1. Da der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 4 SGB V nur im Umfang des Leistungsrechts der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung besteht, setzt er voraus, dass im EU-Ausland durchgeführte Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in jeder Hinsicht den Anforderungen des deutschen Embryonenschutzgesetzes entsprechen.
2. Für den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ist neben § 13 Abs. 4 SGB V - anders als neben § 13 Abs. 3 SGB V - grundsätzlich Platz.
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- Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 31. August 2016 wird zurückgewiesen.
- Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung im EU-Ausland (Tschechien).
Der 1975 geborene Kläger war ebenso wie seine 1975 geborene Ehefrau bei der Beklagten krankenversichert. Mit E-Mail vom 28.08.2013 teilte er der Beklagten mit, eine künstliche Befruchtung in Tschechien durchführen lassen zu wollen, und fragte an, ob die Kosten auch in diesem Fall übernommen würden. Die Beklagte antwortete am 06.09.2013, dass Maßnahmen der künstlichen Befruchtung auch bei qualifizierten Leistungserbringern im EU-Ausland in Anspruch genommen werden könnten. Voraussetzung sei, dass die in Deutschland geltenden Rechtsvorschriften (z.B. das Embryonenschutzgesetz [ESchG] bzw. – hinsichtlich der Indikationsstellung für die einzelnen Verfahren – die Richtlinien über künstliche Befruchtung des Gemeinsamen Bundesausschusses sowie das Präimplantationsgesetz) auch im EU-Ausland beachtet würden. Über die Einhaltung dieser Rechtsvorschriften benötige sie – die Beklagte – eine schriftliche Bestätigung des ausländischen Leistungserbringers. Diese Bestätigung sowie der entsprechende Behandlungsplan seien vor Durchführung der Behandlung vorzulegen.
Unter dem 12.11.2013 übersandte der Kläger der Beklagten den von der Klinik Z... Nord s.r.o., Y..., ausgefüllten Behandlungsplan vom 31.10.2013 sowie Rechnungen für bereits erbrachte Leistungen. Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger mit E-Mail vom 20.11.2013 mit, dass die Klinik in Tschechien die Einhaltung der Richtlinien in Deutschland nicht bestätige; zugleich fragte er an, ob wenigstens ein Teil der Kosten erstattet werden könnte, weil in Deutschland doch alles bezahlt würde.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 27.11.2013 die Erstattung der Kosten für die künstliche Befruchtung in Tschechien ab, weil die Klinik in Tschechien nicht bereit sei, die Einhaltung der in Deutschland für die künstliche Befruchtung geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere des ESchG, zu bestätigen. Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch vom 10.12.2013 machte der Kläger geltend, er und seine Ehefrau hätten sich bezüglich des Leistungsspektrums einer künstlichen Befruchtung oft und sehr ausführlich von Mitarbeitern der Beklagten beraten lassen; ihnen sei mehrmals telefonisch zugesichert worden, dass eine Kostenübernahme kein Problem sei, solange alle EU-Richtlinien eingehalten würden, was der Fall sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2014 zurück, weil die tschechische Klinik nicht bereit sei, die Einhaltung der für die künstliche Befruchtung in Deutschland geltenden Rechtsvorschriften zu bestätigen, was aber Voraussetzung für die Kostenerstattung sei.
