L 7 AL 193/21

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 11 AL 47/21
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 193/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Der Antrag auf Kurzarbeitergeld wird als öffentlich-rechtliche Willenserklärung bei Zugang bei der zuständigen Agentur für Arbeit wirksam. Das Übermittlungsrisiko und damit auch das Risiko des Verlustes auf dem Postweg trägt der Antragsteller.

2. Gegen die Versäumung der Ausschlussfrist für den Antrag auf Kurzarbeitergeld  (§ 325 Abs. 3 SGB 3) ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.S. von § 27 Abs. 5 SGB 10 unzulässig.

3. Die Berufung auf den Fristablauf ist (vorliegend) auch nicht rechtsmissbräuchlich.
 

I.    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 12. August 2021 wird zurückgewiesen.

II.     Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III.     Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) für den Monat Oktober 2020 streitig.

Der Kläger ist Inhaber des Landhotels A. in A-Stadt. Im Jahr 2020 und auch im Jahr 2021 hatte er in mehreren Monaten und fortlaufend antragsgemäß Kurzarbeitergeld von der Beklagten erhalten, nachdem diese mit Bescheid vom 26. März 2020 erstmals die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld dem Grunde nach zunächst für den Zeitraum vom 1. März 2020 bis 30. September 2020 und mit Bescheid vom 21. September 2020 weiter bis 28. Februar 2021 anerkannt hatte. 

Am 2. März 2021 ging der mit Datum vom 3. November 2020 unterschriebene Antrag des Klägers auf Kurzarbeitergeld für den Monat Oktober 2020 in Höhe eines Gesamtbetrages von 8.516,52 € (Kurzarbeitergeld + Pauschalierte SV-Erstattung) bei der Beklagten ein. Dem vorausgegangen war ein E-Mail-Verkehr, wonach eine Mitarbeiterin des Klägers einer Mitarbeiterin der Beklagten am 1. März 2021 mitgeteilt hatte:

„Sehr geehrte Frau E.,
im Oktober haben wir einige Anträge von Ihnen zur Korrektur zurückerhalten. Nach dem wir die
Anträge korrigiert haben, haben wir Ihnen diese zurückgeschickt. Bei diesen Korrekturen war auch
der Kurzarbeit Antrag von Frau R. S. für den Monat Oktober 2020.
Diesen senden wir Ihnen in Kopie noch einmal zu.
Wir bitten Sie das fehlende Geld für die Monate Oktober 2020 und Januar 2021 auszuzahlen, da wir
nicht weiter in Vorkasse gehen können.“ 

Mit Bescheid vom 2. März 2021 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass dem Antrag auf Leistungen vom 2. März 2021 nicht entsprochen werden könne. Gemäß § 325 Abs. 3 SGB III sei Kurzarbeitergeld für den jeweiligen Kalendermonat innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Kalendermonaten zu beantragen. Die Frist beginne mit Ablauf des Monats, in dem die Tage liegen würden, für den die Leistung beantragt werde. Der Antrag sei am 2. März 2021 eingegangen, die Ausschlussfrist habe jedoch am 1. Februar 2021 geendet.

Hiergegen legte der Kläger am 3. März 2021 Widerspruch ein. Danach gebe es Zeugen, dass der Antrag bereits im Oktober 2020 an die Beklagte gesandt worden sei. Der Fehler liege hier bei der Beklagten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2021 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und führte aus, dass gemäß § 325 Abs. 3 SGB III Kurzarbeitergeld für den jeweiligen Kalendermonat innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Kalendermonaten zu beantragen sei. Die Frist beginne mit Ablauf des Monats, in dem die Tage liegen würden, für den die Leistung beantragt werde. Die dreimonatige Ausschlussfrist sei eine materiell-rechtliche Frist, gegen deren Versäumung keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich sei (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 1978 - 7/12 RAr 73/76, SozRecht 4100 § 72 Nr. 3), denn die Bezeichnung als Ausschlussfrist schließe dies im Sinne von § 27 Abs. 5 SGB X aus (BSG, Urteil vom 21. Februar 1991 – 7 RAr 74/89, SozRecht 3-4100 § 81 Nr. 1; BSG, Urteil vom 5. Februar 2004 - B 11 AL 47/03 R, SozRecht 4-4300 § 325 Nr. 1, NZS 1005, 38). Die Agentur für Arbeit könne bei einer verspäteten Antragstellung einen früheren Leistungsbeginn auch nicht nach § 324 Abs. 1 S. 2 SGB III zur Vermeidung unbilliger Härten zulassen (BSG, a. a. O.). Der Antragsteller trage ohne Rücksicht auf sein Verschulden das volle Übermittlungsrisiko (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. November 1986 - L 6 Ar 16/86, NZA 1987, 215; BSG, Urteil vom 14. Februar 1978, a. a. O.). Der Antrag werde mit Eingang bei der nach § 327 Abs. 3 SGB III zuständigen Agentur für Arbeit wirksam (Brand/Hassel, 8. Aufl. 2018, SGB III, § 325 Rn. 9-10). Der Antrag sei am 2. März 2021 eingegangen, die Ausschlussfrist habe jedoch am 1. Februar 2021 geendet. Der Vortrag des Klägers führe zu keiner anderen Entscheidung. Ein Eingang des Antrags bis zum 1. Februar 2021 sei nicht ersichtlich.

