1. Die Rücknahme einer Befreiungsentscheidung nach § 8 Abs. 1 SGB V betrifft allein subjektive Rechte des versicherten Arbeitnehmers. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitsgeber durch einen solchen Rücknahmebescheid nicht in eigenen Rechten verletzt ist und eine materielle Beschwer nicht besteht.
2. Bloße aus der Rücknahmeentscheidung resultierende, mit Kosten verbundene Folgewirkungen (im Sinne eines Reflexes) reichen in derartigen Fällen für die Annahme einer materiellen Beschwer nicht aus.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Verfahren erster Instanz sowie für das Berufungsverfahren auf 5.000 € endgültig festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich als Arbeitgeberin gegen die Rücknahme einer Befreiung von der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung, die ihrem beigeladenen Arbeitnehmer von der beklagten Krankenkasse erteilt worden ist.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ein Autohaus. Der 1962 geborene Beigeladene zu 2 ist bei ihr als Kfz-Meister beschäftigt. Sein Arbeitsentgelt überschritt in den Jahren 2002 bis 2014 die jeweils gültige Jahresarbeitsentgeltgrenze. Er ist seither bei der A AG privat krankenversichert. Mit dem monatlichen Gehalt zahlte die Klägerin ihm jeweils einen „freiwilligen Arbeitgeberanteil“ zur Kranken- und Pflegeversicherung aus. Im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2017 erhielt der Beigeladene zu 2 von der Klägerin ein jährliches Bruttoentgelt in Höhe von 48.809,20 €.
Am 16. Januar 2018 führte der beigeladene Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 1) bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Dabei stellte er fest, dass der Beigeladene zu 2 ab dem 1. Januar 2015 infolge Unterschreitens der besonderen Jahresarbeitsentgeltgrenze (§ 6 Abs. 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V –) in der Kranken- und Pflegeversicherung versicherungspflichtig geworden sei. Mit Schreiben vom 22. Februar 2018 hörte er die Klägerin deshalb zu einer Nachforderung zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 26.674,12 € für die Kalenderjahre 2015 bis 2017 an. Dabei führte er u.a. aus, im Rahmen der Betriebsprüfung habe keine Befreiung von der Krankenversicherung vorgelegt werden können.
Daraufhin beantragte der Beigeladene zu 2 bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht rückwirkend ab dem 1. Januar 2015. Er wies darauf hin, dass er den Antrag erst jetzt stellen könne, da erst im Rahmen der durchgeführten Betriebsprüfung festgestellt worden sei, dass er seit dem 1. Januar 2015 versicherungspflichtig geworden sei.
Mit an ihn und die Klägerin gerichteten Bescheiden vom 9. März 2018 befreite die Beklagte den Beigeladenen zu 2 ab dem 1. Januar 2015 von der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung.
Die Klägerin legte den Befreiungsbescheid der Beigeladenen zu 1 im Rahmen der Anhörung zum Erlass des Prüfbescheides vor. Mit Schreiben vom 26. März 2018 machte diese die Beklagte darauf aufmerksam, dass die Betriebsprüfung noch nicht abgeschlossen und der Befreiungsantrag zudem auch nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Monaten nach Beginn der Krankenversicherungspflicht gestellt worden sei, und forderte sie auf, den Bescheid vom 9. März 2018 deshalb nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2015 zurückzunehmen.
Mit wiederum an die Klägerin und den Beigeladenen zu 2 gerichtetem Bescheid vom 28. März 2018 nahm die Beklagte daraufhin den Bescheid vom 9. März 2018 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Entscheidung über Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit obliege nicht mehr der Einzugsstelle, wenn durch den Träger der Rentenversicherung ein Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bereits eingeleitet worden sei. Der Bescheid, dem die Beklagte eine Kopie des Schreibens der Beigeladenen zu 1 vom 26. März 2018 beifügte, enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.
Die Beigeladene zu 1 erließ in der Folge den angekündigten Prüfbescheid (Bescheid vom 8. Mai 2018), gegen den die Klägerin Widerspruch einlegte. Auf Antrag der Klägerin setzte die Beigeladene zu 1 den Vollzug der nacherhobenen Beitragsforderung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens aus (Bescheid vom 21. Juni 2018). In der Folge wurde das Widerspruchsverfahren ruhend gestellt.
Am 23. Mai 2018 beantragte die Klägerin vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten bei der Beklagten die Überprüfung des Bescheids vom 28. März 2018 nach § 44 SGB X. Zur Begründung trug sie vor, der Bescheid sei rechtswidrig, weil er an sie adressiert worden sei, es aber tatsächlich um die Frage gehe, ob der Beigeladene zu 2 von der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung befreit worden sei. Außerdem nenne der Bescheid keine Rechtsgrundlage. Allein der Hinweis auf das eingeleitete Betriebsprüfungsverfahren mache die Befreiungsentscheidung auch nicht rechtswidrig. Sie (die Klägerin) sei im Übrigen durch den Befreiungsbescheid nicht begünstigt worden.
