Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 05.05.2021 geändert.
Dem Kläger wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt R, E-Straße 90, N, beigeordnet.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für ein inzwischen erledigtes Klageverfahren.
Die Beteiligten stritten in der Hauptsache um das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen H und B. Das Verfahren endete durch klageabweisendes Urteil vom 21.04.2021.
Der Kläger hat am 06.09.2019 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben und wohl mit der Klageschrift, jedenfalls aber vor dem 14.10.2019 eine ausgefüllte „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Verfahrenskostenhilfe“ mit Anlagen bei Gericht eingereicht. Das SG hat den Klägerbevollmächtigten darauf hingewiesen, dass ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe bislang nicht gestellt worden sei. Es werde um Überprüfung gebeten, ob ein entsprechender Antrag gestellt werden solle; falls ja, solle der ab März 2020 geltende SGB-II-Bescheid übersandt werden. Daraufhin hat die Betreuerin des Klägers zunächst einen älteren Leistungsbescheid, auf Hinweis des SG sodann den seinerzeit aktuellen Leistungsbescheid übersandt. Nach einem weiteren Hinweis des SG an den Klägerbevollmächtigten, dass ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht gestellt worden sei, und Bitte um Überprüfung, hat die Betreuerin unter Bezugnahme auf das Hinweisschreiben mit Schriftsatz vom 07.04.2020 erneut eine ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen übersandt und mitgeteilt, sie übersende „den ausgefüllten und unterschriebenen Antrag auf Prozesskostenhilfe“. Das SG hat mit Verfügung vom 15.04.2020 und 25.01.2021 den Klägerbevollmächtigten erneut informiert, dass ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht gestellt worden sei, zuletzt mit dem weiteren Hinweis darauf, dass ein Antrag nunmehr mangels Erfolgsaussichten abzulehnen wäre. Der Klägerbevollmächtigte hat sodann mit Schriftsatz vom 03.02.2021 ein anwaltliches Schreiben vom 22.04.2020, mit dem er Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung beantragt, und ein Faxprotokoll vom selben Tag übersandt.
Das SG hat mit Beschluss vom 05.05.2021 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage zum Zeitpunkt der Antragstellung abzulehnen gewesen. Die Kammer gehe in diesem Zusammenhang davon aus, dass der Prozesskostenhilfeantrag erst am 12.02.2021 gestellt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe bereits das nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholte Gutachten des Sachverständigen vorgelegen, der zu der Einschätzung gelangt sei, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für die begehrten Merkzeichen H und B in der Person des Klägers nicht vorlägen. Unter Zugrundelegung dieses Gutachtens habe das SG die Klage abgewiesen. Soweit sich der Kläger darauf berufe, den Antrag auf Prozesskostenhilfe bereits per Fax gestellt zu haben, fehle es nach Auffassung der Kammer an einem entsprechenden Nachweis. Dem Faxprotokoll vom 22.04.2020 könne nicht entnommen werden, dass es der Schriftsatz vom 22.04.2024, in dem der Klägerbevollmächtigte für den Kläger Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung beantragt habe, gewesen sei, der am 22.04.2020 um 10:55 Uhr an das SG gefaxt worden sei. Die Kammer habe außerdem berücksichtigt, dass bereits mit Schreiben vom 04.03., 26.03 und 05.04.2020 darauf hingewiesen worden sei, dass zwar eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers bei Gericht eingegangen, ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe jedoch bislang nicht gestellt worden sei. Letztmalig mit Schreiben vom 03.06.2020 habe das Gericht an die Anfrage erinnert. Eine Reaktion sei wieder nicht erfolgt. Dies sei jedoch im Hinblick auf den, wie von dem Bevollmächtigten des Klägers vorgetragen, bereits vom 22.04.2020 datierten und per Fax gestellten Antrag zu erwarten gewesen. Die Kammer werte erst das am 12.02.2021 bei Gericht eingegangene Schreiben als Prozesskostenhilfeantrag. An diesem Tag sei, nachdem das Gericht mit Schreiben vom 25.01.2021 darauf hingewiesen habe, dass für den Fall, dass der Antrag nunmehr doch noch gestellt werden sollte, die Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten in Anbetracht des Gutachtens abzulehnen wäre, der Schriftsatz vom 03.02.2021 eingegangen.