Hiergegen hat der Kläger am 19. März 2021 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben und geltend gemacht, dass er in regelmäßiger Abfolge Kurzarbeitergeld zur Auszahlung beantragt habe. Als Betrieb des Hotel- und Gaststättengewerbes sei er (leider) in besonderer Weise von den coronabedingten Schutzmaßnahmen betroffen gewesen. Er sei also - im Vergleich zu anderen Betrieben in der Bundesrepublik Deutschland - in gesteigerter Weise durch coronabedingte Einschränkungen betroffen und, parallel hierzu, in gesteigerter Weise auf staatliche Unterstützungsmaßnahmen angewiesen gewesen, erst recht, wenn man in Betracht ziehe, dass die Leistungen quasi in Prozessstandschaft an die Arbeitnehmer “durchgereicht“ würden. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass der Antrag für Oktober 2020 - ebenso wie die Anträge zuvor und danach - fristgerecht bei der Bundesagentur für Arbeit eingegangen sei. Das Gericht könne sich, was die Beklagte mit ihrer rein schematischen Rechtsanwendung völlig verkenne, aus den regelmäßigen Abläufen der Vor- und Nachmonate die Überzeugung bilden, dass eben auch der konkret im Streit stehende Monat Oktober 2020 von einem fristgerechten Antrag betroffen sei. Zum 27. Oktober 2020 sei es zum „harten Lock Down“ gekommen. Damit habe am 29. Oktober 2020 festgestanden, welche Arbeitszeiten im Oktober 2020 angefallen seien, da für den verbleibenden Oktober-Zeitraum überhaupt kein Betrieb mehr möglich gewesen sei. H. B., der Sohn des Klägers, sei verantwortlich für die kaufmännische Leitung. Er habe mit Frau F., der die operative Leitung des Hotels obliege, am 29. Oktober 2020 den Kurzarbeitergeld-Antrag für Oktober 2020 gemeinsam vorbereitet und den Postausgang für den 3. November 2020 bereitgelegt. Der Antrag sei dann auf dem Postweg am 3. November 2020 rausgegangen. Der Antrag müsse dann auch bei der Beklagten eingegangen sein, jedenfalls habe es keinen Rücklauf an den Kläger gegeben. Die Beklagte habe eine Vielzahl von derartigen Anträgen zu verzeichnen und diese würden offenbar automatisiert eingescannt. Der Antrag des Klägers sei mutmaßlich zu einem anderen Aktenvorgang gelangt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ bestanden habe (siehe § 5 IfSG), sodass es der Beklagten jedenfalls unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben als rechtsmissbräuchlich verwehrt sei, sich gleichwohl auf den Fristablauf zu berufen. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen regelmäßig Kurzarbeitergeld gewährt werde, bestehe für die Verwaltung an der Einhaltung der Ausschlussfrist nur ein geringes Interesse, während auf Seiten des Klägers ganz erhebliche langfristig wirkende Interessen auf dem Spiel stehen würden (Radüge in Hauck/ Noftz, SGB III, Kommentar, § 325 Rn. 15). Dies müsse umso mehr gelten, als es sich für die Beklagte bei lebensnaher Betrachtungsweise geradezu habe aufdrängen müssen, dass der Kläger auch für Oktober 2020 einen Antrag auf Kurzarbeitergeld stellen würde. Dies habe für die Beklagte jedenfalls spätestens dann zwingend klar sein müssen, als bei ihr der Antrag für November 2020 eingegangen sei, was ausweislich der Leistungsakte am 8. Dezember 2020 der Fall gewesen sei. Wie sich aus der Leistungsakte ergebe, sei der Antrag für November 2020 bereits mit Schreiben vom 10. Dezember 2020 beschieden worden. Es erschließe sich nicht, warum hier kein Hinweis der Beklagten an den Kläger erfolgt sei.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den Bescheid vom 2. März 2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Kurzarbeitergeld für den Monat Oktober 2020 in gesetzlichem Umfang zu erstatten.