Mit an den Beigeladenen zu 2 und die Klägerin gerichteten Bescheiden vom 24. Mai 2018 nahm die Beklagte den Bescheid vom 9. März 2018 daraufhin nochmals zurück, dieses Mal unter ausdrücklicher Nennung von § 45 SGB X als Rechtsgrundlage. Mit Schreiben vom selben Tag nahm sie zu dem Überprüfungsantrag der Klägerin Stellung und führte aus, sie könne die Rechtswidrigkeit der Bescheidrücknahme nicht erkennen. Die ursprünglichen Bescheide vom 8. März 2018 seien sowohl an die Klägerin als auch an den Beigeladenen zu 2 gegangen, sodass folgerichtig auch die Rücknahme der Bescheide an beide Adressaten erfolgt sei. Die Rücknahme beruhe auf § 45 SGB X. Der rechtswidrige Befreiungsbescheid vom 8. März 2018 stelle nicht nur gegenüber dem Beigeladenen zu 2, sondern auch gegenüber der Klägerin einen begünstigenden Verwaltungsakt dar. Sofern der Bescheid bestandskräftig bleibe, könne mit ihm gegenüber der Beigeladenen zu 1 der Nachweis über die Befreiung von der Versicherungspflicht erbracht werden und es entfalle dadurch ggf. die Nachberechnung der Beiträge für den Beigeladenen zu 2. Da in den Rücknahmebescheiden ein ausdrücklicher Hinweis auf die Rechtsgrundlage gefehlt habe, sei die Bescheidrücknahme nun gegenüber den ursprünglichen Adressaten erneut ergangen.
Gegen die „beiden Bescheide“ vom 24. Mai 2018 legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in deren Namen und im Namen des Beigeladenen zu 2 Widerspruch ein und führte aus, die Begründung der Beklagten für die Rücknahme der Befreiung sei nicht stichhaltig, insbesondere eine Begünstigung nicht zu erkennen. Denn sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene zu 2 hätten Beiträge zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung bezahlt und es sei völlig ungewiss, ob die private Versicherung eine Rückgewähr leisten werde. Deshalb bestehe für die Klägerin und den Beigeladenen zu 2 die Gefahr, dass sie rückwirkend belastet würden.
In der Folge meldete die Klägerin den Beigeladenen zu 2 im Wege der Datenübermittlung zum 1. Juli 2018 zur Gesetzlichen Krankenversicherung an. Entsprechend beantragte auch der Beigeladene zu 2 mit Schreiben vom 22. August 2018 bei der Beklagten die Aufnahme in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung zu diesem Datum. Den Antrag begründete er damit, dass er in diesem Jahr die gesetzliche Beitragsbemessungsgrenze nicht erreichen werde. Mit ihrem Antwortschreiben vom 6. September 2018 wies die Beklagte den Beigeladenen zu 2 darauf hin, dass eine Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung mit Wirkung zum 1. Juli 2018 aufgrund seines Lebensalters nicht möglich sei, da er zu diesem Zeitpunkt bereits das 55. Lebensjahr überschritten habe. Sie kündigte an, das Schreiben als Ergänzung zum laufenden Widerspruchsverfahren der Widerspruchsstelle vorzulegen. Mit weiterem Schreiben vom 6. September 2018 forderte sie die Klägerin zu einer Korrektur der Meldung auf.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2018, der auch im Namen der bei der Beklagten errichteten Pflegekasse erging, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 24. Mai 2018 zurück. Zur Begründung führte er aus, der Widerspruch richte sich gegen die Aufhebung des rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsaktes durch den Bescheid vom 24. Mai 2018. Der Rücknahmebescheid sei rechtmäßig. Damit der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ordnungsgemäß erhoben werden könne, bedürfe es der vorherigen Entscheidung über die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Diese Entscheidung treffe in der Regel die Krankenkasse als Einzugsstelle. Sie entscheide jedoch dann nicht, wenn bereits ein Betriebsprüfungsverfahren durch den Träger der Rentenversicherung eingeleitet worden sei. Das Betriebsprüfungsverfahren und das Verwaltungsverfahren der Beigeladenen zu 1 hinsichtlich der zu beurteilenden Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 2 seien zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung vom 9. März 2018 noch nicht abgeschlossen gewesen, weshalb die Befreiung von der Versicherungspflicht rechtswidrig gewesen sei. Da die rechtswidrige Entscheidung sowohl für die Klägerin als auch für den Beigeladenen zu 2 einen begünstigenden Charakter gehabt habe, seien für die Rücknahmen die Regelungen des § 45 SGB X zu beachten. Bei der Prüfung der Rücknahme bedürfe es einer Abwägung der Interessen der Klägerin mit den Interessen der Solidargemeinschaft. Das Vertrauen der Klägerin sei nicht schutzwürdig. Denn die Klägerin sei durch die Anhörung vom 22. Februar 2018 über die beabsichtigte Entscheidung der Beigeladenen zu 1 zur Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 2 informiert worden und habe zum Zeitpunkt der Befreiungsentscheidung am 9. März 2018 somit bereits Kenntnis von der Sach- und Rechtslage gehabt. Das Interesse der Solidargemeinschaft an einer rechtmäßigen Durchführung der Prüfung des Versicherungsstatus des Beigeladenen zu 2 durch die Beigeladene zu 1 überwiege somit das Interesse der Klägerin am Bestand der rechtswidrigen Entscheidung. Die Entscheidung zur Rücknahme sei aufgrund der durchgeführten Interessenabwägung nicht zu beanstanden.
