Der Nachweis einer überwiegend betrieblichen Nutzung eines privaten Kfz i.S.d. § 3 Abs. 7 S. 3 Alg II-V kann in Anlehnung an die steuerrechtliche Praxis durch ein Fahrtenbuch oder in anderer geeigneter Form erfolgen. Wird ein Fahrtenbuch vorgelegt, muss dieses zeitnah und in geschlossener Form unter Angabe von Datum und Fahrtziel sowie der jeweils aufgesuchten Kunden/Geschäftspartner bzw. des konkreten Gegenstands der dienstlichen Verrichtung geführt werden. Außerdem muss es die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstands vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergeben.
Nicht allein ausreichend für den Nachweis einer überwiegend betrieblichen Nutzung ist das Innehaben einer Reisegewerbekarte.
Der Beitrag zu einer Gewerbehaftpflichtversicherung ist bei einem selbstständig Tätigen als Absetzungsbetrag und nicht als Betriebsausgabe zu berücksichtigen.
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 2018 sowie die Bescheide des Beklagten vom 24. April 2013 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23. Juli 2013 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende wie folgt endgültig zu gewähren:
für den Monat |
für den Regelbedarf |
für die Kosten der Unterkunft und Heizung |
08/2012 |
218,55 € |
202,92 € |
09/2012 |
218,55 € |
202,92 € |
10/2012 |
218,55 € |
202,92 € |
11/2012 |
217,90 € |
170,39 € |
12/2012 |
218,55 € |
202,92 € |
Die von ihm geltend gemachten Erstattungsforderungen werden auf folgende Beträge reduziert:
für den Monat |
|
08/2012 |
35,66 € |
09/2012 |
32,19 € |
10/2012 |
35,66 € |
11/2012 |
35,81 € |
12/2012 |
35,66 € |
insgesamt auf |
178,45 |
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Festsetzung endgültiger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Dezember 2012 sowie die hieraus resultierende Erstattung von Leistungen.
Die im März 1974 geborene Klägerin bewohnte im streitigen Zeitraum gemeinsam mit ihrem im Februar 1992 geborenen Sohn die unter der im Rubrum bezeichneten Adresse gelegene rund 54 qm große, zentral mit Gas beheizte Wohnung, für welche eine monatliche Nutzungsgebühr i.H.v. 291,68 € zuzüglich Umlagevorauszahlungen i.H.v. 114,16 € (insgesamt 405,84 €) fällig war. Laut der Betriebs- und Heizkostenabrechnung vom 6. August 2012 für das Jahr 2011 entstand der Klägerin hieraus eine Gutschrift i.H.v. 65,06 €.
Sie betrieb ab Dezember 2010 einen Textileinzelhandel. Diesen betrieb sie zunächst bzw. zeitweise als Reisegewerbe auf Märkten. Zum 1. Dezember 2011 mietete sie ein in der Estraße , B gelegenes 75 m² großes Ladengeschäft als Gewerberaum zum Betrieb eines Einzelhandelswarengeschäfts für Bekleidung, Heimtextilien und Geschenkartikel an. Der Mietzins belief sich auf 490,00 € bruttokalt monatlich (400,00 € nettokalt zuzüglich Vorauszahlung für Betriebskosten i.H.v. 90,00 €; unbefristeter Mietvertrag vom 17. November 2011). Die monatliche Abschlagszahlung für Heizung (Gas) belief sich ab Mai 2012 auf 65,00 €. Das Mietverhältnis endete, nachdem es im Mai 2012 zu einem Wasserschaden gekommen war, Ende November 2012 (Übergabeprotokoll vom 16. November 2012).
Zu ihrem am 21. August 2012 bei dem Beklagten eingegangenen Weiterbewilligungsantrag (WBA) reichte sie eine vorläufige Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft (EKS) vom 10. Oktober 2012 ein, aus welcher sich voraussichtliche Betriebseinnahmen für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2012 i.H.v. 11.900,00 € sowie voraussichtliche Betriebsausgaben für diesen Zeitraum i.H.v. 11.776,85 € ergaben.
Mit Bescheid vom 13. November 2012 bewilligte der Beklagte u.a. der Klägerin für die Zeit vom 01. August bis zum 31. Dezember 2012 vorläufig Leistungen und zwar für die Monate August bis Oktober sowie Dezember 2012 i.H.v. monatlich insgesamt 437,19 € und für den Monat November 2012 i.H.v. insgesamt 402,56. Im Rahmen der Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit hatte der Beklagte die als Betriebsausgaben von der Klägerin in der EKS angegebenen Telefonkosten (B 11) nur zu 50 % und die „sonstigen Kosten“ (B 14 f) sowie die Benzinkosten (B 14 g) gar nicht berücksichtigt. Der Bescheid enthielt ferner den Hinweis, dass im November 2012 das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung 2011 i.H.v. 65,06 € berücksichtigt worden sei. Mit Änderungsbescheid vom 14. Dezember 2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin nach Wegfall des Kindergeldanspruchs des Sohnes nunmehr vorläufige Leistungen für die Monate August bis Oktober sowie Dezember 2012 i.H.v. monatlich insgesamt 457,13 € sowie für November 2012 i.H.v. insgesamt 424,10 €. Die für die Klägerin bestimmten Leistungen wurden – wie schon in den vorherigen Leistungszeiträumen - auf das Konto der Mutter R I bei der A B mit der Nummer (BLZ ) gezahlt, da die Klägerin selbst nach eigenen Angaben im Gefolge einer Kontenpfändung über kein eigenes Konto mehr verfügte.
Am 17. Januar 2013 reichte die Klägerin die endgültige EKS vom 13. Januar 2013 bei dem Beklagten ein. Aus dieser ergaben sich Betriebseinnahmen (nur August bis November 2012) i.H.v. insgesamt 18.475,30 € sowie Betriebsausgaben für Juli bis Dezember 2012 i.H.v. insgesamt 18.204,43 € bzw. 17.092,92 € für August bis Dezember 2012. Dabei hatte die Klägerin unter anderem Raumkosten (B 3 nur August bis Oktober 2012; einschließlich Nebenkosten und Energiekosten) i.H.v. insgesamt 6.802,07 €, Kosten für die Versicherung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs (nur Juli 2012; B 5.1 b) i.H.v. 309,74 €, Kosten für die Reparaturen desselben (B 5.1 c) i.H.v. 805,10 €, sonstige Betriebsausgaben-Baumarkt (B14 e) i.H.v. 179,53 €, Tanken (B 14 f) i.H.v. 847,44 € und Sonstiges (B 14 g) i.H.v. 476,57 € angegeben.
Ferner reichte sie verschiedene Rechnungen / Quittungen zu den angegebenen Ausgaben sowie einen (unbefristeten) Mietvertrag über die Anmietung einer 259 m² großen Gewerbefläche für den Verkauf von Bekleidung, Haushaltswäsche, Deko-Artikeln und Haushaltswaren in der L Str. , B ab dem 1. September 2012 ein. Die monatliche Gewerbemiete belief sich auf insgesamt 2.003,37 € (1.036,00 € nettokalt zzgl. Vorauszahlungen für Betriebskosten i.H.v. 323,75 € sowie für Heizung und Warmwasser i.H.v. 323,75 € zzgl. Umsatzsteuer i.H.v. 319,87 €). Die Miete wurde in bar gezahlt, die Kaution i.H.v. 3.108,00 € ebenfalls (Quittung vom 8. August 2012). Nach Angaben der Klägerin und ihrer Mutter hatte die Mutter die Kaution darlehnsweise vorgestreckt. Das Mietverhältnis endete am 4. Dezember 2012 (Rücknahmeprotokoll vom 04. Dezember 2012).
Darüber hinaus legte sie eine Erklärung ihrer Mutter vom Oktober 2011 vor, wonach diese ein Kfz der Marke Citroën Typ Jumper erworben und bezahlt, dieses aber zur ausschließlichen Nutzung der Klägerin für gewerbliche Zwecke überlassen habe (Kennzeichen ). Die Rückzahlung des Kaufpreises erfolge nach finanziellen Möglichkeiten. Nach den bereits vorliegenden Unterlagen war die Mutter auch Versicherungsnehmerin der Kfz-Haftpflichtversicherung (368,59 € inkl. Fahrzeugteilversicherung für 6 Monate, gezahlt am 3. Juli 2012). Der EKS fügte die Klägerin eine Kopie eines handschriftlichen Fahrtenbuches bei, aus dem sich täglich gefahrene Gesamtrouten ohne Verzeichnis der einzeln zurückgelegten Strecken ergaben. Auf Verlangen des Beklagten reichte sie im März 2013 eine Kopie eines ergänzten handschriftlichen Fahrtenbuchs ein.