Dem ist die Beklagte entgegengetreten und hat ausgeführt, dass der Eingang eines Antrages für den Monat Oktober 2020 erstmals am 2. März 2021 zu verzeichnen gewesen sei. Insoweit sei die Ablehnung des Antrages nicht zu beanstanden. Hierzu werde auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Eventuelle Probleme bei der Postzustellung gingen zu Lasten des Antragstellers, da diese nicht im Einflussbereich der Beklagten lägen. Soweit vorgetragen werde, es erschließe sich nicht, warum seitens der Beklagten keine Hinweise zur Antragstellung für Oktober 2020 erfolgt seien, sei anzumerken, dass dem Kläger die Ausschlussfrist durch Hinweise der Beklagten habe bekannt gewesen sein müssen. Der Beklagten könne auch nicht vorgehalten werden, sie hätte an die Antragstellung für Oktober 2020 erinnern müssen. Der Beklagten sei nicht bekannt gewesen, ob in diesem Monat Kurzarbeit bei dem Kläger durchgeführt worden sei. Sie sei auch nicht verpflichtet, nachzufragen, ob der Kläger für diesen Monat Kurzarbeitergeld habe beantragen wollen. Die Beklagte könne einen solchen monatlichen Hinweis an Arbeitgeber, die Kurzarbeitergeld beantragen würden, aufgrund der Vielzahl der Anträge auch nicht leisten. Vielmehr wäre es an dem Kläger gewesen, sich nach Erhalt der Bewilligung des Kurzarbeitergeldes für November 2020 nach dem Verbleib einer Entscheidung für den Monat Oktober 2020 zu erkundigen. Auch wenn die Beklagte durchaus die wirtschaftlichen Folgen für den Kläger einzuschätzen wisse, sehe sie keine Möglichkeit, dem Klagebegehren entsprechen zu können. Eine Möglichkeit, die Frist zur Einreichung eines Antrages zu verlängern, stehe nicht im Ermessen der Beklagten. Der Unmut des Klägers über die stringente Anwendung der Ausschlussfrist sei zwar nachvollziehbar, jedoch habe der Gesetzgeber bei allen Regelungen, die er im Zusammenhang mit Kurzarbeitergeld in der Zeit der Pandemie getroffen habe, keine Sonderregelung zu den Ausschlussfristen vorgesehen. Diese seien in der vorgegebenen Form anzuwenden.

Mit Urteil vom 12. August 2021 hat das Sozialgericht Kassel die Klage abgewiesen.

Die form- und fristgerecht beim zuständigen Sozialgericht Kassel eingegangene Klage sei zulässig, jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 2. März 2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2021 halte einer gerichtlichen Überprüfung stand. Er sei sachlich und rechtlich nicht zu beanstanden und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld für den Kalendermonat Oktober 2020 lägen nicht vor.

Die Bewilligung von Kurzarbeitergeld erfolge durch ein zweistufig gestaltetes Verwaltungsverfahren. Nach der Arbeitsausfallanzeige bei der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Betrieb seinen Sitz habe (so genanntes Anzeigeverfahren gemäß § 99 SGB III), prüfe die örtlich zuständige Agentur für Arbeit anhand der Glaubhaftmachung durch den Arbeitgeber, ob ein erheblicher Arbeitsausfall bestehe und die betrieblichen Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld erfüllt seien (§ 99 Abs. 1 S. 4 SGB III). Das Anzeigeverfahren werde dann mit dem Erlass eines Anerkennungsbescheides nach § 99 Abs. 3 SGB III abgeschlossen. Darauf folge das Antragsverfahren für die konkrete Bewilligung und Zahlung von Kurzarbeitergeld.

