L 14 R 125/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 14 R 655/21
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 R 125/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 29.11.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, „dass er weiterhin Rentner ist“.

Die Beklagte bewilligte dem am 00.00.1983 geborenen Kläger eine zunächst von Mai 2015 bis April 2018 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung (Bescheid vom 04.07.2016); diese bewilligte die Beklagte anschließend rückwirkend ab Februar 2015 und auf Dauer (Bescheid vom 04.01.2017; monatliche Rentenhöhe 243,36 € brutto). Der Kläger erhält zudem aufstockende Sozialleistungen.

Mit Klage (S 14 R 655/21) sowie Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (S 14 R 654/21 ER) vom 01.10.2021 hat der Kläger die Feststellung begehrt, „dass er weiterhin Rentner ist“.

Im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz hat die Beklagte die Rentenbescheide vom 04.07.2016 und 04.01.2017 übersandt und mitgeteilt, der Kläger stehe laufend im Rentenbe­zug; eine Entziehung der Rente sei nicht erfolgt; eine erneute Feststellung sei nicht erforder­lich (Schriftsatz vom 12.10.2021). Mit Beschluss vom 05.11.2021 hat das Sozialgericht Münster (SG) den Antrag abgelehnt; es fehle am Rechtsschutzbedürfnis; der Kläger habe keinen An­spruch auf gerichtliche Entscheidung, weil die Beklagte das Bestehen des Rechts des Klägers auf Erwerbsminderungsrente auf Dauer (bis zum Erreichen der Regelalters­grenze im Februar 2050) im Verfahren nochmals eindeutig bestätigt habe. Die dagegen ge­richtete Beschwerde vom 16.11.2021 („Die Gegenseite verweigert weiter­hin die Bearbeitung meiner Anliegen, als sei ich kein Rentner“) hat das Landessozialgericht NRW (LSG) mit Be­schluss vom 19.01.2022 aus den weiterhin zutreffenden Gründen des  angefochtenen Be­schlusses des SG vom 05.11.2021 zu­rückgewiesen (L 14 R 1026/21 B ER). Die dagegen gerichtete Anhörungsrüge des Klägers vom 01.02.2022 („Gehörsrüge gegen L 14 R 1026/21 B ER, Art. 1 GG“) hat das LSG mit Beschluss vom 18.02.2022 als unzulässig verworfen, weil es an der fristgerechten Darlegung einer ent­scheidungserheblichen Gehörsverletzung fehle (L 14 R 108/22 B ER RG).

Im Klageverfahren hat die Beklagte auf ihre im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (S 14 R 654/21 ER) gemachten Ausführungen verwiesen. Das SG hat die Klage nach vorheriger An­hörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 29.11.2021 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bereits die Zulässigkeit der Klage sei nicht gegeben, weil es am allgemei­nen Rechtsschutzbedürfnis als auch am gesonderten Feststellungsinteresse des Klägers für die Klage fehle, § 55 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dieses liege nicht vor, wenn die erstrebte gerichtliche Entscheidung dem Kläger keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen kön­ne; ein solcher Vorteil sei hier nicht ersichtlich, da der Kläger seit 2015 unstreitig Rente wegen Erwerbsminderung beziehe, was die Beklagte im vorliegenden Verfahren auch nochmals bestä­tigt habe. Die Klage sei darüber hinaus auch offensichtlich unbegründet, weil die Beklagte mit keinem Wort bezweifle, dass der Kläger Rentner sei, was sie mit Schriftsatz vom 12.10.2021 klar zum Ausdruck gebracht habe.

Mit der Berufung vom 14.12.2021 gegen den ihm am 08.12.2021 zugegangenen Gerichtsbescheid trägt der Kläger (einzig) vor: „Man kürzt mir die Rente und behandelt mich auch sonst nicht wie einen wirklichen Rentner“.

Die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.03.2022 um 14:00 Uhr ist dem Kläger per Postzustellungsurkunde am 05.03.2022 zugestellt worden. Das persönliche Erscheinen des Klägers zum Termin hat der Senat nicht angeordnet. In der Ladung zum Termin ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass es ihm freistehe, zu der Verhandlung zu erscheinen und auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne. Reisekosten, sonstige Auslagen und Verdienstausfall würden nicht vergütet, es sei denn, dass das Gericht das Erscheinen des Klägers für geboten halte.

Mit am 15.03.2022 eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger einen Fahrtkostenvorschuss für diesen Termin beantragt. Er bekomme wegen seiner geringen Rente Grundsicherung. Hiervon könne er sich die Fahrt nicht leisten. Er wolle aber unbedingt teilnehmen, schon alleine weil der Senat ohne seine Anwesenheit kein richtiges Urteil „hinbekomme“.

Mit Schreiben vom 15.03.2022 hat der Vorsitzende den Kläger darauf hingewiesen, dass sein Erscheinen im Verhandlungstermin nicht angeordnet sei, so dass auch eine Erstattung von Fahrtkosten nicht in Betracht käme. Ein Fahrtkostenvorschuss komme deshalb nicht in Betracht. Selbstverständlich stehe es dem Kläger frei, am Termin teilzunehmen, ohne dass sein persönliches Erscheinen hierzu angeordnet sei. Es sei ihm dann allerdings auch zumutbar, die hierfür anfallenden Beförderungskosten mit öffentlichen Verkehrsmitteln von N nach Essen aus der von ihm bezogenen Rente zuzüglich der von ihm ergänzend bezogenen Sozialleistungen zu tragen.