Mit Bescheid vom 24. April 2013 bewilligte der Beklagte unter anderem der Klägerin für die Zeit vom 1. August bis zum 31. Dezember 2012 endgültig Leistungen nach dem SGB II und zwar für die Monate August bis Oktober 2012 und Dezember 2012 i.H.v. monatlich insgesamt 411,63 € (208,71 € Regelbedarf <RB> zzgl. Bedarfe für Unterkunft und Heizung <BUH> i.H.v. 202,92 €) sowie für November 2012 i.H.v. insgesamt 378,41 € (208,02 € RB zzgl. 170,39 € BUH).
Mit weiterem Bescheid vom 24. April 2013 forderte der Beklagte von der Klägerin nach endgültiger Festsetzung der Leistungen die Erstattung überzahlter Leistungen i.H.v. insgesamt 227,69 € (jeweils RB und zwar für August bis Oktober sowie Dezember 23012 i.H.v. 45,50 € monatlich und für November 2012 i.H.v. 45,69 €).
Im Rahmen der Berechnung des Leistungsanspruchs berücksichtigte der Beklagte ein monatliches laufendes Einkommen der Klägerin aus Selbständigkeit i.H.v. 486,38 €, von welchem er nach Bereinigung letztlich 309,10 € anrechnete. Zur Begründung wurde ausgeführt, es sei festgestellt worden, dass die Klägerin einen geringeren Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts habe. Bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit sei der Beklagte von der vorgelegten abschließenden EKS in folgenden Punkten abgewichen: Telefonkosten 50 %, Tankkosten 50 %, sonstige Kosten, Kfz, Versicherung und Kfz-Reparaturen.
In ihrem gegen diese Bescheide eingelegten Widerspruch vom 14. Mai 2013 machte die Klägerin geltend, die sonstigen Kosten seien dem Beklagten in Kopie am 11. Februar 2013 nachgewiesen worden. Wie dem Fahrtenbuch zu entnehmen sei, sei sie in dem betreffenden Zeitraum 8.534,4 km gefahren, wobei 7614,4 km betrieblich und 920 km privat veranlasst gewesen seien. Das Fahrzeug sei daher als betriebliches Fahrzeug einzustufen. Somit seien die tatsächlichen Ausgaben für das Kfz abzusetzen. Dies gelte auch für Versicherung und Steuern, sowie für notwendige Reparaturen und den Kraftstoff. Die Belege hierfür lägen dem Beklagten bereits vor. Die Fahrten von zu Hause zur Betriebsstätte seien betriebliche Fahrten, welche bei der Bereinigung des Einkommens berücksichtigungsfähig seien. Diese hätten 2.234 km betragen. Dass sie selbst nicht Halter des Kfz sei, sei irrelevant.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2013 (W ) wies der Beklagte den Widerspruch gegen Bescheid über die endgültige Festsetzung von Leistungen vom 24. April 2013 als unbegründet zurück. Der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin habe im Zeitraum August bis Oktober 2012 sowie im Dezember 2012 monatlich insgesamt 1.078,84 € betragen. Im November habe sich der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft auf 1.013,78 € belaufen. Aufgrund der abschließenden Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit seien für den gegenständlichen Zeitraum monatliche Betriebseinnahmen i.H.v. 3.695,06 € (18.475,30 €/5 Monate) und monatliche Betriebsausgaben i.H.v. 3.208,12 € (16.040,61 €/5 Monate) ermittelt worden. Daraus habe sich ein Gewinn i.H.v. monatlich 486,94 € ergeben. Versehentlich sei lediglich ein Einkommen i.H.v. 486,38 € berücksichtigt worden. Dies wirke sich jedoch allein zugunsten der Klägerin aus. Abweichend von den Angaben zu den Betriebsausgaben seien nur folgende Betriebsausgaben anzuerkennen gewesen: Telefonkosten zu 50 % (private/gewerbliche Nutzung zu gleichen Teilen), mangels Nachweises keine sonstigen Kosten, Tankkosten zu 50 % (Fahrten zur Arbeitsstätte/Ladengeschäft seien keine gewerblichen Fahrten und könnten somit nicht anerkannt werden, zur Vereinfachung seien 50 % der Kosten angesetzt worden), Kfz-Versicherung (Versicherungsnehmerin sei die Mutter, diese sei zur Kostentragung verpflichtet), Kfz-Reparaturen (Halterin sei die Mutter, somit sei diese auch zur Kostentragung der Reparaturen verpflichtet). Nach Bereinigung habe sich ein anzurechnendes Einkommen i.H.v. 309,10 € ergeben. Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2013 (W ) wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Erstattungsbescheid vom 24. April 2013 als unbegründet zurück.
Gegen den endgültigen Bewilligungsbescheid vom 24. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2013 (W ) hat die Klägerin am 17. August 2013 Klage zu dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 100 AS 20147/13 registriert worden ist. Gegen den Erstattungsbescheid vom 24. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2013 (W ) hat die Klägerin ebenfalls am 17. August 2013 Klage vor dem SG erhoben, welche unter dem Aktenzeichen S 101 AS 20148/13 registriert worden ist. Das SG hat die Verfahren durch Beschluss vom 1. Oktober 2015 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen S 100 AS 20147/13 fortgeführt.
Zur Begründung hat die Klägerin u.a. vorgetragen die Nichtberücksichtigung eines Großteils der Betriebsausgaben sei rechtswidrig. Die Kraftfahrzeug- und Fahrtkosten seien als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben abzusetzen. Laut schriftlicher Erklärung der Mutter nutze die Klägerin das Kraftfahrzeug allein und habe sämtliche Lasten zu tragen. Wer Eigentümer des Kfz sei, sei unerheblich. Die für ein überwiegend betrieblich genutztes Kraftfahrzeug geleisteten Aufwendungen seien in tatsächlicher Höhe anzusetzen abzgl. 0,10 € pro Kilometer für private Fahrten. Überwiegend betrieblich genutzt sei ein Kraftfahrzeug dann, wenn es zu mindestens 50 % betrieblich genutzt werde. Das sei hier der Fall. Es sei ferner unrichtig, wenn der Beklagte behaupte, sie habe die sonstigen Kosten aus der EKS nicht belegt. Diese Belege seien alle in Kopie bei den Akten. Im Ergebnis seien von den Betriebsausgaben lediglich 15,00 € hälftige Telefonkosten und 95,00 € für den privaten Kfz-Nutzungsanteil nicht berücksichtigungsfähig. Es ergebe sich damit für den gesamten Halbjahreszeitraum ein Gesamtgewinn von 380,78 €. Bei einem hieraus resultierenden Monatseinkommen von 63,79 € bleibe dieses Einkommen unterhalb der Einkommensfreigrenze von 100,00 €. Leistungen seien daher ohne Anrechnung von Einkommen zu gewähren.
Der Beklagte hat vorgetragen, von den Kfz-Kosten könnten nur zu 50 % der Tankkosten anerkannt werden. Halterin des Kraftfahrzeugs sei die Mutter der Klägerin. Das Kraftfahrzeug könne auch nicht überwiegend als betriebliches Fahrzeug anerkannt werden, denn dann müsste es auch steuerrechtlich sowie versicherungsrechtlich als solches eingestuft worden sein. Nach der Aktenlage handele es sich jedoch um ein rein privates Kfz. Das von der Klägerin vorgelegte Fahrtenbuch entspreche nicht den Anforderungen an ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch. Hier wäre jede einzelne Fahrt aufzuführen gewesen, es seien jedoch lediglich Tagesfahrleistungen angegeben worden. Anhand der aufgeführten Kilometerstände ergebe sich eine Gesamtfahrleistung im Zeitraum 1. August 2012 bis 18. Dezember 2012 von 6.680 km. Von diesen 6.680 km seien nach der Auflistung der Klägerin bereits 920 km privat gefahren worden. Weitere als geschäftliche Fahrten aufgeführte Fahrten dürften indes auch den privaten Fahrten zuzuordnen sein. Zumindest die Fahrten zwischen Wohn- und dem jeweiligen Arbeitsort sowie zur Mutter der Klägerin dürften ebenfalls private Fahrten sein. Eine eindeutige Zuordnung betrieblicher und privater Fahrten werde dadurch, dass nicht die einzelnen Fahrten, sondern nur die Tagesfahrleistung angegeben worden sei, nahezu unmöglich gemacht. Ein Nachweis über die überwiegende betriebliche Nutzung des Kfz sei nicht erbracht worden.