Dem Kläger stehe für Oktober 2020 kein Kurzarbeitergeld-Anspruch zu. Gemäß § 325 Abs. 3 SGB III sei Kurzarbeitergeld für den jeweiligen Kalendermonat innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Kalendermonaten zu beantragen. Dabei beginne die Frist mit Ablauf des Monats, in dem die Tage liegen, für die die Leistungen beantragt werden. Der Antrag werde als Willenserklärung erst in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er der Arbeitsagentur zugehe (§ 130 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-, vgl. hierzu Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. August 2019, L 7 AL 124/18, Rn. 15). Ein Antragsteller trage somit ohne Rücksicht auf ein etwaiges Verschulden das volle Übermittlungsrisiko der Postbeförderung (BSG, Urteil vom 21. Februar 1993, 7 RAr 74/89, SozRecht 3-4900 § 81 Nr. 1, juris, Rn. 30). Wegen des Charakters als Ausschlussfrist komme bei Fristversäumnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht (BSG, Urteil vom 5. Februar 2004, B 11 AL 47/03 R, SozRecht 4-4300 § 325 Nr. 1). Der Kläger habe die Frist gemäß § 325 Abs. 3 SGB III hinsichtlich des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld für Oktober 2020 nicht eingehalten. Diese ende mit Ablauf des dritten Monats nach Ablauf des Anspruchszeitraums, also für Oktober 2020 bereits am 31. Januar 2021. Der Antrag des Klägers für den Abrechnungsmonat Oktober 2020 sei eindeutig verspätet am 2. März 2021 bei der Beklagten eingegangen und das Gericht könne auch keinen früheren Zugang feststellen. Wegen Tragung des vollen Übermittlungsrisikos auf Seiten eines Antragstellers, komme es auf eine (auch nachweisliche) Aufgabe des Antrags und ggf. weiterer Unterlagen zur Post nicht an. Insoweit folge die erkennende Kammer den Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 4. März 2021, mache sich diese zu eigen und sehe insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ab.

Richtig sei der Hinweis des Prozessbevollmächtigten, in der Kommentierung werde die Auffassung vertreten, dass im Einzelfall die Berufung auf den Fristablauf durch die Beklagte rechtsmissbräuchlich sein könne, wenn z.B. die Einhaltung der Ausschlussfrist für die Verwaltung von geringerer Bedeutung sei und ganz erhebliche langfristig wirkende Interessen des Antragstellers auf dem Spiel stünden (vgl. hierzu die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers genannte Kommentierung von Radüge in: Hauck/ Noftz, SGB III, Kommentar, § 325 Rn. 15). Indes könne die erkennende Kammer derartige besondere Umstände, auch nicht unter Berücksichtigung der pandemiebedingten Situation in 2020, erkennen. Zwar habe der Kläger unbestritten für die Monate vor Oktober 2020 und die Monate danach die erforderliche Arbeitsausfallanzeige und den nachfolgenden Antrag jeweils innerhalb der dafür vorgesehenen Ausschlussfristen bei der Beklagten eingereicht, so dass es allein für den Monat Oktober 2020 an einer rechtzeitigen Antragstellung fehle. Dem Ansinnen des Prozessbevollmächtigten des Klägers in diesem Zusammenhang, die Beklagte habe nach Abwicklung des Kurzarbeitergeldes für November 2020 (bereits im Dezember 2020) dem Kläger einen Hinweis geben müssen, dass die Antragstellung für Oktober 2020 fehle, könne seitens des Gerichts nicht beigepflichtet werden. Angesichts des zahlenmäßigen Umfangs von Kurzarbeitergeld-Leistungsfällen, gerade in den Pandemiezeiten in 2020, lasse sich eine solche Hinweispflicht der Beklagten im Allgemeinen und auch nicht im Fall des Klägers erkennen. Gerade weil der Antrag des Klägers für November 2020 zeitnah Anfang Dezember 2020 von der Beklagten mit Bewilligung von Kurzarbeitergeld für November 2020 entschieden worden sei, wäre eine Nachfrage des Klägers nach dem Verbleib des Kurzarbeitergeldes für Oktober 2020 möglich und erforderlich gewesen. Während des restlichen Monats Dezember 2020 und des Monats Januar 2021 hätte der Kläger noch ausreichend Zeit gehabt, eine Antragstellung für Oktober 2020 innerhalb der Ausschlussfrist vorzunehmen. Gerade in der Konstellation des Klägers mit Beantragung und Bewilligung von Kurzarbeitergeld für fortlaufende Monate sei es indes allein seine Obliegenheit gewesen, das Antragsverfahren und die Auszahlung von Kurzarbeitergeld gerade auch für den Monat Oktober 2020 zu überwachen. Soweit es zu einer Delegation der Aufgaben auf den Sohn des Klägers bzw. weitere Mitarbeiter im Betrieb des Klägers gekommen sei, seien deren eventuelle Versäumnisse dem Kläger zuzurechnen.