Am 21. November 2018 erhob die Klägerin hiergegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage, mit der sie zunächst die Aufhebung des Bescheids vom 24. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Oktober 2018 begehrte. Nach einem richterlichen Hinweis des SG erweiterte sie mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 12. Oktober 2020 den Klageantrag um die Anfechtung auch des Bescheides vom 28. März 2018 und beantragte schließlich zuletzt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Oktober 2018 zu verpflichten, deren Bescheid vom 28. März 2018 zurückzunehmen. Zur Begründung der Klage machte sie geltend, die Bescheide vom 24. Mai 2018 seien rechtswidrig, da sie gegen das Wiederholungsverbot verstießen. Dieses gelte auch im Verwaltungsrecht als Grundsatz. Danach sei eine neue Entscheidung in einer Sache, die bereits unanfechtbar und unwiderruflich geregelt worden sei, inhaltlich rechtswidrig. Über die Rücknahme der Befreiung von der Versicherungspflicht habe die Beklagte bereits mit dem Bescheid vom 28. März 2018 entschieden, der unanfechtbar und unwiderrufbar geworden sei. Deshalb habe sie seine Rücknahme gemäß § 44 SGB X beantragt. Die Befreiung von der Versicherungspflicht sei für sie auch nicht begünstigend, da sie für den Beigeladenen zu 2 stets schon freiwillig Arbeitgeberbeiträge zur Pflege- und Krankenversicherung entrichtet habe. Im Übrigen führten die Hinweise des GKV-Spitzenverbandes zur Handhabung solcher Fallkonstellationen (Bezugnahme auf die Grundsätzlichen Hinweise zur Versicherungsfreiheit von Arbeitnehmern bei Überschreiten der Jahresarbeitsgrenze vom 22. März 2017) zu einer Benachteiligung von privat Krankenversicherten wie dem Beigeladenen zu 2. Denn danach werde zwar bei freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Arbeitnehmern, deren freiwillige Mitgliedschaft durch den Eintritt der Versicherungspflicht ende, aus verwaltungspraktischen Erwägungen das Versicherungsverhältnis nur zukunftsorientiert und im Rahmen von Betriebsprüfungen aufgrund von Absprachen mit den Rentenversicherungsträgern erst mit Beginn des Monats, der dem Datum des Prüfbescheids folge, umgestellt. Dies solle aber nicht gelten, wenn während der Versicherungsfreiheit - wie vorliegend - eine private Krankenversicherung bestanden habe. In diesem Fall ende die Versicherungsfreiheit mit dem Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze und zwar auch dann, wenn dieses z.B. im Rahmen von Betriebsprüfungen erst nachträglich festgestellt werde. Darin liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung und eine Belastung des Versicherten, da die private Krankenversicherung für Zeiten, in denen sie Leistungen erbracht habe, Beiträge nicht zurückerstatte. Damit entstehe letztlich eine Doppelversicherung.
Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid entgegen.
Das SG lud mit Beschluss vom 21. September 2020 den Rentenversicherungsträger, der die Betriebsprüfung bei der Klägerin durchgeführt hat (Beigeladene zu 1), sowie den betroffenen Arbeitnehmer der Klägerin (Beigeladener zu 2) zum Verfahren bei. Die Beigeladenen stellten keinen Antrag und äußerten sich auch nicht zur Sache.