Das Sozialgericht hat die auf Aufhebung der Bescheide vom 24. April 2013 und Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2012 ohne Anrechnung von Einkommen gerichtete Klage durch Urteil vom 12. Januar 2018 abgewiesen.
Die Klägerin habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf weitere Leistungen nach dem SGB II für den streitigen Zeitraum über die bereits mit Bescheid vom 24. April 2013 gewährten Leistungen hinaus. Ausgangspunkt für die Beurteilung sei der Bedarf der Klägerin zur Deckung ihres Lebensunterhalts, den der Beklagte im streitigen Zeitraum zutreffend und richtig festgestellt habe. Da zum Zeitpunkt des Antrags der Klägerin vom 21. August 2012 und der Entscheidung des Beklagten vom 13. November 2012 die Höhe der Einkünfte aus der von der Klägerin betriebenen selbstständigen Tätigkeit noch nicht festgestanden habe und die Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II noch nicht abzusehen gewesen sei, habe der Beklagte Leistungen vorläufig erbringen können. Von dieser Möglichkeit habe er mit der vorläufigen Bewilligung vom 13. November 2012 Gebrauch gemacht. In diesem Falle sei die Leistung nach Ablauf des Bewilligungszeitraums abschließend endgültig festzusetzen. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, über die Berücksichtigung des Grundfreibetrags i.H.v. 100,00 € monatlich sowie des Freibetrags für Erwerbstätige und die bereits anerkannten Kosten für die selbstständige Tätigkeit hinaus noch zusätzliche notwendige Ausgaben nach § 3 Abs. 2 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen bei Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) in Abzug zu bringen. Für die Autoreparatur (Rechnung vom 3. Juli 2012 i.H.v. 946,88 €), die Zahlung der Kraftfahrzeugversicherung (Zahlung am 3. Juli 2012 i.H.v. 368,59 €) und des ADAC-Beitrages (Zahlung i.H.v. 79,50 € am 19. Juli 2012) folge dies bereits daraus, dass diese Kosten schon im Juli 2012 angefallen seien und somit bei der Berechnung des Einkommens im streitgegenständlichen Zeitraum keine Rolle spielten. Ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen für den Monat Juli 2012 bestehe nicht, da die Klägerin den Fortzahlungsantrag unstreitig erst am 21. August 2012 beim Beklagten gestellt habe.
Im Zusammenwirken von § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II und § 3 Abs. 2 Alg II-V seien solche Ausgaben keine „Betriebsausgaben“ im Sinne des § 3 Alg II-V, die gleichzeitig Absetzbeträge nach § 11b Abs. 2 SGB II seien. Die Beträge, die sich aus § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II ergäben, würden erst in einem abschließenden Schritt von dem nach § 3 Abs. 4 Alg II-V monatsweise verteilten Einkommen abgesetzt. Dabei gelte für Einkommen aus selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung bis zu 400,00 € gleichermaßen, dass an die Stelle der einzelnen Beträge nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3-5 SGB II ein höhenmäßig begrenzter pauschaler Betrag von insgesamt 100,00 € trete. Die Fahrtkosten der Klägerin seien allenfalls zum Teil als „Betriebsausgaben“ von ihren Einkünften aus selbständiger Tätigkeit absetzbar, so wie bereits von dem Beklagten vorgenommen. Auch anhand des von der Klägerin vorgelegten Fahrtenbuchs habe sich die Kammer nicht von einer überwiegend – d.h. mindestens 50%igen - betrieblichen Nutzung überzeugen können. Die regelmäßigen Fahrten von der Wohnung zur „Betriebsstätte“ und zurück seien, obwohl es sich auch um Betriebsausgaben handele, dem „privaten Bereich“ zuzuordnen und gälten damit regelmäßig als von dem pauschalen Absatzbetrag nach § 11b Abs. 2 S. 2 SGB II erfasst.
Auch im Hinblick auf die geltend gemachten sonstigen Kosten könne die Kammer keine notwendigen Ausgaben erkennen. Soweit der Beklagte die Erstattung überzahlter Leistungen fordere, sei dies vorliegend nicht zu beanstanden.
Gegen dieses ihr am 19. Februar 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 5. März 2018 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) eingegangene Berufung der Klägerin, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Begehren fortführt. Die Kosten für das Kfz einschließlich der Tankkosten seien vollumfänglich als Betriebsausgaben abzusetzen, denn sie habe den Wagen ausweislich des von ihr vorgelegten Fahrtenbuchs überwiegend betrieblich genutzt. Hierzu legt sie ein weiteres Mal eine Kopie eines handschriftlichen Fahrtenbuchs vor. Nachvollziehbare Gründe, weshalb das Fahrzeug bei einem Reisegewerbe nicht überwiegend betrieblich genutzt worden sein solle, habe das SG nicht benannt. Auch wenn sie zeitweise Ladenflächen angemietet habe, habe sie dennoch ein Reisegewerbe angemeldet. Laut schriftlicher Erklärung der Mutter nutze die Klägerin das Fahrzeug alleine und habe sämtliche Lasten zu tragen. Dass ihre Mutter Halterin des Fahrzeugs sei ändere daher nichts an ihrer – der Klägerin – Verpflichtung zur Tragung sämtlicher Kosten.
Die Klägerin trägt im Weiteren vor, der Vermieter des Ladens in der Estraße habe ihr nach dem Wasserschaden einen Sonderverkauf in einem Laden in der Gstraße angeboten. In der Gstraße haben sie in der Zeit vom 04. bis zum 29. Juni 2012 verkauft. Da der Laden jedoch fast 3.000,00 € im Monat gekostet hätte, habe sie sich dauerhaft nach etwas anderem umsehen müssen. Der Laden in der L Straße sei im Zeitraum vom 8. August bis zum 2. September 2018 renoviert worden. Es diverse Renovierungsarbeiten durchgeführt werden müssen. Am 03. September 2018 sei die Eröffnung erfolgt. Sie legt Unterlagen zu den „sonstigen Ausgaben“ vor. Die Strecke zwischen ihrer Wohnung und dem Laden in der L Straße habe sich – so wie sie ihn gefahren sei – auf 10 km belaufen. Aus dem Fahrtenbuch ersichtliche Unterschiede in der Kilometerleistung ergäben sich u.a. aus der Parkplatzsuche. Stark wechselnde Strecken von bis zu 41,9 km ergäben sich daraus, dass sie beispielsweise am 11. September und 17. Oktober 2012 die Strecke Laden-Wohnung-Laden zweimal gefahren sei. Im Erörterungstermin vom 25. Juni 2020 hat die Klägerin die Eintragungen in das Fahrtenbuch näher erläutert. Zu den Einzelheiten wird auf die Niederschrift des Termins Bezug genommen.