Auch unter Berücksichtigung der gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie und der besonderen Betroffenheit des Hotel- und Gaststättenbereichs durch coronabedingte Einschränkungen bis zu Betriebsschließungen habe der Gesetzgeber trotz Ausweitung und Erleichterungen bei Unterstützungsleistungen an Betroffene an den bestehenden Ausschlussfristen im Bereich des Kurzarbeitergeldes nichts geändert. Soweit sich dann, wie im Falle des Klägers oben dargelegt, Ansatzpunkte für eine Rechtsmissbräuchlichkeit beim Berufen auf den Fristablauf nicht feststellen ließen, führe die gerichtliche Überprüfung zu keiner anderen als der von der Beklagten getroffenen Entscheidung.

Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18. August 2021 zugestellt worden. Mit der am 14. September 2021 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangenen Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Der Argumentation des Sozialgerichts und der Beklagten könne nicht gefolgt werden. Sehr wohl sei vorliegend die Berufung auf den Fristablauf rechtsmissbräuchlich. Man befinde sich in einer weltweiten Pandemie mit erheblichen Auswirkungen auf das gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Leben, so dass hier das Vorliegen besonderer Umstände gerade nicht verneint werden könne. Daran ändere auch nichts die Tatsache, dass der Gesetzgeber die Bestimmung über die Ausschlussfrist nicht geändert habe; denn es gehe im vorliegenden Fall um die Anwendung des alle Rechtsgebiete beherrschenden Gedankens von Treu und Glauben. Diese bedürfe keiner „neuen“ Kodifizierung, sondern einer auf die jeweilige (besondere) Lage bezogenen Interpretation, wobei der Sinn und Zweck der Ausschlussfrist des § 325 SGB III zu berücksichtigen sei. Zudem hätten die Corona-Beschränkungen einzelne Branchen besonders hart getroffen, weshalb ein solches „Sonderopfer“ schon aus verfassungsrechtlichen Erwägungen auch einen besonderen Ausgleich des Staates, etwa durch die „Nachsichtgewährung“ erfordere, um verhältnismäßig zu bleiben. Es sei völlig unverständlich, weshalb ausgerechnet im Bereich des Kurzarbeitergeldes in absoluter „Förmelei“ am Gesetzeswortlaut festgehalten werden solle, obwohl in anderen Bereichen, z.B. bei der persönlichen Arbeitslosmeldung, eine Regelung aus praktisch nachvollziehbaren Gründen der Pandemielage angepasst werde. 

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 12. August 2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. März 2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Kurzarbeitergeld für den Monat Oktober 2020 in gesetzlichem Umfang zu erstatten.  

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. § 27 Abs. 5 SGB X normiere, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zulässig sei, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergebe, dass diese ausgeschlossen sei. Die gesetzliche Regelung des § 325 Abs. 3 SGB III sehe entgegen anderen gesetzlichen Fristenregelungen, wie z.B. in § 324 SGB III, keine Ausnahme vor. Auch der Wortlaut des Gesetzes spreche ausdrücklich von einer „Ausschlussfrist“, folglich einer Frist, die zum Leistungsausschluss führen solle. Nach der erkennbaren Gesetzessystematik und dem klaren Wortlaut des Gesetzes sei eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand daher nicht gewollt. Auch handele es sich nicht um eine bloße fristgebundene Verfahrenshandlung, die der Kläger vorzunehmen habe, sondern, wie auch das Bundessozialgericht mehrfach in seinen Entscheidungen ausgeführt habe, um eine materielle Ausschlussfrist. Der Anwendungsbereich des § 27 Abs. 5 SGB X sei damit eröffnet. Folge man der Mindermeinung der Kommentarliteratur, die der Kläger genannt habe, so gelange man über eine Hintertür - entgegen dem ausdrücklich verankerten gesetzlichen Willen - doch wieder zu einer quasi „Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand“. Ein solches Vorgehen stelle eine Umgehung des gesetzlichen Willens dar. Es obliege der Fürsorgepflicht des Klägers als Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern, rechtzeitig diese Leistungen geltend zu machen. Entgegen den Ausführungen des Klägers sei auch dieser - da es um Leistungen für den Leistungsmonat Oktober 2020 gehe - nicht plötzlich in einer Ausnahmesituation gewesen, denn zuvor hätte der Kläger schließlich rechtzeitig Kurzarbeit angezeigt und beantragt, zumindest bis zum 30. September 2020. Auch habe, entgegen den Ausführungen des Klägers nicht durchgehend ein Lockdown bestanden. Viele Betriebe - gerade auch in der Branche des Klägers - hätten vielmehr Alternativangebote und -leistungen für sich geschaffen, um sich selbst zu helfen. Dies habe in manchen Betrieben sogar zu Umsatzsteigerungen und zu einem Aussetzen des Leistungsbezuges geführt. Entgegen dem Vortrag des Bevollmächtigten des Klägers könne sich dieser auch nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen, denn die Beklagte habe keinen Vertrauenstatbestand geschaffen. Wie dem ausdrücklichen Bewilligungsbescheid zur KUG-Anzeige vom 26. März 2020 entnommen werden könne, sei der Kläger ausdrücklich auf das Vorliegen der Ausschlussfrist und deren Rechtsfolgen hingewiesen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Der Senat konnte in Abwesenheit der Klägerseite entscheiden, da der Prozessbevollmächtigte in dem Ladungsschreiben des Vorsitzenden vom 30. Mai 2022, auf welches in der Umladung vom 11. Juli 2022 ausdrücklich Bezug genommen wurde, auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde. 

