L 4 KR 3498/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 1349/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3498/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts
Konstanz vom 19. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.


Tatbestand


Der Kläger wendet sich gegen die Aufforderung der Beklagten, einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu stellen.

Der 1956 geborene Kläger war als Personalleiter tätig und ist bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Sein Arbeitsverhältnis endete wegen Betriebsschließung am 31. August 2017. Bereits ab 24. August 2017 stellte L, Arbeitsunfähigkeit wegen depressiver Episode (F32.9) und Tinnitus aurium (H93.1G) fest. Bis Ende des Beschäftigungsverhältnisses erhielt der Kläger Entgeltfortzahlung. Nachdem sie zunächst auf eine abschnittsweise Gewährung hingewiesen hatte, bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 21. September 2017 ohne weiteren Hinweis auf eine abschnittsweise Gewährung „ab dem 1. September 2017“ Krankengeld in Höhe von 89,19 € netto täglich.

In einem Bericht bei Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit vom 7. November 2017 bestätigte L die Arbeitsunfähigkeit begründenden Diagnosen. Der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit sei nicht absehbar. Es erfolge eine konservative Behandlung mit stützenden Gesprächen. Weiteren Maßnahmen seien nicht erforderlich. Es bestehe oder drohe keine Erwerbsminderung.

In einem ersten nach Aktenlage erstellten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 5. Dezember 2017 kam B zu dem Ergebnis, dass bei der Kombination der Erkrankungen – depressive Episode, Tinnitus aurium und Bluthochdruck – beim Kläger derzeit kein positives Leistungsbild auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt („LSB unter 3 h tgl. auf dem allg. Arbeitsmarkt“) bestehe. Als Grundlage seiner Einschätzung nannte er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, den Selbstauskunftsbogen des Klägers, den Bericht von L vom 7. November 2017 sowie ein ausführliches Telefonat mit diesem. L habe ambulante Psychotherapie vorgeschlagen, diese sei zunächst abzuwarten. Der Kläger sei weiterhin arbeitsunfähig.

Auf Angebote der Beklagten der individuellen Beratung bei Arbeitsunfähigkeit vom 20. Dezember 2017 und 25. Januar 2018 reagierte der Kläger nicht. Mit Änderungsbescheid vom 19. Januar 2018 gewährte die Beklagte Krankengeld in neuer Höhe von 89,24 € netto täglich.

Auf eine weitere Anfrage der Beklagten vom 15. Dezember 2017 gab L lediglich an, seit November 2017 lägen keine neuen (Facharzt-)Briefe vor. Im Bericht bei Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit vom 23. Januar 2018 teilte L erneut mit, dass der Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht abzusehen sei und neben den stattfindenden stützenden Gesprächen keine weiteren Maßnahmen angezeigt seien. Eine Erwerbsminderung drohe weiterhin nicht.

In seinem zweiten, ebenfalls nach Aktenlage erstatteten Gutachten vom 14. Februar 2018 bestätigte B die bisherigen Diagnosen und Beeinträchtigungen sowie die Leistungseinschätzung. Angesichts des langen Krankheitsverlaufs unter Berücksichtigung der bisherigen und auch aktuell nicht absehbaren weiteren Arbeitsunfähigkeitsdauer sei von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit auszugehen. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien gegeben. Eine medizinische Rehabilitation könne gegebenenfalls sinnvoll sein. Dass dadurch bei dem bald 62-jährigen Versicherten insbesondere längerfristig die Erwerbsfähigkeit wiederhergestellt werden könne, sei angesichts des bisherigen langen Krankheitsverlaufes eher unwahrscheinlich

Mit Schreiben vom 28. Februar 2018 forderte die Beklagte den Kläger unter Hinweis auf pflichtgemäß ausgeübtes Ermessen sowie auf die Rechtsfolgen bei Unterlassen des Antrags auf, bis zum 14. Mai 2018 einen Antrag auf eine Rehabilitationsmaßnahme zu stellen. Weiter wurde auf das eingeschränkte Dispositionsrecht hinsichtlich des Antrags hingewiesen. Die vorliegende Aufforderung zur Stellung eines Antrags auf Maßnahmen zur Rehabilitation enthalte zugleich auch die erforderliche Anhörung. Dem Kläger werde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Das Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Dagegen erhob der Kläger rechtsanwaltlich vertreten Widerspruch (Schriftsatz vom 21. März 2018). Der Bescheid sei unter Missachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ergangen. Der MDK habe nur drei kurze Fragen an L gestellt. Arbeitsunfähigkeit und Gefährdung der Erwerbsfähigkeit seien nicht dasselbe. Die Einschätzung, dass eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vorliege, sei falsch. Der seit den 90er Jahren bestehende Tinnitus habe zuvor nicht zur Arbeitsunfähigkeit geführt. Erst die Schließung der früheren Arbeitgeberin habe die depressive Episode herbeigeführt. Die Talsohle sei durchschritten; er befinde sich auf dem Weg der Besserung.

Mit Schreiben vom 28. März 2018 fragte die Beklagte wegen einer ergänzenden Begründung an. Der Widerspruch enthalte keine Begründung, „die gegen die Stellung eines Antrags“ auf Rehabilitationsmaßnahmen spreche.

Darauf führte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten weiter aus, das Schreiben des MDK könne nicht als sozialmedizinisches Gutachten bezeichnet werden. Es fehle schon an den systematischen Mindestanforderungen und enthalte trotz der Kürze viele fachliche Fehler. Insbesondere hätten vom behandelnden Arzt genauere Stellungnahmen eingeholt und er, der Kläger, persönlich begutachtet werden müssen.