Gegen den am 14.05.2021 zugestellten Beschluss hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 19.05.2021 Beschwerde eingelegt und vorgetragen, der „Ok-Vermerk“ in einem Faxsendebericht belege, dass eine Verbindung mit der genannten Nummer zustande gekommen sei. Das Gericht könne sich nicht auf ein bloßes Bestreiten des Zugangs zurückziehen, sondern habe im Rahmen einer sekundären Darlegungslast Angaben zu seinem Faxgerät zu machen sowie dazu, ob die Verbindung gespeichert werde sowie ob und wie ein Empfangsjournal geführt werde.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, die vorgelegen hat und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
II.
1. Die Beschwerde hat Erfolg.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, weil einer der Fälle des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht vorliegt.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Beteiligte, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können, erhalten gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Zu Unrecht hat das SG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife bzw. zum Zeitpunkt der Antragstellung (frühestmöglicher Zeitpunkt der Entscheidung) die Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten (mehr) geboten hat. Das SG hat dabei zu Unrecht den 12.02.2021 als Zeitpunkt der Entscheidungsreife über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R zugrunde gelegt. Dabei kann offenbleiben, wie der von dem Klägerbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 03.02.2021 übersandte Antrag nebst Fax-Sendeprotokoll zu werten ist. Denn der Kläger hat bereits durch Einreichung des Formulars zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen und durch die Schreiben der Betreuerin einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes gestellt. Bereits die Schreiben der Betreuerin vom 10.03. und 20.03.2020 dürften als Reaktion auf die richterlichen Hinweise so auszulegen sein, dass ein Antrag gestellt sein sollte. Jedenfalls aus dem Schreiben vom 07.04.2020 geht hervor, dass die Betreuerin einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellen wollte. Soweit das SG auf seine eigenen Hinweise verweist, dass ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht gestellt worden sei, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Auch ein stillschweigender Antrag auf Prozesskostenhilfe ist denkbar, wenn sich ein entsprechender Wille aus den Umständen eindeutig ergibt (Wache in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 117 Rn. 3). Dies ist hier der Fall. Aus den Umständen ergibt sich insbesondere auch, wessen Beiordnung beantragt werden sollte. Denn der Kläger war (nur) durch den Prozessbevollmächtigten, der ausweislich seines Briefkopfes als Einzelanwalt tätig ist, anwaltlich vertreten. Dies ergibt sich aus der vorgelegten Vollmachtsurkunde, die von der Betreuerin des Klägers unterschrieben ist. Diese wiederum konnte rechtswirksam einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellen; ihr als PKH-Antrag unter Beiordnung von Rechtsanwalt R auszulegendes Verhalten stellt damit eine wirksame Antragstellung dar.
Zum Zeitpunkt der Antragstellung und Entscheidungsreife (Vorlage der Unterlagen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse) über den Antrag waren der Klage Erfolgsaussichten noch nicht abzusprechen, denn das SG sah noch Ermittlungsbedarf, wie sich der Beweisanordnung vom 03.06.2020 entnehmen lässt. Die Klage erschien auch nicht mutwillig.
Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen waren und sind erfüllt. Der Kläger ist ausweislich der vorliegenden Erklärungen bedürftig. Er verfügt über kein im Rahmen des § 115 ZPO einzusetzendes Einkommen oder Vermögen, so dass ihm (ratenfrei) Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen gewesen ist. Die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten ist auch erforderlich i.S.v. § 121 Abs. 2 ZPO gewesen, weil sich auch ein bemittelter Antragsteller vernünftigerweise eines Rechtsanwalts bedient hätte.
2. Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§ 73a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO).
3. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar
(§ 177 SGG).