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegt sowie auch im Übrigen zulässig.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben der Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Kassel vom 12. August 2021 die Aufhebung des Ablehnungsbescheides der Beklagten vom 2. März 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2021 und Verurteilung der Beklagten, dem Kläger Kurzarbeitergeld für den Monat Oktober 2020 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Dieses prozessuale Ziel verfolgt der Kläger zulässigerweise im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und Abs. 4 SGG).

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Kassel hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld für den Monat Oktober 2020, weil er die Leistung für diesen Monat nicht fristgemäß beantragt hat.

Gemäß § 325 Abs. 3 SGB III ist Kurzarbeitergeld für den jeweiligen Kalendermonat innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Kalendermonaten zu beantragen; die Frist beginnt mit Ablauf des Monats, in dem die Tage liegen, für die die Leistungen beantragt werden. Der Antrag wird als Willenserklärung erst in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er dem Empfänger, hier also der Beklagten zugeht (§ 130 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch). Der Antragsteller trägt somit ohne Rücksicht auf ein etwaiges Verschulden das volle Übermittlungsrisiko der Postbeförderung (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 21. Februar 1991 - 7 RAr 74/89 -, SozR 3-4100 § 81 Nr. 1, juris Rdnr. 30 mit Verweis auf die ständige Rechtsprechung des BSG). Wegen des Charakters als Ausschlussfrist kommt bei Fristversäumnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht (BSG, Urteil vom 5. Februar 2004 – B 11 AL 47/03 R -, SozR 4-4300 § 325 Nr. 1, juris Rdnr. 12).

Der Kläger hat die Frist gemäß § 325 Abs. 3 SGB III vorliegend nicht eingehalten. Diese endet mit Ablauf des dritten Monats nach Ablauf des Anspruchszeitraums, also für Oktober 2020 am 31. Januar 2021. Der Antrag des Klägers für den Abrechnungsmonat Oktober 2020 ist aber verspätet erst am 2. März 2021 bei der Beklagten eingegangen. Einen früheren Zugang kann der Senat nicht feststellen.

Es wäre nunmehr Aufgabe des Klägers gewesen, einen konkreten Vorgang darzulegen und zu beweisen, dass der Antrag fristgerecht bei der Beklagten eingegangen ist. Das ist ihm nicht gelungen. Insofern kann der Senat offenlassen, ob jede Lebenswahrscheinlichkeit dafürspreche, dass häufiger Fehler auftreten würden, wenn die Vielzahl der bei der Beklagten eingehenden Anträge automatisiert eingescannt würden bzw. ob die Vermutung des Klägers zutreffe, dass der Antrag mutmaßlich zu einem anderen Aktenvorgang gelangt sein müsse. Jedenfalls geben die allgemein gehaltenen Ausführungen des Klägers keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen oder rechtfertigen diese sogar eine Umkehr der Beweislast (so auch zu einer ähnlichen Argumentation LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. August 2019, L 7 AL 124/18, juris Rn. 18). 