Mit Bescheid vom 15. Mai 2018 half die Beklagte dem Widerspruch nicht ab. Der „Bescheid“ vom 28. Februar 2018 werde „hiermit insoweit ergänzt, dass unser Bescheid vom 21.09.2017 über die Bewilligung von Krankengeld mit Ablauf des 14.05.2018 aufgehoben wird und ihr Anspruch auf Krankengeld somit entfallen ist“. Dieser Bescheid werde nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2018 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch vom 21. März 2018 gegen den „Bescheid“ vom 28. Februar 2018 nebst des „ergänzenden Bescheides“ vom 15. Mai 2018 als unbegründet zurück. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei gefährdet. Die Aufforderung zur Stellung eines Antrags auf eine Rehabilitationsmaßnahme stehe in ihrem, der Beklagten, Ermessen. Im Interesse der Versichertengemeinschaft sei es dem Kläger zuzumuten, soweit wie möglich an der Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit mitzuarbeiten. Die Interessen der Versichertengemeinschaft seien höher zu bewerten, als die möglicherweise einer Rehabilitationsmaßnahme entgegenstehenden Interessen. Unter Abwägung der persönlichen Interessen des Klägers und denen der Versichertengemeinschaft habe kein Anlass bestanden, von der gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Aufforderung zur Stellung eines Rehabilitationsantrages abzusehen. Da der Kläger den Antrag nicht gestellt habe, sei der Bewilligungsbescheid wegen Entfallens des Krankengeldanspruches mit Ablauf des 14. Mai 2018 aufgehoben worden.

Auf dessen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtete das Sozialgericht Konstanz (SG) die Beklagte mit Beschluss vom 26. Juli 2018 (S 2 KR 1350/18 ER), dem Kläger aufgrund einer gesetzlich ausgelösten aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage vorläufig weiterhin Krankengeld längstens bis zum 20. Februar 2019 zu gewähren.

Am 25. Juni 2018 erhob der Kläger gegen die Bescheide vom 28. Februar und 15. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2018 Klage beim SG. Zu deren Begründung führte er unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens im Widerspruchsverfahren aus, ein „Gutachten“ i.S. des § 51 SGB V liege nicht vor. Die Stellungnahmen des MDK erfüllten nicht die an ein solches zu stellenden Anforderungen. Des Weiteren liege keine echte Ermessensausübung vor. Seine, des Klägers, mit der Umdeutung des Reha- in einen Rentenantrag verbundene Vorstellung, aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, hätte sich negativ auf seinen Gesundheitszustand auswirken können, wobei er ohnehin schon aufgrund des Verlusts des Arbeitsplatzes psychisch erkrankt gewesen sei. Nicht einbezogen habe die Beklagte auch die Frage, ob der Rentenversicherungsträger eine Rehabilitationsmaßnahme oder Rente überhaupt bewilligen werde. Die Arbeitsunfähigkeit sei zum 6. Januar 2019 beendet worden, worauf er sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt habe.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid entgegen. Das Gutachten des MDK werde für ausreichend und schlüssig gehalten. Der Kläger habe auf ihre Angebote auf eine individuelle Beratung nicht reagiert. Im vorgelegten MDK-Gutachten vom 14. November 2018 kam F zu der Einschätzung, bereits zum Zeitpunkt der vorangegangenen MDK-Begutachtung sei von einer erheblichen Gefährdung der Erwerbsfähigkeit im teilhaberechtlichen Sinne ohne erkennbare Besserungstendenz auszugehen gewesen. Durch die Angabe von L sei auch die Behauptung einer eingetretenen Besserung widerlegt.

L gab in seiner schriftlichen Stellungnahme als sachverständiger Zeuge vom 16. Oktober 2018 an, den Kläger seit September 2017 wegen Depression, Tinnitus aurium beidseits, Somatisierungsstörung, arterieller essentieller Hypertonie und Ischialgie links behandelt zu haben. Der Gesundheitszustand habe sich seit September 2017 im Wesentlichen nicht verändert, die Arbeitsunfähigkeit habe seit 24. August 2017 bis auf weiteres auch für eine Tätigkeit als Personalleiter bei einem anderen Arbeitgeber bestanden. Der Kläger sei in der Lage gewesen, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig auszuüben. Im Februar 2018 sei nicht davon auszugehen gewesen, dass seine Erwerbsfähigkeit in Bezug auf eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gefährdet gewesen sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. Dezember 2019 wies das SG die Klage ab. Diese sei als isolierte Anfechtungsklage zulässig, auch gegen den Bescheid vom 15. Mai 2018, der nach § 86 SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden sei. Die Klage sei nicht begründet. Die Beklagte habe die Bewilligung von Krankengeld zu Recht aufgehoben. Der Anspruch auf Krankengeld sei für die Zeit ab 15. Mai 2018 entfallen, da der Kläger einen Antrag auf eine Rehabilitationsmaßnahme trotz der Aufforderung der Beklagten nicht gestellt habe. Die Aufforderung sei rechtmäßig erfolgt. Beim Kläger habe zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Antragstellung eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vorgelegen. L habe zuvor mehrfach angegeben, dass der Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit des Klägers nicht absehbar gewesen sei. Diese Arbeitsunfähigkeit habe sich auf Tätigkeiten als Personalleiter auch bei anderen Betrieben bezogen. Prognostisch sei, insbesondere auch wegen des völligen Fehlens einer suffizienten Therapie, nicht mit deren Beendigung innerhalb von sechs Monaten zu rechnen gewesen. Die Aufforderung sei, wie gesetzlich gefordert, „nach ärztlichem Gutachten“ erfolgt. Die Stellungnahme des MDK vom 14. Februar 2018 erfülle die an ein solches Gutachten zu stellenden Anforderungen. Es enthalte Ausführungen über die beim Kläger durch den Hausarzt erhobenen Befunde, das durch den Gutachter daraus abgeleitete Leistungsbild und zur voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit aufgrund des bereits langen Krankheitsverlaufs sowie zu den Erfolgsaussichten einer Rehabilitationsmaßnahme im Hinblick auf das Alter des Klägers. Eine erneute Befragung des Hausarztes oder Untersuchung des Klägers seien im Hinblick auf die Mitteilung von L, dass sich keine Veränderungen ergeben hätten, nicht notwendig gewesen. Die Beklagte habe ihr Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Bei grundsätzlicher, typisierender Vorrangigkeit der Krankenkasseninteressen im Falle des § 51 SGB V seien auch etwaige besondere Umstände des Einzelfalles sowie persönliche Verhältnisse des Versicherten einzustellen, jedenfalls soweit sie der Krankenkasse „ohne weitere Ermittlungen“ bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens bekannt geworden seien. Dass beim Kläger in besonderem Maße zu berücksichtigen gewesen wäre, dass durch die Aufforderung eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes drohe, sei nicht ersichtlich. Diese Überlegung hätte auch an der Ermessensausübung nichts geändert. Die Aufforderung ziele gerade darauf ab, den Gesundheitszustand eines Versicherten zu verbessern, was insbesondere durch eine suffiziente Therapie im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme erfolgen könne.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 20. Dezember 2019 wurde der Gerichtsbescheid gegen Empfangsbekenntnis an den Prozessbevollmächtigten erster Instanz unter dessen Kanzleianschrift abgesandt. Eine Zustellung an den Kläger selbst erfolgte nicht. Am 9. Januar 2020 teilte die Kanzlei mit, der den Kläger vertretende Rechtsanwalt sei nicht mehr über diese Kanzlei, sondern unter neuer Adresse erreichbar; das gerichtliche Schreiben (Gerichtsbescheid) sei an diesen weitergeleitet worden. Das Empfangsbekenntnis wurde von dieser Kanzlei nicht unterzeichnet. Nach schriftlicher Aufforderung des SG an den Prozessbevollmächtigten erster Instanz, das Empfangsbekenntnis zu übersenden, und Erinnerung vom 3. September 2020, übersandte es am 18. September 2020 nochmals eine Abschrift des Gerichtsbescheids gegen Empfangsbekenntnis, das nicht zurückgereicht wurde. Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten erster Instanz vom 7. Oktober 2020 mahnte dieser eine Entscheidung an. Daraufhin wurde ihm der Gerichtsbescheid am 8. Oktober 2020 per Postzustellungsurkunde zugestellt.