Mit Urteil vom 22. Oktober 2020 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Beklagte habe mit dem Bescheid vom 24. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Oktober 2018 zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 28. März 2018 nach § 44 SGB X aufzuheben. Für das Vorliegen eines unrichtigen Sachverhalts lägen keine Anhaltspunkte vor. Darüber hinaus habe die Beklagte beim Erlass des Rücknahmebescheides rechtmäßig gehandelt. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme hätten gemäß § 45 SGB X vorgelegen. Der Bescheid vom 9. März 2018, mit dem der Beigeladene zu 2 von der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung vom 1. Januar 2015 bis einschließlich 31. Dezember 2017 befreit worden sei, sei sowohl für diesen als auch für die Klägerin ein begünstigender Verwaltungsakt gewesen. Zwar habe er sich unmittelbar an den Beigeladenen zu 2 gerichtet, habe aber aufgrund seiner Folgewirkung im Hinblick auf die nachzuentrichtenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge auch für die Klägerin einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet. Der Bescheid sei offensichtlich rechtswidrig gewesen, da die Beklagte für die Entscheidung über die Versicherungspflicht sachlich nicht zuständig gewesen sei. Denn die Entscheidungsbefugnis der Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe bestehe nicht, solange die Rentenversicherung eine Betriebsprüfung durchführe. Die Klägerin habe sich hier auch nicht auf Vertrauensschutz berufen können. Die Befreiung sei einerseits noch nicht bestandkräftig gewesen. Andererseits habe die Klägerin nicht dargelegt, welche Vermögensdispositionen sie aufgrund des Befreiungsbescheids getroffen habe, die sie nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könne. Die Beklagte habe auch das eingeräumte Rücknahmeermessen pflichtgemäß ausgeübt und sich bei Überwiegen des Interesses der Versichertengemeinschaft an einer ordnungsgemäßen Verbeitragung zu einer Rücknahme des fehlerhaften Bescheides entschlossen.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 28. Oktober 2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. November 2020 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt.
Zur Begründung trägt sie über das erstinstanzliche Vorbringen hinaus vor, der Beigeladene zu 2 wolle weiterhin privat krankenversichert bleiben. Er führe seine private Krankenversicherung auch fort. Er sei von der Beklagten nicht aufgenommen worden. Die Rücknahme der Befreiung von der Kranken- und Pflegeversicherung bedeute für sie eine erhebliche Belastung. Denn sie habe dem Beigeladenen zu 2 im streitigen Zeitraum freiwillig Beitragsanteile zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung gezahlt und werde jetzt nochmals für denselben Zeitraum mit einer Nachforderung der Beklagten konfrontiert. Dabei erfolge die Nachforderung für einen Zeitraum, in welchem die Beklagte keine Leistungen erbracht habe und dem Beigeladenen zu 2 auch keinen Versicherungsschutz geboten habe. Als Nachweise hat die Klägerin Gehaltsabrechnungen des Beigeladenen zu 2 von Januar bis April 2019 vorgelegt; insoweit wird auf Bl. 87 bis 90 der Senatsakte Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Oktober 2018 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und auch nicht zur Sache Stellung genommen.
Der frühere Berichterstatter hat am 11. Mai 2021 einen Erörterungstermin durchgeführt und die Beteiligten angehört (wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 11. Mai 2021 verwiesen, Bl. 82 f. der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verfahrensakten beider Instanzen sowie auf die beigezogene Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen zu 1 verwiesen.
Entscheidungsgründe
1. Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG; denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung bzw. einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt noch eine Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
2. Streitgegenstand des Verfahrens ist die Rücknahme der Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung, welche die Beklagte dem Beigeladenen zu 2 mit Bescheid vom 9. März 2018 für die Zeit ab dem 1. Januar 2015 erteilt hat. Streitbefangen ist insoweit der Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Oktober 2018 (§ 95 SGG). Der vorausgegangene Rücknahmebescheid vom 28. März 2018 ist hingegen nicht (mehr) Verfahrensgegenstand. Bei verständiger Würdigung (§ 123 SGG) macht die Klägerin im vorliegenden Verfahren keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 28. März 2018 im Wege der Überprüfung nach § 44 SGB X geltend (vgl. zur Rechtsnatur als subjektives Recht zuletzt: BSG, Urteil vom 29. März 2022 – B 12 R 2/20 R – juris, Rn. 19 m.w.N.). Denn der Rechtstreit betrifft entgegen der Auffassung des SG weder der Sache