Ergänzend hat die Klägerin unter dem 6. August 2020 ein am Computer erstelltes „präzisiertes“ Fahrtenbuch eingereicht, aus dem sich jeweils einzelne Fahrten mit Kilometerangaben ergeben. Danach sind im streitigen Zeitraum insgesamt 3.399 km „geschäftlich“, 999 km „privat“ sowie 2.263 km für „Arbeitswege“ zurückgelegt worden. Das Fahrtenbuch entspreche den Maßgaben der Lohnsteuerrichtlinien. Darüber hinaus hat sie die Kontoauszüge betreffend das Konto ihrer Mutter bei der A B mit der Nummer für die Zeit vom 6. Juli bis zum 7. Dezember 2012 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 2018 sowie die Bescheide des Beklagten vom 24. April 2013 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23. Juli 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 01. August bis zum 31. Dezember 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Anrechnung von Einkommen endgültig zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er weist darauf hin, dass die Kosten für die Renovierung des bisherigen Ladengeschäfts in der Estraße sowie für das neu angemietete Ladengeschäft (Baumarktbelege) in der von der Klägerin angegebenen Höhe bei den „sonstigen Ausgaben“ anerkannt worden seien. Auch die Schufa-Gebühren und die Kosten für den Mieterverein seien tatsächlich bei der Berechnung berücksichtigt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist nach §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Zwar beläuft sich die Erstattungsforderung lediglich auf 227,69 €, die Klägerin begehrt jedoch über die Aufhebung des Erstattungsbescheides hinaus die Gewährung von Leistungen ohne Anrechnung von Einkommen. Ausgehend von der vorläufigen Bewilligung des Beklagten vom 13. November 2012 stünden ihr ohne Anrechnung von Einkommen in den Monaten August bis Oktober sowie Dezember 2012 jeweils 576,92 € anstatt 436,54 € und im November 2012 544,39 € anstatt 402,56 € monatliche Leistungen und somit insgesamt 703,35 € weitere Leistungen zu, sodass insgesamt (703,35 € zzgl. 227,69 €) der erforderliche Wert der Beschwer von 750,01 € überschritten ist.
Die Berufung ist im Übrigen auch zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG). Auch ist sie in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind neben dem Urteil des SG vom 12. Januar 2018 die beiden Bescheide des Beklagten vom 24. April 2013 in der Gestalt der beiden Widerspruchsbescheide vom 23. Juli 2013, mit denen der Beklagte für die Zeit vom 01. August bis zum 31. Dezember 2012 eine endgültige Leistungsfestsetzung vorgenommen und den durch die Klägerin zu erstattenden Betrag auf 227,69 € festgesetzt hat. Die früheren Bescheide über die vorläufige Bewilligung von Leistungen haben sich durch diese Bescheide erledigt (§ 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch <SGB X>; vgl. etwa BSG, Urteile vom 26.7.2016 - B 4 AS 54/15 R – sowie vom 30.3.2017 – B 14 AS 18/16 R – beide in juris).
Mit ihrem auf Gewährung höherer Leistungen und Reduzierung der Erstattungsforderung gerichteten Begehren hat die Klägerin teilweise Erfolg. Zu Unrecht hat das SG die Klage vollumfänglich abgewiesen.
Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide ist vorliegend an § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II in der hier noch maßgeblichen Fassung vom 13. Mai 2011 (im Folgenden: a.F.) i.V.m. § 328 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB III zu messen. Denn der Beklagte hatte der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Dezember 2012 Leistungen nur vorläufig bewilligt.
Nachdem die Voraussetzungen für die nur vorläufige Bewilligung der existenzsichernden Leistungen mit Vorlage der endgültigen EKS vom 13. Januar 2013 nebst Anlagen weggefallen waren, hatte der Beklagte - unabhängig von einer Antragstellung durch die Klägerin - endgültige Bewilligungsentscheidungen zu treffen (vgl. BSG, Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 31/14 R - juris Rn. 24). Zur Überprüfung des Senats steht damit die Frage, ob die vom Beklagten mit den angefochtenen Bescheiden vorgenommene endgültige Leistungsfestsetzung der Sach- und Rechtslage entsprechen (hierzu im Folgenden zu A.) und die geltend gemachte Erstattungsforderung zutreffend berechnet ist (hierzu im Folgenden zu B.).
A. Zu Recht ist der Beklagte davon ausgegangen, dass die Klägerin Berechtigte im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II war. Sie hatte das 15. Lebensjahr vollendet, nicht jedoch die Altersgrenze des § 7a SGB II erreicht, war erwerbsfähig (Nr. 2) und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 4). Sie war auch – wie die folgenden Ausführungen zeigen – im gesamten Bewilligungszeitraum hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II (Nr. 3). Dass bei ihr etwaige Ausschlusstatbestände erfüllt gewesen sein könnten, ist hingegen nicht ersichtlich.
Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
Der Beklagte hat die zu berücksichtigenden Bedarfe zutreffend bestimmt (hierzu im Folgenden zu I.). Der Senat geht jedoch davon aus, dass der Beklagte von einem (geringfügig) zu hohen anrechenbaren Einkommen der Klägerin ausgegangen ist, sodass ihr im gesamten streitigen Zeitraum über die vom Beklagten endgültig festgestellten Ansprüche hinausgehende - jedoch keine über die bereits vorläufig zuerkannten Leistungen hinausgehenden - Leistungsansprüche zustehen.
I. Richtig hat der Beklagte auf der Bedarfsseite für die im fraglichen Zeitraum in Bedarfsgemeinschaft (BG) mit ihrem damals noch unter 25jährigen Sohn (§ 7 Abs. Abs. 3 Nr. 4 SGB II) lebende Klägerin nach § 20 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 SGB II einen Regelbedarf i.H.v. 374,00 € (Regelbedarfsstufe 1; Anlage zu § 28 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in der Fassung der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2012 <RBSFV> vom 17.10.2011, BGBl. I S. 3022) angesetzt. Für den Sohn der Klägerin hat der Beklagte zutreffend einen Regelbedarf i.H.v. 299,00 € (Regelbedarfsstufe 3 nach § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II; Anlage zu § 28 SGB XII in der Fassung der RBSFV 2012) berücksichtigt.
Ebenso zutreffend hat er die BUH in den Monaten August bis Oktober sowie Dezember 2012 mit 405,84 € monatlich und im November 2012 unter Berücksichtigung eines Betriebskostenguthabens i.H.v. 65,06 € mit 340,78 € bestimmt. Rechtsgrundlage für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung (BUH) ist § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Nach § 22 Abs. 3 1. Halbsatz SGB II (in der Fassung vom 13.05.2011) mindern Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift. Bei Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen – wie vorliegend - werden die Aufwendungen grundsätzlich nach Kopfteilen auf die nutzenden Personen aufgeteilt (sogenanntes Kopfteilprinzip). Das Kopfteilprinzip zielt auf die generalisierende und typisierende Zuweisung individueller Bedarfe für alle wohnungsnutzenden Personen, unabhängig von ihren schuldrechtlichen Verpflichtungen gegenüber Dritten und davon, ob alle Personen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind sowie unabhängig von Alter und Nutzungsintensität (stRspr: zuletzt BSG, Urteil vom 27. Januar 2021 - B 14 AS 35/19 R - juris Rn. 13). Danach entfällt die Hälfte der BUH auf die Klägerin, mithin in den Monaten August bis Oktober sowie Dezember 2012 jeweils 202,92 € und im November 2012 170,39 €.
Der Gesamtbedarf der Klägerin belief sich somit in den Monaten August bis Oktober sowie Dezember 2012 auf jeweils 576,92 € und im November 2012 auf 544,39 €. Der Gesamtbedarf der BG errechnete sich mit monatlich 1.078,84 € bzw. 1.013,78 €.
II. Was bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit als Einkommen und Vermögen zu berücksichtigen ist, regeln §§ 11 und 12 SGB II sowie die auf der Grundlage des § 13 SGB II ergangene Alg II-V in der hier allein als maßgeblich in Betracht kommenden vom 01. Juli 2011 bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung vom 21. Juni 2011. Dabei geht es vorliegend – mangels anrechenbaren Vermögens – allein um die Frage, in welchem Umfang das der Klägerin im fraglichen Zeitraum zugeflossene Einkommen bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist.
Als Einkommen zu berücksichtigen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Satz 1 SGB II in der Fassung vom 13. Mai 2011 (a.F.) Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen.
1. Die Klägerin hatte in dem streitgegenständlichen Zeitraum Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit (Einzelhandel mit Textilien und Geschenkartikeln). Wie diese Einnahmen zu berechnen sind, ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Ziffer 1 SGB II i.V.m. § 3 Alg II-V in der Fassung vom 21. Juni 2011 (a.F.).