Am 2. November 2020 hat der Kläger, vertreten durch seine neue Prozessbevollmächtigte, Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Über sein bisheriges Vorbringen hinaus hat er ausgeführt, eine 2011 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme habe er als Katastrophe und Trauma empfunden und eine ausgeprägte Angst vor solchen Maßnahmen entwickelt. Diese Erfahrung sei für ihn entscheidend gewesen, gegen die Aufforderung der Beklagten, innerhalb zehn Wochen einen Antrag auf Reha zu stellen, vorzugehen. Zu Unrecht habe die Beklagte diesen Aspekt nicht im Ermessen berücksichtigt. Zu Beginn 2018, also zum Zeitpunkt der Aufforderung, sei er davon ausgegangen, dass er wieder gesundwerde und sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen könne. Als er am 20. März 2018 bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg in R mit dem von der Beklagten übersandten Reha-Antrag vorgesprochen habe, habe ihm die dortige – namentlich benannte – Mitarbeiterin von der Antragstellung abgeraten. Gleiches gelte für einen Mitarbeiter der Agentur für Arbeit. Auch einer – ebenfalls namentlich benannten –  Mitarbeiterin der Beklagten habe er in einem Telefonat seine Erfahrungen aus der früheren Reha wie auch seine Bereitschaft zu einer ambulanten Rehabilitation geschildert. Außerdem habe er nicht gewollt, dass eine Umdeutung in einen Rentenantrag erfolge. Des Weiteren dokumentiere die Statistik nicht, dass ein Kuraufenthalt jedenfalls zum Ende der Arbeitsunfähigkeit bzw. zum Beginn der Erwerbsminderungsrente führe. Der Antrag zur Erwerbsminderungsrente wäre wohl durch den Antrag auf Rehabilitation indirekt gestellt; regelmäßig scheitere es an den materiellen Voraussetzungen. Zwischen der Arbeitsunfähigkeit und der Erwerbsminderungsrente bestehe daher eine Versorgungslücke, die sich durch den Wegfall der Berufsunfähigkeitsrente vergrößert habe. Da das SG dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stattgeben, die Klage aber abgewiesen habe, sei er einer Rückzahlungspflicht von Krankengeld in Höhe von ca. 18.000,00 € ausgesetzt.

Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am 26. Oktober 2021 haben die Beteiligten einen prozessualen Teilvergleich geschlossen, wonach sich die Beklagte verpflichtete, bei Erfolg der Klage gegen den Bescheid vom 28. Februar 2018 den Bescheid vom 15. Mai 2018 über die Aufhebung der Krankengeldbewilligung aufzuheben, und der Kläger die Klage auf den Bescheid vom 28. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2018 beschränkte. Zugleich haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt; auf das Protokoll vom 26. Oktober 2021 wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Dezember 2019 sowie den Bescheid vom 28. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Die Berufung sei wegen nicht fristgerechter Einlegung unzulässig. Der Kanzlei des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten sei der Gerichtsbescheid spätestens am 9. Januar 2020 bekanntgegeben worden. Dies ergebe sich aus dem dortigen, auf diesen Tag datierten Schreiben über die Weiterleitung des Gerichtsbescheids an den bearbeitenden Rechtsanwalt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt habe der Lauf der Berufungsfrist begonnen. Die Klage sei von der Kanzlei erhoben worden. Eine Bevollmächtigung allein des bearbeitenden Rechtsanwalts sei nicht ersichtlich. Auf die Bekanntgabe an den bearbeitenden Rechtsanwalt komme es daher nicht an. Jedenfalls sei die Berufung nicht begründet. Ermessensfehler lägen nicht vor. Es sei überraschend, dass der Kläger erst im Berufungsverfahren vortrage, aufgrund schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit „Panik“ vor einer erneuten Rehabilitationsmaßnahme gehabt zu haben. Dokumentiert sei dies nicht. Da sie von dieser Behauptung keine Kenntnis gehabt habe, habe sie diese auch im Rahmen der Ermessensausübung nicht einstellen können. Die Verpflichtung zur Rückzahlung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig gewährten Krankengeldes ergebe sich kraft Gesetzes, sei aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

1. Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da das Begehren des Klägers keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde die Berufung fristgerecht eingelegt. Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils – hier des Gerichtsbescheids – schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Ausdrücklich knüpft der Beginn der Berufungsfrist demnach an die Zustellung des Urteils bzw. hier des Gerichtsbescheids an (vgl. §§ 105 Abs. 1 Satz 3, 135 SGG). Die bloße Bekanntgabe genügt demnach nicht. Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO; § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG). An einen Anwalt kann gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden. Zum Nachweis der Zustellung nach den Absätzen 1 und 2 genügt das mit Datum und Unterschrift des Adressaten versehene Empfangsbekenntnis, das an das Gericht zurückzusenden ist (§ 63 Abs. 2 SGG i.V.m. § 174 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung). Bei der Zustellung durch Empfangsbekenntnis muss der Adressat entscheiden, ob er das Schriftstück als zugestellt ansieht. Die zumindest konkludente Äußerung des Willens, das Schriftstück zur Zustellung anzunehmen, ist zwingende Voraussetzung der wirksamen Zustellung; die fehlende Empfangsbereitschaft kann nicht durch Nachweis tatsächlichen Zugangs nach § 189 ZPO geheilt werden. Der Annahmewillen ist bei Ausstellung und Hinausgabe des Empfangsbekenntnisses zu vermuten, ebenso auch bei schriftsätzlicher Einlassung auf das zugestellte Schriftstück (Schultzky, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 174 Rn. 7 m.w.N.).

Die Zustellung des Gerichtsbescheids erfolgte erst mittels Postzustellungsurkunde (§ 182 ZPO) am 8. Oktober 2020 an den in erster Instanz prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt. Die vorhergehenden Versuche des SG haben eine Zustellung nicht bewirkt. Zum Zeitpunkt der Absendung der Ausfertigung des Gerichtsbescheides an die Kanzlei des erstinstanzlich tätigen Rechtsanwalts war dieser dort bereits nicht mehr tätig. Dies entnimmt der Senat dem Schreiben dieser Rechtsanwaltskanzlei vom 9. Januar 2020, an dem zu zweifeln, keine Anhaltspunkte bestehen. Das Empfangsbekenntnis wurde von keinem Mitarbeiter dieser Kanzlei unterschrieben. Vielmehr wurde das Schreiben des SG mit dem Gerichtsbescheid an den erstinstanzlich bearbeitenden Rechtsanwalt weitergeleitet. Ein Annahmewillen wurde daher durch keinen Angehörigen dieser Kanzlei bekundet. Hinzu kommt, dass die im Widerspruchsverfahren vorgelegte Vollmacht, die auch eine Prozessvollmacht „für alle Verfahren in allen Instanzen“ enthält, nur den bearbeitenden Rechtsanwalt (und nicht etwa die Kanzlei bzw. alle dort arbeitenden Rechtsanwälte) als bevollmächtigt ausweist (vgl. Bl. 101 der Verwaltungsakte). Nicht zu entscheiden ist auch, ob einem Kanzleiangehörigen der Gerichtsbescheid bekanntgegeben wurde. Denn eine Bekanntgabe genügt für die fristauslösende Zustellung gerade nicht. Vom erstinstanzlich bearbeitenden Rechtsanwalt liegt ebenfalls kein unterschriebenes Empfangsbekenntnis vor. Eine schriftsätzliche Einlassung auf das zugestellte Schriftstück, den Gerichtsbescheid, liegt durch diesen ebenso wenig vor. Vielmehr hatte er schriftsätzlich lediglich angemahnt, dass noch keine Entscheidung vorliege. Mangels Ausstellung eines Empfangsbekenntnisses und anderer Hinweise der genannten Art ist vorliegend eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis nicht wirksam bewirkt worden. Eine Zustellung an den Kläger persönlich hat das SG nicht vorgenommen. 

Die durch die Zustellung mittels Postzustellungsurkunde am 8. Oktober 2020 ausgelöste einmonatige Berufungsfrist begann mithin am 9. Oktober 2020 und endete am Montag, dem 9. November 2020 (§ 64 SGG). Die am 2. November 2020 beim LSG Baden-Württemberg eingegangene Berufung hat diese Frist gewahrt.

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist lediglich der Bescheid vom 28. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2018 (§ 95 SGG). Da der Kläger die Klage im prozessualen Teilvergleich vom 26. Oktober 2021 hierauf beschränkt hatte, war über den Bescheid vom 15. Mai 2018 im vorliegenden Verfahren nicht mehr zu entscheiden.

3. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die als Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG) zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2018 ist formell (dazu a) und materiell rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 51 SGB V waren gegeben (dazu b). Der gerichtlichen Kontrolle unterliegende Ermessensfehler liegen nicht vor (dazu c).

a) Die streitgegenständlichen Bescheide sind nicht bereits wegen fehlender Anhörung rechtswidrig.

aa) Eine Anhörung des Klägers war erforderlich.

Nach § 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

Bei der Aufforderung zur Stellung eines Reha-Antrags nach § 51 SGB V handelt es sich um einen Verwaltungsakt i.S. des § 31 SGB X, da sie zur – verbindlichen – Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Versicherten über den Antrag führt (BSG, Urteil vom 26. Juni 2008 – B 13 R 37/07 R – juris, Rn. 21 m.w.N.). Auf die äußere Form (hier: keine Bezeichnung als Bescheid o.ä., fehlende Rechtsbehelfsbelehrung) kommt es insoweit nicht an. Die bewirkte Einschränkung der Dispositionsfreiheit greift in die Rechte des Versicherten ein. Die danach erforderliche Anhörung hat die Beklagte vor Erlass des Bescheides vom 28. Februar 2018 nicht durchgeführt.

bb) Die fehlende vorherige Anhörung hat die Beklagte jedoch im Widerspruchsverfahren nachgeholt.

Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die – wie hier – nicht den Verwaltungsakt nach § 40 SGB X nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird, was grundsätzlich bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens möglich ist (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X). Im Widerspruchsverfahren wird die unterlassene Anhörung geheilt, wenn der Betroffene nachträglich die Gelegenheit erhält, sich sachgerecht zu äußern. Dazu ist – anders als im Falle der Heilung während des gerichtlichen Verfahrens – ein gesondertes Verwaltungsverfahren nur notwendig, wenn sich der Widerspruchsbescheid – wie hier nicht – auf wesentliche neue Gründe stützt. Durch den Erlass des Widerspruchsbescheides ist der Fehler jedoch nur dann geheilt, wenn der Betroffene aus der Begründung des Verwaltungsaktes wissen kann, welche Tatsachen entscheidungserheblich sind. Auch vor dem Erlass des Widerspruchsbescheides ist der Mangel unter den genannten Voraussetzungen bereits geheilt, wenn die Behörde dem Betroffenen zu erkennen gibt, dass sie unter Berücksichtigung seines Vorbringens prüfen wird, ob sie an ihrer Entscheidung festhält (Schneider-Danwitz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand: Dezember 2017, § 41 Rn. 31 m.w.N.; Littmann, in: Hauck/Noftz SGB X, Stand: 2021, § 41 Rn. 24 m.w.N.).

Vorliegend hat die Beklagte im Bescheid vom 28. Februar 2018 dem Kläger nicht nur mitgeteilt, dass sie aufgrund des MDK-Gutachtens von einer erheblichen Gefährdung bzw. Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers ausgeht, da dessen Leistungsvermögen als Personalleiter aufgrund der vorliegenden Erkrankungen längerfristig wesentlich eingeschränkt sei, sondern auch auf „pflichtgemäßes Ermessen“ verwiesen. Der Kläger wurde so in die Lage versetzt, die Maßgeblichkeit nicht nur der Gefährdung bzw. Minderung der Erwerbsfähigkeit nach ärztlichem Gutachten, sondern auch zu erkennen, dass die Beklagte weitere Umstände – im Rahmen des Ermessens –berücksichtigen kann. Des Weiteren wies sie den Kläger mit Schreiben vom 28. März 2018 – und damit noch innerhalb der laufenden Frist für die Antragstellung – darauf hin, die bisherige Widerspruchsbegründung enthalte keine Begründung, „die gegen die Stellung eines Antrags“ auf Rehabilitationsmaßnahmen spräche. Damit hat sie dem Kläger deutlich die Möglichkeit eingeräumt, Gründe gegen einen Antrag auf Rehabilitationsmaßnahmen vorzutragen, und gleichzeitig ihre Bereitschaft erkennen lassen, diese in ihre Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Aufforderung einzubeziehen. Der Kläger hat diese Möglichkeit erkannt und genutzt, allerdings tatsächlich nur zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 51 SGB V vorgetragen, weil er – rechtsanwaltlich vertreten – der Auffassung war, bereits dies genüge für den Erfolg des Rechtsbehelfs. Dies entnimmt der Senat den eigenen Angaben des Klägers im Erörterungstermin vom 26. Oktober 2021.

b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 SGB V lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Aufforderung und auch noch bei Erlass des Widerspruchsbescheides vor.

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V
kann die Krankenkasse Versicherten, deren Erwerbsfähigkeit nach ärztlichem Gutachten erheblich gefährdet oder gemindert ist, eine Frist von zehn Wochen setzen, innerhalb der sie einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen haben.

aa) Die ungeschriebenen Tatbestandsmerkmale des § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V, nämlich der Bezug von Krankengeld sowie eine Belehrung über die Rechtsfolgen nach Absatz 3 (Brinkhoff, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, Stand: Mai 2021, § 51 Rn. 22, 27), lagen vor. Der Kläger bezog seit dem 1. September 2017 und auch noch zum Zeitpunkt der Aufforderung durch 28. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2018 Krankengeld. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers bestand die Arbeitsunfähigkeit über diesen Zeitpunkt jedenfalls bis zum 6. Januar 2019. Der Krankengeldanspruch war noch nicht erschöpft. Der Bescheid vom 28. Februar 2018 enthielt des Weiteren ausführliche Hinweise auf die Bedeutung der Aufforderung und der Rechtsfolgen bei Nichtstellen des Antrags, insbesondere den Wegfall der Krankengeldgewährung.

bb) Die Aufforderung erfolgte, wie in § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V vorgesehen, „nach ärztlichem Gutachten“.

Entgegen der Ansicht des Klägers erfüllt das Gutachten von B vom 14. Februar 2018 die Anforderungen, die an ein im Rahmen des § 51 Abs. 1 SGB V erforderliches Gutachten zu stellen sind.

