L 4 P 2064/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 P 1974/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 2064/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.


Tatbestand


Der Beklagte wendet sich gegen die Zahlung von Beiträgen zur privaten Pflegepflichtversicherung für die Monate November 2016 bis Februar 2020 in Höhe von 1.142,42 € nebst Mahn- und Bankrücklastkosten in Höhe von 11,50 €.

Der Beklagte schloss zum 1. Januar 2009 mit der Klägerin einen Vertrag über eine private Krankenversicherung einschließlich des Tarifs PVN über die private Pflegepflichtversicherung (PV) nach den jeweils geltenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung (MB/PPV). Die monatlich zu zahlenden PV-Beiträge betrugen ab dem 1. Januar 2015 20,43 € (Versicherungsschein vom 8. November 2014), ab dem 1. Januar 2017 24,71 € (Versicherungsschein vom 14. November 2016), ab 1. Januar 2019 34,74 € und ab 1. Januar 2020 45,82 €. Die Beiträge waren jeweils zum 1. eines Monats fällig. Die PV-Beiträge für die Zeit vom 1. November 2016 bis 29. Februar 2020 zahlte der Beklagte nicht.

Auf Antrag der Klägerin vom 16. März 2020 erließ das Amtsgericht C. (AG) am 17. März 2020 den dem Beklagten am 20. März 2020 zugestellten Mahnbescheid über eine Gesamtforderung von 1.462,83 € (Beiträge zur PV für November 2016 bis Februar 2020 1.142,42 €, Gerichtskosten 35,50 €, Rechtsanwaltskosten 71,70 €, Mahnkosten 1,50 €; Bankrücklastkosten 10,00 €, Anwaltsvergütung für vorgerichtliche Tätigkeit 201,71 €). Auf den am 20. März 2020 ohne Begründung eingegangenen Widerspruch des Beklagten und den Antrag der Klägerin auf Durchführung des streitigen Verfahrens vom 25. Juni 2020 gab das AG das Verfahren zur Durchführung eines Klageverfahrens an das Sozialgericht Karlsruhe (SG; Eingang 7. Juli 2020) ab.

Zur Begründung ihrer Forderung verwies die Klägerin unter Vorlage des Versicherungsantrags und der genannten Versicherungsscheine auf die vertragliche Verpflichtung zur Beitragszahlung, der der Beklagte im Zeitraum von November 2016 bis Februar 2020 vollumfänglich nicht nachgekommen sei.

Der Beklagte trat der Klage entgegen, ohne dies zu begründen.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten verurteilte das SG mit Gerichtsbescheid vom 13. Juni 2021 den Beklagten, an die Klägerin 1.142,42 € sowie vorgerichtliche Mahn-, Bankrücklast- und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 213,21 € zu zahlen. Die Klägerin habe aufgrund der zwischen ihr und dem Beklagten zustande gekommenen Pflegepflichtversicherung einen Anspruch auf Zahlung der rückständigen Beiträge zur privaten Pflegepflichtversicherung für die Zeit vom 1. November 2016 bis 29. Februar 2020. Eine Beendigung des Versicherungsschutzes liege nicht vor. Der Anspruch auf Zahlung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten sowie Mahn- und Bankrücklastkosten ergebe sich als Verzugsschaden. Zur Geltendmachung der außergerichtlichen Kosten im Mahnverfahren sei die Klägerin hingegen nicht berechtigt.

Gegen den ihm am 17. Juni 2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am selben Tag Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt, die er nicht begründet hat.

Am 16. Juli 2021 hat die Klägerin die Klage hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 € zurückgenommen (Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 16. Juli 2021, Bl. 23 der Senatsakten).

Der Beklagte beantragt (sachdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung im noch streitbefangenen Umfang für zutreffend.

