Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 3. August 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Februar 2020 - 31. Januar 2021.
Der im Jahr 1970 geborene Kläger bezog erstmals ab dem 7. Dezember 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II. Nach dem Besuch einer Technischen Fachschule vom 1. November 2011 – 31. Juli 2013 und dem Bezug von Aufstiegsfortbildungsbeihilfe und Wohngeld, bezog er ab dem 1. August 2013 erneut Leistungen nach dem SGB II. Der Kläger bewohnt eine 55 m² große 1 - Zimmerwohnung unter der im Rubrum bezeichneten Anschrift, deren Kosten, zuletzt ab dem 1. Juli 2017 ein Kaltmietzins von 449,- €, einschließlich der Nebenkosten (Vorauszahlung auf Betriebskosten: 40,- € und Vorauszahlung auf Heizung und Warmwasser: 85,- €) vom Beklagten vollumfänglich i.H.v. 574,- € monatlich als Bedarf für Unterkunft und Heizung anerkannt und getragen worden sind. Der Kläger hat eine im Juni 2003 geborene Tochter, die bei der vom Kläger getrennt lebenden Mutter lebt. Während der regelmäßigen Besuche beim Kläger bewilligte der Beklagte nach den Grundsätzen einer temporären Bedarfsgemeinschaft für die Tochter gleichfalls Leistungen nach dem SGB II. Die Leistungsgewährung (und deren Rahmenbedingungen) war Gegenstand einer Vielzahl von Widerspruchs- und Gerichtsverfahren.
Mit Bescheid vom 7. Januar 2020 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Februar 2020 - 31. Januar 2021 i.H.v. 1.006,- € monatlich. Der Beklagte berücksichtigte hierbei den Regelbedarf des Klägers von 432,- € monatlich sowie Kosten für Unterkunft und Heizung i.H. der tatsächlichen Aufwendungen von 574,- € monatlich.
Hiergegen erhob der Kläger am 13. Januar 2020 Widerspruch. Die klägerischen Ausführungen zu dessen Begründung haben mit Ausnahme von Ausführungen zu einer Fahrkostenerstattung, keinen Bezug zur konkreten Leistungsbewilligung erkennen lassen. Der Kläger hat ferner - soweit verständlich - eine fehlende Nachvollziehbarkeit, die es ihm erschwere, Mehrbedarfe zu erkennen und zu beantragen sowie das Fehlen einer Unterschrift bemängelt.
Mit Änderungsbescheid vom 12. Februar 2020 änderte der Beklagte die Bewilligung für Februar 2020 ab und bewilligte dem Kläger einen Betrag von insg. 1.027,87 €. Er berücksichtigte hierbei auch den Bedarf der Tochter des Klägers während der Zeit vom 31. Januar – 2. Februar 2020, in der sie sich beim Kläger aufgehalten hat, mit einem Bedarf von insg. 41,02 € (anteiliger Regelbedarf von 76,53 € sowie anteiliger Anteil an den Mietkosten unter gleichzeitiger Reduzierung des auf den Kläger entfallenden Anteils).
Mit Änderungsbescheid vom 13. Mai 2020 bewilligte der Beklagte dem Kläger sodann Leistungen für April 2020 i.H.v. insg. 1.126,27 €, wobei ein Betrag von 225,52 € auf Leistungen für die Tochter des Klägers betr. deren Aufenthalt beim Kläger vom 8. - 18. April 2020 entfiel (anteilige Regelleistung von 120,27 € sowie anteiliger Anteil an den Mietkosten unter gleichzeitiger Reduzierung des auf den Kläger entfallenden Anteils).
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2020 (W 574/2000) wies der Beklagte den Widerspruch sodann zurück. Sie führte zur Begründung aus, Fehler betr. die konkrete Leistungsbewilligung seien weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Die allgemeinen Ausführungen des Klägers seien im Hinblick auf die konkrete Leistungsbewilligung unergiebig.