In der Norm ist nicht definiert, was man unter einem „ärztlichen Gutachten“ zu verstehen hat. Dem Wortlaut ist aber bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zu entnehmen, dass es sich um mehr als ein Attest oder eine Bescheinigung handeln muss. Maßgeblich ist weiter die Funktion, die das ärztliche Gutachten im Rahmen des § 51 Abs. 1 SGB V hat: Es soll als Grundlage für die Verwaltungsentscheidung der Krankenkasse dienen, ob dem Erkrankten wegen erheblicher Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit eine Frist zur Beantragung von Rehabilitationsmaßnahmen gesetzt werden kann. Es hat daher alle medizinischen Gesichtspunkte zu enthalten, die der Krankenkasse die – rechtliche – Entscheidung einer solchen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit (allerdings nur für die Frage der Fristsetzung) ermöglicht. Es muss also aus sich heraus verständlich und für diejenigen, die die Verwaltungsentscheidung möglicherweise überprüfen, nachvollziehbar sein. Das wäre nicht gewährleistet, wenn der Arzt sich darauf beschränkte, nur das Ergebnis seiner Überlegungen in der Form mitzuteilen, dass er die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 SGB V bejaht. Demnach ist eine ärztliche Stellungnahme nur dann ein Gutachten, wenn darin – jedenfalls summarisch – die erhobenen Befunde wiedergegeben werden und sich der Arzt zu den nach seiner Auffassung durch die festgestellten Gesundheitsstörungen bedingten Leistungseinschränkungen und ihrer voraussichtlichen Dauer äußert (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 7. August 1991 – 1/3 RK 26/90 – juris, Rn. 16 f.; vgl. auch Bayerisches LSG, Urteil vom 15. Januar 2019 – L 5 KR 244/18 – juris, Rn. 46 m.w.N.). Zu berücksichtigen ist des Weiteren die begrenzte Prüfungs- und Entscheidungsdichte der Krankenkasse hinsichtlich der Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit. Erreicht werden kann und soll durch das der Krankenkasse zur Verfügung gestellte Instrument, dass der zuständige Reha-Träger die in seine (Allein-)Zuständigkeit fallende Prüfung der Leistungsvoraussetzungen und Entscheidung über den Anspruch vornimmt. Die Krankenkasse darf sich daher regelmäßig auf ein schlüssiges ärztliches Gutachten stützen (Noftz, in: Hauck/Noftz SGB V, Stand: 2021, § 51 Rn. 14).

In seinem Gutachten vom 14. Februar 2018 beschränkte sich B nicht darauf, nur das Ergebnis seiner Überlegungen mitzuteilen (z.B. sog. Ankreuzverfahren). Es enthält vielmehr Ausführungen über die letzte Tätigkeit des Klägers, die herangezogenen Befundunterlagen, das mit dem Hausarzt im Dezember 2017 geführte Telefonat, die berücksichtigten Krankheitsbilder, die sich hieraus ergebenden Beeinträchtigungen (eingeschränkte psychische Belastbarkeit, u.a. Reduzierung des Konzentrationsvermögens, der Anpassungs-, Abgrenzungs- und Kontaktfähigkeit, der Stressbewältigungsmechanismen, reduzierter Antrieb) und das durch den Gutachter deshalb im Hinblick auf die kombinierten Beeinträchtigungen eingeschätzte Leistungsbild sowie zur voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit aufgrund des bereits langen Krankheitsverlaufs und zu den Erfolgsaussichten einer Rehabilitationsmaßnahme im Hinblick auf das Alter des Klägers. Da L keine Veränderungen des Gesundheitszustandes angegeben und mitgeteilt hatte, dass keine neuen Arztbriefe vorlägen, war eine neuerliche Nachfrage bei diesem oder eine persönliche Untersuchung des Klägers auch im Hinblick auf das Ergebnis des ersten MDK-Gutachtens vom 5. Dezember 2017 nicht erforderlich. Das Gutachten vom 14. Februar 2018 bot somit der Krankenkasse eine ausreichende Basis, die Leistungseinschätzung des Gutachters nachzuvollziehen und ihre Entscheidung über die Aufforderung zur Antragstellung zu treffen.

cc) Zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Antragstellung durch den Bescheid vom 28. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2018 lag zumindest eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit i.S. des § 51 Abs. 1 SGB V vor.

Eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit liegt vor, wenn entweder der gesundheitliche Zustand des Versicherten so schlecht ist, dass prognostisch mit einer dauerhaften Minderung oder dem Verlust seiner Erwerbsfähigkeit gerechnet werden muss oder eine solche Minderung bereits eingetreten ist. Hierbei handelt es sich nicht um die gleichen Kriterien, die für die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung nach §§ 43 Abs. 1 und 2, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) maßgebend sind. Entsprechend dem vorrangigen Zweck des § 51 Abs. 1 SGB V, bei dem Versicherten mittels Leistungen der medizinischen Reha und Teilhabe die Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit zu beseitigen (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 31/13 R – juris, Rn. 27), ist inhaltlich an die Voraussetzungen denen des § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI anzuknüpfen. Abzustellen ist daher auf die persönlichen Verhältnisse des Versicherten, also auf dessen aktuelle körperliche sowie geistige Konstitution und die daraus resultierende gesundheitliche Einschränkung seiner konkreten beruflichen Leistungsfähigkeit (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – B 5 RJ 15/05 R – juris, Rn. 18 ff. m.w.N.). In Abgrenzung zur Akuterkrankung liegt eine dauerhafte Minderung oder Gefährdung vor, wenn diese voraussichtlich länger als sechs Monate bestehen wird (Anlehnung an § 101 Abs. 1 SGB VI), unabhängig davon, wie lange sie bereits besteht. Nicht erwähnt in § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V sind die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI normierten Erfolgsaussichten der Leistung zur Teilhabe. Die Krankenkasse kann daher – entsprechend dem Normzweck sachgerecht – Versicherte selbst bei fehlender Erfolgsaussicht zur Antragstellung auffordern, um über die Umdeutung nach § 116 Abs. 2 SGB VI eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit herbeizuführen (zum Ganzen Brinkhoff, a.a.O., Rn. 23; Noftz, a.a.O., Rn. 12; Schifferdecker, in: Kasseler Kommentar, SGB V, Stand: September 2021, § 51 Rn. 7 jeweils m.w.N.).

