L 4 KR 1915/21 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 3452/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1915/21 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. April 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.



Gründe

Der Kläger wendet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Heilbronn (SG) vom 27. April 2021, mit dem seine auf Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 28. Juni 2019 bis 4. Juli 2019 gerichtete Klage abgewiesen wurde.

Der im Jahr 1993 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Kläger bezog bis 27. Juni 2019 Übergangsgeld von der Bundesagentur für Arbeit. Wegen einer Lumboischialgie wurde beim Kläger vom 25. Juni 2019 bis 12. Juli 2019 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, und zwar am 25. Juni 2019 (voraussichtlich bis 25. Juni 2019), am 26. Juni 2019 (voraussichtlich bis 5. Juli 2019) und am 5. Juli 2019 (voraussichtlich bis 12. Juli 2019). Die Bescheinigungen vom 25. und 26. Juni 2019 gingen bei der Beklagten am 8. Juli 2019 und die Bescheinigung vom 5. Juli 2019 ging bei der Beklagten am 15. Juli 2019 ein. Mit Bescheid vom 29. Juli 2019 lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld für den Zeitraum vom 28. Juni 2019 bis 7. Juli 2019 ab, da der Anspruch wegen der verspäteten Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen geruht habe. Für die Zeit vom 8. Juli bis 12. Juli 2019 gewährte die Beklagte ein kalendertägliches Krankengeld in Höhe von 19,88 € netto. Den mit der Begründung eingelegten Widerspruch des Klägers, er habe die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 25. und 26. Juni 2019 ordnungsgemäß per Post an die Anschrift der Beklagten in S, Tstraße , versandt, wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2019 zurück.

Mit seiner am 31. Oktober 2019 beim SG erhobenen Klage machte der Kläger geltend, alle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen an die Anschrift der Beklagten in S, Tstraße , gesandt zu haben. Eine andere Adresse sei ihm nicht bekannt. Da die Beklagte ihm jedoch mit Schreiben vom 14. August 2019 unter einer Adresse in S1 geantwortet habe, bestehe die Vermutung, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von S nach S1 weitergeleitet worden seien. Etwaige lange Postlaufzeiten könnten ihm nicht angelastet werden. Seines Erachtens beruhe der spätere Eingang ausschließlich darauf, dass wegen des Umzugs der Geschäftsstelle in S eine Verzögerung in der Postzustellung eingetreten sei. Die Beklagte habe durch den Umzug ihrer Filiale die Umstände geschaffen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verspätet angekommen seien. Sie habe ihn nicht über den Umzug informiert. Über einen Nachweis des Zugangs der Bescheinigungen bei der Beklagten verfüge er nicht.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies darauf, dass es sich bei der Anschrift in S1, auf die in ihren Schreiben hingewiesen werde, um ihre Postanschrift handele, für die Versicherten jedoch auch die Möglichkeit bestehe, ihre Post an die jeweiligen Geschäftsstellen zu richten. Sie weise jedoch darauf hin, dass die Ser Geschäftsstelle sich nicht mehr in der Tstraße  befinde, sondern zum 7. April 2017 in die Calwer Str. 16 umgezogen sei. Es sei Aufgabe des Klägers gewesen, vor dem Versand der Bescheinigungen die aktuelle Anschrift der Beklagten zu ermitteln. Gleichwohl habe der Umzug jedoch keine Auswirkungen, weil das bei der Post eingerichtete Routingverfahren an das Dienstleistungszentrum in S1 weiterhin Bestand habe. Durch das Postroutingverfahren komme es nicht zu einer zeitlichen Verzögerung des Posteingangs bei ihr.