In § 13 Abs. 1 Ziffer 1 SGB II wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, welche weiteren Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind und wie das Einkommen im Einzelnen zu berechnen ist. Hiervon wurde mit der Alg II-V Gebrauch gemacht, die für die Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit in § 3 in der im fraglichen Zeitraum als einschlägig in Betracht kommenden Fassung vorsah, dass von den Betriebseinnahmen auszugehen ist (Abs. 1 Satz 1), wobei Betriebseinnahmen alle aus der selbständigen Arbeit erzielten Einnahmen sind, die im Bewilligungszeitraum (§ 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II) tatsächlich zufließen (Abs. 1 Satz 2). Gemäß Abs. 2 der Norm sind von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen. Abs. 4 regelte schließlich in Satz 1, dass für jeden Monat der Teil des Einkommens zu berücksichtigen ist, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt, und in Satz 3, dass von dem Einkommen die Beträge nach § 11b SGB II abzusetzen sind.
a) Unstreitig hat die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum von August bis Dezember 2012 Betriebseinnahmen i.H.v. insgesamt 18.475,30 € erzielt. Anlass, die von der Klägerin benannten und vom Beklagten nicht in Frage gestellten Beträge anzuzweifeln, hat der Senat nicht.
b) Zwischen den Beteiligten umstritten ist indes, in welcher Höhe den Betriebseinnahmen entsprechende Ausgaben gegenüberzustellen sind.
Bzgl. der jeweiligen Ausgaben ist grundsätzlich zu differenzieren, ob es sich um Absetzungsbeträge nach § 11b Abs. 1 Satz 1 SGB II oder um notwendige Betriebsausgaben nach § 3 Abs. 2 Alg II-V handelt. Betriebsausgaben sind dabei alle Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind. Davon ist auszugehen, wenn die Aufwendung objektiv mit dem Betrieb zusammenhängt und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt ist. Notwendig ist eine Ausgabe, die üblicherweise im Rahmen der selbständigen Tätigkeit anfällt und die auch ohne Leistungsbezug nach dem SGB II bei wirtschaftlichem Ausgabeverhalten getätigt worden wäre. Eine Notwendigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn sich die Geschäftsidee ohne den Gegenstand nicht umsetzen lässt oder der bereits bestehende Betrieb nicht fortgeführt werden kann. Es handelt sich insoweit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der vollständig der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der selbständig Tätige zwar grundsätzlich eigenverantwortlich seine unternehmerischen Entscheidungen trifft. Will er indes staatliche Transferleistungen in Anspruch nehmen, ist seine unternehmerische Freiheit insoweit eingeschränkt, als
- gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Alg II-V tatsächliche Ausgaben nicht abgesetzt wer-
den sollen, soweit diese entweder ganz oder teilweise vermeidbar sind oder offensichtlich nicht den Lebensumständen während des Bezuges der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechen,
und
- Ausgaben bei der Berechnung nicht abgesetzt werden können, soweit das
Verhältnis der Ausgaben zu den jeweiligen Erträgen in einem auffälligen Missverhältnis steht (§ 3 Abs. 3 Satz 3 Alg II-V).
Dabei hat der Beklagte keine Beanstandungen gegen die von der Klägerin in der endgültigen EKS vom 13. Januar 2013 gemachten Angaben zu folgenden Betriebsausgaben in den Monaten August bis Dezember 2012 erhoben:
B1 Wareneinkauf 5.786,15 €
B3 Raumkosten 6.802,07 €
B6 Werbung 476,36 €
B7c Reisekosten 53,30 €
B10 Büromaterial 8,46 €
B14e Baumarkt 148,33 €
B17 gezahlte Vorsteuer 2.193,98 €.
Auch aus Sicht des Senats besteht hier kein Anlass, von den Angaben der Klägerin abzuweichen.
aa) Hingegen nicht – bzw. nicht in vollem Umfang - als Betriebsausgaben anzuerkennen sind die von Klägerin geltend gemachten Kosten für ein betriebliches Kfz in Gestalt von Steuern (309,74 € im Juli 2012), Reparaturen (insgesamt 805,10 € im Juli, Oktober und November 2012) sowie Benzinkosten (insgesamt 847,44 € von Juli bis Dezember 2012).
Soweit die Ausgaben im Juli 2012 angefallen sind, ergibt sich dies – wie bereits das SG aufgezeigt hat – schon daraus, dass diese Ausgaben außerhalb des streitigen Leistungszeitraums liegen. Im Übrigen scheitert die (vollumfängliche) Anerkennung dieser Ausgaben daran, dass die Klägerin es nicht vermocht hat nachzuweisen, dass es sich bei dem Kfz der Marke Citroen Typ Jumper um ein betrieblich genutztes Kfz handelte. Hingegen steht es einer Anerkennung nicht grundsätzlich entgegen, dass Halterin und Versicherungsnehmerin des Kfz die Mutter der Klägerin war (Hengelhaupt in: Hauck/Noftz SGB II, § 13 Verordnungsermächtigung, Stand Juli 2021, Rn. 437 m.w.N.).
Nach § 3 Abs. 7 Alg II-V (a.F.) gilt: Nur wenn ein Kfz überwiegend betrieblich genutzt wird, sind die tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben für dieses Kfz als betriebliche Ausgabe unter Abzug von 0,10 € für jeden Kilometer für private Fahrten abzusetzen. Ein Kraftfahrzeug gilt als überwiegend betrieblich genutzt, wenn es zu mindestens 50 Prozent betrieblich genutzt wird. Wird ein Kraftfahrzeug hingegen überwiegend privat genutzt, sind die tatsächlichen Ausgaben keine Betriebsausgaben. Für betriebliche Fahrten können 0,10 € für jeden mit dem privaten Kraftfahrzeug gefahrenen Kilometer abgesetzt werden, soweit der oder die erwerbsfähige Leistungsberechtigte nicht höhere notwendige Ausgaben für Kraftstoff nachweist. Als Aufwendungen für ein überwiegend betrieblich genutztes Kfz sind grundsätzlich absetzbar Kraftstoffkosten, Kfz-Steuer, Anschaffungskosten, Reparaturkosten, Kaskoversicherung (Münder/Geiger, SGB II, 7. A. 2021, Rn. 102 zu § 11; Lange in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. A. 2021, Rn. 60 zu § 13).
Ob die 50 %-Grenze des § 3 Abs. 7 Satz 3 Alg II-V erreicht wird oder nicht, ist mangels näherer Regelung anhand der jeweils gefahrenen km im zu beurteilenden Zeitraum festzustellen (vgl. Hannes in BeckOK-Alg II-V, § 3 Rz 88 m.w.N., Stand 1.12.2020). Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte sind - abweichend vom Einkommensteuerrecht - keine betriebliche Nutzung, sondern stets dem privaten Bereich zuzuordnen (vgl. Lange in Eicher/Luik, 5. A. 2021, SGB II, § 13 Rn. 60; Pewestorf, Alg II-V, 2. A. 2018, § 3 Rn. 10; Hannes in BeckOK-Alg II-V, § 3 Rn. 28 und 89 m.w.N., Stand 1.12.2020; Söhngen in jurisPK-SGB II, § 11b Rn 37, Stand 11.2. 2021; FW der BA 11.30 und 11.33, Stand 7.2.2020; BSG, Urteil vom 5. 6. 2014 - B 4 AS 31/13 R – juris Rn. 23). Sie bleiben aber über § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 1. Teilsatz 1. Alt., Nr. 5 i.V.m. § 6 Abs. 3 Nr. 5, Abs. 2 Alg II-V bzw. den sog. Grundfreibetrag i.S.d. § 11b Abs. 2 Satz 1 absetzbar.
Maßgebend sind gem. § 3 Abs. 2 Alg II-V ausschließlich die Verhältnisse im Bewilligungszeitraum. Wurde - aus welchen Gründen auch immer - währenddessen das auch privat genutzte Kfz nur in untergeordnetem Maße betrieblich eingesetzt, so können die hierfür getätigten Ausgaben gem. § 3 Abs. 7 Satz 4 Alg II-V mit Ausnahme der Kilometerpauschale gem. § 3 Abs. 7 Satz 5 Alg II-V nicht als betrieblich notwendig angesehen werden. Dass es im Steuerrecht bei der Ermittlung von Betriebsausgaben auf andere Zeiträume ankommt, ist gem. § 3 Abs. 2 Alg II-V 2008/14 unbeachtlich (vgl. Hannes in BeckOK-Alg II-V, § 3 Rn. 90, Stand 1.12 2020; BSG, Urteil vom 1.12.2016 - B 14 AS 34/15 R – juris Rn. 19).
