L 7 AS 351/22 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 41 AS 2721/21 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 351/22 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22.02.2022 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über die vom Sozialgericht tenorierte Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme des Regelbedarfs gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II hinaus deren Verpflichtung zur Übernahme der Bedarfe für Unterkunft und Heizung iSv § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II.

Der am 00.00.1985 geborene Antragsteller verfügt nach Aktenlage über  eine abgeschlossene Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann und Betriebswirt. Er beantragte nach dem Verlust einer geringfügigen Beschäftigung erstmals am 22.12.2014 bei der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Antragsteller fügte dem Antrag den Mietvertrag über die von ihm auch nunmehr noch bewohnte Wohnung N-Straße 88 in K bei, gemäß dem er eine monatliche Kaltmiete iHv 315 € und eine monatliche Betriebskostenvorauszahlung iHv 80 € zu entrichten hatte. Die Antragsgegnerin bewilligte dem Antragsteller für die Zeit ab dem 01.01.2015 Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Bedarfe für Unterkunft und Heizung, ab April 2015 durchgehend ohne Berücksichtigung von Einkommen. Im Rahmen des Weiterbewilligungsantrages vom 14.12.2016 zeigte der Antragsteller der Antragsgegnerin an, seit dem 00.11.2016 mit der am 00.00.1984 geborenen spanischen Staatsangehörigen A verheiratet zu sein. Diese sei bereits am 02.11.2016 bei ihm eingezogen. Der Antragsteller erklärte, seine Ehefrau habe bis zur Heirat im elterlichen Haushalt in Spanien gelebt. Sie sei gesundheitlich nicht in der Lage, Termine oder Vorsprachen wahrzunehmen. Die Antragsgegnerin bewilligte mit Bescheid vom 02.01.2017 zunächst nur dem Antragsteller Leistungen in Gestalt des Regelbedarfs für Alleinstehende und der hälftigen Bedarfe für Unterkunft und Heizung und führte aus, die Ehefrau werde bis zur Klärung des zuständigen Leistungsträgers in dessen „Haushaltsgemeinschaft aufgenommen“. Mit Änderungsbescheid vom 25.01.2017 bewilligte die Antragsgegnerin auch der Ehefrau des Antragstellers Leistungen, entzog diese jedoch mit Bescheid vom 19.04.2017 für die Zeit ab dem 01.05.2017 unter Verweis auf eine fehlende Mitwirkung bei der Klärung der Anspruchsvoraussetzungen. In den Folgezeiträumen bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller wiederum Leistungen unter Berücksichtigung des Regelbedarfs für Alleinstehende und der hälftigen Bedarfe für Unterkunft und Heizung; es sind weder eine Bewilligung von Leistungen an die Ehefrau des Antragstellers noch Versuche einer Klärung ihrer gesundheitlichen Situation erkennbar. Eine entsprechende Bewilligung von Leistungen an den Antragsteller erfolgte zuletzt mit Bescheid vom 28.12.2020 für die Zeit vom 01.01.2021 bis zum 31.12.2021. Mit Schreiben vom 08.02.2021 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, zu erläutern, wie er seit Mai 2017 seinen Lebensunterhalt bestreite, obwohl seine Ehefrau weder Leistungen noch anderweitiges Einkommen beziehe. Nach Entziehung der Leistungen für die Zeit ab dem 01.04.2021 mit Bescheid vom 01.03.2021 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller in Umsetzung eines beim Sozialgericht Gelsenkirchen geführten Eilverfahrens (S 36 AS 845/21 ER) mit Bescheid vom 04.05.2021 Leistungen für die Zeit von Juni 2021 bis Dezember 2021 unter Berücksichtigung des Regelbedarfs für Partner gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II und der hälftigen Bedarfe für Unterkunft und Heizung.

Am 20.12.2021 beantragte der Antragsteller die Weiterbewilligung der Leistungen. Mit Bescheid vom 22.12.2021 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers sei zweifelhaft, denn nach Abzug der Fixkosten verbleibe lediglich ein Betrag von 105 € für zwei Personen. Es sei nicht erkennbar, wie der Antragsteller und seine Ehefrau hiervon ihren Lebensunterhalt ohne (nicht angegebenes) Einkommen oder Vermögen bestreiten könnten.