Auch eine Vernehmung der Mitarbeiterin Frau F. und/oder des Sohnes des Klägers, Herrn H. B., über die Modalitäten, wann genau diese welchen Antrag abgesandt bzw. zur Post gegeben haben, ist nicht entscheidungserheblich. Bedenklich jedenfalls dürfte schon der Vortrag im Widerspruchsschreiben vom 3. März 2021 sein, wonach es angeblich Zeugen gebe, dass das Schreiben bereits im Oktober 2020 an die Beklagte gesandt worden sei, obwohl der Antrag nachweislich erst mit Datum vom 3. November 2020 unterschrieben ist. Dies kann jedoch dahinstehen, denn klärungsbedürftig ist lediglich, an welchem Tag der Antrag bei der Beklagten eingegangen ist. Der Erklärende kann sich nicht für den Zugang auf einen Anscheinsbeweis berufen, weil allein der Nachweis der Absendung hierfür nicht ausreicht (Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Januar 1978 - IX ZR 204/75 - juris Rdnr. 32; Oberlandesgericht München, Urteil vom 11. August 2003 - 29 W 1912/03 -, juris Rdnr. 20). Nach den allgemeinen Regeln zur objektiven Beweislast gilt der Grundsatz, dass jeder im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl. 2020, SGG § 103 Rn. 19a). Für einen Zugang des Antrags bei der Beklagten vor dem 1. Februar 2021 trägt mithin der Kläger die objektive Beweislast. Nach diesen Maßgaben hat der Kläger folglich nicht bewiesen, dass sein Antrag vor Ablauf der dreimonatigen Frist aus § 325 Abs. 3 SGB III bei der Beklagten eingegangen ist. Somit hat die Nichterweislichkeit eines Zugangs vor dem 1. Februar 2021 zur Folge, dass der geltend gemachte Anspruch auf Kurzarbeitergeld für den Monat Oktober 2020 nicht besteht.

Bei Versäumung der Ausschlussfrist ist auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Abs. 5 SGB X ausgeschlossen. Dies folgt aus dem verwendeten Begriff der Ausschlussfrist (vgl. Siefert, in: Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 27 Rdnr 45 mit Verweis auf BSG vom 5. Februar 2004 - B 11 AL 47/03 R - SozR 4-4300 § 325 Nr. 1). Auch die Zulassung einer verspäteten Antragstellung bei Versäumung der Frist aus nicht selbst zu vertretenden Gründen gem. § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III kommt nicht in Betracht. Diese Vorschrift bezieht sich ausschließlich auf die Beantragung von Insolvenzgeld (§ 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III). 

Im Einzelfall kann - wie von Klägerseite zwar zutreffend ausgeführt - die Berufung auf den Fristablauf durch die Beklagte rechtsmissbräuchlich sein, wenn zum Beispiel die Einhaltung der Ausschlussfrist für die Verwaltung von geringerer Bedeutung ist und ganz erhebliche langfristig wirkende Interessen des Antragstellers auf dem Spiel stehen (so Andrea Bindig, in: Hauck/Noftz, SGB III, Stand Dezember 2019, § 325 Rdnr. 15 unter Verweis auf BSG vom 21. Februar 1991 - 7 RAr 74/89 - SozR 3-4100 § 81 Nr. 1). Derartige Umstände liegen zur Überzeugung des Senats vorliegend jedoch nicht vor. Gegen eine wirtschaftliche Überforderung des Klägers als Folge der Nichtgewährung der beantragten Leistungen spricht alleine schon der Umstand, dass er das Kurzarbeitergeld für Oktober 2020, welches er pünktlich im jeweiligen Monat an die Arbeitnehmer vorab auszahlen musste, nicht spätestens Anfang Dezember 2020, als ihm schon das Kurzarbeitergeld für den Monat November 2020 ausgezahlt wurde, bei der Beklagten angemahnt bzw. wenigstens nachgefragt hatte. Hieran war der Kläger auch nicht durch die Corona-Pandemie, die ab Mitte März 2020 zu erheblichen Einschränkungen des öffentlichen Lebens und insbesondere auch der Gastronomie in Hessen geführt hat und auch als unabwendbares Ereignis im Sinne des § 96 Abs. 3 SGB III anzusehen war, gehindert. Weder hat die Corona-Pandemie selbst noch haben die im Zuge dessen seitens der Landesregierung in diesem Zusammenhang verfügten Einschränkungen des Gaststättenbetriebes den Kläger daran gehindert, den Antrag für Oktober 2020 der zuständigen Agentur für Arbeit bis spätestens zum 31. Januar 2021 zukommen zu lassen. Das zeigt bereits der Umstand, dass die Anträge für die Monate davor und auch die Monate danach rechtzeitig eingereicht wurden. Weitere Umstände, die nach den auch im öffentlichen Recht zu berücksichtigenden Grundsätzen von Treu und Glauben eine Nichtbeachtung der Versäumung der Ausschlussfrist bzw. wie von Klägerseite vorgetragen „eine Nachsichtgewährung“ rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich ein solches Erfordernis auch nicht aus einer etwaigen besonders starken Betroffenheit des Klägers von den in dieser Zeit bestehenden Corona-Beschränkungen („Sonderopfer“). Vielmehr waren von diesen Beschränkungen eine Vielzahl von Unternehmungen unterschiedlichster Branchen (so auch besonders die Veranstaltungsbranche, Fitnessstudios, Einzelhandel usw.) durchaus ähnlich stark, wenn nicht sogar noch stärker, betroffen. Dem ist der Gesetzgeber auch durch zahlreiche gesetzgeberische Maßnahmen mit erheblichem finanziellen Aufwand entgegengetreten (vgl. nur Sozialschutzpaket I + II). Ein darüberhinausgehender Ausgleich des Staates durch „Nachsichtgewährung“ bei der Versäumung einer Ausschlussfrist lässt sich somit – zumal es auch nur um einen relativ kurzen Zeitraum, nämlich einen Monat geht (so schon BSG, Urteil vom 21. Februar 1991 - 7 RAr 74/89, juris Rn. 36 unter Verweis auf die Rechtsprechung des BSG zur Nachsichtgewährung) - aus verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht ableiten. 