Hiergegen hat der Kläger am 16.04.2014 beim Sozialgericht (SG) Dresden Klage erhoben. Nach der (Patientenrechte-)Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlamentes und Rates vom 09.03.2011 müsse die Zustimmung der Krankenkassen zur Behandlung im europäischen Ausland nur noch in bestimmten Fällen eingeholt werden, zu denen der vorliegende nicht zähle. Die künstliche Befruchtung sei nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst und unter Beachtung des Europarechts durchgeführt worden und daher erstattungsfähig. Aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach ein Sachleistungsanspruch für Leistungen im EU-Ausland nicht weiter reichen könne, als im Inland, folge nicht zwingend, dass bei einer Behandlung im Ausland die in Deutschland für die künstliche Befruchtung maßgeblichen Rechtsvorschriften gelten sollten.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 31.08.2016 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten. Die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) seien schon deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger keinen Primäranspruch auf die entsprechende Naturalleistung in Deutschland habe. Zwar beinhalteten die Leistungen der Krankenversicherung gemäß § 27a Abs. 1 SGB V unter den dort genannten Voraussetzungen auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. Umfasst seien jedoch nur von der deutschen Rechtsordnung erlaubte Maßnahmen. Vorliegend sei davon auszugehen, dass die in Tschechien durchgeführte Maßnahme nicht der deutschen Rechtsordnung entsprochen habe. Dies folge daraus, dass die tschechische Klinik die Bestätigung verweigert habe, die in Deutschland maßgeblichen Rechtsvorschriften, insbesondere das ESchG, einzuhalten. Das ESchG, das die Anwendung von bestimmten Fortpflanzungstechniken unter Strafe stelle, erfasse auch das Kostenträgerrecht. Eine von der Rechtsordnung verbotene Behandlung könne nicht Teil des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung sein. Auch das europäische Gemeinschaftsrecht umsetzende Regelungen des SGB V sähen keine weitergehenden Leistungsansprüche vor, die von der Erfüllung der Voraussetzungen des ESchG und des § 27a SGB V entbänden. Allen diesen Regelungen des SGB V sei gemein, dass sie die Übernahme von Kosten für Leistungen im EU-Ausland auf dasjenige begrenzten, was von den in Betracht kommenden inländischen Leistungsträgern nach den für sie geltenden Regelungen verlangt werden könnte. Nichts anderes folge aus der Rechtsprechung, wonach das Fehlen einer nach Art. 20 Verordnung (EG) 883/2004 erforderlichen Genehmigung in besonderen Fällen einem Erstattungsanspruch nicht entgegenstehe. Auch Art. 7 Abs. 1 Patientenrechterichtlinie begrenze den sekundärrechtlich begründeten Leistungsanspruch für nach dem SGB V Versicherte auf die im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthaltenen Leistungen. Gleiches gelte für 13 Abs. 4 SGB V. Die Erstattung der Kosten einer im EU-Ausland durchgeführten Behandlung, die nicht dem ESchG entspreche, sei daher ausgeschlossen. Dies betreffe alle Maßnahmen, die mit der Behandlung im Zusammenhang stünden, wie die Kosten für Blutuntersuchungen und Arzneimittel. Einen Anspruch auf Erstattung der Kosten folge auch nicht aus den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Ein Beratungsverschulden der Beklagten sei nicht erkennbar; diese habe den Kläger vor der Behandlung darauf hingewiesen, dass Voraussetzung für die Kostenerstattung die Bestätigung der Klinik sei, dass die in Deutschland geltenden Rechtsvorschriften eingehalten würden. Es könne offen bleiben, ob die Erstattung auch noch aus anderen Gründen (Beginn der Behandlung vor Antragstellung bzw. ohne Genehmigung) ausgeschlossen sei und ob nicht ein Teil der Ansprüche durch die Ehefrau selber hätte geltend gemacht werden müssen.
Mit seiner hiergegen gerichteten, am 27.09.2016 eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Auffassung des SG sei rechtlich nicht haltbar. Die vom SG angeführte Entscheidung des BSG vom 18.11.2014 – B 1 KR 19/13 R – vermöge seinen – des Klägers – Anspruch nicht zu Fall zu bringen. Die Entscheidung habe einen ganz anderen Fall zum Hintergrund gehabt und könne auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden.
Der Kläger hat eine Bestätigung der Klinik Z... Nord s.r.o. vom 20.12.2021 vorgelegt, wonach die Behandlung IVF/ICSI laut gültiger Legislativität der Tschechischen Republik durchgeführt worden sei, die mit den EU-Richtlinien übereinstimme, und beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 31. August 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2014 zu verurteilen, die dem Kläger für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in Tschechien entstandenen Kosten
1. für den ersten Versuch in Höhe von 3.695,85 EUR und
2. für den zweiten Versuch in Höhe von 3.502,39 EUR
zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Hierauf und auf die in der Gerichtsakte enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten sowie den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet. Zu Recht hat das SG entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten hat, die für die Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in der Klinik Z... Nord s.r.o., Y..., entstanden sind.
Ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers ergibt sich weder aus § 13 Abs. 4 SGB V (dazu 1.) noch aus europäischem Gemeinschaftsrecht (dazu 2.), § 13 Abs. 3 SGB V (dazu 3.) oder dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (dazu 4.).
1. Die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs. 4 SGB V sind – wie das SG zu Recht erkannt hat – nicht erfüllt, weil die hier streitigen, in Tschechien durchgeführten Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nicht zu denjenigen gehören, die Versicherte nach § 27a SGB V als Naturalleistung beanspruchen können.