Am 28.12.2021 erhob der Antragsteller Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 28.12.2021. Seine Ehefrau erhalte von ihm auch angegebene familiäre Geldzuwendungen iHv 150,00 € monatlich, die die Antragsgegnerin bei der Berechnung der ihm zur Verfügung stehenden Mittel nicht berücksichtigt habe. Die nunmehrige Erwähnung seiner Ehefrau „verdutze“ ihn, denn diese beziehe keine Leistungen und ein entsprechender Leistungsbezug sei auch „generell kein Thema“ gewesen, so dass er diesbezüglich keine Relevanz sehe.

Am 30.12.2021 hat der Antragsteller beim Sozialgericht beantragt,  die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, seinen „Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II“ zu bewilligen. Er hat seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt, insbesondere darauf hingewiesen, dass seine Ehefrau keine Leistungen beziehe. Der Antragsteller hat auf Bitte des Sozialgerichts, sämtliche Kontoauszüge für die letzten drei Monate vorzulegen, mit Schriftsatz vom 06.02.2022 Kontoauszüge für sein Konto 01 für die Zeit vom 01.11.2021 bis zum 03.02.2022 sowie Kontoauszüge für das Konto seiner Ehefrau Konto 02 für die Zeit vom 16.11.2021 bis zum 03.02.2022 vorgelegt. Der Gesamtguthabenstand beläuft sich hiernach auf 810,96 €. Das Konto der Ehefrau des Antragstellers weist mehrere Überweisungen von Herrn L (16.11.2021: 250 €, 07.12.2021: 150 €, 03.01.2022: 300 €, 31.01.2022: 150 €) Der Antragsteller hat hierzu erklärt, seine Ehefrau erhalte von ihrem Vater eine Unterstützung iHv monatlich 150 €.  Aus den Kontoauszügen des Antragstellers sind Abbuchungen für die Miete iHv jeweils 395 € (03.11.2021 und 06.12.2021) und für Strom iHv 69 € (03.11.2021, 06.12.2021, 07.01.2022) ersichtlich. Im Monat Januar 2022 hat der Antragsteller 120 € (jeweils 60 € am 07.01.2022 und am 23.01.2022), seine Ehefrau 100 € (50 € am 14.01.2022 und 50 € am 21.01.2022) abgehoben. Auf den Kontoauszügen finden sich einige Zahlungen an den Versandanbieter Amazon; weiter geht aus dem Konto der Ehefrau des Antragstellers eine Zahlung an die E GmbH am 25.01.2022 iHv 39,95 € hervor.

