf seine angefochtenen Bescheide, die erstinstanzliche Entscheidung sowie auf das Ergebnis der ergänzend durchgeführten zweitinstanzlichen Ermittlungen.

Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts ein Gutachten nach Aktenlage des Neurologen Professor Dr. O. vom 9. März 2022 veranlasst. Auch Professor Dr.  O. ist zu dem Ergebnis gelangt, ein Zusammenhang der schweren Erkrankung des Klägers mit den angeschuldigten Impfungen sei nicht wahrscheinlich. Zur Begründung hat er unter anderem darauf hingewiesen, der Kläger habe sich am 7. Mai 2004 bei Dr. J. zur Durchführung der U5 Vorsorgeuntersuchung vorgestellt. Dabei seien keine Symptome festgestellt worden. Die Erkrankung sei auch aus seiner Sicht progredient verlaufen. Dies ergebe sich insbesondere auch wenn man die durchgeführten magnetresonanztomografischen Untersuchungen des Klägers im Zeitverlauf vergleiche. Auch er gehe davon aus, dass die dritte Impfung des Klägers bereits am 25. März 2004 stattgefunden habe. Üblicherweise trete eine neurologische Erkrankung, wenn es denn zu einer solchen komme, innerhalb von 2-3 Wochen nach der Impfung auf. Dies könne im Fall des Klägers gerade nicht festgestellt werden. Dies ergebe sich auch, wenn man das vom Kläger behauptete spätere Impfdatum zugrunde lege. Nach den von ihm herangezogenen Kriterien der WHO lasse sich daher kein Zusammenhang annehmen. Auf Einwände des Klägers gegen das Gutachten von Professor Dr. O. hat dieser in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26. April 2022 nochmals Stellung genommen und darauf hingewiesen spezifisch neurologische Symptome (Spasmen und Ähnliches) seien bei der U5 noch nicht zu sehen gewesen. Nach der Impfung seien Fieber und vermehrte Reizbarkeit indessen normale Reaktionen. Neurologische Symptome im engeren Sinne träten nach einer Impfung in der Regel innerhalb von wenigen Tagen bis zu 2-3 Wochen auf. Ergänzend hat Professor Dr. O. darauf hingewiesen, hier werde die dritte Impfung mit Hexavac angeschuldigt. Es sei aber – wenn es denn zu einer Reaktion komme – viel wahrscheinlicher direkt auf die erste oder zweite Impfung zu reagieren.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (zwei Bände) Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet in Anwendung von § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das SG hat die Klage zurecht abgewiesen. Der Bescheid des beklagten Landes vom 8. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juni 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat aus den Vorschriften des IfSG in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) keinen Anspruch gegen das beklagte Land, bei ihm Schädigungsfolgen festzustellen sowie ihm Beschädigtenrente zu gewähren.

Zur Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen in Anwendung von § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug auf die ausführlichen und in die Tiefe gehenden Ausführungen des SG in seinem angefochtenen Urteil vom 3. Juni 2020. Das SG hat darin die hier heranzuziehenden Rechtsgrundlagen und die Auslegung dieser Normen, wie sie sich aus der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes, der auch der Senat in ständiger Rechtsprechung folgt, zutreffend geschildert. Sodann hat das SG unter zutreffender Würdigung der in den vorliegenden Unterlagen enthaltenen medizinischen und tatsächlichen Umstände dargelegt, warum weder festgestellt werden kann, dass es bei dem Kläger zu einer außergewöhnlichen Immunreaktion gekommen ist, noch dass die nunmehr vorliegende Erkrankung mit Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit der Impfung des Klägers mit dem Wirkstoff Hexavac steht.

Auch die weiteren Ermittlungen des Senats haben hier kein anderes Ergebnis zutage gefördert. Auch der Sachverständige Professor Dr. O. hat sich der bisher vertretenen Meinung des Gutachters Professor Dr. K. hinsichtlich der neurologischen Bewertung der Zusammenhänge angeschlossen. Er hat in seinem überzeugenden Gutachten unter anderem auf die U5 Untersuchung des Klägers hingewiesen, in der keine im engeren Sinn neurologischen Symptome bei dem Kläger dokumentiert worden sind. Schon Professor Dr. K. hatte ja in seinem Gutachten für das beklagte Land ausgeführt, Fieber und schreien nach der Impfung sollten von ihm nicht bestritten werden, seien aber kein zuverlässiges Indiz für den Beginn der nunmehr vorliegenden Erkrankung. Beide Sachverständigen haben letztlich gar nicht auf den engen zeitlichen Zusammenhang abgestellt, sondern ganz wesentlich den Verlauf der Erkrankung des Klägers zum Gegenstand ihrer Überlegungen gemacht. Sowohl Professor Dr.  K. als auch Professor Dr. O. haben übereinstimmend auf die Progredienz der Erkrankung des Klägers hingewiesen und dies für nicht vereinbar mit einer autoimmunologischen Entwicklung nach der Impfung gehalten. Soweit der Kläger die Progredienz der bei ihm vorliegenden Erkrankung bestreitet, ist dies für den Senat nicht überzeugend. Insoweit sei zunächst darauf hingewiesen, dass auch die den Kläger seit vielen Jahren behandelnden Ärzte (insbesondere Professor Dr. P.) in vielen Zeugnissen von einer Progredienz der Erkrankung ausgehen. Beispielhaft sei auf den Arztbrief von Professor Dr. P. vom 16. Oktober 2014 (Blatt 38 des Verwaltungsvorgangs) hingewiesen. Darin hat dieser von einer erneut durchgeführten Magnetresonanztomografie bei dem Kläger berichtet. Hierin sei erneut eine Befundverschlechterung in Gestalt einer wenn auch nur diskreten Verschlechterung der Atrophie des Hirns des Klägers dokumentiert worden.