Das Schreiben ist dem Kläger am selben Tag vorab per E-Mail an seine aus den zahlreich von ihm weiterhin geführten Verfahren bekannte Adresse a@gmx.de zugestellt worden. Ferner ist der Kläger am 15.03.2022 telefonisch von Seiten des Senats darauf hingewiesen worden, dass ihm dieses Schreiben vorab per E-Mail zugesandt worden und auch per Post unterwegs sei. Ebenfalls ist der Kläger in diesem Telefonat davon in Kenntnis gesetzt worden, dass seinem Antrag nicht entsprochen wird.

Der Kläger ist zum Termin der mündlichen Verhandlung des Senats nicht erschienen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten S 14 R 654/21 ER und S 14 R 277/09  beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Betei­ligten wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte Bezug ge­nom­men, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats war.

 

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Abwesenheit des Klägers in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, weil dieser in der Ladung auf diese Verfahrensmöglichkeit hingewiesen worden ist, §§ 110 Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 1, 126 SGG.

Die Unterschreitung der zweiwöchigen Ladungsfrist des § 110 Abs. 1 Satz 1 SGG um einen Tag ist unschädlich, da es sich bei dieser Soll-Regelung um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller /Leitherer/Schmidt, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage, 2020, Rn. 13 zu § 110 SGG m.w.N.).

Das persönliche Erscheinen des Klägers war nicht angeordnet, § 111 Abs. 1 Satz 1 SGG. Der Senat war auch nicht gehalten, dem Kläger den beantragten Fahrtkostenvorschuss zu gewähren. Hierbei kann dahinstehen, ob der Kläger im Hinblick darauf, dass der Senat seinen drei Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 15.03.2022 gestellten Antrag auf Fahrtkostenvorschuss denknotwendig auch erst (frühestens) – wie geschehen – am 15.03.2022 (negativ) bescheiden konnte, gehalten war, etwaige Einwände gegen diese Ablehnung noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.03.2022 geltend zu machen (vgl. dazu: BSG, Beschluss vom 17.12.2020, B 1 KR 26/20 B, Rn. 6 m.w.N., juris). Denn der Senat ist nicht verpflichtet, dafür Sorge zu tragen (etwa durch Anordnung des persönlichen Erscheinens unter Übernahme der Fahrtkosten), dass jeder Beteiligte auch persönlich vor Gericht auftreten kann. Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und § 62 SGG verlangen nicht, dass der Beteiligte selbst gehört wird (BSG, Beschluss vom 23.04.2009, B 13 R 15/09 B, Rn. 11 m.w.N., juris). Vielmehr ist der Senat auch bei einem – wie hier – nicht rechtskundig vertretenen mittellosen Kläger lediglich gehalten, über einen von diesem gestellten Antrag auf Fahrtkostenvorschuss rechtzeitig eine Entscheidung herbeizuführen (BSG, Beschluss vom 11.02.2015, B 13 R 329/13 B, Rn.11).

Dies ist mit Schreiben des Vorsitzenden vom 15.03.2022 geschehen. Da der Senat eine reine Rechtsfrage zu entscheiden hatte, war das Erscheinen des Klägers im Termin auch nicht zur (weiteren) Sachverhaltsaufklärung geboten (vgl. dazu: BSG, Beschluss vom 23.04.2009, aaO, Rn. 11), weshalb dieser Antrag abgelehnt worden ist.

Die zulässige – insbesondere fristgerecht eingelegte - Berufung ist unbegründet, weil das SG die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen hat. Denn für die Klage mangelt es am Vorlie­gen des erforderlichen Feststellungs­interesses des Klägers.

Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 und Halbsatz 2 SGG kann mit der Klage die Feststellung des Beste­hens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtig­tes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Ein solches berechtigtes Interesse hat der Kläger nicht. Hierzu hat das SG in den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheides vom 29.11.2021  be­reits zutreffend ausgeführt, dass ein solches berechtigtes Interesse nicht vorliegt, wenn die er­strebte gerichtliche Entscheidung dem Kläger keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil brin­gen kann, und dass ein solcher Vorteil hier nicht ersichtlich ist, da der Kläger seit 2015 unstreitig Rente wegen Erwerbsminderung bezieht, was die Beklagte im vorliegenden Ver­fahren auch nochmals bestätigt hat.

Dem schießt der Senat sich an und ergänzt: Gegenstand der Feststellungsklage gemäß § 55 SGG können die in Absatz 1 Nrn. 1 bis 4 und Absatz 2 näher bezeichneten Gegenstände sein. Dabei kann nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG mit der Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbeste­hens ei­nes Rechtsverhältnisses begehrt werden, wie es hier der Fall ist. Denn der Klä­ger begehrt festzustellen, dass hier ein bestimmtes Rechts­verhältnis zur Beklagten – als Rentner - besteht. Wenn aber zwischen den Beteiligten ei­nes Rechtsverhältnisses kein Meinungs­streit über das Rechtsverhältnis besteht, fehlt es an einem berechtigten Interesse an der (baldigen) Feststellung im Sinne des Abs. 1 Halb­satz 2 des § 55 SGG bzw. am Vorliegen eines geschützten Interesses an einer gerichtli­chen Entscheidung, mithin am Vorliegen des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses (Böt­tiger in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 55 SGG,  Rn. 5a m.w.N., juris).

Ein Mei­nungs­streit über das Bestehen eines be­stimmten Rechtsverhältnisses des Klägers zur Be­klagten – als Rentner – besteht aber nicht. Die Beklagte hat dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer bewilligt und diese auch nicht entzogen; ge­nau dies hat sie im Verfahren S 14 R 654/21 ER mit Schriftsatz vom 12.10.2021 bestätigt und hierauf im hier zugrunde liegenden Klage­verfahren verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Absatz 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht erfüllt sind.

 

 

Rechtskraft
Aus
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