L 8 BA 80/21 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
8
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 21 BA 9/21 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 BA 80/21 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 11.6.2021 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.455,45 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Detmold vom 11.6.2021 ist nicht begründet.

Das SG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 22.12.2020 gegen den Bescheid vom 2.12.2020 zu Recht abgelehnt. Gleichermaßen ist auch die aufschiebende Wirkung der vor dem SG Detmold erhobenen Klage (Az. S 21 BA 69/21) gegen den mittlerweile ergangenen Widerspruchsbescheid vom 9.9.2021 nicht anzuordnen.

Es spricht nach der im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung derzeit nicht wie erforderlich (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 21.10.2020 – L 8 BA 143/19 B ER – juris Rn. 4 m.w.N.) mehr dafür als dagegen, dass sich der Bescheid, den der Antragsteller in Bezug auf Beiträge und Umlagen für die Tätigkeit der Herren J  und H in Höhe von insgesamt 25.821,78 Euro angefochten hat, als rechtswidrig erweisen wird. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung des SG Bezug, denen er sich vollumfänglich anschließt (vgl. § 142 Abs. 2 S. 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

Der Senat folgt der Einschätzung des SG, dass H und J in Bezug auf Ort, Zeit, Dauer und Art der Tätigkeit weisungsgebunden und in die Arbeitsorganisation des Antragstellers eingegliedert waren, da sie als seine Erfüllungsgehilfen zur Erfüllung seiner Vertragspflichten gegenüber seinen Auftraggebern mit seinen Betriebsmitteln tätig geworden sind. Die Beurteilung entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Einsatz von Fahrern ohne eigenes Fahrzeug (vgl. ausführlich z.B. Senatsurt. v. 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn. 51 ff.).

Dem Recht von H und J, einzelne Aufträge bei Verhinderung abzulehnen, kommt – entgegen der Auffassung des Antragstellers – für die Statusbeurteilung keine entscheidende Bedeutung zu, da eine solche Befugnis auch Arbeitnehmer haben, wenn sich mehrere Beschäftigungen überschneiden (vgl. z.B. BSG Urt. v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R - juris Rn. 28).

Soweit der Antragsteller in der Beschwerdebegründung behauptet, dass sowohl H als auch J die Fahrdienste mit eigenen Fahrzeugen durchgeführt hätten, hat er diesen Vortrag weder mit konkreten Zeiten und der genauen Angabe der genutzten Fahrzeuge präzisiert noch dies – wie gem. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) erforderlich – glaubhaft gemacht. Von einem derartigen Einsatz im streitigen Zeitraum ist nach bisheriger Aktenlage auch nicht auszugehen. So hat der Steuerberater des Antragstellers auf das Anhörungsschreiben der Antragsgegnerin angegeben, dass sich weder H noch J die vom Antragsteller im Rahmen seines Chauffeurgewerbes eingesetzten hochpreisigen Fahrzeuge hätten leisten können. Auch die vorgelegten Rechnungen belegen eine Nutzung eigener Fahrzeuge durch H und J bei den für ihn durchgeführten Tätigkeiten gerade nicht.

Dem wiederholenden Hinweis darauf, dass H und J für mehrere Auftraggeber tätig gewesen seien, kommt hier keine, die übrigen Merkmale verdrängende, wesentliche Bedeutung zu (vgl. z.B. BSG Urt. v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R – juris Rn. 28). Jedes Rechtsverhältnis bedarf einer eigenständigen Würdigung. Dabei können selbstständige Tätigkeiten und abhängige Beschäftigungen nebeneinander ausgeübt werden. Für die Abgrenzung zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbstständigen Tätigkeit ist auch nicht von Bedeutung, ob die Tätigkeit als Haupterwerbsquelle oder im Nebenerwerb ausgeübt wird und ob es sich um kurzfristige und seltene Arbeitseinsätze oder um eine verstetigte Geschäftsbeziehung handelt. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber ist keine Voraussetzung für das Vorliegen einer Beschäftigung (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 18.1.2021 – L 8 BA 16/20 B ER – juris Rn. 13). Dass H und J eigene Internetseiten betreiben und Mitglieder im Verband der Chauffeure sind, spricht aus den gleichen Gründen nicht entscheidend für eine selbstständige Tätigkeit in den vorliegend zu beurteilenden Tätigkeiten für den Antragsteller. Die damit verbundenen Kosten fallen gegenüber den hier besonders hohen Beschaffungskosten der die besondere Art der Dienstleistung prägenden und daher zu nutzenden Fahrzeuge nicht entscheidend ins Gewicht.

Die Existenz eigener Steuer-, Umsatzsteuer-Identifikations- und Betriebsnummern ist ebenfalls ohne Belang. Die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung wird durch die steuerrechtliche Bewertung nicht determiniert, da zwischen arbeits- und sozialrechtlicher Einordnung einerseits und ihrer steuerrechtlichen Behandlung andererseits keine wechselseitige Bindungswirkung besteht (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 14.6.2019 – L 8 BA 12/18 B ER – juris Rn. 6).

Soweit der Antragsteller geltend macht, dass H ihm Treibstoff, Kosten der Hotelübernachtung und Parkgebühren in Rechnung gestellt habe, ist dies ebenso kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Vielmehr wird daraus umgekehrt deutlich, dass H keinem relevanten unternehmerischen Risiko unterlag.

Zu Recht hat das SG der Befugnis von H und J, die Tätigkeit zu delegieren, keine maßgebliche Bedeutung beigemessen, da diese von einer Delegationsbefugnis – soweit ersichtlich – keinen Gebrauch gemacht hatten. Allein das bloße Bestehen der Möglichkeit, Dritte bei der Leistungserbringung einzuschalten, führt nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit im Rechtssinne (vgl. z.B. Senatsurt. v. 22.6.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn. 61).

Auch die Höhe der an H und J gezahlten Stundensätze spricht – wie bereits das SG zutreffend festgestellt hat – nicht entscheidend für eine selbstständige Tätigkeit. Sie ist nur eines von vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien, dem keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt, wenn die anderen für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkte – wie vorliegend – überwiegen (vgl. Senatsurt. v. 15.12.2021 – L 8 R 13/15 – juris Rn. 182).

Schließlich hat das SG auch bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass die Art und Weise, wie H und J die von ihnen angebotenen Leistungen bezeichnet haben, lediglich Ausdruck des Willens ist, die Rechtsfolge der Sozialversicherungsfreiheit herbeizuführen. Dem Parteiwillen kommt eine potentielle Bedeutung für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung jedoch nur dann zu, wenn er den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen. Nur unter diesen – hier nicht gegebenen – Voraussetzungen ist der Parteiwille als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen; hierdurch wird eine Selbstständigkeit jedoch nicht vorfestgelegt (vgl. z.B. Senatsurt. v. 15.12.2021 – L 8 R 13/15 – juris Rn. 182).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). 

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache einschließlich etwaiger Säumniszuschläge als Streitwert anzusetzen ist (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 22.4.2020 – L 8 BA 266/19 B ER – juris Rn. 30 m.w.N.).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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