noch dem Inhalt der angefochtenen Bescheide nach ein solches Überprüfungsverfahren. So hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 24. Mai 2018, wie sie auch im Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2018 klargestellt hat, keine Entscheidung im Zugunstenverfahren bzw. über den Überprüfungsantrag der Klägerin vom 23. Mai 2018 getroffen. Vielmehr nahm sie den Befreiungsbescheid vom 9. März 2018 nochmals – nunmehr unter ausdrücklicher Angabe der Rechtsgrundlage – zurück. Nach ihrem erkennbaren Reglungswillen (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –) überprüfte bzw. wiederholte oder ergänzte sie dadurch nicht bloß den bereits ergangenen Rücknahmebescheid vom 28. März 2018, sondern traf die Rücknahmeentscheidung nach nochmaliger Sachprüfung erneut. Diese Regelungsabsicht ergibt sich vor allem aus ihrem an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin versandten Begleitschreiben vom 24. Mai 2018, in dem sich die Beklagte mit den Einwänden der Klägerin gegen den Bescheid im Einzelnen auseinandersetzte und explizit erklärte, dass die Bescheidrücknahme nun gegenüber den ursprünglichen Adressaten erneut ergehe, weil in den früheren Rücknahmebescheiden ein Hinweis auf die Rechtsgrundlage gefehlt habe. Die Beklagte wollte somit erklärtermaßen gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen zu 2 eine neue Rücknahmeentscheidung erlassen. Eine bloße Wiederholung des Verfügungssatzes des früheren Rücknahmebescheids, welcher der Regelungscharakter eines Verwaltungsaktes (§ 31 SGB X) selbst dann fehlt, wenn mit dem weiteren „Bescheid“ eine bisher fehlende Begründung nachgeholt wird (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 1991 – 1 RR 2/89 – juris, Rn. 14; Engelmann, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 31 Rn. 58), lag damit nicht vor. Ein Ergänzungsbescheid schied ebenfalls aus, weil es sich bei der Benennung der Rechtsgrundlage um ein bloßes Begründungselement des Verwaltungsakts handelt (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 – B 11 AL 19/09 R – juris, Rn. 21) und der Verfügungssatz des ursprünglichen Rücknahmebescheides vom 28. März 2018 somit bereits vollständig und nicht ergänzungsbedürftig war.
Der (erneute) Rücknahmebescheid vom 24. Mai 2018 ging auch nicht deshalb ins Leere, weil der Bescheid vom 9. März 2018 bereits durch den Bescheid vom 28. März 2018 aufgehoben worden war. Denn der Bescheid vom 9. März 2018 hatte sich dadurch nicht nach § 39 Abs. 2 SGB X erledigt (vgl. zu dem Grundsatz, dass erledigte Verwaltungsakte, die ihre Wirksamkeit verloren haben, nicht aufgehoben werden können: Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 8. Juli 2019 – 19 K 376.17 – juris, Rn. 43 m.w.N.). Dies folgt daraus, dass der Rücknahmebescheid vom 28. März 2018 nicht bestandskräftig wurde (§ 77 SGG). Zwar hat die Klägerin nicht innerhalb eines Monats (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG) Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. März 2018 erhoben. Allerdings lief hier eine einjährige Widerspruchsfrist (§ 84 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG), da der Bescheid vom 28. März 2018 keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt. Der Antrag bzw. die Anregung der Klägerin vom 23. Mai 2018 auf Überprüfung des Bescheids 28. März 2018 war danach - bei verständiger Würdigung (§ 123 SGG) - als fristgerechter Widerspruch gegen den noch nicht bestandskräftigen Bescheid vom 28. März 2018 zu werten. Im Ergebnis hat dies die Beklagte auch getan, da sie - wie bereits dargelegt - keine Überprüfungsentscheidung nach § 44 SGB X getroffen, sondern vielmehr in der Sache erneut entschieden hat. Die erste Aufhebungsentscheidung vom 28. März 2018 wurde im Widerspruchsverfahren durch den neuen Rücknahmebescheid der Beklagten vom 24. Mai 2018 unter diesen Umständen vollumfänglich ersetzt und verlor so mit Erlass dieses Bescheides gemäß § 39 Abs. 2 SGB X ihre Wirksamkeit.
Dass die Klägerin ihre Klage auf Hinweis des SG später um einen Verpflichtungsantrag erweitert und dass das SG im angefochtenen Urteil das eigentliche Klagebegehren und den Inhalt der angefochtenen Regelung falsch interpretiert hat, hat für das weitere Verfahren keine Bedeutung. Denn in einem solchen Fall muss das LSG als Berufungsgericht den geltend gemachten Anspruch selbst ermitteln und über diesen im Berufungsverfahren entscheiden (BSG, Beschluss vom 2. April 2014 – B 3 KR 3/14 B – juris, Rn. 8 ff.; Senatsurteil vom 10. Dezember 2021 – L 4 KR 3344/17 – www.sozialgerichtsbarkeit.de). Ein Fall der Klageänderung in der Berufungsinstanz liegt nicht vor. Der Senat hat vielmehr über die von der Klägerin erhobenen Ansprüche ohne Bindung an die Fassung der Anträge zu entscheiden und den Streitfall dabei im gleichen Umfang wie das SG zu prüfen (§ 123, § 157 Satz 1 SGG).
3. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
a) Die isolierte Anfechtungsklage der Klägerin ist zwar zulässig. Insbesondere ist die Klägerin im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG klagebefugt. Denn für die Klagebefugnis genügt bereits die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte (sog. formelle Beschwer; vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. November 2015 – L 11 R 1901/14 – juris, Rn. 20; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rn. 9 m.w.N.). Daran fehlt es nur, wenn dem Kläger das geltend gemachte Recht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen kann (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 1999 – B 11 AL 45/98 R – juris, Rn. 25; LSG Hessen, Urteil vom 14. April 2014 – L 1 KR 432/12 – juris, Rn. 20; Böttiger, in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 54 Rn. 48; Groß, in: Berchtold, SGG, 6. Aufl. 2021, § 54 Rn. 11). Eine Beschwer in diesem Sinne ist hingegen regelmäßig anzunehmen, wenn sich der Kläger als Adressat eines belastenden Verwaltungsaktes, der ein Recht entzieht, gegen diesen mit der Anfechtungsklage wendet (LSG Hessen, a.a.O.; Keller, a.a.O., Rn. 10; Bieresborn, in: Roos/Wahrendorf/Müller, beck-online Großommentar, Stand: August 2022, § 54 Rn. 110). Nach diesen Grundsätzen war die Klägerin berechtigt, die angefochtenen Bescheide gerichtlich anzufechten. Da mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 24. Mai 2018, der (auch) an sie adressiert und zugestellt wurde, ein ebenfalls (auch) ihr bekanntgegebener Befreiungsbescheid zurückgenommen wurde, lässt sich die von der Klägerin behauptete Verletzung eigener Rechte jedenfalls nicht von vornherein eindeutig ausschließen.
b) Die Klage ist jedoch nicht begründet. Denn die Klägerin wird durch den angefochtenen Bescheid tatsächlich nicht in eigenen Rechten verletzt.
Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes aufgrund einer Anfechtungsklage setzt voraus, dass der Kläger durch diesen in subjektiven Rechten verletzt und damit auch materiell beschwert ist (vgl. Keller, a.a.O., Rn. 9; Bieresborn, a.a.O. Rn. 131). Dies ist nur der Fall, wenn die Rechtsphäre des Klägers durch den erlassenen Verwaltungsakt betroffen ist (Groß, a.a.O., Rn. 17). Wird mit der Klage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt, der einer anderen Person erteilt wurde oder allein diese betrifft, hat die Anfechtungsklage deshalb selbst im Falle objektiver Rechtswidrigkeit des Bescheides nur dann Erfolg, wenn die angefochtene Verwaltungsentscheidung auch in eigene rechtlich geschützte Interessen des Klägers eingreift (BSG, Urteil vom 6. Februar 1992 – 12 RK 15/90 – juris, Rn 13; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. November 2015 – L 11 R 1901/14 – juris, Rn. 37 m.w.N.). Wann dies der Fall ist, lässt sich nicht generell beantworten, sondern richtet sich nach dem jeweiligen Rechtsgebiet. Dabei ist maßgebend, ob der angefochtene Verwaltungsakt gegen eine Rechtsnorm verstößt, die zumindest auch den Schutz individueller Interessen des Klägers bezweckt, m.a.W. die geltend gemachten rechtlichen Interessen vom Schutzzweck der dem Verwaltungsakt zugrundeliegenden Norm erfasst werden (BSG, Urteil vom 19. Dezember 2001 – B 11 AL 57/01 R – juris, Rn. 20; BSG, Urteil vom 6. Februar 1992, a.a.O.; BSG, Urteil vom 18. März 1999 – 12 RK 15/90 – juris, Rn 12; BSG, Urteil vom 10. Mai 2000 – B 6 KA 20/99 R – juris, Rn. 26). Nicht ausreichend ist eine bloße Reflexwirkung in dem Sinne, dass sich aus einer im Interesse der Allgemeinheit oder eines bestimmten Personenkreises erlassenen Norm zugleich auch eine Begünstigung des Klägers als Dritter ergibt (BSG, Urteil vom 19. Dezember 2001 – a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. November 2015 – a.a.O.). Ebenso wenig genügt eine Beeinträchtigung rein finanzieller, wirtschaftlicher, ideeller oder sonstiger berechtigter Interessen oder eine bloße Drittbindung infolge der Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes (BSG Urteil vom 6. Februar 1992 – a.a.O.; Bieresborn, a.a.O., Rn. 114 m.w.N.). Danach beeinträchtigen insbesondere sozialversicherungsrechtliche Statusentscheidungen Dritte grundsätzlich nicht in deren rechtlichen Interessen, wenn es sich um persönliche Rechte des Statusinhabers handelt, über die der Dritte nicht disponieren kann (Bieresborn, a.a.O., Rn. 114; Böttiger, a.a.O., Rn. 55). Bloße aus der Statusentscheidung resultierende, mit Kosten verbundene Folgewirkungen reichen in derartigen Fällen für die Annahme einer materiellen Beschwer nicht aus (BSG, Urteil vom 24. März 2016 – B 12 KR 5/14 R – juris, Rn 21; BSG, Urteil vom 24. März 2016 – B 12 KR 6/14 R – juris, Rn 20).