Versicherte sind nach § 13 Abs. 4 SGB V berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU), einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Wie sich aus der Formulierung "anstelle der Sach- oder Dienstleistung" in § 13 Abs. 4 Satz 1 SGB V ergibt, setzt die Vorschrift einen Anspruch auf die entsprechende Naturalleistung nach dem SGB V voraus (BSG, Urteil vom 26.05.2020 – B 1 KR 21/19 R – juris Rn. 11; Urteil vom 18.11.2014 – B 1 KR 19/13 R – juris Rn. 29; Urteil vom 30.06.2009 – B 1 KR 19/08 R – juris Rn. 10). Die Vorschrift entspricht unter diesem Aspekt den Bestimmungen über naturalleistungsersetzende Kostenerstattung wegen Systemversagens (§ 13 Abs. 3 SGB V) und entpflichtet nicht von der Beachtung des nationalen Leistungsrechts des SGB V im Übrigen (BSG, Urteil vom 26.05.2020 – B 1 KR 21/19 R – juris Rn. 11; Urteil vom 13.07.2004 – B 1 KR 33/02 R – juris Rn. 14). § 13 Abs. 4 SGB V bewirkt zwar, dass Versicherte bei der Leistungsnachfrage nicht territorial auf das Inland beschränkt sind, sondern Behandlungen auch im EU-Ausland in Anspruch nehmen können. § 13 Abs. 4 SGB V erweitert aber den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nicht und ermöglicht es daher Versicherten nicht, Behandlungen, die im Inland keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sind, im EU-Ausland auf Kosten ihrer Krankenkasse in Anspruch zu nehmen.
Da der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 4 SGB V nur in dem Umfang des Leistungsrechts der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung besteht, scheitert er hier daran, dass die in Tschechien durchgeführten Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nicht von den Leistungen nach § 27a SGB V umfasst sind.
Als Leistungen sind in § 27a Abs. 1 SGB V "medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft" bezeichnet, ohne dass diesem Begriff eine Definition beigegeben wird oder eine Konkretisierung (etwa durch eine Aufzählung) folgt. Der Leistungsanspruch nach § 27a SGB V umfasst allerdings nicht sämtliche denkbaren medizinischen Maßnahmen, die dem einzelnen Zeugungsakt entsprechen und unmittelbar der Befruchtung dienen (zu diesem Gesichtspunkt BSG, Urteil vom 25.05.2000 – B 8 KN 3/99 KR R – juris Rn. 19). Vielmehr beschränkt das Gesetz schon in § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V den Leistungsanspruch auf Maßnahmen der homologen Befruchtung und schließt damit Behandlungen im heterologen System unter Verwendung einer Samen-, Eizell- oder Embryonenspende eines Dritten aus (Brosius-Gersdorf in: Berchtold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, 2. Aufl., § 27a SGB V Rn. 23). Der Ausschluss heterologer Inseminationen verstößt – wie das BSG unlängst entschieden hat – selbst für gleichgeschlechtliche Ehepaare nicht gegen Verfassungsrecht, obwohl bei diesen Kinderwunschbehandlungen überhaupt nur im heterologen System möglich sind (BSG, Urteil vom 10.11.2021 – B 1 KR 7/21 R – juris Rn. 16 ff.). Der Leistungsanspruch nach § 27a SGB V ist darüber hinaus auf rechtlich zulässige Maßnahmen der künstlichen Befruchtung beschränkt; diese dürfen daher insbesondere nicht gegen das ESchG verstoßen (BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 1 KR 19/13 R – juris Rn. 11; Urteil vom 09.10.2001 – B 1 KR 33/00 R – juris Rn. 12; Knispel in: BeckOK SozR, § 27a SGB V Rn. 10; Wagner in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 27a SGB V Rn. 6; Lang in: Becker/Kingreen, SGB V, 7. Aufl., § 27a Rn. 20; Schmidt in: Peters, § 27a SGB V Rn. 48 ff.). Das ESchG verbietet
- die Eizellspende sowohl in Gestalt der Übertragung einer fremden unbefruchteten Eizelle (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG) als auch der Übertragung einer fremden befruchteten Eizelle (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG) auf eine Frau,
- die Embryoübertragung von einer Frau auf eine andere Frau (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 ESchG),
- den Transfer von mehr als drei Embryonen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG) sowie die Befruchtung von mehr als drei Eizellen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ESchG) jeweils innerhalb eines (Menstruations-)Zyklus,
- die Befruchtung von mehr Eizellen, als erfahrungsgemäß aufgrund der individuellen Parameter zur intrazyklischen Realisierung eines Transfers von höchstens drei Embryonen erforderlich sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG – dazu Müller-Terpitz, in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl., § 1 ESchG Rn. 18; Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.05.2017 – VI R 34/15 – juris Rn. 21 ff.),
- die Ersatzmutterschaft (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG),
- die Geschlechtswahl, es sei denn, sie dient der Bewahrung vor geschlechtsgebundenen Erbkrankheiten (§ 3 ESchG),
- die Präimplantationsdiagnostik, es sei denn, es besteht aufgrund der genetischen Disposition der biologischen Eltern das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit oder sie dient zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird (§ 3a Abs. 1 und 2 ESchG).