Mit Urteil vom 27. April 2021 verurteilte das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 29. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Oktober 2019, dem Kläger für den Zeitraum vom 5. bis 7. Juli 2019 Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 19,88 € zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage mit der Begründung ab, der Anspruch des Klägers auf Krankengeld habe im Zeitraum vom 28. Juni bis 4. Juli 2019 gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) geruht, da der Kläger mit den Bescheinigungen vom 25. und 26. Juni 2019 seine Arbeitsunfähigkeit der Beklagten erst am 8. Juli 2019 und damit fast zwei Wochen später gemeldet habe. Die Wochenfrist sei damit nicht eingehalten. Ein früherer Zugang der Meldung lasse sich nicht nachweisen. Ein Ausnahmefall, bei dem aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung von der strikten Anwendung der Ruhensvorschrift abgesehen werden könne, liege nicht vor. Der Kläger sei weder geschäfts- oder handlungsunfähig gewesen, noch habe die Fristüberschreitung auf Umständen beruht, die in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fielen und der Kläger sei auch nicht durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert gewesen, seine Ansprüche zu wahren. Der Vortrag des Klägers, er habe keine Kenntnis vom Umzug der Geschäftsstelle in S gehabt, führe zu keiner anderen Wertung. Zum einen sei es, sofern der Kläger Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen per Post versende, seine Obliegenheit, die aktuelle Adresse der Beklagten zu recherchieren und zum anderen sei nicht nachvollziehbar, dass aufgrund dieses Umstandes die Meldung verspätet erfolgt sei. Insoweit habe der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass mit der Post ein Postroutingverfahren bestehe, wonach diese die Post der Beklagten filtere und an die Adresse in S1 weiterleite. Ein im Verantwortungsbereich der Krankenkasse liegendes Fehlverhalten oder ein dieser zurechenbares Risiko sei nicht erkennbar. Die Berufung sei nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien; insbesondere habe die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.

Gegen das den Bevollmächtigten des Klägers am 6. Mai 2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4. Juni 2021 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, die Berufung sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Der Rechtsstreit werfe die Frage auf, „ob der Umstand, dass die Krankenkasse ihre bisherige Geschäftsstelle umgezogen hat und darüber ihre Mitglieder nicht informiert hat und dass es infolgedessen zur Fristüberschreitung der Meldung kommt, in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fällt“. Des Weiteren sei fraglich, „ob es eine Obliegenheit des Versicherten, sofern er die AUB per Post versendet, jederzeit die aktuelle Adresse der Krankenkasse zu recherchieren ist“. Diese Konstellation sei bisher höchstrichterlich nicht geklärt. Sie sei im vorliegenden Rechtsstreit auch klärungsfähig, weil es bei der Entscheidung über die Zahlung des Krankengeldes auf die Klärung dieser Rechtsfrage ankomme. Die Entscheidung des SG sei zudem rechtsfehlerhaft, weil das Gericht seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) und seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) verletzt habe. Auf die Angabe des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung, es gebe mit der Post ein so genanntes Postroutingverfahren, wodurch an die Beklagte adressierte Poststücke, in eigener Verantwortung der Post an sie nach S1 gesandt würden und hieraus keine Verzögerungen resultierten, habe das SG „weitere Ermittlungen, um diese Behauptung der Beklagten zu prüfen … nicht vorgenommen“ und insbesondere „keine Anfrage diesbezüglich bei der zuständigen Postfiliale veranlasst“. Diese Behauptung habe das SG als entscheidungsrelevante Tatsache seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Auf diesen Verfahrensfehlern beruhe das Urteil des SG. Denn „hätte das SG die zuständige Postfilialen bezüglich des sogenannten Postroutingverfahrens ergänzend angefragt, so wäre es zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger die AU-Bescheinigungen rechtzeitig bei der Post abgegeben hat“.

Der Kläger beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. April 2021 zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass es nach dem Umzug der Geschäftsstelle in S aufgrund des Postroutingverfahrens keines Nachsendeauftrags bedurft habe. Dies bedürfe auch keiner weiteren Klärung, da es Aufgabe des Klägers gewesen sei, vor dem Versand der Bescheinigungen ihre aktuelle Anschrift zu ermitteln. Die Deutsche Post AG leite aufgrund des Routingverfahrens die Post ohne Zeitverzögerung automatisch an ihr Dienstleistungszentrum in S1 weiter. Dass der zwei Jahre zuvor erfolgte Umzug zu einer Fristüberschreitung geführt habe und in ihren Verantwortungsbereich falle, könne nicht nachvollzogen werden.

Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.


II.

1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. April 2021 ist statthaft (§ 145 Abs. 1 Satz 1 SGG) und gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.

Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 € nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert wird mit einem kalendertäglichen Krankengeldanspruch von 19,88 € netto für insgesamt sieben Tage (= 139,16 € netto) nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor.