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist eine rechtliche Beschwer der Klägerin durch den angefochtenen Bescheid nicht festzustellen. Denn der Bescheid betraf allein die Rechtsstellung des Beigeladenen zu 2. Zwar gab die Beklagte den streitgegenständlichen Rücknahmebescheid - wie den ursprünglichen Befreiungsbescheid vom 9. März 2018 - gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 SGB X auch der Klägerin als betroffenen Arbeitgeber bekannt (vgl. hierzu Vossen, in: Krauskopf, Soziale Kranken- und Pflegeversicherung, Stand: April 2022, § 8 SGB V Rn. 33; Simon, in: Berchtold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, 2. Aufl. 2018, § 8 Rn. 39). Für die Beurteilung der Beschwer ist jedoch nicht maßgebend, an wen die Behörde ihre Entscheidung gerichtet hat, sondern was die Entscheidung regelt (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2001 – B 11 AL 57/01 R – juris, Rn. 19). Regelungsgegenstand der Bescheide war die Befreiung des Beigeladenen zu 2 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung bzw. deren Rücknahme. Materiell-rechtlich lag den Bescheiden damit die Vorschrift des § 8 Abs. 1 SGB V zugrunde. Danach wird auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wer u.a. wegen Änderung der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 6 Satz 2 oder Abs. 7 SGB V versicherungspflichtig wird (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Die Befreiung von der Versicherungspflicht erfolgt nach dieser Regelung nur auf Antrag, wobei antragsberechtigt - im Unterschied zur Rechtslage in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 SGB VI) - lediglich der versicherungspflichtig gewordene Arbeitnehmer ist (Hampel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, Stand; Juni 2020, § 8 Rn. 112; Moritz-Ritter, in: Hänlein/Schuler, SGB V, 6. Aufl. 2022, § 8 Rn. 15). Ihm allein räumt die Norm ein subjektives öffentliches Recht auf Erteilung einer Befreiung von der Versicherungspflicht ein (Berchtold, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 7. Aufl. 2021, § 8 SGB V Rn. 2). Allein von seinem Willen ist bei Vorliegen der Voraussetzungen der Eintritt der Befreiung somit abhängig (Rademacker, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Oktober 2019, § 8 Rn. 98). Der Arbeitgeber hat keine rechtliche Einwirkungsmöglichkeit auf die Entschließung des Arbeitnehmers und auf das Antragsverfahren (BSG, Urteil vom 24. Juni 1981 – 12 RK 12/81 – juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 17. März 1981 – 12 RK 33/80 – juris, Rn. 15; Hampel, a.a.O.). Der Befreiungstatbestand bei infolge der Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze eingetretener Versicherungspflicht hat nach seinem Sinn und Zweck insoweit ausschließlich die Interessen von Arbeitnehmern im Blick, die vorher nicht dem sozialen Sicherungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung angehörten, indem er ihnen die Möglichkeit eröffnet, sich gegen den Versicherungsschutz in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu entscheiden und an der bisherigen Absicherung durch eine private Krankenversicherung festzuhalten (Vossen, a.a.O., Rn. 2; Peters, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: März 2022, § 8 SGB V Rn. 2). Ein Rechtssatz, der zumindest auch den Individualinteressen des Arbeitgebers zu dienen bestimmt ist, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Dies schließt eine Anfechtung der Erteilung, Verweigerung oder Rücknahme der Befreiungsentscheidung der Krankenkasse durch den Arbeitgeber aus.