Der Berichterstatter hat den Beklagten mit Schreiben vom 7. September 2021 (Bl. 29/30 der Senatsakten), zugestellt am 8. September 2021, unter Fristsetzung bis zum 29. September 2021 aufgefordert, die Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung er sich beschwert fühle, die Gründe darzulegen, aus denen nach seiner Sicht die angefochtene Entscheidung des SG rechtswidrig sei und aus denen nach seiner Sicht die ausgeurteilte Zahlungsverpflichtung nicht bestehe sowie alle Beweismittel hierfür zu bezeichnen bzw. vorhandene Beweismittel vorzulegen. Das Gericht könne nach Ablauf dieser Frist vorgebrachte Erklärungen und Beweismittel zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn deren Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreites verzögern würde und der Beklagte die Verspätung nicht genügend entschuldige. Der Beklagte hat hierauf nicht reagiert.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats und des SG Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

1. Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Denn das SG hat den Beklagten mit dem uneingeschränkt angefochtenen Gerichtsbescheid zur Zahlung in Höhe von insgesamt 1.355,63 € und damit mehr als 750,00 € verurteilt. Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, da mit der ordnungsgemäßen, ausweislich der Postzustellungsurkunde am 11. Dezember 2021 zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

2. Gegenstand des Verfahrens ist nur noch die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung rückständiger PV-Beiträge für den Zeitraum vom 1. November 2016 bis 29. Februar 2020 in Höhe von 1.142,42 € sowie Mahn- und Bankrücklastkosten in Höhe von 11,50 €. Nicht mehr Gegenstand sind die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 €. Insoweit hat die Klägerin die Klage am 16. Juli 2021 zurückgenommen (Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom
16. Juli 2021, Bl. 23 der Senatsakten), was bis zur – hier noch nicht eingetretenen – Rechtskraft möglich ist (§ 102 Abs. 1 Satz 1 SGG). Im Umfang der Klagerücknahme ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (§ 102 Abs. 1 Satz 2 SGG). Insoweit, also in Höhe von 201,71 €, ist der ergangene, noch nicht rechtskräftige Gerichtsbescheid wirkungslos geworden (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 102 Rn. 9 m.w.N.). Einer Teilaufhebung durch den Senat bedarf es daher nicht (vgl. § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 Zivilprozessordnung).

3. Die Berufung des Beklagten ist im noch streitgegenständlichen Umfang nicht begründet. Das SG hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung von Beitragen in Höhe von 1.142,42 € sowie Mahn- und Bankrücklastkosten in Höhe von 11,50 € verurteilt. Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf die geforderten PV-Beiträge für die Zeit von November 2016 bis Februar 2020 sowie die Nebenforderungen in der genannten Höhe.

a) Die Verpflichtung des Beklagten zur Beitragszahlung ergibt sich aus dem zwischen den Beteiligten bestehenden Vertrag über die private Pflegepflichtversicherung i.V.m. § 1 Satz 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Danach ist der Versicherungsnehmer – hier der Beklagte – verpflichtet, an den Versicherer – hier die Klägerin – die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten. Näheres regeln die MB/PPV, die Bestandteil des Vertrages geworden sind. Für die Beitragszahlung gilt § 8 MB/PVV. Nach dessen Abs. 1 ist vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 für jede versicherte Person ein Beitrag zu zahlen. Der Beitrag ist ein Monatsbeitrag und am Ersten eines jeden Monats fällig.

aa) Im streitigen Zeitraum vom 1. November 2016 bis 29. Februar 2020 bestand zwischen den Beteiligten ein diese Beitragspflicht auslösender Pflegeversicherungsvertrag. Dies entnimmt der Senat dem im sozialgerichtlichen Verfahren von der Klägerin vorgelegten, vom Beklagten unterschriebenen Versicherungsantrag mit Wirkung vom 1. Januar 2009, der den Tarif PVN über die private Pflegepflichtversicherung umfasst, sowie den vorgelegten Versicherungsscheinen. Aus diesen kann die ursprüngliche Annahmeerklärung geschlossen werden. Der Beklagte hat selbst zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens geltend gemacht, diesen Vertrag nicht geschlossen zu haben.