Vor diesem Hintergrund muss der Senat letztlich nicht entscheiden, ob die angeschuldigte dritte Impfung im März oder im April 2004 stattgefunden hat. Dies kann vielmehr dahingestellt bleiben. Auch der Senat teilt indessen nach Durchsicht aller vorliegenden Unterlagen die Einschätzung des SG und der beteiligten Sachverständigen, dass Vieles für die Durchführung dieser Impfung bereits im März 2004 spricht. Dies ergibt sich für den Senat einerseits aus den Bekundungen von Dr. J., der selbst mitgeteilt hat, bei seiner anderslautenden Mitteilung habe es sich um einen Irrtum seinerseits gehandelt, wie sich dies auch aus seiner Patientenkarte ergebe. Auch die Vertreter des Klägers sind – wie das SG zutreffend dargelegt hat – anfänglich in mehreren Schriftsätzen von einer Durchführung dieser Impfung im März 2004 ausgegangen (vergleiche etwa die Klagebegründung, dort Seite 1 des Schriftsatzes vom 18. September 2015; vergleiche auch die Widerspruchsbegründung vom 11. Juli 2014 insoweit Blatt 32 des Verwaltungsvorgangs). Auch aus dem Impfbuch des Klägers ergeben sich insoweit keine anderen Hinweise.

Soweit der Kläger geltend macht, die Verursachung der bei ihm vorliegenden Erkrankung durch den angeschuldigten Impfstoff ergebe sich schon daraus, dass dieser Impfstoff vom Markt genommen worden sei, vermag auch dies nicht zu überzeugen. Sowohl Professor Dr. K. als auch Professor Dr. O. haben insoweit ausgeführt, der Impfstoff sei vom Markt genommen worden, weil seine schützende Wirkung gegen Hepatitis zu schlecht gewesen sei. Anhaltspunkte, die in eine andere Richtung deuten könnten, liegen dem Senat nicht vor und sind vom Kläger auch nicht vorgetragen worden.

Soweit der Kläger weiter geltend macht, er sei nach Auftreten der Erkrankung auch von keinem anderen Arzt jemals mehr geimpft worden und auch aus diesem Umstand müsse auf einen Zusammenhang zwischen Impfung und Erkrankung geschlossen werden ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Bei dem Kläger handelt es sich um einen neurologisch schwer erkrankten Patienten. Die Genese seiner Erkrankung ist weder für seine Behandler, noch für alle im vorliegenden Verfahren beteiligten Sachverständigen bekannt. Vor diesem Hintergrund Vorsicht bei Impfungen walten zu lassen liegt aus der Sicht des Senats sehr nahe. Ein Rückschluss auf die Verursachung der Erkrankung durch eine Impfung lässt sich aus diesem Umstand nach Auffassung des Senats nicht ziehen.

Auch aus der Tatsache des „Nichtauffindens“ eines genetischen Defektes bei dem Kläger bei den bisher durchgeführten Untersuchungen kann nicht geschlossen werden, dann müsse die Erkrankung eben auf die Impfung zurückgeführt werden. Professor Dr.  K. hat in seinem Gutachten ausdrücklich darauf hingewiesen – und dem Senat ist dies auch aus vielen anderen Verfahren im Impfschadensrecht bekannt – die neurologische Wissenschaft sei noch weit davon entfernt, die Ursachen für vielerlei Erkrankungen zu kennen. Es sind daher einerseits genetische Defekte denkbar, die die Erkrankung des Klägers ausgelöst haben könnten aber der neurologischen Wissenschaft noch nicht bekannt sind. So heißt es unter anderem auch in dem von dem Kläger vorgelegten Gutachten des Facharztes für Humangenetik Privatdozent Dr. N. vom 2. August 2013, bestimmte genetische Veränderungen würden von dieser Untersuchung nicht erfasst. Andererseits sind andere als genetische Ursachen denkbar, die der Wissenschaft ebenfalls noch nicht bekannt sind.

Die Angriffe des Klägers auf das Gutachten von Professor Dr. K. vermögen den Senat ebenso nicht zu überzeugen. Für den Senat wird zunächst nicht deutlich, wer die vom Kläger vorgelegte Einschätzung des Gutachtens nach einem Fragebogen vorgenommen hat und ob dieser Person fachwissenschaftliche Expertise zukommt, die ihr eine solche Einschätzung erlauben würde. Zudem sind die Erkenntnisse von Professor Dr. K. durch die Ergebnisse des Gutachtens von Professor Dr. O. in vollem Umfang bestätigt worden. Der Senat sieht daher davon ab, die einzelnen Ausführungen des Klägers zu wiederholen und zu widerlegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 193 SGG.

Anlass die Revision in Anwendung von § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen besteht nicht.

 

 

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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