Mit Beschluss vom 22.02.2022 hat das Sozialgericht den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vom 30.12.2021 bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens jedoch für sechs Monate, Leistungen nach dem SGB II in Gestalt des Regelbedarfs zu zahlen, und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Zwar habe der Antragsteller seine Hilfebedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht. Da diese im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht geklärt werden könne, seien ihm jedoch Leistungen in Wege einer Folgenabwägung zuzusprechen. Im Hinblick auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung habe der Antragsteller keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Gegen diesen ihm am 01.03.2022 gegen Postzustellungsurkunde zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 08.03.2022 Beschwerde eingelegt und beantragt, die Antragsgegnerin auch zur Zahlung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu verpflichten. Zwar seien er und seine Ehefrau in der Lage gewesen, mit ihrem monatlichen Einkommen und aus gebildeten Rücklagen ihre Lebenshaltungskosten iHv 255 € und ihre Festkosten iHv 182 € zu bestreiten. Die Miete sei jedoch seit Januar nicht mehr gezahlt worden und der Vermieter habe ihm mit einer Räumungsklage gedroht. Der Antragsteller hat seinem Schriftsatz ein Schreiben des Herrn Y mit entsprechendem Inhalt beigefügt. Der Senat hat den Antragsteller mit der Eingangsverfügung gebeten, zu konkretisieren, für wen er Leistungen geltend mache, und seine ausstehenden Kontoauszüge angefordert. Der Antragsteller hat hierzu mit Schriftsatz vom 28.03.2022 erklärt, „Nachzahlungen der anteiligen Mietkosten“ für die Zeit ab dem 31.12.2021 zu beanspruchen. Die Mietzahlung für März sei inzwischen beglichen, weil der Regelbedarf komplett für die laufende Miete eingesetzt und der Lebensunterhalt aus den Rücklagen bestritten werden müsse, sei es indes nicht möglich gewesen, die Miete für Januar und Februar zu begleichen. Der Antragsteller hat weitere Auszüge seines Kontos und des Kontos seiner Ehefrau übersandt. Auf das Konto der Ehefrau sind weitere Überweisungen von Herrn L iHv 150 € (28.02.2022) und 300 € (25.03.2022) erfolgt. Aus den Kontoauszügen des Antragstellers ergibt sich eine Überweisung der Miete an Herrn Y iHv 395 € am 11.03.2022. Weiter sind  im Februar 2022 vom Konto des Antragstellers eine Barabhebung iHv 50 € (03.02.2022) und vom Konto seiner Ehefrau Barabhebungen iHv insgesamt 150 € (jeweils 50 € am 10.03.2022, 17.03.2022 und 24.03.2022) erfolgt; im Monat März 2022 belaufen sich die Barabhebungen vom Konto des Antragstellers auf 300 € (Auszahlung iHv 100 € am 12.03.2022 und iHv 200 € am 21.03.2022), die Ehefrau hat von ihrem Konto 100 € abgehoben (jeweils 50 € am 03.03.2022 und am 10.03.2022). Am 08.02.2022 ist von dem Konto der Ehefrau des Antragstellers eine Überweisung an die F GmbH iHv 80,03 € erfolgt. Auf nochmalige ausdrückliche Anfrage des Senats, für wen er Leistungen geltend mache, hat der Antragsteller erklärt, nur Leistungen für sich geltend zu machen. Es gehe damit um die anteiligen Mietkosten für Januar 2022 bis April 2022. Die größten Einsparungen hätten er und seine Ehefrau dadurch, dass sie nur Leitungswasser tränken und ihren eigenen Fleischersatz auf der Grundlage von der Fa. E bezogenen Weizenkleber herstellten, der sie nur 8,82 € pro Monat koste. Sie nutzten weder Auto noch öffentliche Verkehrsmittel und gäben auch für Freizeitaktivitäten kein Geld aus. Die reguläre monatliche Unterstützung der Eltern seiner Ehefrau belaufe sich auf 150 €. Im April 2022 habe er 198,77 € erhalten. Seit Mai 2022 verdiene er monatlich etwa 780 € und beziehe keine Leistungen mehr. Der Vermieter des Antragstellers, Herr Y, hat auf Anfrage des Senats erklärt, es bestehe ein Rückstand von zwei Monatsmieten iHv insgesamt 790 €. Aktuell zahle der Antragsteller seine Miete. Eine Kündigung oder Räumungsklage drohe aktuell noch nicht.

 

II.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist gemäß den Erklärung des Antragstellers in seinen Schriftsätzen vom 28.03.2022 und vom 27.05.2022 nur die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme  seiner anteiligen laufenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung iSv § 22 Abs. 1 SGB II für die Monate Januar 2022 bis April 2022 iHv insgesamt 790 € (4 x 195 €). Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von Leistungen für seine Ehefrau ist somit nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Die nachträgliche Einbeziehung der Ehefrau des Antragstellers in das Beschwerdeverfahren im Wege des „Heraufholens von Prozessresten“  ist darüber hinaus bereits deshalb nicht geboten, weil im Zweifel davon auszugehen ist, dass mit einer Klage bzw. einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt wird, was von dem Beklagten im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren verweigert  wurde (vgl. hierzu Senatsurteil vom 21.06.2018  – L 7 AS 834/16, Senatsbeschluss vom 16.03.2020 – L 7 AS 37/20 B ER), die Beteiligten im zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren aber ausdrücklich nur um einen Leistungsanspruch des Antragstellers gestritten haben. Auch der Zeitraum  ab dem 01.05.2022 ist gemäß der ausdrücklichen Erklärung des Antragstellers, der sich aus dem Leistungsbezug der Antragsgegnerin abgemeldet hat, nicht Verfahrensgegenstand.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung abgelehnt.

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 ZPO). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung zu ermitteln (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschlüsse vom 20.02.2019 – L 7 AS 1916/18 B ER und vom 30.08.2018 – L 7 AS 1268/18 B ER). Können ohne Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05). Bei offenem  Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend zu berücksichtigen hat (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur  Beschlüsse vom 20.02.2019 – L 7 AS 1916/18 B ER und vom 30.08.2018 – L 7 AS 1268/18 B ER).