Dem Verbot von Eizellspende, Embryonenübertragung und Ersatzmutterschaft in § 1 Abs. Nr. 1, 2, 6 und 7 ESchG entspricht es, wenn § 27a Abs. 1 Nr. 4 SGB V verlangt, dass bei der künstlichen Befruchtung ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden.
Anders als der Kläger meint, hat das BSG in seinem Urteil vom 18.11.2014 – B 1 KR 19/13 R – nicht nur für eine ganz besondere Fallkonstellation Maßstäbe des ESchG auf das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung übertragen. Vielmehr hat das BSG in dieser zur Präimplantationsdiagnostik ergangenen Entscheidung an seiner Rechtsprechung festgehalten, wonach ganz grundsätzlich eine von der Rechtsordnung verbotene Behandlung nicht Teil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung sein kann und daher Behandlungen, die rechtlich nicht zulässig sind, von der Krankenkasse nicht gewährt oder bezahlt werden dürfen – und zwar selbst dann, wenn sie im Ausland durchgeführt werden, wo sie nicht verboten sind (BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 1 KR 19/13 R – juris Rn. 11 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 09.10.2001 – B 1 KR 33/00 R – juris Rn. 12).
Wie das SG geht auch der Senat davon aus, dass die hier in Tschechien durchgeführten Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nicht der deutschen Rechtsordnung entsprachen. Aufgrund der Eintragungen in der im Berufungsverfahren vorgelegten Geburtsurkunde, die zwei Tage nach der Geburt des Kindes ausgestellt wurde, kann zwar davon ausgegangen werden, dass bei den hier streitigen Maßnahmen § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG (Verbot der Ersatzmutterschaft) beachtet wurde. Die gilt aber nicht für die weiteren Anforderungen des ESchG. Die Klinik Z... Nord s.r.o. hat in einem Schreiben vom 20.12.2021 bestätigt, dass die Maßnahmen der künstlichen Befruchtung (In-vitro-Fertilisation, intrazytoplasmatische Spermainjektion) laut gültiger Legislativität der Tschechischen Republik durchgeführt worden seien, die mit europäischem Gemeinschaftsrecht übereinstimme. Dass die durchgeführten Maßnahmen auch den Anforderungen genügten, die das deutschen ESchG zusätzlich stellt, ist damit gerade nicht besagt. Auf den deshalb erfolgten Hinweis des Senats, in dem im Einzelnen dargelegt worden ist, welche reproduktionsmedizinischen Maßnahmen das ESchG verbietet, hat der Kläger geantwortet, weitere Nachweise nicht erbringen zu können. Dies lässt für den Senat nur den Schluss zu, dass die hier streitigen Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen des ESchG entsprochen haben.
Sind die in Tschechien durchgeführten Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nicht von § 27a SGB V umfasst, weil sie nicht den Anforderungen des ESchG genügten, kann der Kläger auch nicht nach § 13 Abs. 4 SGB V die Erstattung der dafür aufgewandten Kosten beanspruchen.
2. Ebenso wenig kann der Kläger aus dem europäischen Gemeinschaftsrecht einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die in Tschechien durchgeführten Maßnahmen der künstlichen Befruchtung herleiten. Weder aus Art. 7 Abs. 1 Patientenrechterichtlinie noch aus Art. 20 Verordnung (EG) 883/2004 ergibt sich ein Anspruch.