Den Nachweis der überwiegenden betrieblichen Nutzung i.S.d. § 3 Abs. 7 Satz 2 SGB II hat die Klägerin zu führen, da sie hieraus einen Anspruch für sich ableiten will. Der Senat ist auf der Grundlage der von der Klägerin vorgelegten verschiedenen Varianten von Fahrtenbüchern jedoch nicht davon überzeugt (§ 128 SGG), dass das Fahrzeug der Marke Citroen Typ Jumper mit dem amtlichen Kennzeichen im streitigen Zeitraum überwiegend betrieblich genutzt wurde.
(1) Eine überwiegende betriebliche Nutzung ergibt sich vorliegend nicht bereits daraus, dass die Klägerin über eine Reisegewerbekarte verfügte. Denn es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum tatsächlich ein Reisegewerbe ausgeübt hätte. Nach § 55 Abs. 1 der Gewerbeordnung (GewO) betreibt ein Reisegewerbe, wer gewerbsmäßig ohne vorhergehende Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung (§ 4 Absatz 3) oder ohne eine solche zu haben Waren feilbietet oder Bestellungen aufsucht (vertreibt) oder ankauft, Leistungen anbietet oder Bestellungen auf Leistungen aufsucht (Nr. 1) oder unterhaltende Tätigkeiten als Schausteller oder nach Schaustellerart ausübt (Nr. 2). Voraussetzung für den Betrieb eines Reisegewerbes ist nach Abs. 2 des § 55 GewO eine Erlaubnis (Reisegewerbekarte). Allein das Vorhandensein einer solchen Erlaubnis, über die die Klägerin verfügte, ist jedoch kein Nachweis dafür, dass ein Reisegewerbe tatsächlich ausgeübt wird. Während die Klägerin für die Zeit ab Ende Februar 2011 bis Mai 2011 sowie für Juli 2011 bei dem Beklagten verschiedene Nachweise über jeweils kurzzeitige Anmietungen von Standflächen /Gewerbeflächen in / vor Einkaufszentren o.ä. vorgelegt hatte, schloss sie zum 1. Dezember 2011 einen unbefristeten Mietvertrag über ein Ladengeschäft in der Estraße. Auch der nachfolgend geschlossene Mietvertrag über die – sehr großen - Gewerberäume in der L Straße war unbefristet. Unterlagen zu daneben erfolgten Standmieten vor oder in Einkaufszentren oder etwa auf Märkten hat die Klägerin nicht eingereicht. Die Klägerin hatte ab Dezember 2011 damit eine gewerbliche Niederlassung. Dass sie im streitigen Zeitraum regelmäßig außerhalb dieser Waren verkauft hätte (wie bereits dargelegt etwa auf Standflächen in oder vor Einkaufszentren), ist in keiner Weise vorgetragen.
(2) Der Nachweis einer überwiegend betrieblichen Nutzung kann in Anlehnung an die steuerrechtliche Praxis (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 Einkommensteuergesetz <EStG>; BMF Schreiben vom 18.11.2009, BStBl. I 1326) durch ein Fahrtenbuch oder in anderer geeigneter Form erfolgen, z.B. durch Eintragungen in Terminkalendern, die Abrechnung gefahrener Kilometer gegenüber den Auftraggebern, Reisekostenaufstellungen sowie andere Abrechnungsunterlagen. Erkennbar sein müssen der betriebliche Anlass der Fahrt und die jeweils zurückgelegte Strecke sowie das Gesamtverhältnis der betrieblichen zu den privaten Fahrten.
Wird – wie hier - ein Fahrtenbuch vorgelegt, muss dieses zeitnah und in geschlossener Form geführt worden sein, um so nachträgliche Einfügungen oder Änderungen auszuschließen oder als solche erkennbar zu machen. Hierfür hat das Fahrtenbuch neben dem Datum und den Fahrtzielen grundsätzlich auch den jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner bzw. den konkreten Gegenstand der dienstlichen Verrichtung aufzuführen. Bloße Ortsangaben im Fahrtenbuch reichen allenfalls dann aus, wenn sich der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei ergibt oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die ihrerseits nicht mehr ergänzungsbedürftig sind. Außerdem muss es die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstands vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergeben (Urteil des Bundesfinanzhofs <BFH> vom 1.3.2012 - VI R 33/10 – juris Rn. 12). Die Aufzeichnungen müssen Angaben zu den geschäftlichen Reisen enthalten, anhand derer sich die berufliche Veranlassung der Fahrten plausibel nachvollziehen und gegebenenfalls auch nachprüfen lässt (BFH, Urteil vom 16.3.2006 - VI R 87/04, BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625, unter II.1.b). Die genannten Angaben müssen sich in hinreichend übersichtlicher und geordneter Form regelmäßig schon dem Fahrtenbuch selbst entnehmen lassen und dadurch eine stichprobenartige Überprüfung ermöglichen. Das schließt es nicht aus, im Fahrtenbuch gegebenenfalls auch Abkürzungen für bestimmte, häufiger aufgesuchte Fahrtziele und Kunden oder für einzelne regelmäßig wiederkehrende Reisezwecke zu verwenden, solange die gebrauchten Kürzel entweder aus sich heraus verständlich oder z.B. auf einem dem Fahrtenbuch beigefügten Erläuterungsblatt näher aufgeschlüsselt sind und der geschlossene Charakter der Fahrtenbuchaufzeichnungen dadurch nicht beeinträchtigt wird (BFH, Urteil in BFHE-Urteil 212, 546, BStBl II 2006, 625, unter II.1.d; BFH, Urteil vom 15.7.2020 – III R 62/19 – juris Rn. 12).
(aa) Diesen Maßgaben wird das von der Klägerin zeitnah zum Abschluss des Bewilligungszeitraums im Januar 2013 vorgelegte, nicht im Original vorliegende, handschriftlich erstellte Fahrtenbuch nicht gerecht. Dieses Fahrtenbuch wies nämlich lediglich Tagesfahrleistungen und keine Einzelstrecken (jeweils mit Start und Ziel) aus (z.B. 9.8.: „Besprechg. Eröffnung Berlin, OBI-, LWL,“ oder 29.8.: „Hellweg-Biesdorf, LWL, Pat + Pat Anzahlung, LWL,“). Darüber hinaus ist aus Schriftbild (einschließlich der Dicke der Linien) und Ordentlichkeit der Eintragungen erkennbar, dass das Buch nicht fortlaufende tägliche Aufzeichnungen enthält, sondern nachträglich „aus einem Guss“ erstellt worden ist. Damit ist weder gewährleistet, dass das Fahrtenbuch die Tatsachenlage wiedergibt noch lässt sich ohne weiteren aufwand und einige Spekulation ermitteln, welche einzelnen Strecken aus welchen Gründen zurückgelegt worden sind.
Die Gesamtfahrleistung des Kfz Citroen Jumper im streitigen Zeitraum errechnet nach dieser Unterlage mit 6.680 km. 6.143,6 km ordnete die Klägerin dem „geschäftlichen“ Bereich zu. Allerdings umfassen diese Kilometerangaben auch die mit Miet-/Fremdfahrzeugen zurückgelegten Kilometer, die in die hiesige Betrachtung nicht einfließen können. Dabei handelt es sich laut dieser Aufstellung um 464 km. Darüber hinaus hat die Klägerin auch die Strecken vom Wohnort zur Betriebsstätte sowie von der Betriebsstätte zur Wohnung dem geschäftlichen Bereich zugeordnet, obwohl diese Strecken – wie bereits dargelegt – im Bereich des SGB II dem „privaten“ Bereich zuzuordnen und somit nicht berücksichtigungsfähig sind. Auffällig ist auch die Abrechnung zahlreicher an Sonntagen zurückgelegter Strecken (u.a. 19.8.2012, 26.8.2012, 2.9.2012, 9.9.2012, 30.9.2012, 7.10.2012, 25.11.2012) als betriebsbedingt, ohne Nennung nachvollziehbarer Gründe wie z.B. Transport eines Anhängers zum Umzug (02.12.2012). Auch werden Fahrten von und zur Mutter der Klägerin vollumfänglich als betrieblich bedingt („geschäftlich“) eingeordnet. Zwar befindet sich nach Angaben der Klägerin im Termin zur Erörterung am 25. Juni 2020 in der Nähe der Wohnung der Mutter auf deren Grundstück eine Halle, die die Klägerin zur kostenlosen Lagerung von Ware verwendet haben will. Allerdings dürften die Fahrten zur Mutter (zum Teil mit Übernachtung) auch privaten Zwecken gedient haben, weshalb eine Zuordnung zum Betrieb mit der Folge einer Subventionierung der Fahrten durch die Allgemeinheit ausscheidet.