Der Antrag ist nicht begründet. Bereits ein Anordnungsanspruch des Antragstellers ist fraglich, weil ernsthafte Zweifel an seiner Hilfebedürftigkeit  iSv  §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II bestehen. Der Senat hält es nicht für glaubhaft, dass der Antragsteller und seine entgegen der nicht nachvollziehbaren Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II seiner Bedarfsgemeinschaft zuzuordnende Ehefrau ihren Lebensunterhalt mit einer kleineren Unterbrechung seit Ende 2016 allein mit den Leistungen des Antragstellers und einer Unterstützung seines Schwiegervaters iHv 150 € decken können, ohne dass ihnen gegenüber der Antragsgegnerin oder dem Senat nicht angegebenes Einkommen oder Vermögen zur Verfügung steht. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die monatliche Unterstützung des Schwiegervaters nicht einmal den Anteil der Ehefrau des Antragstellers an den Unterkunftskosten (195 €) abdeckt bzw. abgedeckt hat und ihr Regelbedarf im Falle der – praktizierten -  Leistungsbewilligung  allein an den Antragsteller vollständig offen bleibt. Eine vergleichbare Bedarfslücke ergibt sich unter Berücksichtigung des Vortrags des Antragstellers, der angibt, mit einem Einkommen von 780 € den Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft unter Einbeziehung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung iHv 395 € decken zu können, auch aktuell. Nennenswerte Miet- oder Energiekostenrückstände sind abgesehen von den hier unter anderem streitgegenständlichen Monaten Januar 2022 und Februar 2022 gleichwohl nicht entstanden. Weiter erscheint zweifelhaft, dass der Antragsteller und seine Ehefrau mit aus den Kontoauszügen ersichtlichen Barabhebungen zwischen 200 und 300 € monatlich bei vollständigem Fehlen von EC-Abbuchungen im Übrigen ihre Bedürfnisse des täglichen Lebens decken können, zumal angesichts einer Abbuchung der „F GmbH“ naheliegt, dass sie auch über ein Haustier verfügen.

Auch bei Annahme eines entsprechenden Anordnungsanspruchs bestünde jedoch kein Anordnungsgrund für die von den Antragstellern begehrte Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung laufender Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Zwar ist in dieser Fallkonstellation nach ständiger und in Übereinstimmung mit dem BVerfG stehender Rechtsprechung des Senats die Erhebung einer Räumungsklage durch den Vermieter keine Voraussetzung für die Annahme eines Anordnungsgrundes (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 06.12.2017 – L 7 AS 2132/17 B ER). Eilbedürftigkeit liegt indes nicht vor, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine Anhaltspunkte für einen Verlust der Wohnung vorliegen. Dies ist insbesondere – aber nicht abschließend – dann der Fall, wenn nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen Prüfungsdichte belastbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die vertraglichen Pflichten des Antragstellers jedenfalls während der Nichtzahlung von Leistungen zur Deckung des Unterkunftsbedarfs gestundet sind, etwa weil es sich um ein Mietverhältnis unter Verwandten handelt oder eine sonstige Nähebeziehung zwischen dem Vermieter und dem Anspruchsteller besteht (vgl. hierzu und zu weiteren eine Eilbedürftigkeit ausschließenden Fallkonstellationen Senatsbeschlüsse  vom 19.07.2021 –  L 7 AS 950/21 B ER und vom 06.12.2017 – L 7 AS 2132/17 B ER). Nach diesen Maßgaben ist im vorliegenden Fall eine Eilbedürftigkeit zu verneinen, denn der Vermieter des Antragstellers hat auf Rückfrage des Senats im Juni 2022 erklärt, trotz der seit Februar 2022 bestehenden Rückstände drohe „noch“ keine fristlose Kündigung. Gegen eine Beendigung des Vertragsverhältnisses durch den Vermieter spricht überdies, dass dieser seine bereits im März 2022 ausgesprochene diesbezügliche Drohung nicht umgesetzt hat, der Antragsteller aktuell seine laufende Miete zahlt und auch der ursprünglich darüber hinaus bestehende Mietrückstand für März 2022 zwischenzeitlich beglichen ist. In Anbetracht dieser Gesamtumstände ist davon auszugehen, dass der zwischenzeitlich nicht mehr im Leistungsbezug stehende Antragsteller und sein Vermieter in der Lage sind, eine Lösung für die Rückführung der noch offenen Mietrückstände zu finden.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

 

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