Zum maßgeblichen Zeitpunkt bestanden beim Kläger eine depressive Episode (F32.9), ein Tinnitus aurium (H93.1G) sowie Bluthochdruck. Dies entnimmt der Senat den von L ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seit 24. August 2017, dessen Berichte bei Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit vom 7. November 2017 und 23. Januar 2018 sowie den Gutachten von B vom 5. Dezember 2017 und 14. Februar 2018, die der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet (vgl. etwa BSG, Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51). Über die maßgeblichen Diagnosen besteht zwischen dem behandelnden Arzt und dem MDK-Gutachter keine Uneinigkeit. Des Weiteren stimmen beide darin überein, dass beim Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt längerfristig kein ausreichendes Leistungsvermögen für die – hier allein relevante – Tätigkeit eines Personalleiters bestand. Dies ergibt sich einerseits ausdrücklich aus dem Gutachten von B vom 14. Februar 2018, andererseits aus der wiederholt und nahtlos von L festgestellten Arbeitsunfähigkeit, die sich beim Kläger auf eine solche Tätigkeit bezog. Ausdrücklich hatte letzterer in seinen Berichten vom 7. November 2017 und 23. Januar 2018 angegeben, der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit sei nicht absehbar. Zwar entspricht die Arbeitsunfähigkeit nicht vollständig der erheblichen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit i.S. des § 51 SGB V. Beide beziehen sich aber auf dieselbe Tätigkeit, hier die eines Personalleiters. Daher liegt bei einer länger andauernden Arbeitsunfähigkeit eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit nahe. Vorliegend ergibt sich eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit zum Zeitpunkt der Aufforderung schlüssig aus den von B festgestellten Beeinträchtigungen durch die genannten Gesundheitsstörungen. Bei danach vorliegender eingeschränkter psychischer Belastbarkeit mit Reduzierung des Konzentrationsvermögens, der Anpassungs-, Abgrenzungs- und Kontaktfähigkeit und der Stressbewältigungsmechanismen sowie einem reduzierten Antrieb ist für den Senat die Einschätzung von B nachvollziehbar, dass eine ausreichende und gesicherte Leistungsfähigkeit für eine Tätigkeit als Personalleiter längerfristig nicht bestand. Dies stimmt auch mit der Einschätzung von F im MDK-Gutachten vom 14. November 2018 überein. Das Bestehen, die Ausprägung und Schwere dieser Beeinträchtigungen hat L – in Kenntnis des Gutachtens von B vom 14. Februar 2018 – nicht in Abrede gestellt, auch nicht in seiner Stellungnahme als sachverständiger Zeuge vom 16. Dezember 2018. Des Weiteren bestätigte er in dieser Stellungnahme, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers seit September 2017 im Wesentlichen nicht verändert hatte, also noch mehr als sechs Monate nach der Aufforderung zum Rehaantrag weiterhin in der ursprünglichen Schwere fortbestand. Der Vortrag des Klägers, er habe sich zum Zeitpunkt der Aufforderung bereits in einem besseren Gesundheitszustand befunden, trifft demnach nicht zu. Ausdrücklich bestätigte L in dieser Stellungnahme eine seit August 2017 bis auf Weiteres bestehende Arbeitsunfähigkeit bezogen auf eine Tätigkeit als Personalleiter, auch bei einem anderen Arbeitgeber. Nicht maßgeblich ist vorliegend, dass er den Kläger nicht für erwerbsgemindert i.S. einer Rente wegen Erwerbsminderung ansah. Wie ausgeführt, ist im Rahmen des § 51 SGB V nicht die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt i.S. des § 43 SGB VI maßgeblich, sondern – vorliegend – eine Tätigkeit als Personalleiter.

Dass der Kläger nach seinem Vortrag wegen „traumatischer“ Erlebnisse während der im Jahr 2011 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme einer neuen Maßnahme keine Erfolgsaussicht zubilligte, ist nicht entscheidend. Denn aus den o.g. Gründen kommt es für die Aufforderung nach § 51 Abs. 1 SGB V nicht auf die Erfolgsaussicht der Reha an.

c) Der Bescheid vom 28. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2018 ist nicht wegen fehlerhafter Ermessensausübung der Beklagten rechtswidrig.

Die Fristsetzung zur Antragstellung nach § 51 Abs. 1 SGB V steht im pflichtgemäßen Ermessen der Krankenkasse („kann“). Der gerichtlichen Überprüfung unterliegende Ermessensfehler liegen jedoch nicht vor.

aa) Die gerichtliche Kontrolle von Ermessensentscheidungen ist eingeschränkt auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung; deren Zweckmäßigkeit ist vom Gericht nicht zu beurteilen. Rechtswidrig ist eine Ermessensentscheidung bei Ermessensnichtgebrauch, wenn also die Behörde ihr Ermessen nicht ausgeübt oder im Bescheid nicht zum Ausdruck gebracht hat, bei Ermessensunterschreitung, wenn sie ihr Ermessen zu eng eingeschätzt hat, bei Ermessensüberschreitung, wenn eine gesetzlich nicht vorgesehene Rechtsfolge gesetzt wird, und bei Ermessensfehlgebrauch (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Letzteres liegt vor, wenn die Behörde ein unsachliches Motiv oder einen sachfremden Zweck verfolgt, wenn sie nicht alle maßgebenden Ermessensgesichtspunkte in die Entscheidung einbezogen oder wenn sie die abzuwägenden Gesichtspunkte fehlerhaft gewichtet oder einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Für die Rechtskontrolle durch das Gericht ist die Begründung des Verwaltungsakts und des Widerspruchsbescheides wesentlich. Aus dieser muss sich ergeben, dass vom Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht worden ist (zum Ganzen Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rn. 27 ff. m.w.N.).

Bei der Überprüfung von Ermessensentscheidungen, die – wie hier – mit der reinen Anfechtungsklage angefochten werden, ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage immer der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, weil das Gericht seine eigenen Erwägungen und neuere Erkenntnisse nicht an die Stelle derjenigen der Verwaltung setzen darf und eine Verpflichtung der Behörde zur Neubescheidung aufgrund des auf die Aufhebung des Verwaltungsakts gerichteten Streitgegenstands ausscheidet (BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 4/15 R – juris, Rn. 13 m.w.N.). Dies gilt – unabhängig von dem Charakter als Dauerverwaltungsakt – auch für die gegen die Aufforderung statthafte isolierte Anfechtungsklage (Noftz, a.a.O., Rn. 22). Neue Umstände können insoweit im Rahmen eines – hier nicht vorliegenden – Begehrens auf Erteilung der Zustimmung zur Disposition über den Rentenantrag oder im Rahmen des Verfahrens über die Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahme selbst berücksichtigt werden.