Die Patientenrechterichtlinie (Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlamentes und Rates vom 09.03.2011) kodifiziert die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu den Auswirkungen der Waren- und Dienstleistungsfreiheit auf die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung (EuGH, Urteil vom 28.04.1998 – C-120/95 – juris [Decker]; Urteil vom 28.04.1998 – C-158/96 – juris [Kohll]; Urteil vom 12.07.2001 – C-157/99 – juris [Smits/Peerbooms]; Urteil vom 13.05.2003 – C-385/99 – juris [Müller-Faure/van Riet]). Nach Art. 7 Patientenrechterichtlinie hat der Versicherungsmitgliedstaat grundsätzlich sicherzustellen, dass die Kosten erstattet werden, die einem Versicherten im Zusammenhang mit grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung entstanden sind (Abs. 1); wobei die Kostenerstattung nicht von einer Vorabgenehmigung abhängig gemacht werden darf (Abs. 8), aber voraussetzt, dass die betreffende Gesundheitsdienstleistung zu den Leistungen gehört, auf die der Versicherte im Versicherungsmitgliedstaat Anspruch hat (Abs. 1). Anders als der Kläger meint, hat die Beklagte mit der von ihr unter dem 06.09.2013 verlangten Bestätigung nicht die Kostenerstattung von einer Vorabgenehmigung abhängig gemacht, wie sie nach Art. 7 Abs. 8 Patientenrechterichtlinie nur ausnahmsweise verlangt werden darf. Vielmehr dient die Bestätigung nur dem Nachweis, dass – was Art. 7 Abs. 1 Patientenrechterichtlinie zulässt – die Leistung, deren Erstattung begehrt wird, zu den Leistungen gehört, auf die der Versicherte im Versicherungsmitgliedstaat (hier also der Kläger in Deutschland) Anspruch hat. Nach deutschem Recht schulden die gesetzlichen Krankenkassen indessen nicht alle denkbaren, sondern nur bestimmte Maßnahmen der künstlichen Befruchtung; rechtlich verbotene Maßnahmen gehören – wie oben unter 1. ausgeführt – nicht dazu. Begrenzt Art. 7 Abs. 1 Patientenrechterichtlinie den Kostenerstattungsanspruch für nach dem SGB V Versicherte auf die im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthaltenen Leistungen (BSG, Urteil vom 26.05.2020 – B 1 KR 21/19 R – juris Rn. 26), so kann der Kläger hieraus keine weitergehenden Rechte herleiten als aus § 13 Abs. 4 SGB V. Ohnehin liegen die Voraussetzungen, unter denen im Verhältnis zwischen Bürger und Staat eine unmittelbare Anwendung von Richtlinien im Sinne des Art. 288 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in Betracht kommt (näher dazu Ruffert in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl., Art. 288 Rn. 52 ff.), bei Art. 7 Patientenrechterichtlinie nicht vor. Denn die Vorgaben dieser Vorschrift setzt § 13 Abs. 4 SGB V hinreichend um, dessen Regelungskonzept europäischem Recht entspricht (BSG, Urteil vom 26.05.2020 – B 1 KR 21/19 R – juris Rn. 27; Urteil vom 18.11.2014 – B 1 KR 19/13 R – juris Rn. 28; Urteil vom 30.06.2009 – B 1 KR 22/08 R – juris Rn. 48). Dieses nimmt es insbesondere hin, dass die Voraussetzungen der Leistungen und die Begrenzungen ihres Umfangs, die im nationalen Recht angelegt sind, uneingeschränkt gelten, wenn und solange sie für die Betroffenen nicht in europarechtswidriger Weise diskriminierend wirken. Daher kann die Übernahme von Kosten für eine Krankenbehandlung im EU-Ausland von dem in Betracht kommenden inländischen Leistungsträger nur insoweit verlangt werden, als das Krankenversicherungssystem des Versicherungsmitgliedstaates eine Deckung garantiert (BSG, Urteil vom 30.06.2009 – B 1 KR 19/08 R – juris Rn. 24).