Hiergegen hat der Kläger am 27. Mai 2020 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und umfangreich zu aus seiner Sicht bestehenden Intransparenz, fehlenden Nachvollziehbarkeit und Ungerechtigkeiten im Sozialsystem vorgetragen. Konkrete Ausführungen zur Leistungsbewilligung in der Zeit vom 1. Februar 2020 – 31. Januar 2021 hat der Kläger, trotz einer Aufforderung des SG, die begehrten Leistungen zu benennen und zu beziffern, nicht getätigt. Der Kläger hat erklärt, es sei umfänglich auf alle Schikanen und Nachteile abzustellen. Die angefochtene Entscheidung seien, so der Kläger, nicht ausreichend begründet und wiesen keine Unterschrift auf.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat hierzu auf den Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2020 verwiesen und moniert, dass der Kläger bereits nicht vorgetragen habe, was an dem angefochtenen Bescheid aus seiner Sicht rechtswidrig sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 3. August 2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, es gehe davon aus, dass sich das Begehren des Klägers auf die Gewährung höherer Leistungen für die Zeit vom 1. Februar 2020 – 31. Januar 2021 richte. Ein anderes potentiell zulässiges Klageziel sei im Hinblick auf die Regelungen im angefochtenen Bewilligungsbescheid nicht erkennbar. I.d.S. sei die Klage jedoch unbegründet. Der Kläger habe als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger i.S.d. § 7 SGB II auch im Zeitraum vom 1. Februar 2020 - 31. Januar 2021 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beanspruchen können, die Leistungen umfassten nach § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Die Leistungen würden in Höhe des jeweiligen Bedarfes erbracht, soweit dieser nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gedeckt ist (§ 19 Abs. 3 Satz 1 SGB II). Da dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum der volle Regelsatz und Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.d. tatsächlichen Aufwendungen gewährt worden sei, sei in Ermangelung eines konkreten Vortrages nicht ersichtlich, dass fehlerhaft zu niedrige Leistungen bewilligt worden seien. Einen Sachverhalt, der die Berücksichtigung eines konkreten Mehrbedarfs bedingen könnte, habe der Kläger nicht vorgetragen. Ein solcher sei für den streitgegenständlichen Zeitraum auch aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich.
Gegen den ihm am 5. August 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 6. August 2020 beim SG Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zu deren Begründung bringt er - soweit verständlich - vor, dem Verfahren fehle bis dato jegliche Nachvollziehbarkeit und Transparenz. Widersprüche in der behördlichen Doppelmoral seien von ihm bemängelt worden. Im Übrigen hat der Kläger umfangreich zu aus seiner Sicht bestehenden Ungerechtigkeiten betr. den Inhalt und die Struktur der Sozialgesetzgebung Stellung genommen. In der mündlichen Verhandlung vom 5. April 2022 hat er mitgeteilt, es gehe ihm im vorliegenden Verfahren um die Gewährung von Fahrtkosten.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 3. August 2020 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Januar 2020 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2020 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Mai 2020 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 1. Februar 2020 - 31. Januar 2021 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für Fahrtkosten zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Gerichtsbescheid des SG sei, so der Beklagte, weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht zu beanstanden. Die Ausführungen des Klägers ließen nicht erkennen, was überhaupt das Klagebegehren sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten geführte Leistungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 5. April 2022 geworden sind, sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5. April 2022 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, führt jedoch für den Kläger inhaltlich nicht zum Erfolg.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Vom Kläger ausdrücklich angefochten und damit streitgegenständlich ist der Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2020 (W 574/2020). Mit diesem ist ein Widerspruch des Klägers gegen den Bewilligungsbescheid vom 7. Januar 2020, mit dem über die Leistungsansprüche des Klägers in der Zeit vom 1. Februar 2020 – 31. Januar 2021 entschieden worden ist, zurückgewiesen worden. Der Bescheid vom 12. Februar 2020, mit dem die Leistungsgewährung für Februar 2020 abgeändert worden ist, ist nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Der (weitere) Änderungsbescheid vom 13. Mai 2020 ist nach § 96 analog SGG Gegenstand des Klageverfahrens vor dem SG geworden.