(bb) Auch die Anfang März 2013 vorgelegte Kopie eines ergänzten Fahrtenbuchs genügt den Maßgaben an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nicht. Erneut handelte es sich nicht um ein Konvolut tagesaktueller Eintragungen, sondern – wie sich aus dem Vergleich mit den im Januar 2013 eingereichten Kopien erschließt – um eine offensichtlich neue, sehr ordentliche handschriftliche und nachträglich erstellte Zusammenstellung. Je Tag waren weiterhin Gesamtfahrleistungen und „Runden“ eingetragen mit zum Teil genaueren Erläuterungen (z.B. 9.8.: Wohnung – G Mutti Besprechg Eröffnung und Umzug Laden – Mutti“ oder 29.8.: Wohnung – LWL – Hellweg B – LWL – GH Ware geholt – Wohnung“). Weitere relevante Abweichungen zum vorherigen Fahrtenbuch ergaben sich nicht.
(cc) Soweit die Klägerin im Rahmen des Berufungsverfahrens im Dezember 2019 Kopien einer ergänzten Version des handschriftlichen Fahrtenbuchs vom März 2013 vorgelegt hat, handelt es sich schon nicht mehr um ein zeitnah zum Bewilligungszeitraum erstelltes Dokument. Neben den „geschäftlich“ gefahrenen km sowie den „privat“ gefahrenen fanden sich nunmehr auch Km-Eintragungen zu „Wohnung – Arbeitsstätte – Wohnung“. Auch hier schließen die „geschäftlich“ bedingten Wegstrecken jedoch solche ein, die mit Fremdfahrzeugen zurückgelegt wurden und daher bei der Beurteilung der Frage, ob das oben genannte Kfz überwiegend betrieblich genutzt wurde, nicht miteinbezogen werden können. Aus den Eintragungen ergeben sich für den streitigen Zeitraum folgende mit dem eigenen Kfz Citroen Jumper gefahrene km
Gesamtfahrleistung 6.680,0 km
„geschäftlich“ 5.774,6 km
davon Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte 2.073,9 km
„privat“ 923,0 km.
Danach wären nach den Maßgaben des SGB II von der Gesamtfahrleistung des Kfz im streitigen Zeitraum von insgesamt 6.680 km 3.700,7 km dem Betrieb und 2.979,3 km dem privaten Bereich zuzuordnen. Hierbei hat die Klägerin nunmehr teilweise auch Abzüge für zur Mutter gefahrene Strecken als „Arbeitswege“ gemacht, allerdings nur im Umfang des von ihr angesetzten Arbeitsweges von ihrer Wohnung zum Laden in der L Straße und zurück (regelmäßig ca. 23 Kilometer).
(dd) Ein Original des Fahrtenbuchs bzw. der Fahrtenbücher konnte die Klägerin auch nach gerichtlicher Aufforderung im Termin zur Erörterung am 25. Juni 2020 nicht vorlegen. Dafür hat sie im August 2020 ein „präzisiertes“ Fahrtenbuch vorgelegt, d.h. eine neue, mit Computer erstellte Zusammenstellung der zurückgelegten Einzelstrecken.
Diesem von der Klägerin annähernd 8 Jahre nach dem streitigen Zeitraum erstellten „präzisierten“ – nunmehr den steuerrechtlichen Vorgaben jedenfalls bezüglich der Dokumentation einzelner Fahrstrecken gerecht werdende - Fahrtenbuch kann jedoch keine Beweiskraft beigemessen werden. Denn dieses Fahrtenbuch ist weder fortlaufend noch zeitnah erstellt worden. Ob und in welchem Umfang dieses Fahrtenbuch die Wirklichkeit widerspiegelt, ist völlig offen. Es ist lebensfremd anzunehmen, eine Jahre nach Ablauf des streitigen Zeitraumes und Absolvierung der maßgeblichen Fahrten erstellte Auflistung könnte die Realität des Jahres 2012 wiedergeben, auch wenn die Klägerin auf vorhandene Belege, Notizen, Erinnerungen und errechenbare Fahrstrecken verweist. Vielmehr handelt es sich um weitgehende Spekulation, zumal schon das ursprüngliche Fahrtenbuch offensichtlich nicht tageweise Eintragungen enthielt, sondern nachträglich „in einem Guss“ erstellt worden ist. Von Vornherein haben die Fahrtenbücher daher keinerlei Gewähr dafür geleistet, dass sich die Wirklichkeit widerspiegeln. Selbst wenn man darüber hinweg sieht, dass das ursprünglich vorgelegte Fahrtenbuch „aus einem Guss“ erstellt worden ist, mangelt es diesem wiederum an der Dokumentation der einzelnen Fahrstrecken mit Darstellung des betrieblichen Zusammenhangs. Insgesamt fehlt es daher an einer schlüssigen Tatsachengrundlage für den Nachweis der überwiegenden betrieblichen Nutzung des oben genannten Kfz im streitigen Zeitraum. Andere Beweismittel hat die Klägerin nicht vorgelegt.
Selbst wenn der Senat jedoch dieses Fahrtenbuch seiner Entscheidungsfindung zugrunde legen würde, ergäbe sich aus diesem keine wenigsten 50%ige Nutzung für betriebliche Zwecke.
Aus dieser letzten Zusammenstellung ergeben sich 3.399 „geschäftlich“ gefahrene Kilometer, 999 „privat“ gefahrene Kilometer und 2.314 km „Arbeitsweg“. Jedoch sind von den „geschäftlich“ gefahrenen Kilometern 339 mit Fremdfahrzeugen (Kfz des Bruders, Mietwagen) zurückgelegte Kilometer abzuziehen, bei den Arbeitswegen aus demselben Grund 135 km. Damit wären rechnerisch insgesamt 3.216 km der „privaten“ Sphäre und 3.178 km der „betrieblichen“ Sphäre zuzuordnen. Folgt man den letzten Angaben der Klägerin wären also weniger als 50% der mit dem Kfz Citroen Jumper gefahrenen Kilometer i.S.d. SGB II der betrieblichen Sphäre zuzuordnen. Das Fahrtenbuch ist auch deshalb nicht geeignet, eine überwiegend betriebliche Nutzung dieses Kfz zu belegen.
Damit können die für das Kfz angefallenen Kosten wie Steuern, Reparaturen oder Versicherung nicht als Betriebsausgaben abgesetzt werden.
bb) Soweit der Beklagte nicht die vollen Telefonkosten i.H.v. 30,00 €, sondern lediglich die Hälfte (mithin 15,00 €) berücksichtigt hat, schließt sich der Senat dem an. Der vollen Berücksichtigung dieser Kosten steht zur Überzeugung des Senats bereits entgegen, dass eine ausschließlich betriebliche Nutzung des Telefonanschlusses nicht nachgewiesen ist.
cc) Über die von dem Beklagten bereits anerkannten sonstigen Ausgaben (B14g) hinaus (Oktober 2012 25,21 €, November 2012 52,00 € sowie Dezember 2012 130,99 €; insgesamt 208,20 €) sind für August 2012 69,60 € (netto; 15,55 € SCHUFA, 12,00 € BSR, 29,45 € Farbe/Lack sowie 12, 60 € Spiegel) und für September 2012 noch 39,82 € (netto; 27,87 € Tapete, 2 x 1,66 € Ratgeber, 7,55 € Memoboard und 1,08 € Schreibwaren) als notwendige betriebliche Ausgaben anzuerkennen.
dd) Von den Treibstoffkosten (B14f) stellen sich – dem Beklagten folgend – unter Anwendung von § 3 Abs. 7 Satz 5 Alg II-V 50% der von der Klägerin für den streitigen Zeitraum angegebenen Kosten i.H.v. 714, 46 € (mithin 357,23 €) als notwendige betriebliche Ausgabe dar. Hier gilt, dass Kosten und Umfang der privaten und unternehmerischen Fahrten zu schätzen sind, wenn sie nicht konkret ermittelt werden können (ständige Rechtsprechung der Finanzgerichte z.B. Beschluss des BFH vom 18.02.2008 - XI B 185/07 - juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.9.2011 – L 19 AS 1111/11 B ER – juris Rn. 23). Diese Schätzung erscheint auch unter Zugrundelegung des „nachgebesserten“ Fahrtenbuchs nicht abwegig. Multipliziert man den dort angegebenen Kilometerwert für geschäftliche Fahrten – ohne Arbeitswege – von richtigerweise 3.178 mit 0,10 € ergibt sich ein Wert von 317,80 € im Vergleich zu dem von Beklagten anerkannten - höheren - Betrag von 357,23 €.
ee) Der Beitrag zur Gewerbehaftpflichtversicherung stellt – wovon auch der Beklagte zutreffend ausgegangen ist - keine notwendige betriebliche Ausgabe dar, sondern ist erst im Rahmen der Einkommensbereinigung nach § 11b als Absetzungsbetrag zu berücksichtigen (vgl. zur Berufshaftpflicht als Pflichtversicherung: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.8.2016 – L 3 AS 4387/15 – juris Rn. 31 m.w.N.).
