L 12 AL 3151/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 160/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 3151/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29.09.2020 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Tatbestand


Streitig ist, ob der Klägerin noch einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld zusteht.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin Arbeitslosengeld bis 15.01.2017.

Mit Schreiben vom 06.03.2018 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie zeige Herrn F. an. Dieser habe sie ohne Anmeldung beschäftigt. In den Monaten Oktober bis Dezember 2016 habe sie 43 Stunden pro Woche gearbeitet; ab 01.12.2017 habe sie die Arbeitszeit auf 22 Stunden wöchentlich reduziert. Geld habe sie nicht erhalten, sie habe nur dort gewohnt.

Daraufhin hob die Beklagte mit Bescheid vom 13.03.2018 die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 10.10.2016 wegen Beschäftigungsaufnahme auf und forderte mit Erstattungsbescheid ebenfalls vom 13.03.2018 einen Betrag von 3.213,12 € zurück. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2018 zurück.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht (SG) Reutlingen mit Urteil vom 06.08.2019 ab (S 5 AL 866/18). Im dagegen angestrengten Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg wurde am 25.11.2019 ein Erörterungstermin durchgeführt (L 3 AL 3051/19), in welchem die Klägerin die Berufung zurücknahm.

Den von der Klägerin im Erörterungstermin gestellten Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab 06.03.2018 für weitere 96 Tage lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.12.2019 ab, weil die Klägerin sich nicht persönlich arbeitslos gemeldet habe. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 02.01.2020). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Bezugszeitraum sei zunächst ausgeschöpft worden und habe am 15.01.2017 geendet. Aufgrund der Mitteilung der Klägerin sei dann die Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 10.10.2016 bis 15.01.2017 aufgehoben und das entsprechend erhaltene Arbeitslosengeld zurückgefordert worden. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld, der am 01.10.2015 entstanden sei, sei am 30.09.2019 erloschen. Bis zu diesem Zeitpunkt lägen weder eine Arbeitslosmeldung noch ein Antrag auf Arbeitslosengeld vor. Innerhalb des Zeitkorridors vom 01.10.2015 bis 30.09.2019 sei lediglich die neue Anschrift der Klägerin in W übermittelt worden.

Hiergegen hat die Klägerin am 23.01.2020 Klage beim SG Konstanz erhoben und die Nachzahlung von 96 Tagen Arbeitslosengeld beantragt. Sie hat geltend gemacht, sie habe nach ihrem Umzug nach W und Ummeldung am 26.09.2018 innerhalb der folgenden Woche bei der Beklagten vorgesprochen.

Das SG Konstanz hat am 22.06.2020 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt und dabei die Ehefrau der Klägerin, M, als Zeugin vernommen.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.09.2020 hat das SG Konstanz die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Gewährung eines Restanspruchs von Arbeitslosengeld aus dem am 01.10.2015 erworbenen Anspruch habe die Beklagte zu Recht abgelehnt. Dieser Anspruch sei nach Ablauf von vier Jahren erloschen. Ein Nachweis über eine persönliche Arbeitslosmeldung bis zum 30.09.2019 liege nicht vor. Eine von der Klägerin geltend gemachte Vorsprache bei der Beklagten sei nicht bewiesen.

Dagegen hat die Klägerin am 07.10.2020 Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingelegt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 29.09.2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.12.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.01.2020 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld ab 06.03.2018 für 96 Tage zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Sie erachtet die Entscheidung des SG für zutreffend.

Das Senatsschreiben vom 08.10.2021 ist dem LSG Baden-Württemberg am 18.10.2021 mit dem Vermerk, dass die Empfängerin unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln sei, zurückgegeben worden. Eine Anfrage beim zuständigen Einwohnermeldeamt hat ergeben, dass die Klägerin am 26.07.2021 ausgezogen und eine Anschrift nicht bekannt sei. Am 20.10.2021 teilte das Einwohnermeldeamt eine Telefonnummer der Klägerin mit, unter der diese möglicherweise zu erreichen sei. Am 26. sowie 27.10.2021 sind telefonische Kontaktversuche erfolglos geblieben; auf die auf der Mailbox hinterlegten Bitten um Rückruf sind keine Reaktionen erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung ist bereits unzulässig, da es an der ungeschriebenen Sachurteilsvoraussetzung der Benennung einer ladungsfähigen Anschrift der Klägerin fehlt.