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Diese Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

a) Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall hinaus dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle eine Klärung erfolgt (ständige Rechtsprechung des BSG seit dem Urteil vom 20. Dezember 1955 – 10 RV 225/54 – juris, Rn. 18, zur entsprechenden früheren Vorschrift des § 150 Nr. 1 SGG). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 13. Aufl. 2020, § 144 Rn. 28; vgl. dort auch § 160 Rn. 6 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung).

Der Rechtsstreit wirft keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung auf. Die für das Urteil des SG entscheidungserhebliche Frage, ob der Kläger seiner Meldeobliegenheit gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nachgekommen ist, indem er einen an die Geschäftsstelle der Beklagten in S adressierten Brief mit seinen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zur Übermittlung an die Beklagte in einen Postbriefkasten durch die Post einwarf, wobei er eine wegen Umzugs der Geschäftsstelle seit zwei Jahren nicht mehr aktuelle Anschrift verwendete, ist eine Frage der Umstände des Einzelfalles. Mit den vom Kläger formulierten Fragen, „ob der Umstand, dass die Krankenkasse ihre bisherige Geschäftsstelle umgezogen hat und darüber ihre Mitglieder nicht informiert hat und dass infolgedessen zur Fristüberschreitung der Meldung kommt, in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fällt“ und „ob es eine Obliegenheit des Versicherten, sofern er die AUB per Post versendet, jederzeit die aktuelle Adresse der Krankenkasse zu recherchieren ist“ macht der Kläger sinngemäß geltend, dass das SG eine materiell falsche Entscheidung getroffen habe, nicht aber, dass seine Entscheidung auf einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung beruht. Mit seinen Fragen wirft er keine Rechtsfrage im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG auf. Er hat keine konkreten Rechtsnormen bezeichnet, deren Anwendung und Auslegung in Frage stehen und sich nicht mit der bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandergesetzt.

b) Darüber hinaus liegt auch eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht vor.

Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des Sozialgerichts zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das Sozialgericht muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung jener Gerichte nicht übereinstimmt (vgl. hierzu Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 160 Rn. 13 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Einen Rechtssatz in diesem Sinn hat das SG in seinem Urteil vom 27. April 2021 nicht aufgestellt. Etwas Anderes hat auch der Kläger nicht behauptet. Er macht vielmehr geltend, es liege eine Fallkonstellation vor, die bisher nicht Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidung sei und rügt insbesondere die fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall, mit der die Nichtzulassungsbeschwerde nicht begründet werden kann.

c) Auch ein Zulassungsgrund gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG liegt nicht vor.

Danach ist die Berufung zuzulassen, wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren, nicht das Verwaltungs- oder Vorverfahren regelt. Der Mangel darf sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils beziehen, da es nicht um die Richtigkeit der Entscheidung geht, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil. Bei der Beurteilung, ob ein die Zulassung der Berufung rechtfertigender Verfahrensmangel unterlaufen ist, muss von der Rechtsauffassung des SG ausgegangen werden. Die Rüge eines Verfahrensmangels setzt voraus, dass bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die diesen begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung notwendig, dass und warum die Entscheidung des SG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht, auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (Keller, a.a.O., § 144 Rn. 32 f).

Der Kläger macht einen Verstoß gegen die sich aus § 103 SGG ergebende Amtsermittlungspflicht des Gerichts und seinen Anspruch auf rechtliches Gehör geltend, indem das SG es unterlassen habe, die „Behauptung der Beklagten zu prüfen“, dass es bei der Post ein so genanntes Postroutingverfahren gebe, wodurch die Post die Schriftstücke, die an die Beklagte adressiert sind, in eigener Verantwortung an diese nach S1 sende und daraus keine Verzögerungen resultierten, und insbesondere „keine Anfrage diesbezüglich bei der zuständigen Postfiliale veranlasst“ habe.

Die Unterlassung der beanstandeten Nachfrage begründet keinen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht, auf der die angefochtene Entscheidung beruhen kann.

