Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 09.11.2021 wird als unzulässig verworfen.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. bewilligt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragsgegners vom 18.11.2021, die dieser trotz wiederholter Ankündigung bis zum heutigen Tage nicht begründet hat, ist unzulässig. Zwar wurde sie form- und fristgerecht gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt; es fehlt jedoch (inzwischen) das für die gerichtliche Entscheidung erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
Das Sozialgericht Ulm (SG) hat in der angefochtenen Entscheidung vom 09.11.2021 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 23.09.2021, mit welchem der Antragsgegner den Bescheid vom 27.05.2021 über die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bis einschließlich Januar 2022 aufgehoben hat, angeordnet. Von der Anordnung der aufschiebenden Wirkung erfasst und streitgegenständlich sind somit vorliegend Leistungen nach dem SGB II bis einschließlich Januar 2022 in der mit Bescheid vom 27.05.2021 bewilligten Höhe. Mit Beschluss des erkennenden Senats vom 13.12.2021 (L 12 AS 3755/21 ER) ist der Antrag des Antragsgegners auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem Beschluss des SG abgelehnt worden. Dementsprechend hat der Antragsgegner, wie der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin in seiner Stellungnahme vom 20.01.2022 mitgeteilt hat, die streitgegenständlichen Leistungen mittlerweile bis einschließlich Januar 2022 ausbezahlt.
Damit ist das Rechtsschutzbedürfnis des Antragsgegners entfallen. Das Rechtsschutzbedürfnis als allgemeiner Grundsatz des Prozessrechts ist nur dann gegeben, wenn ein Rechtsuchender ein von der Rechtsordnung anzuerkennendes Interesse an der Inanspruchnahme der Gerichte hat. Es fehlt regelmäßig dann, wenn es einen einfacheren Weg gibt, das Ziel auch ohne gerichtliche Hilfe zu erreichen, aber auch dann, wenn eine Klage bzw. ein Rechtsmittel keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringt.
Letzteres ist dann der Fall, soweit entsprechend der Anordnung der aufschiebenden Wirkung in der erstinstanzlichen Entscheidung bereits Leistungen erbracht worden sind. Dann hat sich die Regelungswirkung des sozialgerichtlichen Beschlusses hinsichtlich der Verpflichtung des Antragsgegners erschöpft; es ist eine Erledigung durch die vorläufige Erfüllung eingetreten. Ein rechtlicher oder tatsächlicher Vorteil durch eine Aufhebung der Eilentscheidung ist nicht mehr gegeben (Bayerisches LSG vom 08.02.2017, L 8 SO 269/16 B ER, unter Aufgabe der zuvor vertretenen gegenteiligen Auffassung; Bayerisches LSG vom 14.04.2021, L 20 KR 81/21 B ER; Bayerisches LSG vom 25.06.2018, L 8 SO 49/18 B ER; LSG Hamburg vom 21.02.2018, L 4 SO 10/18 BER, alle juris; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.05.2018, L 9 AS 889/18 ER-B, nicht veröffentlicht; a.A. LSG Baden-Württemberg vom 17.10.2018, L 7 SO 3150/18 ER-B; Hessisches LSG, Beschluss vom 12.10.2018, L 9 AS 462/18 B ER; beide juris).
Denn im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes werden vorläufige Regelungen in Bezug auf ein Streitverhältnis bis zu einer endgültigen Entscheidung in der Hauptsache getroffen. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dient der vorläufigen Befriedigung eines behaupteten Anspruchs (Bayerisches LSG vom 08.02.2017, a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz schafft daher lediglich eine prozessuale Zwischenregelung, vorliegend die Verpflichtung zur Auszahlung von Leistungen an die Antragstellerin im titulierten Umfang. Das prozessuale Ziel des Antragsgegners, das er mit der Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 09.11.2021 verfolgt, ist daher die Aufhebung dieser vorläufigen Leistungsverpflichtung. Ist der Antragsgegner aber dieser bereits nachgekommen, hat sich das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erledigt.
Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass es der Antragsgegner in der Hand gehabt hat, durch eine zeitnahe Begründung der Beschwerde vor Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses eine Entscheidung des Senats in der Sache herbeizuführen. Durch die bis zum heutigen Tage unterbliebene Beschwerdebegründung hat er selbst eine Ursache dafür gesetzt, dass der Senat nicht vor der Auszahlung sämtlicher streitgegenständlicher Leistungen und dem damit einhergehenden Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses über die Beschwerde entscheiden konnte.
Die Beschwerde bleibt somit ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beruht auf den §§ 73a SGG, 114 ff. ZPO.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 2285/21 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3572/21 ER-B
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Beschluss
Rechtskraft
Aus
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