Die Prüfung der Zulässigkeit der Berufung beschränkt sich nicht nur auf die in § 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausdrücklich genannten Punkte der Statthaftigkeit (§§ 143, 144 SGG), Frist (§ 143 Abs. 1 SGG) und Form der Berufung (§§ 151 Abs. 1, 65a SGG). Vielmehr umfasst die Norm alle anderen Gründe, die zur Unzulässigkeit führen, wie z.B. die fehlende Beschwer des Berufungsklägers, Prozessunfähigkeit, ordnungsgemäße Vollmachtserteilung oder mangelnde Beteiligtenfähigkeit (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 20.07.2011, B 13 R 97/11 B, juris; Sommer in Roos/Wahrendorf/Müller, BeckOGK SGG, § 158 Rn. 6, Stand 01.01.2021).

Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG, der über die Verweisungsnorm des § 153 Abs. 1 SGG entsprechend auch im Berufungsverfahren anwendbar ist, muss die Klage- bzw. Berufungsschrift den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Das erfordert grundsätzlich auch die Angabe des vollständigen Namens und der ladungsfähigen Anschrift, unter der der Beteiligte tatsächlich jedenfalls für eine gewisse Zeit zu erreichen ist. Dabei muss der Kläger die Anschrift mit Wohnungsangabe nach Ort, Straße, Hausnummer aufgeschlüsselt und ggf. weiteren Unterscheidungsmerkmalen ohne Rücksicht auf den Wohnsitz im Rechtssinne angeben (dazu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13.04.1999, 1 C 24/97; Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.03.1986, VI ZR 242/84; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 15.07.2021, L 15 AS 260/20; alle juris). Die bloße Angabe einer Email-Adresse, einer Telefonnummer (BSG, Beschluss vom 18.11.2003, B 1 KR 1/02 S, juris; LSG Baden-Württemberg, L 12 AL 3092/20, n.v.) oder eines Postfachs genügen nicht (LSG Baden-Württemberg, L 7 SO 4619/15, juris; LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Bei dem Erfordernis der Anschriftenangabe des Rechtsuchenden handelt es sich um eine wesentliche, ungeschriebene Sachurteilsvoraussetzung eines jeden Rechtsschutzbegehrens, also auch der Berufung. Unterlässt der Kläger die Angabe seiner (aktuellen) Anschrift und ergibt sich diese auch nicht aus den Akten oder durch weitere Ermittlungen, ist das Rechtsschutzbegehren grundsätzlich unzulässig (BSG, a.a.O.; LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Die Anschrift des Klägers muss danach zwar grundsätzlich nicht vom Kläger angegeben oder wiederholt werden, wenn sie sich aus den Leistungsakten der Behörde ergibt, sonst bekannt ist oder sich auf andere Weise ohne Schwierigkeiten feststellen lässt. Es obliegt allerdings nach Auffassung des Senats dem Kläger im Rahmen der gesetzlich geregelten Mitwirkungspflichten nach § 103 SGG, eine Änderung der Adresse während des Verfahrens mitzuteilen und dadurch zu gewährleisten, dass er während des gesamten Verfahrens für das Gericht erreichbar bleibt (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06.11.2009, 2 BvL 4/07 zu § 65 Abs. 1 FGO, juris; LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.).

Die Klägerin hat ihre aktuelle Adresse nicht mitgeteilt. Die Schreiben, die an die von der Klägerin angegebene Anschrift gerichtet waren, kamen mit dem Vermerk „unbekannt verzogen“ zurück. Ihre aktuelle Adresse lässt sich auch nicht ermitteln. Eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt verlief ergebnislos. Unter der vom Einwohnermeldeamt mitgeteilten Rufnummer war die Klägerin ebenfalls nicht erreichbar. Eine auf die Mailbox der Klägerin gesprochene Bitte um Rückruf war ebenfalls nicht erfolgreich.

Aus diesem Grund ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

Rechtskraft
Aus
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