Mithin ist die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II im Zeitraum vom 1. Februar 2020 – 31. Januar 2021 gegenständlich. Obschon sich dem Vortrag des Klägers kein inhaltlicher Bezug zu den streitgegenständlichen Bescheiden entnehmen lässt, ist das Begehren des Klägers i.S.d. Meistbegünstigungsgrundsatzes dahingehend auszulegen, dass der Kläger höhere Leistungen nach dem SGB II begehrt.
Der erwerbsfähige Kläger, der in Ermangelung anderer finanzieller Einkünfte nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, ist als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II berechtigt, Leistungen nach dem SGB II, nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II Arbeitslosengeld II, zu erhalten. Die Leistungen umfassen nach § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Der Leistungsgewährung für den Zeitraum vom 1. Februar 2020 – 31. Januar 2021 lag der Regelbedarf von 432,- € monatlich (vgl. § 20 SGB II) sowie Kosten für Unterkunft und Heizung i.H. der tatsächlichen Aufwendungen (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) von 574,- € monatlich zu Grunde.
Einen Mehrbedarf hat der Beklagte nicht berücksichtigt. Auch dem Senat ist trotz des umfangreichen Vortrages nicht ersichtlich, dass der Kläger einen mehrbedarfsbegründenden Tatbestand erfüllt.
Daneben hat der Beklagte für die Zeiten, in denen sich die Tochter des Klägers bei diesem aufgehalten hat, mit Änderungsbescheiden vom 12. Februar 2020 und vom 13. Mai 2020 die Tochter als Teil der Bedarfsgemeinschaft eingestellt und (anteilig für die Zeit der Anwesenheit) nach den Grundsätzen der temporären Bedarfsgemeinschaft Leistungen berücksichtigt. Dass die Höhe der bewilligten Leistungen fehlerhaft berechnet worden ist, ist dem Senat nicht ersichtlich.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 5. April 2022 vorgetragen hat, es gehe ihm um (die Erstattung von) Fahrtkosten, ist der Vortrag zu unsubstaniiert, um einen (weitergehenden) Leistungsanspruch begründen zu können. So hat er bereits nicht vorgetragen, für welche Fahrten ihm welche Kosten in welcher Höhe entstanden sind. Auch hat er keinerlei Belege beigebracht, weswegen eine Berücksichtigung nicht möglich ist.
Mithin ist nicht ersichtlich, dass die Höhe der bewilligten Leistungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2020 – 31. Januar 2021 vom Beklagten fehlerhaft berechnet worden ist. Ein höherer Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1. Februar 2020 – 31. Januar 2021 besteht hiernach nicht.
Das weitere Vorbringen des Klägers, dass sich trotz des Umfangs nicht ansatzweise an der konkreten Leistungsgewährung orientiert, bedingt keine abweichende Beurteilung. Soweit das Vorbringen dem Verständnis des Senats zugänglich ist, ist insb. die fehlende Unterschrift auf den streitgegenständlichen Bescheiden unbeachtlich. Zwar sieht § 33 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) die Notwendigkeit einer Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters vor, dies war vorliegend aber nach § 33 Abs. 5 Satz 1 SGB X im Hinblick auf den Erlass mittels automatischer Einrichtungen entbehrlich bzw. es bestand jedenfalls kein Zweifel daran, dass die Entscheidung ohne Unterschrift als endgültige gewollt gewesen war (vgl dazu Bayerisches LSG, Urteil vom 18. September 2014 - L 11 AS 734/13 -, in juris).
Auch ist der Bescheid vom 7. Januar 2020 hinreichend bestimmt i.S.d. § 33 Abs. 1 SGB X. Nach § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit bezieht sich auf den Verfügungssatz der Entscheidung, nicht auf die Form oder die Begründung des Verwaltungsaktes. Der Verwaltungsakt ist hinreichend bestimmt, wenn die von ihm getroffene Regelung, die verfügte Rechtsfolge, vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist. Dies ist vorliegend ohne Weiteres anzunehmen, da der Bescheid vom 7. Januar 2020 hinreichend deutlich den Leistungsempfänger, die -höhe und den -Zeitraum unmissverständlich regelt.
Der Bescheid vom 7. Januar 2020 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2020 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Mai 2020 ist mithin rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Berufung des Klägers gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid des SG vom 3. August 2020 ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AS 1380/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 2544/20
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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