bb) Eine wirksame Kündigung des Pflegeversicherungsvertrages erfolgte zu keinem Zeitpunkt vor oder während des streitigen Zeitraums. Des Weiteren zahlte der Beklagte im streitbefangenen Zeitraum die PV-Beiträge nicht. Beides entnimmt der Senat dem schlüssigen Vortrag der Klägerin. Zweifel hieran bestehen nicht. Auch der Beklagte hat weder einen Beendigungstatbestand noch eine Beitragszahlung behauptet. Anhaltspunkte für solche bestehen nach dem Gesamtinhalt des Verfahrens nicht.

cc) Die Höhe der Beiträge zur Pflegeversicherung für den streitbefangenen Zeitraum vom 1. November 2016 bis 29. Februar 2020 in Höhe von insgesamt 1.142,42 € ergeben sich aus den von der Klägerin vorgelegten Versicherungsscheinen vom 8. November 2014 und 14. November 2016 mit den Beitragsanpassungen zum 1. Januar 2015 (monatlicher Beitrag 20,43 €) und 1. Januar 2017 (monatlicher Beitrag 24,71 €). Die Beitragserhöhungen ab 1. Januar 2019 auf 34,74 € und ab 1. Januar 2020 auf 45,82 € entnimmt der Senat dem schlüssigen Vortrag der Klägerin. An diesen zu zweifeln, besteht mangels abweichender Anhaltspunkte kein Anlass. Auch der Beklagte hat nichts Abweichendes behauptet. Danach besteht für die Monate November bis Dezember 2016 ein Betragsrückstand von 40,86 € (monatlicher Beitrag 20,43 € x 2 Monate), für Januar 2017 bis Dezember 2018 ein Betragsrückstand von 593,04 € (monatlicher Beitrag 24,71 € x 24 Monate), für Januar 2019 bis Dezember 2019 ein Beitragsrückstand von 416,88 € (monatlicher Beitrag 34,74 € x 12 Monate) und für Januar 2020 bis zum 29. Februar 2020 ein solcher von 91,64 € (monatlicher Beitrag 45,82 € x 2 Monate). Daraus ergibt sich der Gesamtbetrag von 1.142,42 €.

b) Der Beklagte hat die geltend gemachten Mahnkosten von 1,50 € als Verzugsschaden nach §§ 280 Abs. 2, 286 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu tragen. Der Schuldner kommt ohne Mahnung in Verzug, wenn er eine fällige Leistung, für die eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, nicht erbringt (§ 286 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB). Wie oben unter a) ausgeführt, waren Beiträge monatlich jeweils zum Ersten des Monats fällig, also zu einem nach dem Kalender bestimmten Zeitpunkt. Die geltenden gemachten Bankrücklastkosten in Höhe von 11,50 € stehen der Klägerin nach § 280 Abs. 1 BGB (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. September 2009 – Xa ZR 40/08 – juris, Rn. 11) zu. Dass diese Kosten entstanden sind entnimmt der Senat ebenfalls dem schlüssigen Vortrag der Klägerin. An diesem zu zweifeln, besteht mangels abweichender Anhaltspunkte kein Anlass. Auch der Beklagte hat nichts Abweichendes behauptet.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG. Auch wenn die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen hat, ist eine teilweise Erstattung außergerichtlicher Kosten des Beklagten nicht angemessen. Denn die Rücknahme der Klage betraf nur eine Nebenforderung. Hinsichtlich der Hauptforderung (PV-Beiträge) unterlag der Beklagte in vollem Umfang. Dieser hat auch die Gerichtskosten des Mahnverfahrens zu tragen. Nach § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat, wenn ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a SGG) ist. Da der Beklagte das Mahnverfahren durch seinen Zahlungsverzug veranlasst hatte, ist es sachgerecht, ihm die hierfür angefallenen Kosten aufzuerlegen.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

 

Rechtskraft
Aus
Saved