Inhaltlich räumt das Gesetz bei der Abwägung zwischen den Gestaltungsmöglichkeiten des Versicherten und den Befugnissen der Krankenkasse nach § 51 SGB V allerdings grundsätzlich den Interessen der Krankenkasse den Vorrang ein. Eine Entscheidung zugunsten des Versicherten erfordert daher, dass seine Belange den bei Dauerzuständen gesetzlich typisierten Vorrang der Krankenkasseninteressen an einer Begrenzung der Krankengeldaufwendungen sowie der Überantwortung der Kompensation krankheitsbedingten Entgeltausfalls an die Rentenversicherungsträger überwiegen. Das bloße Interesse des Versicherten, weiterhin und möglichst lange das im Vergleich zu Rentenleistungen höhere Krankengeld in Anspruch nehmen zu wollen, ist nicht schützenswert und kann regelmäßig kein durchgreifender Umstand sein. Gleiches gilt für das Interesse an höheren Rentenleistungen wegen der Berücksichtigung zusätzlicher Anrechnungszeiten wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder Beitragszeiten wegen Krankengeldbezugs. Bei den durchgreifenden berechtigten Interessen des Versicherten muss es sich um Belange handeln, die nicht in erster Linie darauf ausgerichtet sind, die der Krankenkasse zustehenden Befugnisse zu schmälern (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 1 KR 6/03 R – juris, Rn. 32, 34 f. m.w.N.).

bb) Ein Ermessensnichtgebrauch liegt nicht vor. Die Beklagte hat erkannt, dass die Aufforderung mit Fristsetzung in ihrem Ermessen steht, also nicht zwingend zu erfolgen hat. Bereits im Bescheid vom 28. Februar 2018 hat sie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Aufforderung „nach pflichtgemäßem Ermessen“ erfolgte. Im Widerspruchsbescheid wurde ergänzend ausgeführt, die Interessen der Versichertengemeinschaft, die die zu erbringenden Leistungen (Krankengeld) finanziere, seien höher zu bewerten als die einer Rehabilitationsmaßnahme möglicherweise entgegenstehenden Interessen des Klägers. Daher habe kein Anlass bestanden, von der gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Aufforderung zur Antragstellung abzusehen. Damit wurde nicht nur Ermessen tatsächlich ausgeübt. Vielmehr entspricht die Abwägung der, wie ausgeführt, gesetzlich vorgegebenen Interessenbewertung. Insoweit liegt auch kein Ermessensfehlgebrauch oder eine unzulässige Über- oder Unterschreitung vor. Dass die Beklagte die „möglichen“ entgegenstehenden Interessen des Klägers nicht konkreter angeführt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Denn zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides ergaben sich weder aus dem Akteninhalt noch dem Vortrag des Klägers solche im Ermessen zu berücksichtigenden Individualinteressen. Trotz der im Widerspruchsverfahren noch vor Fristablauf nachgeholten Anhörung hat der Kläger weder in diesem Rahmen noch im Widerspruchsverfahren solche Ermessensgesichtspunkte vorgetragen. Zur Begründung des Widerspruches machte der Kläger lediglich geltend, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 SGB V, insbesondere ein ärztliches Gutachten, lägen nicht vor. Auf die Angebote der individuellen Beratung bei Arbeitsunfähigkeit vom 20. Dezember 2017 und 25. Januar 2018 hatte er ebenfalls nicht reagiert. Die Beklagte war daher auch nicht verpflichtet, quasi „ins Blaue hinein“ eventuelle Interessensgesichtspunkte des Klägers zu ermitteln.

Die vom Kläger erst im Klage- und Berufungsverfahren geltend gemachten Gesichtspunkte sind nicht relevant. Denn sie konnten von der Beklagten bis zum maßgeblichen Zeitpunkt – dem Erlass des Widerspruchsbescheides – mangels Kenntnis nicht berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für den erst im Berufungsverfahren erfolgten Vortrag über die „traumatischen“ Erlebnisse durch die im Jahr 2011 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme und die hieraus resultierende
ausgeprägte Angst vor stationären Rehamaßnahmen. Soweit der Kläger im Erörterungstermin vom 26. Oktober 2021 vorgetragen hat, er habe auch einer Mitarbeiterin der Beklagten diese Erlebnisse geschildert, konnte er bereits nicht angeben, wann und in welchem Verfahrensstadium dies geschehen sein soll. Ohnehin wäre dies – den Vortrag unterstellt – kein relevanter Ermessensgesichtspunkt im Rahmen des § 51 Abs. 1 SGB V gewesen. Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter hat der Kläger eingeräumt, zu einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahme bereit gewesen zu sein. Die Frage der konkreten Rehabilitationsmaßnahme betrifft jedoch nicht die Aufforderung zur Antragstellung, sondern die vom Rentenversicherungsträger nach erfolgter Antragstellung zu treffende Entscheidung über die Bewilligung und Auswahl der Rehabilitationsmaßnahme. Auch das Vorbringen, Mitarbeiter des Rentenversicherungsträgers und der Agentur für Arbeit hätten von der Stellung eines Rehaantrages abgeraten, erfolgte erstmals im Erörterungstermin vom 26. Oktober 2021. Dass der Rentenversicherungsträger den Antrag nicht entgegengenommen hätte, wenn er ihn gestellt hätte, hat der Kläger ohnehin nicht vorgetragen. Außerdem gab er im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter ausdrücklich an, den Rehaantrag nicht gestellt zu haben, da er keine Umdeutung in einen Rentenantrag gewollt habe. Eine solche Umdeutung stellt aber gerade die gesetzgeberisch vorgesehene Möglichkeit dar. Der Einwand, die Statistik dokumentiere nicht, dass ein Kuraufenthalt jedenfalls zum Ende der Arbeitsunfähigkeit bzw. zum Beginn der Erwerbsminderungsrente führe, zielt auf die (allgemeine) Erfolgsaussicht einer Rehabilitationsmaßnahme, die aber aus den o.g. Gründen für die Aufforderung zur Antragstellung ohne Belang ist.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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