Es ist daher insgesamt im streitigen Zeitraum von Betriebsausgaben i.H.v. 16.158,50 € auszugehen:
B1 Wareneinkauf 5.786,15 €
B3 Raumkosten 6.802,07 €
B6 Werbung 476,36 €
B7c Reisekosten 53,30 €
B10 Büromaterial 8,46 €
B11 Telefonkosten 15,00 €
B14e Baumarkt 148,33 €
B14f Tanken 357,23 €
B14g Sonstiges 317,62 €
B17 gezahlte Vorsteuer 2.193,98 €
c) Nach alledem ist zur Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass die Klägerin im Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Dezember 2012 einen Gewinn i.H.v. insgesamt 2.316,80 € (Betriebseinnahmen i.H.v. 18.475,30 € abzüglich Betriebsausgaben i.H.v. 16.158,50 €) und damit pro Monat i.H.v. 463,36 € erzielt hat.
d) Letztlich zu Recht hat der Beklagte den Gewinn lediglich um den Grund- sowie den Erwerbstätigenfreibetrag zu bereinigt.
§ 11b Abs. 2 SGB II a.F. regelte, welche Beträge vom Einkommen abzusetzen sind. Bei einem Einkommen bis zu 400,00 € ist dabei – für Versicherungsbeiträge und Werbekosten - stets der Grundfreibetrag in Höhe von 100,00 € in Abzug zu bringen, bei höherem Einkommen, sofern nicht höhere Ausgaben nachgewiesen sind. Höhere berücksichtigungsfähige Ausgaben hat die Klägerin jedoch – wie sich unten stehend unter (3) ergibt - nicht nachgewiesen.
(1) Zu berücksichtigen sind insoweit zur Überzeugung des Senats neben der Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 € (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V a.F., hierunter fällt auch die Gewerbehaftpflicht) nur die Fahrkosten für Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 b) Alg II-V a.F. Nach der genannten Regelung sind bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges für die Fahrt zwischen Wohnung und Betriebs-/Arbeitsstätte für Wegstrecken zur Ausübung der Erwerbstätigkeit 0,20 € für jeden Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung vom Einkommen in Abzug zu bringen. Abgesehen davon, dass mithin nur der Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte, nicht hingegen der Rückweg zu berücksichtigen ist, kommt es allerdings auf die kürzeste Verbindung an. Dies sind nach Routenplaner rund 10 km.
(2) Die Kosten für die von der Klägerin vorgehaltene Kfz-Haftpflichtversicherung (267,12 € zzgl. 19% Versicherungssteuer ergibt 317,87 € halbjährlich sind - unabhängig davon, dass Versicherungsnehmerin die Mutter der Klägerin war – im streitigen Zeitraum nicht abzusetzen. Denn ausgehend vom Monatsprinzip im SGB II für die Zeit bis zur Änderung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Alg II-V zum 1.8.2016 durch Gesetz vom 26.7.2016 allerdings kann der Beitrag nur in dem Monat seiner Fälligkeit berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 11. November 2021 – B 14 AS 41/20 R – juris Rn. 32). Vorliegend wurde die Kfz-Haftpflichtversicherung halbjährlich (1. Halbjahr und 2. Halbjahr 2012) gezahlt. Der Beitrag für das erste Halbjahr wurde am 1.2.2012 abgebucht, der Beitrag für das 2. Halbjahr als 3.7.2012. Damit fielen beide Beiträge außerhalb der hier streitigen Zeitraums an.
(3) Daher können im Rahmen einer Berechnung nach § 11b Abs. 2 S. 2 SGB II a.F. nur folgende Absetzbeträge Berücksichtigung finden, die in der Summe den Grundfreibetrag von 100,00 € monatlich jedoch nicht übersteigen:
August 2012
Pauschbetrag für private Versicherungen (Gewerbehaftpflicht, private Haftpflicht) § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V a.F. |
30,00 € |
Fahrkosten (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 b) Alg II-V a.F.; lt. letzter Aufstellung der Klägerin, nur 1 Weg und kürzeste Strecke: BSG, Urteil vom 9.11.2010 – B 4 AS 7/10 R – juris Rn. 16; 10 km x 0,20 € x 20) |
40,00 € |
SUMME |
70,00 € |
September 2012
Pauschbetrag für private Versicherungen |
30,00 € |
Fahrkosten (10 km x 0,20 € x 25) |
50,00 € |
SUMME |
80,00 € |
Oktober 2012
Pauschbetrag für private Versicherungen |
30,00 € |
Fahrkosten (10 km x 0,20 € x 21) |
42,00 € |
SUMME |
72,00 € |
November 2012
Pauschbetrag für private Versicherungen |
30,00 € |
Fahrkosten (10 km x 0,20 € x 24) |
48,00 € |
SUMME |
78,00 € |
Dezember 2012
Pauschbetrag für private Versicherungen |
30,00 € |
Fahrkosten (10 km x 0,20 € x 4) |
8,00 € |
SUMME |
38,00 € |
Neben dem Grundfreibetrag ist aber noch der Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11b Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB II a.F. in Abzug zu bringen. Dieser beläuft sich ausgehend von einem monatlichen Gewinn in Höhe von 463,36 € auf 72,67 €, sodass sich ein monatliches anrechenbares Einkommen i.H.v. 290,69 € ermittelt.
Letztlich errechnet sich das monatliche anrechenbare Einkommen der Klägerin im streitigen Zeitraum damit wie folgt:
2. Das Einkommen der Klägerin ist im Verhältnis der Bedarfe der Mitglieder der BG zum Gesamtbedarf (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II) auf die individuellen Bedarfe der Klägerin sowie ihres Sohnes anzurechnen, sodass sich folgende Ansprüche der Klägerin errechnen:
B. Hatte die Klägerin mithin Anspruch auf endgültige Bewilligung von Leistungen in vorstehender Höhe statt der ihr vom Beklagten mit Bescheid vom 24. April 2013 endgültig bewilligten, reduziert sich der dem Grunde nach vom Beklagten zu Recht auf § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II a.F. i.V.m. § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III gestützte Erstattungsanspruch – wie die folgende Aufstellung zeigt – auf 172,57 €. Der Erstattungsbescheid des Beklagten vom 24. April 2013 war mithin entsprechend abzuändern.
Monat |
vorl. bewilligt wurden
|
Anspruch besteht auf
|
zu erstatten sind |
vom Beklagten verlangt wurden |
Differenzbetrag |
08/2012 |
457,13 € |
421,47 € |
35,66 € |
45,50 € |
9,84 € |
09/2012 |
457,13 € |
421,47 € |
35,66 € |
45,50 € |
9,84 € |
10/2012 |
457,13 € |
421,47 € |
35,66 € |
45,50 € |
9,84 € |
11/2012 |
424,10 € |
388,29 € |
35,81 € |
45,69 € |
9,88 € |
12/2012 |
457,13 € |
421,47 € |
35,66 € |
45,50 € |
9,84 € |
gesamt |
|
|
178,45 € |
227,69 € |
49,21 € |
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache. Die Klägerin ist im Wesentlichen unterlegen.
D. Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.