Der Kläger kann vorliegend auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als habe er den Leistungsantrag für Oktober 2020 bereits vor dem 1. Februar 2021 gestellt. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat u.a. zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 SGB I), verletzt hat und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zufügt. Das Bundessozialgericht hat dies für einen Fall angenommen, in dem es der ständigen Übung einer Arbeitsagentur entsprach, alle Unternehmen, die einen Arbeitsausfall angezeigt, aber noch keine Anträge gestellt hatten, auf den drohenden Fristablauf aufmerksam zu machen. Durch ein Abrücken von dieser Praxis ohne vorherige Ankündigung habe sich die Arbeitsagentur in Widerspruch zu ihrem früheren Verhalten gesetzt und sich somit pflichtwidrig verhalten (BSG vom 23. Juni 1976 - 12/7 RAr 80/74 - SozR 4100 § 72 Nr. 2).

So liegt der Fall hier jedoch nicht. Vielmehr hat die Beklagte in ihren Bescheiden (zuletzt mit Bescheid vom 21. September 2020) im Zusammenhang mit der Vorlage der Anträge immer ausdrücklich auf die Ausschlussfrist von 3 Monaten hingewiesen. Sie hat somit gerade nicht durch Verletzung einer ihr obliegenden Beratungs- oder Betreuungsplicht die Versäumung der Antragsfrist verursacht. Es ist zudem nicht ihre Aufgabe, nach einem Anerkennungsbescheid vor dem denkbaren Ablauf einer Antragsfrist Betriebe an rechtzeitige Anträge zu erinnern. Eine konkrete Hinweispflicht der Beklagten im vorliegenden Fall auf den fehlenden Antrag für den Monat Oktober 2020 bestand somit - wie schon das Sozialgericht völlig zutreffend ausgeführt hat - nicht. 

Der Kläger hat nach alledem keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld für den Monat Oktober 2020. Dies betrifft auch den Anspruch auf eine pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für diesen Monat. Dem Arbeitgeber werden für Arbeitsausfälle bis zum 31. Dezember 2020 die von ihm während des Bezugs von Kurzarbeitergeld nach § 95 SGB III allein zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung auf Antrag von der Agentur für Arbeit in pauschalierter Form erstattet (§ 109 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 SGB III i.V.m. § 2 Abs. 1 KugV in der Fassung vom 25. März 2020). Hierbei handelt es sich um eine Annexleistung zum Kurzarbeitergeld. Nach dem klaren Wortlaut der Regelung setzt sie dessen „Bezug“ voraus. Besteht kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld, scheidet daher auch die Erstattung von Beiträgen zur Sozialversicherung aus. 

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG; § 197a SGG gelangt nicht zur Anwendung. Soweit der Kläger für seine Arbeitnehmer Ansprüche auf Kurzarbeitergeld geltend macht, gehört er zu dem durch § 183 SGG privilegierten Personenkreis, für den Gerichtskostenfreiheit besteht, weil er im Wege der Verfahrens- und Prozessstandschaft Leistungen geltend macht, die als Leistungen der aktiven Arbeitsförderung materiell den Arbeitnehmern als Leistungsempfängern zustehen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juli 2009 – B 7 AL 3/08 R - juris Rdnr 22).

Gesetzliche Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
 

Rechtskraft
Aus
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