Weitergehende Ansprüche kann der Kläger auch nicht aus Art. 20 Verordnung (EG) 883/2004 herleiten. Zwar ermöglicht es diese Vorschrift Versicherten, sich in einen anderen EU-Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine ihrem Zustand angemessene Behandlung zu erhalten. Doch räumt diese Vorschrift dazu keine Kostenerstattungsansprüche ein, sondern sieht eine Sachleistungsaushilfe vor. Denn nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Verordnung (EG) 883/2004 erhält der Versicherte die Behandlung als Sachleistung vom Träger des Aufenthaltsorts nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften für Rechnung des zuständigen Trägers, also als ob er nach diesen Rechtsvorschriften versichert wäre. Den Weg der Sachleistungsaushilfe hat der Kläger indessen nicht beschritten. Dies hätte es nach Art. 20 Abs. 1 Verordnung (EG) 883/2004 erfordert, dass er vor der Leistungsinanspruchnahme eine Genehmigung des zuständigen Trägers, mithin der Beklagten, einholt, was der Kläger gerade nicht getan hat. Auch bei einer Sachleistungsaushilfe nach Art. 20 Verordnung (EG) 883/2004 wäre der Anspruch des Klägers als nach dem SGB V Versicherten auf die im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung enthaltenen Leistungen beschränkt (BSG, Urteil vom 26.05.2020 – B 1 KR 21/19 R – juris Rn. 25; Urteil vom 18.11.2014 – B 1 KR 19/13 R – juris Rn. 25). Denn nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EG) 883/2004 setzt die Erteilung der Genehmigung durch den zuständigen Träger (hier die Beklagte) voraus, dass die betreffende Behandlung Teil der Leistungen ist, die nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats der betreffenden Person vorgesehen sind. Diese Voraussetzung erfüllen die hier streitigen Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nicht. Denn diese sind – wie oben unter 1. dargelegt – nicht von § 27a SGB V umfasst, weil sie nicht den Anforderungen des ESchG genügten.
3. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich ferner nicht aus § 13 Abs. 3 SGB V. Dies schon deshalb, weil nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der Anspruch auf Leistungen ruht, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten. Die Sperre des § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V griffe nur dann nicht, wenn den sich aus dem primären Europarecht ergebenden Anforderungen an die grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Krankenbehandlung durch § 13 Abs. 4 und 5 SGB V nicht genügt würde (BSG, Urteil vom 30.06.2009 – B 1 KR 22/08 R – juris Rn. 48 f.). Von einem solchen Umsetzungsdefizit kann für das deutsche Recht jedoch nicht ausgegangen werden. Vielmehr setzen § 13 Abs. 4 und 5 SGB V die Rechtsprechung des EuGH zur Waren- und Dienstleistungsfreiheit hinreichend um (Schifferdecker in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 13 SGB V Rn. 156). Darüber hinaus fehlt es – wie bereits ausgeführt – an dem von § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V vorausgesetzten Primäranspruch des Klägers auf eine entsprechende Naturalleistung (hier nach § 27a SGB V), der im Ausland hätte realisiert werden können (vgl. BSG, Urteil vom 26.05.2020 – B 1 KR 21/19 R – juris Rn. 20).
4. Ein Kostenerstattungsanspruch ergibt sich schließlich auch nicht aus den Grundsätzen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Für diesen dürfte zwar neben § 13 Abs. 4 SGB V – anders als neben § 13 Abs. 3 SGB V (dazu BSG, Urteil vom 02.11.2007 – B 1 KR 14/07 R – juris Rn. 19 ff.; Urteil vom 04.04.2006 – B 1 KR 5/05 R – juris Rn. 18 ff.). – grundsätzlich Raum sein. Doch liegen seine Voraussetzungen nicht vor. Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Berechtigten obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch), ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Er setzt demnach eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare Pflichtverletzung voraus. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können; die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (siehe nur BSG, Urteil vom 23.06.2020 – B 2 U 5/19 R – juris Rn. 20; Urteil vom 16.05.2012 – B 4 AS 166/11 R – juris Rn. 27; Urteil vom 31.10.2007 – B 14/11b AS 63/06 R – juris Rn. 13; Urteil vom 27.07.2004 – B 7 SF 1/03 R – juris Rn. 8; Urteil vom 01.04.2004 – B 7 AL 52/03 R – juris Rn. 30 f.). Vorliegend fehlt es an einer Pflichtverletzung der Beklagten. Diese hat ihre Beratungspflicht nicht verletzt. Denn die Beklagte hat den Kläger vor der Behandlung mit Schreiben vom 06.09.2013 darauf hingewiesen, dass bei Inanspruchnahme von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung im EU-Ausland Voraussetzung für die Kostenerstattung die Einhaltung der in Deutschland geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere des ESchG, durch den Leistungserbringer sei. Diese Auskunft war – wie dargelegt (oben unter 1.) – zutreffend. Mit dieser klaren Auskunft waren auch die vom Kläger behaupteten telefonischen Äußerungen von Beklagtenmitarbeitern überholt, wonach bei Leistungsinanspruchnahme im Ausland eine Kostenübernahme kein Problem sei, solange alle EU-Richtlinien eingehalten würden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
6. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.