Das SG führte aus, dass nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Meldung der Arbeitsunfähigkeit eine Obliegenheit des Versicherten ist, deren Folgen bei unterbliebener oder nicht rechtzeitiger Meldung grundsätzlich von diesem selbst zu tragen sind, wobei die Meldung in entsprechender Anwendung des § 130 Abs. 1 und 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erst dann erfolgt, wenn sie der Krankenkasse zugegangen ist. Bei verspäteter Meldung ist die Gewährung von Krankengeld selbst dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben sind und den Versicherten kein Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung trifft. Ein Ausnahmefall, bei dem nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung von der strikten Anwendung der Ruhensvorschrift abgesehen werden kann, liege nicht vor. Der Kläger sei nicht geschäfts- oder handlungsunfähig, die Fristüberschreitung beruhe nicht auf Umständen, die in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fielen und der Kläger sei auch nicht durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert, seine Ansprüche zu wahren. Das Vorbringen des Klägers, er habe keine Kenntnis vom Umzug der Geschäftsstelle der Beklagten in S gehabt, führe zu keiner anderen Wertung. Zum einen sei es eine Obliegenheit des Klägers – sofern er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen per Post versende – die aktuelle Adresse der Beklagten zu recherchieren und zum anderen sei es nicht nachvollziehbar, dass die Meldung aufgrund dieses Umstandes verspätet erfolgt sei, nachdem zwischen der Post und der Beklagten ein Postroutingverfahren bestehe, wodurch die Post der Beklagten gefiltert und an die Adresse in S1 weitergeleitet werde. Ein im Verantwortungsbereich der Krankenkasse liegendes Fehlverhalten oder ein der Krankenkasse zuzurechnendes Risiko, das eine abweichende Beurteilung erfordern würde, sei nicht erkennbar.

Ausgehend von seiner rechtlichen Sicht bestand für das SG im Hinblick auf das Routingverfahren keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen. Das SG ging davon aus, dass die Meldung der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V erst erfolgt ist, wenn sie der Krankenkasse zugegangen ist, die Folgen des nicht rechtzeitigen Zugangs bei Übersendung durch die Post grundsätzlich vom Versicherten zu tragen sind und im Zusammenhang mit dem Umzug der Geschäftsstelle in S schon deshalb keine im Verantwortungsbereich der Beklagten liegenden Fehler aufgetreten sind, weil der Kläger bei Übersendung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durch die Post selbst dafür verantwortlich ist, eine zutreffende Anschrift zu verwenden. Ausgehend hiervon musste sich das SG nicht gedrängt sehen, Ermittlungen von Amts wegen zu dem zwischen der Beklagten und der Post vereinbarten Routingverfahren durchzuführen. Denn soweit die Beklagte dieses Verfahrens selbst zwei Jahre nach dem erfolgten Umzug der Geschäftsstelle in S noch nutzte, diente es im Wesentlichen dazu, fehladressierte Schreiben, möglichst zügig und ohne Zeitverzögerung an die Geschäftsstelle in S1 umzuleiten. Mit dessen Einsatz sollten Fehler der auch vom Kläger begangenen Art (Angabe einer falschen Anschrift) möglichst kompensiert werden, nicht zuletzt auch deshalb, um bei der Übersendung von fristgebundenen Schriftstücken möglichst Rechtsnachteile der Versicherten zu verhindern. Ein damit zusammenhängendes Fehlverhalten der Beklagten, das Ermittlungen von Amts wegen hätte erfordern können, ist fernliegend.

Die angefochtene Entscheidung des SG kann unter Zugrundelegung des Vorbringens des Klägers auch nicht auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen. Insoweit macht der Kläger geltend, eine Anfrage bei den „zuständigen Postfilialen bezüglich des so genannten Postroutingverfahrens“ wäre zu dem Ergebnis gekommen, dass er „die AU-Bescheinigungen rechtzeitig bei der Post abgegeben hat“. Wie vom SG dargelegt, liegt mit der rechtzeitigen Aufgabe der Bescheinigungen zur Post noch keine Meldung der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V vor; erforderlich ist insoweit der Zugang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei der Beklagten. Auch das vom Kläger dargelegte Ergebnis der für erforderlich erachteten Ermittlungen hätte damit zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung geführt, die Entscheidung in der Sache mithin nicht beeinflusst.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

4. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

5. Das angefochtene Urteil des SG wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Rechtskraft
Aus
Saved