Der Senat verkennt nicht, dass die auf einen Antrag des Arbeitnehmers ergehende Befreiungsentscheidung der Krankenkasse – wie hier der Befreiungsbescheid der Beklagten vom 9. März 2018 – als rechtsgestaltender Verwaltungsakt auch den Arbeitgeber begünstigt, weil sie ihn von der Pflicht zur Beitragsentrichtung freistellt, weshalb der Arbeitgeber in einem Rechtstreit zwischen dem Arbeitnehmer und der Krankenkasse um die Befreiung von der Versicherungspflicht auch regelmäßig notwendig beizuladen ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 1981 – a.a.O.; BSG, Urteil vom 17. März 1981 – a.a.O.). Hierbei handelt es sich jedoch um eine bloße Reflexwirkung der in § 8 SGB V vorgesehenen Befreiungsentscheidung zugunsten des Arbeitnehmers. Denn die Vorschrift dient - wie dargelegt - nicht dem Schutz der Interessen des Arbeitgebers oder gar dessen Entlastung von Beitragszahlungen. In Fällen wie dem vorliegenden bildet - aufgrund der auch allein angefochtenen Bescheide der beklagten Krankenkasse - insoweit auch ausschließlich der versicherungsrechtliche Status des Arbeitnehmers den Streitgegenstand des Rechtsstreits, wobei es sich bei dessen Befreiungsmöglichkeit - wie dargestellt - um ein persönliches Recht handelt. Über die sich daran mittelbar anschließenden Fragen einer Beitragserhebung, insbesondere welche Person bei einer Ablehnung oder Rücknahme der Befreiung die Krankenversicherungsbeiträge für die Pflichtmitgliedschaft zu entrichten und zu tragen hat, ist in dem Rechtstreit nicht zu befinden. Dementsprechend ist vorliegend auch nicht darüber zu entscheiden, ob eine Beitragsnacherhebung für den Beigeladenen zu 2 - wie die Klägerin geltend macht - gegen das versicherungsrechtliche Äquivalenzprinzip verstoßen (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. März 2012 – L 11 KR 4952/10 – juris, Rn. 42 ff.) oder eine unangemessene Belastung bedeuten würde. All diese Fragen betreffen bloße aus der streitbefangenen persönlichen Statusentscheidung des Beigeladenen zu 2 resultierende finanzielle Folgewirkungen, welche nach der neueren Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 24. März 2016 – a.a.O.; BSG, Urteil vom 24. März 2016 – a.a.O.) für die Annahme einer materiellen Beschwer nicht ausreichen. Übereinstimmend hiermit erfolgt in Rechtsstreitigkeiten zwischen dem antragsberechtigten Arbeitnehmer und der Krankenkasse über die Befreiung eine notwendige Beiladung des Arbeitgebers prozessual auch nicht deshalb, weil durch die erstrebte gerichtliche Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 8 SGB V in eine (eigene) Rechtsposition des Arbeitgebers eingegriffen wird, sondern weil diese unmittelbar auch die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber betrifft und die Entscheidung nur einheitlich ergehen kann, was für eine echte notwendige Beiladung gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 SGG ausreicht.
Nach allem war die Anfechtungsklage abzuweisen, da die Klägerin durch die Rücknahme der dem Beigeladenen zu 2 erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung rechtlich nicht beschwert ist. Die angefochtene Entscheidung des SG stellt sich aus diesem Grund im Ergebnis als richtig dar.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Nachdem sich die Beigeladenen am Verfahren auch in der Berufungsinstanz nicht beteiligt haben, entsprach es nicht der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO).
5. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2 und § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und die Korrektur der Streitwertfestsetzung für die erste Instanz auf § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG (vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 197a Rn. 5 m.w.N.). Als Grundlage für die Streitwertbemessung ist vorliegend nicht die zu erwartende Höhe der nachzuentrichtenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge heranzuziehen. Denn Anknüpfungspunkt für die Bemessung des Streitwerts ist gemäß § 52 Abs. 1 GKG allein der Antrag der Klägerin. Umstände, die über den konkreten Antrag hinausgehen, haben bei der Streitwertfestsetzung außer Betracht zu bleiben (vgl. Senatsbeschluss vom 10. November 2020 - L 4 BA 1107/20 B – juris, Rn. 6 m.w.N.). Die vorliegende Klage gegen die Rücknahme einer Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 8 SGB V betrifft ebenso wie eine Klage auf Erteilung eines solchen Befreiungsbescheides weder eine bezifferte Geldleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt im Sinne von § 52 Abs. 3 GKG (für die Befreiung vom Lastenausgleich: BSG, Urteil vom 8. Dezember 2021 – B 2 U 12/20 R – juris, Rn. 21). Die mit der Rücknahme der Befreiungsentscheidung mittelbar verknüpfte Beitragsnacherhebung der Beigeladenen zu 1 als Prüfstelle (§ 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV) gehört zu den Umständen, die über den Klageantrag hinausgehen. Der Streitwert für das Verfahren ist deshalb in beiden Rechtszügen nach dem Regelstreitwert in Höhe von 5.000 € zu bemessen (§ 52 Abs. 2 GKG).
6. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.